Zedler:Mühlberg oder Mülberg
Mühlberg oder Mülberg, eine Grafschafft in Thüringen, wie sie Gudenus histor. Erfurt. lib. 1, §. 20, p. 53, ingleichen lib. 2, §. 13, p. 108. und lib. 3, §. 33, p. 244 und 246 nennet, oder, wie er an letzt angeführten Orte p. 250 meldet, ein Schloß, von Joanne rer. Mogunt. Tom. II, p. 673 aber eine Herrschafft genannt, deren letzter Besitzer Graf Meinhard gewesen, darauf sie an Chur-Mayntz, ferner an Erfurt, sodann an Chur-Sachsen, und endlich wieder an Cyur-Mayntz gekommen. Die ausführliche Erzehlung davon bestehet in folgenden: Es hatte gedachter Graf Meinhard, welcher sich offt in Erfurt aufzuhalten [69] pflegte, und dieser Stadt vielen Verdruß verursachete, einstens einen Bürger zur Nachtzeit daraus mit weggeführet. Weil er nun denselben nicht wieder losgeben wolte, und die deswegen an ihn ergangene Befehle keinesweges respectirte, so brachte es der Churfürst von Mayntz endlich bey dem Kayser so weit, daß er in die Acht erkläret ward, welches um 1339 geschahe, Chronicon Erfurtense MSct. die Grafschafft Mühlberg wurde sodann von Chur-Mayntz als ein apert gewordenes Lehn eingezogen, und 1357 von Churfürsten Gerlach, gebohrnen Grafen von Nassau, an die Stadt Erfurt um 1200 Marck Silbers wiederkäufflich und mit Vorbehalt der Lehns-Herrlichkeit und Besatzungs-Recht, nebst der Herrschafft Tondorff abgetreten. Es ist aber hiebey zu gedencken, daß nur die eine Helffte der Grafschafft Mühlberg unter dem Verkauf begriffen und zu verstehen sey, denn die andere Helffte besassen schon vor langer Zeit die Grafen von Henneberg und Schwartzburg, welche andere Helffte jedoch die Stadt Erfurt ebenfalls, und zwar denten erstern noch in ermeldtem Jahre vor 500 Marck Silbers, denen letzten aber 5 Jahr hernach um eben solche Summe abkauffte, worzu gedachter Churfurst seine Bewilligung ertheilte, nachdem er sich den Wiederkauff auch dieser andern Helffte vorbehalten. Als aber in denen folgenden Zeiten die Stadt Erfurt mit Chur-Mantz in allerhand Streit und Weitläufftigkeit gerieth, ließ ihr Churfürst Wolfgang 1591 andeuten, daß er die Grafschafft Tondorff und die Helffte der Grafschafft Mühlberg gegen Erlegung der 1200 Marck Silbers wieder einlösen wolle. Allein die Erfurter wolten nicht dran, indem sie glaubten, die zweyhundert-jährige Besitzung gäbe ihnen ein Privilegium darwider, und mit Gewalt, da Chur-Mayntz so weit davon abgelegen, werde ihnen auch nicht viel anzuhaben seyn. Sie wolten also von keinem Wiedereinlösungs-Rechte etwas wissen, das sich Chur-Mayntz vorbehalten hätte. Wie dahero Chur-Mayntz aus diesem seiner Unterthanen widrigen Bezeigen gnugsam wahrnahm, was sie vor ein Absehen darunter hätten, gleichwohl aber das Mittel, sich bey seinem Rechte mit Gewalt zu schützen, schwer und weitläufftig schien, so überließ es solch sein Wiedereinlösungs-Recht an den damahligen Administrator der Chur-Sachsen, Friedrich Wilhelmen, unter folgenden Bedinguhgen: Es sollte nemlich derselbe die quästionirte Grafschafft einlösen und in Besitz nehmen, auch 40 Jahr lang nutzen, hernach aber dem Ertz-Bißthum Mayntz gegen Erlegung des Einlösungs-Quanti restituiren. Alles dieses wurde zwar sehr geheim tractiret, damit indessen das erforderliche Geld herbey geschaffet, und auch die Kayserl. Confirmation darüber ausgewürcket werden könte; Die Erfurter aber erriethen nichtsdestoweniger gar leicht, worauf es gemüntzet sey, und weil sie sich nichts guts befahreten, liessen sie den Tondorffer Wald meist umhauen. Chur-Sachsen suchte nun wohl solches zu verwehren, wolte aber zur Zeit nicht an Tag kommen lassen, was wider selbige im Wercke sey, sondern schützte nur seine Jagd-Gerechtigkeit in solchem Walde vor, welche solchergestalt seht benachteiliget [70] werde. Es giengen indessen einige Monathe vorbey; Aber am 23 Nov. obgedachten 1591 Jahres langten vom Administrator Gesandten zu Erfurt an, welche den Rath ersuchen liessen, er möchte einige Deputirte zu ihnen schicken, mit denen sie darüber, was sie Nahmens ihres Principals im Vortrag hätten, in Conferentz treten könnten. Es fanden sich darauf der Stadt-Syndicus nebst zweyen Raths-Herren in dem Quartier derer Chur-Sächsischen Gesandten ein, und diese gaben jenen sofort zu verstehen, daß der Churfürst von Mayntz dem Administrator der Chur-Sachsen sein Wiedereinlösungs-Recht an die Grafschafft Tondorff und Mühlberg abgetreten habe, der diesfalls zwischen beyden aufgerichtete Vergleich auch sey vom Kayser bereits confirmiret worden, und sie wären nunmehro da, die beyden Grafschafften, jedoch von Mühlberg nur die Helffte wieder einzulösen, sie brächten auch die 1200 Marck Silbers mit, welche dem Churfürst Gerlach vormahls davor bezahlet worden, behielten sich aber anbey das Wiedereinlösungs-Recht auf die andere Helffte vor. Der Syndicus nahm solches ad referendum an, bathe sich aber eine Abschrifft von denen producirten Documenten aus, damit ihm auch, so viel die geschehene Ceßion betraff, gewillfahret wurde. Den folgenden Tag kamen die Deputirten wieder, und hinterbrachten von Rathswegen, daß es denselben sehr fremde vorgekommen, was von ihnen verlanget werden wollen: es sey eine wichtige Sache, darinne man keine so geschwinde Resolution fassen, vielweniger fordern dürffe. Man müsse erstlich das Archiv und die in dieser Sache ergangene Acten nachschlagen, und die Bürgerschafft vorher zusammen ruffen lassen, welche in vieles auf sich habenden Dingen ein Wort mit zu sprechen habe. Indessen aber seye doch des Raths-Meinung, welche dem allgemeinen Stadt-Voto unnachtheilig seyn sollte, in der vorgängigen Deliberation dahin ausgefallen, daß die von Chur-Mayntz ausgestellte Ceßion null und nichtig sey, indem dasselbe das Wiedereinlösungs-Recht nicht habe, und die Helffte von Mühlberg der Stadt Eigenthum sey, und nicht von Chur-Mayntz, sondern von Henneberg und Schwartzburg erkauffet worden, ja daß die Stadt Erfurt in der Grafschafft Tondorf schon lange vor derselben Erkauffung viele Güther besessen habe und noch besitze, auf die sich also die Wiedereinlösung nicht erstrecken könne, und was dergleichen Einwendungen mehr waren; worauf aber die Chur-Sächsischen Gesandten durch den Cantzler zur Antwort ertheilten: die Stadt Erfurt eigne sich zwar das dominium utile, nicht aber verum zu, und seyen Briefe vorhanden, darinnen sie Chur-Mayntz das dominium über beyde Grafschaften zugeschrieben habe: es seye zwar die eine Helffte von Mühlberg nicht von Chur-Mayntz, jedoch mit dessen Zulassung und unter der Bedingung erkaufft worden, daß demselben die Wiedereinlösung bey aller Gelegenheit frey stehen solle. Die Deputirten fuhren fort, noch ein und anders vorzubringen, was sie zu Behauptung ihrer Sache dienlich erachten, und trieben es so lange, bis endlich die Chur-Sächsischen Gesandten in die [71] Hitze geriethen, und ihnen andeuteten, daß sie nun auch die andere Helffte von Mühlberg einlösen wolten, zu dem Ende sie einen Hauffen Goldes auf den Tisch schütteten, und sagten: da liege das Geld, ein mehrers habe die Stadt nicht zu prätendiren. Wenig Tage drauf schrieb Herzog Johann, des Administrators Bruder, an den Rath zu Erfurt, daß das jüngst anzunehmen verweigerte Geld zu Salza bey dem Rath im deposito liege, und weil die Sache keinen weitern Aufschub leide, solle er den Unterthanen die einzunehmende Huldigung andeuten lassen. Der Rath aber wolte nicht dran, sondern ließ eine öffentliche Protestations-Schrifft abfassen, und solche heimlich in die Weimarische Cantzley einlegen, bequemte sich aber endlich doch noch, ließ auch denen Unterthanen die Sächsische Huldigung ansagen. Hierauf wurden am 2 December die Schlösser Tondorff und Mühlberg mit gewaffneter Hand eingenommen, und nach erhaltener Posseß zu beyden Seiten gewisse Schieds-Richter ernennet, welche die streitigen Partheyen auseinander setzen sollten. Man kam erstlich zu Arnstadt, hernach in Budstädt zusammen. Erfurt bat vor allen Dingen um die Restitution in den vorigen Besitz derer beyden Grafschafften, und brachte 5 Haupt-Beschwerden vor, worauf aber von denen Chur-Sächsischen Ministern geantwortet, und verschiedenes darwider eingewendet wurde. Endlich kam es dahin, daß man ein Compromiß zu Papier brachte, aber weiter wurde nichts ausgerichtet, indem Erfurt lieber das Kauff-Geld vor die beyden Grafschafften entbehren, als durch Annehmung des Compromisses seinem Rechte renunciren wolte. In diesem Stande ist es bis 1667 verblieben, da von Chur-Sachsen beydes Mühlberg als Tondorff an Chur-Mayntz wieder abgetreten worden. Joannis rer. Mogunt. Tom. I, p. 673, und Tom. III, p. 155, 176, 225, 226 und 266.