Zedler:Inngrün, Sinngrün, Wintergrün
Inngrün, Sinngrün, Wintergrün, (weil die Blätter allezeit grün bleiben,) Weingrün, (weil es den trüben und abgefallenen Wein, wieder zu rechte bringen soll, wenn man es etliche Tage ins Faß leget und feste vermachet,) Mägde-Palmen, (Palma virginea, Corona virginea) Toden-Violen, Lateinisch Viola mortuorum, Beer-Winckel, Lateinisch Peruinca, Vinca Peruinca, Ossic. Frantzösisch Peruanche, Italiänisch Prouinca, Spanisch Peruinqua, ist ein Kraut, von dem es zwey Haupt-Sorten giebet. Die gemeinste, oder die am meisten zur Artzney gebrauchet wird, heisset Peruinca vulgaris angustifolia, flore caeruleo, Pit. Tournef. Peruinca, quod semper vireat, Trag. Peruinca vulgo, Cas. Vinca peruinca minor, Ger. Vinca peruinca minor vulgaris, Park. Clematis daphnoides minor, C. B. J. B. Raji Hist. Chamaedaphne altera Dioscoridis, Brunf. 4. Clematis, Matth. Clematis daphnoides, Dod. Lob. Clus. Clematis daphnoides minor, flore caeruleo, J. B. Chamaedaphne, Plin. Κληματὶς δαφνοιδἐς, Diosc. Plin. Hist. Nat. XXI. 11. Virga virea. Die treibet gar viel Rancken, oder dünne, schlancke, lang und runde, grüne, knotigte Stengel, die auf dem Boden herum kriechen, und sich an alles hängen, was ihnen vorkommet. Die Blätter sind länglicht, grün und glatt, so dicke, wie das Epheu-Laub, und auch also gefärbet. Sie sehen wie die Lorbeer-Blätter, doch sind sie um ein gutes kleiner, stehen Paar-Weise einander gegen über, und sitzen an kleinemn kurtzen Stielen, haben einen anziehenden und bittern Geschmack. Die Blüthe ist ein Röhrlein, das oben ausgeschweiffet ist, als wie ein Credentz- oder Schenck-Teller und in fünff Theile zerschnitten, gemeiniglich blau, jedoch bisweilen weiß, gar selten roth, und ohne Geruch. Nach der Blüthe kommt die Frucht, aus zweyen Schoten bestehend, darinne länglichte fast Cylindern-förmige Saamen zu befinden, welche insgemein tieffe Striche haben. Die Wurtzel ist zaserig. Die andere Sorte heisset Peruinca vulgaris latifolia, Pit. Tournefort. Peruinca minor, Ad. Eyst. Peruinca altera maior, Casalp. Clematis daphnoides maior, flore caeruleo & albo, J. B. Raji Hist. Clematis daphnoides maior, C. B. Clematis, siue Peruinca maior, Lob. Clematis daphnoides latifolia, siue Vinca peruinca maior, Park. Diese ist von der vorhergehenden darinne unterschieden, daß alle ihre Theile um ein gutes grösser sind. Beyde Arten wachsen an feuchten Orten im Holtze: sie bleiben beständig grüne, und führen viel Oel, aber nicht eben gar viel Sal essentiale. Inngrün ist ein herrliches Wund-Kräutlein, wärmet, trocknet und ziehet zusammen, wird wieder allerhand Bauch- und Blut-Flüsse, als rothe Ruhr, starcken Weiber-Fluß, Golden-Ader-Fluß, Nasenbluten, Blutspeyen, weissen Weiber-Fluß, auch Wasser- und Schwindsucht gerühmet. Es ist gut vor das geronnene Blut, und bekommet denen wohl, so gefallen und von innen sich versehret haben. Pulverisirtes Inngrün mit Beyfuß-Wasser und Grind-Kraut-Syrup offtmahls gebrauchet, thut denenjenigen wunderbare Dienste, welche sich die Rippen im Leibe zerfallen haben, A. Weickard. IV. Thes. Pharm. Einige loben es in denen Zauber-Kranckheiten. Jo. de Cuba in Hort. San. spricht, über welche Haus-Thüre das Kraut Inngrün gehänget wird, dessen Einwohner sind vor der Zauberey gesichert. Die Blätter zerstossen und in die Nasen-Löcher gethan, stillen das Nasenbluten; oder man binde das Kraut um den Hals und unter die Achseln, oder lege es auf die Scheitel des Haupts. Jo. Costeus de Nat. Stirp. 1. 24. zeiget an, daß er offt gesehen, wenn man die Blätter lang in dem Munde gehalten, sich das Nasenbluten davon gestillet habe. Solches bekräfftiget Gabelchouer. Cent. 5. Obs. med. 36. Pflaster-Weis über die Schaam geleget, stillet die überflüßige Weiber-Zeit, und lässtet die schwangern Frauen in keine unzeitige Geburth gerathen. Mattbiolus will, man solle in diesem Falle, das frische Kraut denen Weibern oben an beyde Schenckel binden: Gestossen und auf den Wurm am Finger geleget, ist ein geheimes und sicheres Mittel: Es heilet auch alle Versehrungen des Halses, mit unter die Gurgel-Wasser genommen. Es ist ein sehr vortrefflich Kraut zu dem verletzten Halse, schreibet Jo. Agricola in Inst. Chir. f. 223. und in Chirurg. paru. Tr. 10. dergleichen fast keines zu finden, und so sich die Flüsse auf den Zapfen legen und zugleich die Mandeln davon geschwellen, also, daß der Mensch vermeynet, er werde davon ersticken müssen, solches in Wasser gesotten, und damit gegurgelt, ziehet den Schleim mit Verwunderung heraus, und machet wieder weite Lufft. Carol. Musitau. Trut. Chir. P. 1. 41. Dahero Guerthaus in Adpend. ad Mizald. Cent. Inngrün vor ein besonders Mittel der Hals-Bräune angiebet. Etliche schreiben diesem Kraute auch eine eröffnende und treibende Krafft zu, also, daß es auch die Monath-Zeit und Geburth befördere. Agricola Chir. Paru. l. c. Friedr. Hofmann Animaduers. in Pharm. Med. Chym. Schroed. IV. s. i. Die Blätttr zu Pulver gestoffen, und des Morgens und Abends ein Quintlein schwer mit warmen Bier eingenommen, oder das Kraut mit Aniß- oder Fenchel-Saamen in Wasser gesotten, und davon getruncken, mehret denen Säug-Ammen die Milch, und bringet die verlohrne wieder. Adr. Spiegel. Isagog. in rem. herb. 11. 4. Jo. Branot. in Med. Paup. Hier. Fabr. ab Aquapendent. Oper. Chir. p. 2. 49. Dahero es von Maur. Hofmann in Cat. Plant gar schön Πολὺγαλαχ τοποὶος genennet wird. Man kan es auch zu Wiederbringung und Vermehrung der Milch äusserlich auf die Brüste legen; wiewohl Jo. von Beverwyck offt gesehen, daß ein Cräntzlein davon, um die Brust getragen, die Milch in zweyen oder dreyen Tagen sich verlohren und ausgetrocknet. Die Wein-Händler wissen die trübe und abgefallene Weine wiederum lauter damit zu machen. Die Alten haben denen verstorbenen jungen Leuten Cräntze daraus gemachet und aufgesetzet, und daher es Toden-Violen, und Toden-Kraut genennet. H. Tragus in Herbar. P. 1. 130. schreibet: er habe anno 1535. auf St. Marx-Tag einen Toden-Kopf sehen ausgraben, welcher mit diesem Kraut gekrönet, und noch unversehrt auf dem Kopf gewesen. Das Kraut zu Asche verbrannt, und in die frische Wunde gestreuet, heilet sie bald, solches verrichtet auch der Safft und Pulver von Kraute in die Wunden gethan. Den Safft in die Ohren getröpffelt, benimmt dererselben Schmertzen. In etlichen Apothecken hat man davon ein destillirtes Wasser, welches in der rothen Ruhr und Durchbrüchen gepriesen wird. Es hilfft auch den Menschen von der Zauberey oder verzauberten Liebe und andern dererselben Kranckheiten, des Morgens nüchtern und Abends vor dem Nacht-Essen getruncken: vertreibet das gelieferte Blut aus dem Leibe: den Mund damit ausgewaschen, heilet es das faule Zahn-Fleisch und Geschwerlein des Mundes: damit gegurgelt, treibet das herabhängende Zäpflein wieder hinauf, und befestiget es wunderbarlich. Carol. Musitan. Peruinca kommt von peruincere, überwinden, überstehen. Dieser Name ist dem Kraute deswegen beygeleget worden, dieweil es immer grün zu bleiben pfleget, und soll so viel bedeuten, als ein Kraut, das die Schärffe des Winters überstehet, dahero es auch von denen Alten Victoria genennet worden. Vinca kommt von vincere, überwinden, und ist dieser Name um eben solcher Ursachen willen ihme gegeben worden. Clematis kommt von κλῆμα, palmes, virga, Rebe, Rancke, Ruthe; weil dieses Kraut so lange Ruthen oder Rancken treibet, Daphnoides kommet von Daphne, Lorbeer-Baum: weil die Blätter dieses Krautes, dergestalt nach, denen Lorbeer-Blättern ähnlich sehen. Chamaedaphne kommt von Χαμὰι, humi, Erdboden, und δάφνη, Laurus, Lorbeer-Baum, als ob man sagen wolte, niedriger Lorbeer-Baum.