Wilhelm Konrad Roentgen und die X-Strahlung
[116a] Wilhelm Konrad Roentgen und die X-Strahlung. Bei dem großen Aufsehen, das die Entdeckung des Würzburger Physikers Roentgen allenthalben erregt (vgl. Nr. 5 dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“), werden den Lesern einige genaue Angaben über seinen bisherigen Lebensgang willkommen sein. Wilhelm Konrad Roentgen ist geboren am 27. März 1845 zu Lennep, Regierungsbezirk Düsseldorf, und daher nicht, wie vielfach geschrieben worden ist, Holländer von Geburt. Nach Abschluß seiner Gymnasial- und Universitätsstudien, veröffentlichte er noch vor seiner am 12. Juni 1869 in Zürich erfolgten Promotion eine Untersuchung über die Bestimmung des Verhältnisses der spezifischen Wärme der Luft. Er hatte dieselbe im physikalischen Laboratorium der Universität Zürich auf Anregung seines Lehrers August Rundt ausgeführt.
Am 22. Dezember 1870 folgte er diesem an die Universität Würzburg, und als Rundt dann nach Straßburg zog, begleitete ihn Roentgen am 11. Mai 1872 als Assistent an das Physikalische Institut der Universität der Reichslande. Dort habilitierte er sich im März 1874 als Privatdozent, wurde am 7. April 1875 an die Landwirtschaftliche Akademie in Hohenheim (Württemberg) berufen und zwar als ordentlicher Professor, und erhielt sodann am 11. April 1876 einen Ruf als außerordentlicher Professor an die Universität Straßburg. Am 10. April 1879 ging er als ordentlicher Professor und Direktor des Physikalischen Instituts an die Universität Gießen, um von dort am 31. August 1888 als ordentlicher Professor und Direktor des Physikalischen Instituts in Würzburg an diese Universität berufen zu werden, fürwahr ein würdiger Nachfolger Kohlrauschs! Einen im Februar an ihn ergangenen ehrenvollen Ruf nach Freiburg lehnte Roentgen ab, was ihm seitens der bayrischen Regierung warme Anerkennung eintrug. 1893/94 bekleidete Roentgen an der Würzburger Universität die Würde des Rector magnificus, und beim 200jährigen Jubiläum der Universität Halle hatte er die Alma Julia zu vertreten. – Die praktische Verwertung der epochemachenden Entdeckung des deutschen Naturforschers ist indessen im vollen Gange. Ueberall werden Photographien vermittelst der X-Strahlen aufgenommen, und vor allem sucht man das neue Verfahren in den Dienst der Heilkunde zu stellen. Es ist mit ihm in der That möglich, über allerlei Veränderungen, Verdickungen oder Brüche der Knochen sich Klarheit zu verschaffen, ebenso vermag der Arzt, die Lage eingedrungener metallischer Fremdkörper, wie Nadeln, abgebrochener Messerklingen und Kugeln, genau zu bestimmen. Unsere Abbildung ist die Wiedergabe der Photographie einer Hand, die von Dr. Baur, Dr. Fischer und Dr. Lettermann in Darmstadt aufgenommen wurde. Wir sehen auf ihr ganz deutlich die Kugel an einem der Mittelhandknochen als einen dunklen runden Fleck verzeichnet. Doch damit ist die Verwendbarkeit der Photographie mittels der X-Strahlen für Zwecke der Heilkunde nicht erschöpft. Es steht bereits fest, daß man auch Blasen- und Gallensteine mit ihrer Hilfe wird nachweisen können, ja bei späterer Vervollkommnung wird sie uns auch Aufschluß über die Gestaltung innerer weicher Organe geben können.