Wirtembergisches Urkundenbuch (Rezension von Siegfried Rietschel)
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Mit dem vorliegenden 10. Bande, der die 5 Jahre 1292–1296 umfaßt, geht das Wirtembergische Urkundenbach seinem Abschlusse entgegen. Der noch ausstehende 11. Band wird das große Unternehmen bis zu dem als Endpunkt ins Auge gefaßten Jahre 1300 führen; die späteren Urkundenschätze des schwäbischen Landes werden in Urkundenbüchern der einzelnen Städte, Territorien und Klöster zur Veröffentlichung gelangen, wie sie schon seit längerer Zeit von der Königl. Württembergischen Kommission für Landesgeschichte veranstaltet werden. Nicht bloß wissenschaftliche, sondern auch praktisch politische, [404] staatsrechtliche Gesichtspunkte waren bestimmend, als man in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Plan zu einem Wirtembergischen Urkundenbuche faßte, dessen 1. Band vor nunmehr 60 Jahren in politisch bewegter Zeit 1849 erschien. Man wollte die älteren Titel, auf welche die Grafen von Wirtemberg und die übrigen Rechtsvorgänger des späteren württembergischen Königshauses ihre territorialen Rechte stützten, in einer Sammlung veröffentlichen. Deshalb das strenge Festhalten an der ungekürzten Wiedergabe des Originals, deshalb die genauen Angaben über den Aufbewahrungsort der Urkunde, deshalb endlich die Gründlichkeit in der Feststellung der von den Urkunden erwähnten Ortschaften, alles Grundsätze, die uns heute bei der Edition älterer Urkunden als selbstverständlich erscheinen, die es aber in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts durchaus noch nicht waren. Der politisch-staatsrechtliche Zweck des Urkundenbuchs ist bald in den Hintergrund getreten, aber die Gründlichkeit und Akribie der Edition ist geblieben, als auf den ersten Herausgeber, Kausler, der jüngere Stälin, und auf diesen wieder Eugen Schneider und sein getreuer Mitarbeiter Mehring folgten. Sie haben dafür gesorgt, daß das Wirtembergische Urkundenbuch in allen seinen späteren Bänden auf der Höhe der Zeit blieb und seinen angesehenen Platz unter den deutschen Urkundenpublikationen mit Ehren behauptete. Und wenn auch in neuerer Zeit die Stimmen sich mehrten, die derartigen ein größeres Territorium umfassenden Urkundenbüchern nicht günstig waren, so wird doch der Rechtshistoriker den Herausgebern dankbar sein, daß sie den einmal in Angriff genommenen Plan wenigstens bis zum Jahre 1300 durchzuführen beschlossen. Liefern doch gerade manche etwas weltabgelegene Gegenden, deren Urkundenvorräte nicht so leicht eine Spezialedition erfahren, dem Rechtshistoriker, den weniger das politisch Bedeutsame, als das Typische und Zuständliche interessiert, ein ganz besonders interessantes Material. Das gilt für den vorliegenden Band vor allem von den Urkunden der beiden Zisterzienserklöster Herrenalb und Bebenhausen, die uns in die Waldrechte des Schwarzwalds und Schönbuchs interessante Einblicke gewähren.
Tübingen.