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Zedler:Mischna, Misna, Mischnajoth

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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MISCHNICI LIBRI

Band: 21 (1739), Spalte: 456–458. (Scan)

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Mischna, Misna, Mischnajoth, Libri Mischnici, ist das mündliche Gesetz derer Jüden, und der erste Theil ihres Talmuds. Von dessen Ursprung und Verfertiger hat Gerson in der Widerlegung des Talmuds, Th. I. Cap. XXVIII. pag. 202. u. ff. nachfolgendes aufgezeichnet: Die Vorrede des Talmuds zeuget, daß, nachdem die letzten Propheten, Chaggai, Zacharias und Malachias, gestorben waren, die Jüden einen Rath von hundert und zwantzig Mann erwehlet haben. Dieselben Männer haben viel neue Gebot und Verbot verordnet, und haben grosse Uneinigkeit in der Lehre erwecket. Und der Talmud selber schreibet an zwey Oertern, daß zur Zeit Prolomei Philadelphi, Königs in Egypten, ein Streit im Gesetz GOTTes zwischen den Jüdischen Lehrern entstanden sey, also, daß der hochgelahrte Jose gelehret habe: Wer an einem Feyer- oder Fest-Tage etwas opffert, der soll seine Hände nicht auf das Opffer legen, obwol GOTT solches (an denen Werck-Tagen) zu thun befohlen habe. Der hochgelahrte Joseph aber lehrete, man müsse auch am Fest-Tage die Hand auf das Opffer legen, und dieses war der allererste Streit, so unter den Jüden im Gesetz GOTTes entstanden ist. Als aber diese beyde Lehrer gestorben waren, führeten ihre Jünger, Josua und Nitthai, denselbigen Streit auch. Und nach ihnen führete ihn Judas und Simeon. Nach ihnen führete ihn Abtalion und Schemaja. Und nach ihnen führeten ihn Schammai und Hillel, welche beyde Lehrer (auch in der Zeit des HErrn CHristi) 100 Jahr vor der Verstöhrung Jerusalems gelebt, und zu Jerusalem auch hohe Schulen gehalten haben, und hat ein ieder von ihnen viel tausend Discipel und Jünger gehabt, unter welchen auch R. Josua, ein Sohn Barachia, welcher nach dem Zeugniß R. Davids, unsers HErrn und Heylandes JEsu CHristi Schulmeister gewesen ist. Diese alle haben denselben Streit so lange geführet, bis endlich des Hillels Jünger das Faust-Recht vor die Hand nahmen, und trieben auf einem Fest-Tag alle Schaafe, so sie in Jerusalem funden, in den Tempel, und liessen ausruffen, es solte hinfort einem ieden freystehen und zugelassen seyn, seine Hände auf die Opffer zu legen, und Trotz, wer es ihnen wehren wolle. Darauf sagt der Talmud: Sie habens dardey erhalten. Und dieweil sich die Jünger des Schammai nicht rächen konten, huben sie an in vielen andern Artickeln wider die Jünger des Hillels zu lehren. Davon schreibet der Talmud also: Da sich die Jünger des Hillels und Schammai, welche doch nicht viel studiret hatten, vermehreten, erhuben sich viel Gezäncke in Israel, also, daß sie GOttes Gesetz macheten, als wären es zwey Gesetze gewesen. Und an einem andern Orte schreibet der Talmud: Als die Hoffart überhand nahm, wurden viel Spaltungen in Israel. Es haben aber diese beyde hohe [457] Schulen, nach dem Zeugnisse des Talmuds, drey gantzer Jahr disputiret: Ob es besser sey, daß der Mensch erschaffen sey? oder ob es besser wäre, er wäre nicht erschaffen worden? Und sagt der Talmud: „Es sey endlich so weit kommen, daß die Leute gesagt haben: weil unsere kluge Lehrer in ihrer Lehre nicht einig seyn, sondern der eine also, der andere anders lehret, so achte ich sie alle mit einander nicht besser als eine Knoblauchs-Schelle. Andere sprachen: Wer ist im Himmel gewesen und hat gefraget, ob die Lehrer die Wahrheit lehren oder nicht.“ In Summa, die Rabinen im Talmud sind also geartet, daß alles, was der eine lehret, das verachtet und verwirfft der andere. Dieweil aber keiner seine Glossen aufschreiben durffte, schriebe doch ein ieder dasjenige, welches er nicht vergessen wolte, auf einen Zeddel, und behielt es heimlich, wie denn solcher Zeddel sehr viel im Talmud hin und wieder gedacht werden. Und hat dieses Gezäncke und Ungleichheit der Lehre bis ins hundert und vierigste Jahr nach der Geburt CHristi gewähret. Zur selbigen Zeit aber war ein gelehrter und reicher Rabbi, mit Namen Rabbi Juda, welcher sonst bey denen Jüden der heilige Rabbi genennet wird, darum, daß er die Tage seines Lebens seinen blossen Leib unter dem Nabel mit keiner Hand angerühret habe. Derselbige Rabbi war bey dem Römischen Kayser Antonino Pio in grossen Gnaden, und schrieb durch Zulassung des Römischen Kaysers an alle Jüden des Römischen Reichs, sie solten ihm alle Schartecken und Zeddel, so ein ieder bey sich hatte, zuschicken. Und als er sie bekommen hatte, brachte er sie in eine Ordnung, und machte sechs Bücher daraus; das eine nennet er Seraim, das ist, Gesäm, dieweil mehrern theils von Früchten und Saamen darinnen gehandelt wird. Das andere nennet er Moed, das ist, Zeit, dieweil mehrern theils darinnen gehandelt wird, zu welchen Zeiten man den Sabbath und andere Fest-Tage anfangen, halten und endigen soll. Das dritte nennet er Nifikin, das ist, Schäden, dieweil mehrern theils von Schaden thun und leiden, darinnen gehandelt wird. Das vierdte nennet er Naschim, das ist, Frauen, dieweil mehrern theils vom Weiber nehmen, und dieselbige wieder von sich jagen, auch ihren Kranckheiten darinnen gehandelt wird. Das fünffte nennet er Kodaschim, das ist, Heiligthum, dieweil er mehrern theils vom Opffer und anderm Heiligthum handelt. Das sechste nennet er Theorot, das ist, Reinigung, dieweil mehrern theils darinnen gehandelt wird, wie ein Mensch oder Geschirre unrein, und auch wieder rein werden kan und soll. Diese sechs Bücher sind fast von allen Jüden in der gantzen Welt auf- und angenommen, und mit dem Namen Mischnajoth, das ist, die andere Lehre, oder das andere Gesetz genennet worden. Diß ist also das Haupt-Stück und der erste Theil des Talmuds, nach der Beschreibung R. Davids. Als aber nach derselben Zeit die Jüden verfolget, und ihre Lehre ausgerottet wurde, wurden auch die Mischnajoth in Zweiffel gezogen, also, daß sie der eine also, der andere aber anders verstunde, wie Rabbi Moses in seiner Vorrede, vor den Verboten geschrieben, bezeuget. Darnach hatte sich des gemeldten R. Judä seiner Jünger einer, mit Namen Rab, des Wercks angenommen, [458] men, und alle neue beschriebene Schartecken zu einander in eine Ordnung gebracht, und hat es Bareitha, das heist eine Erörterung, genennet, und ist eine Auslegung der Mischnajoth gewesen, davon stehet im Talmud also: Wer täglich im Mischnajoth und Bareitha lieset, der ist gewiß ein Kind der ewigen Seligkeit. Darnach haben sich abermal zweene gelehrte Jüden gefunden, mit Namen Rabina und Rab Aschi, dieselbigen haben aus Zulassung eines Persischen Königs aller gelehrten Jüden Schrifften, so in 248 Jahren, seit der Zeit des gemeldten R. Judä, waren geschrieben worden, zu einander gebracht, und ist endlich im Jahr CHristi 500 eine solche Ordnung gemacht, daß hinfort niemand etwas davon, noch etwas darzu thun solte, und ist also von allen Jüden, als eine Göttliche Lehre, wie R. David zeuget, angenommen, und Gemara, das ist, ein vollkommen Werck, genennet worden; anzuzeigen, daß dis Werck nunmehr vollkommen sey, und niemand mehr etwas darzu thun solte. Und propheceyet der Talmud, und spricht: Diejenigen, welche mehr Bücher schreiben oder verkauffen, die werden bis in Ewigkeit kein Zeichen eines Segens sehen. Darnach haben sich wieder etliche gelehrte Jüden gefunden, welche ihre Glossen über die Gemara geschrieben haben, dasselbige Werck wird Thosephoth, das ist, eine Zugabe genennet. Und ist dieses gantze Werck mit Chaldäischen Buchstaben, mehrern theils auch in Chaldäischer Sprache geschrieben. Siehe von iedem ein mehrers an gehörigen Orte, und den Haupt-Artickel: Talmud. Nachgelesen zu werden verdienen Christian Ludovici Tractatus Talmudici Biccurim, Chagiga & Horajoth, i. e. Libri Mischnici &c. Leipzig 1712 in 4. Die Historie der Mischna findet man auch in Buddei Histor. Philosoph. Ebraeor. und in Jacob Bruckers Fragenn aus der philosophischen Historie, IV. Th. p. 394 u. ff.