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Zedler:Misur

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Misura

Band: 21 (1739), Spalte: 525–528. (Scan)

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Misur heist in der Fecht-Kunst eine gewisse Bewegung mit dem Fusse, vermittelst welcher man seinem Feinde desto besser zu Leibe gehen und ihn überwältigen kan. Man hat deren vernehmlich zwey, als die weite und die enge. Die weite Misur nennet man diejenige, aus welcher man mit Fortsetzung des vordersten Fusses den Feind treffen kan, denn auf solche Weise soll man, nachdem die Contrapostur ein wenig ferne formirt ist, den Fuß in gesagte Misur vor sich zu bringen anfangen; muß aber gar bedachtsam verrichtet werden: denn wenn der Feind im Lager still lieget, und einer den Fuß um ihn fortzubringen bewegete, wenn er seinen nicht auch zugleich mit bewegete, könte er in solchen Tempo treffen. Derohalben muß man sich sehr behutsam bewegen, und gewiß gläuben, daß der Feind in eben selbigen Tempo unserer Bewegung einige Würckung machen, ja gar treffen könne. Nachdem aber das Gegen-Lager gemacht, muß man versuchen, ob einer könne seinen Feind in Unordnung bringen, wo nicht anders, doch zum wenigsten mit einer Finte, um darnach Gelegenheit zu haben ihn zu stossen; indem nun einer also auf dasjenige, was sich irgend zutragen kan, aufpasset, ist er weit vorsichtiger und aufmercksamer, kan auch deshalben solchen Anfällen leichtlich begegnen. Wenn nun einer in besagter weiten Misur mit seinem Feinde angebunden hat und sich der Feind, um sich zurechte zu legen, mit dem Fusse bewegete, wo er nur nicht indem die Misur bricht, kan man ihn in die näheste Blösse treffen, ob er auch schon sein Gewehr zugleich [526]mit beweget hätte, welches man doch nicht würde haben thun können, wenn er das Gewehr allein hätte beweget, und mit den Füssen wäre stille gestanden, und das darum, weil die Bewegung der Füsse viel langsamer ist, als die der Klingen, und würde derowegen der Feind ehe, als die Klinge des Feindes seine schliessen, und am Leibe anrühren können, weil sie muste von Fuß fortgebracht werden, pariret haben, aus Ursachen, weil er still gelegen, ja wenn er sich nicht hätte gewust auf andere Manier zu schützen, würde er die Misur gebrochen haben, daß ihn also die Klinge nicht erreichte, der erste würde hingegen also in Unordnung gebracht worden seyn, und würde sich in Gefahr, um zuerst getroffen zu werden, befinden, ehe er wieder zurücke ins Lager käme: daß es also, wenn der Feind einige Gelegenheit ohne Bewegung der Füsse gebe, viel vorträglicher wäre in selbigen Tempo in die enge Misur zu rücken, von wannen die Klinge den Feind ohne Bewegung des Fusses mit blosser Ueberbügung des Leibes erreichen kan, da denn der Feind, um nicht in solcher Gefahr zu verharren, sich zurücke zu ziehen würde gezwungen seyn, oder da er sich nicht also bewegete und retirirt, könnte man ihn stossen, wo anders das Vortheil der Gegen-Postur wäre erhalten worden. Ja man könte noch etliche mahl treffen, ob sich gleich der Feind nicht bewegete; nehmlich, wenn einer verstehet die Weite von seiner eigenen Spitzen bis zu des Feindes Leibe, und wie weit sie von der Stärcke desselben Feindes Klingen sey, indem man auch zugleich Ächtung giebt, um wie viel die Spitze müsse vor sich kommen, oder wie weit sie von des Feindes Stärcke gehen müsse, wenn sie treffen will; wenn er alsdenn verstehen und mercken wird, daß die Bewegung und das Tempo des Feindes, indem er pariren will, ebenso groß sey, als die Bewegung des Stosses, den der Angreiffende machen will, wird doch die Klinge dessen, der stossen will, ehe als desjenigen, so hat wollen pariren, ankommen und treffen; aus Ursachen, weil der angreiffende der erste in der Bewegung gewesen ist: Aber wenn einer siehet, daß des Feindes Leib nur wenig entblöset ist, wie sichs denn leicht zutragen kan, weil ein Lager mehr als das andere bedecket, kan man doch nichts desto weniger fortgehen, als wollte man den Feind in selbige Blösse verletzen, in dem Tempo aber, da sich der Feind, um selbige Blösse zu beschützen, beweget, muß man die erste Würckung fahren lassen, dieselbe ändern und in die zweyte gegebene Blösse treffen. Diese Regeln verstehen sich also, wenn man schon in die enge Misur gegangen ist, denn wenn man sich in der weiten Misur befinden würde, und wollte, da doch der Feind stille läge, in die enge gehen, würde alsdenn die Gefahr desto grösser seyn, denn wenn einer den Fuß aufhebet und ihn fortbringen will, giebt er ein Tempo, in welchen der Feind selbst, ob er sich auch schon zugleich zurücke zöge, treffen kan, da denn auf solche Weise der Mann sich nichts destoweniger annoch zu weit entfernet, das ist, in der weiten Figur befinden, und nichts gewonnen haben würde: Dieses aber alles geschiehet also, weil sich der Fuß nicht weniger als mit zween Tempi bewegen kan, da denn eines im Aufheben [527]das zweyte im Niedersetzen zu finden ist. Dannenhero wollen etliche, um soviel Bewegungen nicht zu machen, lieber mit dem Fusse auf der Erden vor sich rutzschen, welches zwar wohl auf dem Fecht-Saal angehet, aber auf den Gassen und da es viel Verhinderungen geben kan, sollte es leicht einen Fall verursachen; Daß es derowegen besser ist, den Fuß aufheben, indem man sich doch also vorsiehet, daß man nicht irgend hinter sich falle. Darum, wenn einer den Fuß in die enge Misur bringen will, ist vonnöthen, daß er zuvor eine gute Contrapostur wohl formiret habe. Darnach muß er das gantze Gewichte des Leibes auf den hintern Fuß legen, hingegen aber den vordersten aufheben, also daß er in dem Tempo, da der Feind zurücken, oder auch gar stossen will, ein Contra-Tempo nehmen, und also pariren und zugleich treffen könne, indem er nur den Fuß recht in selbigem Augenblick auf die Erde niedersetzet, ehe noch die andere Bewegung, so kurtz vorher angefangen, da er sich allenfalls, wenn ja der Feind in seinen Stössen allemahl die Misur bräche, ihn dennoch zu erreichen, vorgenommen, verrichtet, und zu Ende gebracht werden, da denn, wenn sich ein solcher Feind nicht würde beweget haben, ein fleißiger Aufmercker dieser Regeln, welcher den Fuß aufgehoben hält, denselben in die enge Misur vor sich bringen, doch also, daß der Leib auf seiner vorigen Seite auf den hintersten Fuß ruhend verbliebe, als wenn er nichts näher vor sich kommen wäre, als er erst gewesen, wie er sich annoch in der weiten Misur befande: Nachdem er aber den Fuß also auf der Erde niedergelassen haben wird, kan er alsbald mit blosser Ueberbügung des Leibes auf die allergeringste Bewegung in die der Spitzen näheste Blösse stossen, ja was noch mehr ist, wenn er das nicht erwarten will, kan er auf die Manier, davon kurtz zuvor ist gemeldet worden, ihn verletzen. Wenn sich auch der Feind, indem ich meinen Fuß in die enge Misur bringe, zurück zöge, bleibe ich wieder nur in der weiten Misur, und muß dann den Leib, so auf den hintersten Fuß gelegen, biegen, um ihn auf den vordersten so lange zu bringen, bis der hinterste Fuß wiederum zu den vördersten gezogen ist; und dieses muß man allezeit in acht nehmen, wenn man zur engen Misur gehen will, daß der Leib nicht mit dem Fuß zugleich fortgehe, sondern auf voriger Stelle so lange bleibe, bis der Fuß soweit als vonnöthen, voraus gestrecket ist. Und dieses ist eine gewisse Regel um die enge Misur zu gewinnen: Wenn man aber nun gestossen hat, muß man, indem die Klinge wiederum zurück gezogen, den Leib zugleich mit, so weit man immer kan, entfernen, und mit solcher Bequemlichkeit den Fuß zurück bekommen, daß, obgleich der Feind nachfolgete, man doch fertig sey zu pariren und zu stossen. Wenn man aber befindet, daß der Feind im stossen allemahl die Misur bräche, soll man nicht in einer Furie auf ihn losgehen, und ihn verfolgen, sondern es wird da erfordert vorsichtiger zu seyn. Denn ihrer viel stellen sich, als wollten sie weichen, auf daß sie der andere, ihr Feind, verfolgen möge, damit sie hernach in dem Tempo, wenn er ihnen folget, eine Gelegenheit in Treffen ersehen. Darum wer sich nach diesen Unterricht verhält, wird solcher Gefahr entübriget seyn, weil es besser ist, [528]den, der da weichet, nicht alsobald wollen verfolgen, sondern man soll sich vielmehr stellen, als hätte man sich zu etwas andern entschlossen, um ihn also versichert zu machen, damit man hernach mit solcher Kunst ihm könne umtreiben, auch eine Gelegenheit ergreiffen, welcher er so bald im Tempo nicht entgehen könne. Salvator Fabris Ital. Fecht-Kunst, p. 10 u. ff.