Zedler:Madagascar (S. Laurentii) oder St. Lorentz-Insul

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Band: 19 (1739), Spalte: 119–123. (Scan)

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Madagascar (S. Laurentii) oder St. Lorentz-Insul, hat diesen letztern Nahmen, weil sie am Tage St. Lorentz entdecket worden, oder wie einige wollen, von Lorentz einem Sohn Frantz Almeyda, General der Portugiesischen Armee in Indien, der sie 1506 entdecket. Der erste Nahme Madagascar soll so viel heissen als: die Insul des Monden. Arabisch heißt sie Sarandib. Die Frantzosen nenneten sie unter Heinrichs IV. Regierung Dauphinee, die Daupzinische Insul. Man hält dafür, daß sie des Ptolomäus Menuthias und des Plinius Cerne Aethiopica sey. Sie ist eine der grösten von den bekannten Inseln in der Welt, liegt im Ostlichen Theil Africa, auf dem Aethiopischen Meer, und gehet Westwärts gegen Zangvebar und den Cafern an der Africanischen Küste spitzig zu, von Mittag gegen Mitternacht. Sie trägt ungefähr 700 (einige setzen 400 und noch andere nur 220) Meilen in der Länge, und 70 oder wie einige wollen, 100 in der Breite aus, liegt unter der zona torrida und dem tropico capricorni, und hat sehr viel Vorgebürge, welche mehrentheils mit Citronen, Pomerantzen, Eben und andern Bäumen deren Holtz sprenglicht und bundscheckigt ist, bedecket sind. Die Felsen sind von dem schönsten Weisser Marmor, woraus das beste und reinste Wasser fleußt. Das Land ist in 54 Provintzen zertheilet unter welchen aber die Nord-wärts gelegene den Europäern unbekannt sind. Unter denen bekanntesten sind Anossi oder Karakanossi oder Carcanossi, Manatanghy, oder Manapani, Rohitstang, Itamanpo, Ikonder, Vattemahon, Manamboule Anachimoussi, Eringdrone, Vohitsanghombe, Monackarougha, Matahana, Antacrora, Ampatra, Machikore, St. Angelo, Arco, Port aux Prunes, Antavares, Mataranes, Wohistbanh, Frangaterre, Caremboule oder das Thal Amvoule, Machicores, An Renavoule, das Land der Zases, Cochaa, Hefonti, das Land Guda, Pracel, Andreä, und Ansianach. Unter allen Landschafften sind die beyden, Vohitsanghombe und Eringdrone, am meisten bewohnt. Ihre Dörfrer bestehen aus beweglichen Häusern, die 4. Männer forttragen können. Ihre Städte sind mit Pfählen und tiefen Gräben, 6 oder 7 Schuh weit, umgeben, und die Häusser darinnen mit Bretern gebauet, Die Frantzosen haben allhier das Fort Dauphin, Fort des Francois, und St. Lucia aufgebauet, um ihre gegen das Süd-Ostliche Theil der Insul zu aufgerichtete Colonien zu beschützen, aber diese Oerter nicht behauptet: Denn der Haupt-Ort, Fort Dauphin, brannte 1655 ab; und obgleich der Ort wieder aufgebauet ward, so wurden sie doch bald darauf von denen Engelländern von der gantzen [120] Insel vertrieben. Die Frantzosen wollten vor der Zeit die Heydnischen Einwohner zur Christlichen Religion zwingen, dadurch sie sich aber einen allgemeinen Haß auf den Hals zogen. Als die Engelländer diese Insul eingenommen, legten sie auch eine neue Festung darauf an welche Franschere genennet wird. Die Lufft im Lande ist rein und gesund, und das Erdreich würde alles hervorbringen, wenn es nur besser gebauet würde. Es sind sonderlich noch viel überflüßige Wälder auf der Insel die man ausrotten und Aecker daraus machen könte. Reiß, Erbsen und Bohnen wachsen in der Menge; aber das Korn will nicht recht fort, weil es nicht recht gebauet wird. Andere schöne Gewächse und Gaben der Natur sind: Zucker, Seide, Baumwolle, Pomerantzen, Citronen, Melonen, Saffran, Ingwer, Helffenbein, roth gelb und weissen Sandel und viel Palmbäume. Es sind in dieser Insul unterschiedliche Eisen- und feine Stahl-Gruben, wie auch einige Gold-Bergwercke, deren Gold aber sehr bleich ist. Die meisten Edel-Gesteine werden in ihren Flüssen gefunden. Es ist darinnen ein grosser Uberfluß von vortrefflichen Honig, welches süsser und härter als unsers ist und den Zucker ähnlich siehet. Die Einwohner machen Wein aus Honig welcher der gemeinste ist, desgleichen auch aus Zucker, und eine gewisse Art von den Obst-Moste, und erzeigen sich dabey überaus lustig, wie sie denn ohnedem zum Tantzen und Singen gar sehr geschickt sind. Sie ziehen Oel aus unterschiedlichen Pflantzen, Früchten und Körnern, und haben eine gewisse Art von Erde, die so gut, als die terra sigillata in der Insul Lemnos. Es wächst auch allhier viel weisser Pfeffer, und ein kostbahres wohlriechendes Holtz von unterschiedlichen Farben. Sie haben auch viel Schilff-Röhre, die sehr hoch und dicke, groß und rund sind, woraus sie Töpffe, Flaschen musicalische Instrumente, Kähne, so 2 Personen halten, und Sessel machen. Diese Röhre, welche sie Bamboches nennen, haben innwendig einen Kern, so von den Indianern und Arabern der Zucker von Bambas oder Bamboches genennet wird. Ferner so wächset auch sehr guter Tobac allhier, und eine gewisse Art von Hanff, dessen Blätter die Einwohner an statt des Tobacs gebrauchen; wer selbige kauet, schläfft davon ein, und wird hernach über alle massen lustig; die aber dessen nicht gewohnt sind, werden davon 3 oder 4 Tage rasend und unsinnig. An Thieren fehlt es auch nicht. Die See ist so voller Fische, daß man sie haschen kan; und die Vögel fliegen einem in die Hände. Die Kühe und Schaafe finden allenthalben die schönste Weide. Es giebt darinnen viel schöne Papogeyen, Affen, und Elephanten. Die dasigen Schildkröten sollen so groß seyn, daß unter deren Schaalen 12 Männer stehen können. Hiernachst siehet man allenthalben viel Ochsen, die forne an dem Halse einen Puckel von lauter Fette haben, und deswegen von einigen für Camele sind angesehen worden. Es sollen auch hier Salamander gefunden werden, so der Gestalt nach den Cameleons gleichen; sie sind von so kalter Natur, daß sie das Feuer vertragen können, und, wenn es nicht allzugroß, gar auslöschen. Die Einwohner werden öffters mit Heuschrecken [121] geplaget, welche alle ihr Geträyde und Früchte verderben; diejenigen aber so im Lande gebohren, sammlen selbige zusammen, und essen sie. Sonst sind auch noch schädliche Thiere darinnen, als Schlangen und Crocodille: Aber den grossen Vogel Rhue, der mit einem Elephanten davon fliegen kan, wie Paulus Venerus geschrieben, den hat noch niemand gefunden. Die Einwohner sind vielerley. Denn in denen Wäldern wohnen viel wilde Leute die abscheuliche Bärte haben; der natürlichen aber sind nur zweyerley Arten, schwartze und weisse. Die letztern scheinen ihren Nahmen und Gebräuchen nach von Jüdischen Stamme zu seyn, und sind ihre Germüths-Beschaffenheiten nicht die besten, indem sie meistentheils betrüglich, lügenhafftig und gebohrne Diebe sind; Ja Verrätherey und Rachgierigkeit wird bey ihnen vor eine der grösten Künste und Tugenden gehalten. Sie sind von Natur faul, singen und springen gerne. Ihre meiste Handthierung ist, Land-Bau, Schmieden, Zimmern, Töpffe und Segelmachen, Spinnen, Weben, Fischen und Jagen. Der Tagewählerey sind sie aus der massen ergeben. Wer ein Haus bauet, der bringet wohl 4 Jahr damit zu: Denn es muß alles an glücklichen Tagen geschehen. Die Helffte der Tage sind böse und die Priester können darinne dem gemeinen Volck weiß machen, was sie wollen. Der gantze Monat April und in einem jeden Monath der 8te Tag, werden bey ihnen vor unglücklich gehalten. Wenn nun das höltzerne Hauß fertig, so bittet der Hauß-Wirth seine Verwandten und Freunde zu Gaste; sie müssen aber alle etwas zum Geschencke mitbringen. Das gemeine Volck geht meistens nackend, und bedecket kaum die Schaam. Die Tracht der andern Männer sind, Unterhosen welche biß auf die Knie hangen, und ein Oberkleid von einem Stück Leinwand um den Leib geschlagen, und mit einem Gürtel in der Mitte fest zugebunden. Die Frauen tragen Röcke mit und ohne Ermel, welche bis an die Knie reichen, sie haben auch eine sonderliche Art Unterhosen, und einen Gürtel um den Leib. Männer und Weiber tragen meßingene Ringe um den Armen, gehen barfuß, und mit blossen Haupte, und ist nur ein Geschlechte so sich bedecket. Stirbet bey ihnen eine ansehnliche Person, so wird sie sehr geschmückt zu Grabe gebracht; einige beweinen deren Todt, andere loben ihre rühmliche Thaten, noch andere schlagen Trommeln und Paucken, worbey einige gantz sauber tantzen. Hierauf fragen sie den todten Cörper: Wie er gestorben und ob ihm etwas gemangelt? Die Männer pflegen ihre Weiber zu kauffen, und deren so viel zu halten, als sie ernähren können, welche aber stetige Feindschafft unter einander führen. Die Hurerey wird bey ihnen so wenig gestrafft daß an theils Orten die Kinder von den Eltern noch darzu angereitzet werden; sie sind behertzt und fragen nichts nach dem Tode, in ihren Feldzügen tantzen die Frauen und Töchter Tag und Nacht, schlaffen in ihren Hütten nicht, und enthalten sich, wie sehr sie auch sonst darzu geneigt, von allen Beyschlaff, aus Furcht, ihre Männer dörfften sonst gar umkommen, oder doch verwundet werden, da sie hingegen durch ihr Tantzen frischen Muth und [122] Stärcke bekämen. Ihre Waffen sind Wurff-Spiesse deren ieder 10 Schuhe lang, Bogen und Pfeile. Sie bedienen sich auch eines höltzern Schildes, und umgürten sich mit einem Schurtze von Baumwolle. Ihre sprache und Schreib-Art kommt der Arabischen gleich; Ihr Pappier ist gelb, aber sehr glatt und fein, und ist aus der innern Rinde eines gewissen Baums gemacht: ihre Dinte ist eine Art von Gummi, und ihre Federn sind von einem gewissen Schilff-Rohre gemacht. Es sind 3 unterschiedene Religionen im Lande, nehmlich: die Heydnische, die Mahometanische und die Christliche. Die allermeisten aber sind Heyden, sie glauben an einen GOtt, der Himmel und Erden erschaffen, das Gute belohnet, und das böse straffet; sie erkennen auch gute und böse Engel, und fürchten sich sehr vor den Teuffel, wie sie ihm denn auch allemahl das erste von ihren essen und Trincken zu opffern, und es auf die Erde zu giessen pflegen, um ihn zu befriedigen, daß er sie nicht beschädige. Sie schreiben auch diesem die Ursache von dem Fall Adams zu, und geben vor, daß ihn der Teuffel überredet, er brächte ihm von GOtt Erlaubniß von allen, was ihm beliebte, zu essen. Hierauf wäre Adam aus dem Paradieß getrieben worden, da er denn an der Hüffte ein Geschwür bekommen, aus welcher, als es aufgebrochen, ein Mägdlein hervor gekommen, welche nachgehends seine Frau worden. Sie bekennen auch, daß Christus in die Welt gekommen, und von keinem Manne gezeuget, sondern von Maria ohne Schmertzen gebohren worden. Ihre Priester sind gewöhnlicher massen Zauberer, welche ihren Leuten gewisse Zauberische Zeichen geben, um sich dadurch vor allen Beschädigungen des Teufels zu bewahren, diese nehmen auch so gar die Einwohner mit ihrem Aberglauben ein, daß sie die neugebohrne Kinder, wenn sie etwan in Vorhergedachten unglücklichen Zeichen und Monaten auf die Welt kommen, ohne Ceremonien todt schlagen, oder in einem Wald tragen, da es von denen wilden Thieren gefressen wird. Ja wenn sich etwan eine schwangere Frau sehr übel befindet, so muß es alsbald des Kindes Bosheit gethan haben, und wird dasselbe entweder im Mutterleibe umgebracht, oder aber bald nach der Geburth lebendig begraben, und im Wasser erstickt. Stirbt eine Frau im Gebähren, so werffen sie das Kind bey sie ins Grab, weil es besser sey, daß es sterbe, als daß es bey andern erzogen werde. Die Mahometaner sind von Mecca dahin gekommen, und haben viel Jüdisches an sich. Die Christen sind nur etliche wenige Frantzosen, die sich in diesen Lande niedergelassen haben. Diese Einwohner leben in Horden, wie die Tartarn, unter einen gewissen Obristen, die sie Tschick nennen, dessen Gewalt sich sehr weit erstrecket, deren er sich offt tyrannischer Weise mißbrauchet. Die Provintzen werden durch kleine Fürsten regieret, und das Volck ist in unterschiedliche Ordnungen eingetheilet. Wenn einer von dergleichen Fürsten stirbt, so erwählen dessen Unterthanen einen andern, welcher sie mit etwas zu beschencken verbunden ist. Ein solcher Fürst trägt 2 Hörner von Meßinge auf den Kopffe fest angebunden. Wenn die grossen Herren einander zusprechen, so [123] pflegt derjenige, welcher den Zuspruch empfängt dem andern sein schönstes Weib zu seinem Willen zu übergeben; und auf eben solche Weise bewirthen auch die Unterthanen ihr Freunde und fremde Personen. Mandelslo Indianische Reise-Beschreibung. Flacourt und Dappers in Beschreibung von Madagascar.