Zedler:Nordhausen, eine alte freye Reichs-Stadt in Thüringen
Nordhausen, Lat. Northusia, eine alte freye
Reichs-Stadt in Thüringen, gegen dem Hartz-Wald
an den Nieder-Sächsischen Gräntzen, an
dem kleinen Fluß Zorge, unter dem 30 Grad 45
Minuten der Länge, und 51 Grad 20 Minuten den
Breite gelegen. Sie soll bereits 410 von dem Kayser Theodostus
erbauet worden seyn, wie solches
nicht allein ihr bey den alten gebräuchlicher, und in
verschiedenen Monumenten oder alten Gedächtnissen
befindlicher Name Civitas Theodosia; sondern
auch die über dem Töpfer=Thore daselbst mit
goldenen Buchstaben in Stein eingehauene Schrift
bezeuget, die also lautet: Anno Domini 410
Theodosius Secundus, nobilissimus Hispanu
Rom. Imperator, Anno Imperii sui quarto, hanc
Urbem fundavit, libertatibus annisque Imperialibus
dotavit. Unterdessen sind doch andere
die sie noch älter machen, und zu ihrer Erbauung
das Jahr 347 oder 396 setzen, auch vorgeben, daß
sie von dem Fränckischen Könige Meroveus ihren
Ursprung habe, welcher diesen Ort wider die
Hunnen mit einer Ringmauer befestiget habe. Ihren
Namen soll sie, wie einige wollen, daher bekommen
haben, weil sie nach Norden dem grösseten
Hartz-Gebürge gelegen, und daher ein Haus
nach Mitternacht genennet worden (quasi Aquilonis
s. septentrionis domus) wogegen aber andere
für gewiß behaupten, daß sie vor Alters Ordhausen,
[1278] und nicht Nordhausen geheissen habe, entweder
von dem Wasser die Ohra, oder daß sie fast
ein Ort, ein Gräntzhauß des Thüringer Landes gewesen
sey u. s. w. Sie hat vor andern Orten das
Glück gehabt, daß ihr das Licht des Evangelii
frühzeitig aufgegangen, wie denn bereits 943 von
des Kayser Ottens I Gemahlin, Adelheid, ein
Kloster zum H. Geist daselbst angeleget worden.
Kayser Otto I hielt sich vielmahls daselbst auf, um
sich mit der Jagd im Hartz zu erlustigen. Er bestätigte
hierauf ihre alte Freyheiten, und begnadigte
sie mit vielen neuen, dergleichen auch sein
Sohn Otto II gethan. Kayser Heinrich IV
folgte seinen Vorfahren hierinnen und hielt daselbst
1144 einen grossen Reichs-Tag. Dergleichen
auch im Jahr 1205 von Kayser Philipp II, 1223
von Heinrich VII und 1251 von Conrad VI und
nachmahls auch von andern daselbst sind angestellet
worden. So ist auch im Jahr 1212 das hohe
Beylager des Römischen Kaysers Otto IV mit
Kaysers Philipp Tochter daselbst begangen; nicht
weniger im Jahr 1265 von Heinrich Landgrafen
in Thüringen und Marggrafen in Meissen, ein
prächtiges Turnier gehalten worden, welches 8
Tage gewähret, und dessen Herrlichkeit die Geschicht-Schreiber
nicht genug bewundern können.
Denn es war ein grosser Garten, mit vielen in
selbigem aufgeschlagenen Zelten, auf das kostbareste
zugerichtet, in dessen Mitte ein aufgerichteter
Baum stund, mit ausgebreiteten Aesten, dessen
Blätter, theils von Golde, theils von Silber waren.
So oft nun 2 der anwesenden Herren mit
ihren Pferden zusammen rannten, bekam der, so
dem Gegner die Lantze auf der Brust gebrochen hatte,
wann selbiger sitzen blieb, ein silbernes Blat zur
Verehrung. Welcher aber den andern gar vom
Pferde herab stieß, erhielt ein goldenes, und was
dergleichen Pracht und Lustbarkeiten mehr gewesen.
In dem Kriege, welchen der Kayser Adolph,
Graf von Nassau, mit den beyden jungen Marggrafen
von Meissen, Friedrich und Dietzmannen,
geführet, widersetzte sie sich dem Kayser, und
bekam dadurch Gelegenheit, ihr Aufnehmen würcklich
zu vergrössern. Doch ist sie auch durch allerhand
Unfälle ziemlich geplaget worden. Denn
1181 bekam sie an Hertzog Heinrichen dem Löwen
einen starcken Feind, welcher ihr mit Feuer
und Schwerdt hart zugesetzet. Im Jahr 1248
verfiel sie abermahls wegen der Thüringischen
Succeßions-Sache in einen gefährlichen Krieg,
darinnen sie es dahin vermittelt, daß Thüͤringen
bey den Marggrafen von Meissen geblieben. Im
Jahr 1368 wurde sie genöthiget, Graf Heinrichen
von Hohenstein vor zugefügten Schaden
150000 Marck Silbers zu erlegen. Der gemeine
Mann wolte sich zu dieser Contribution nicht
verstehen, und erregte daher wider den Rath einen
Aufstand, darinnen einige Glieder desselben enthauptet
wurden. Bereits vorher 1324 erregte die
Bürgerschafft gleichfalls einen grossen Tumult,
und verwieß einige Raths-Verwandten, nach Einziehung
ihrer Güter, aus der Stadt. Doch gelung
es ihr gar übel, und wurde die Stadt von den
Kayserlichen Executoren erobert, auch die vornehmsten
Rädelsführer zu gebührender Straffe
gezogen, nachdem die Rebellion 4 Jahr gewähret.
[1279] Mit der Pest ist sie in den Jahren 1393. 1398.
1438. 1463 wie auch im Anfange des XVI Jahrhunderts,
ferner 1626 und 1682 und 83 heimgesuchet
worden. Sonsten hat sie auch durch Brand
grossen Schaden erlitten, wie denn im Jahr 1181
die halbe Stadt nebst dem Rathhause, und 1234
fast der dritte Theil von ihr im Feuer aufgegangen,
und 1540 fast die Helffte dadurch verzehret
worden. Dergleichen Unglück ihr auch 1612
1710 und 1712 wiederfahren ist. Am 22 Junius
1736 betraf diese Stadt ein schweres Ungewitter,
da ein heftiger Donnerschlag und schneller
Blitz in St. Blasius Kirch-Thurm einschlug und
zündete. Der zündende Strahl hatte den Thurm
von Abend nach Mitternacht einige Ellen unter der
Spindel des Knopfes getroffen, den Schiefer herunter
geworffen und angezündet, daß es aus der
obern Schall-Löchern, wie eine helle Laterne gebrannt
hatte, so aber durch jemand, der sich in die
Höhe gewaget hatte, bald wieder gelöschet worden
ist. Was übrigens die vor andern merck- und
sehens-würdige Sachen in dieser Stadt anbelanget:
so sind selbige nach dem Lateinischen Verse:
Curia, Rolandus, Saxum, Ballista, Canalis,
Fons, Ales; sunt Northusae miracula septem.
insonderheit folgende: 1) Das Rath-Haus, welches wegen seiner netten Zimmer und unvergleichlichen Fundaments billig hoch zu halten ist, wiewol es durch den obgedachten Brand 1710 einen ziemlichen Theil von seiner Pracht verlohren hat. 2) Die Rolands Säule: so ein Zeichen ihrer Reichs-Freyheit ist. 3) Der Stein am Töpfer-Thor, auf welchem die oben angemerckte Aufschrifft von Erbauung der Stadt Nordhausen durch den Kayser Theodosius II eingehauen zu lesen ist. 4) Eine grosse Feld-Schlange, so 1519 von Andreas Pegnitzern gegossen worden, und der Lindwurm heisset, auch wenig ihres gleichen hat. 5) Zwey trefliche Wasser-Künste, durch deren eine, die Ober-Kunst genannt, das Wasser 264, durch die an dere aber, nemlich die Unter-Kunst, 222 Ellen hoch getrieben wird. 6) Der Brunnen bey dem Hospital St. Elisabeth, welcher sehr gesund und nutzbar ist. 7) Der Vogel oder Adler, insgemein der Arn genannt, welcher an dem Ende der Neustadt auf einer hohen Säule stehet, und in seinem Schnabel, der nach der Ober- oder Alt-Stadt gekehret ist, einen Ring hält dadurch anzudeuten, daß die Neustädter kraft ihres Vergleichs, den sie im Jahr 1365 Donnerstags nach dem Fest der Reinigung Marien mit dem Nordhausischen Rathe aufgerichtet, alle ihre Rechte an die Oberstadt auf ewig abgetreten haben. Diesen zählen noch andere nicht ohne Grund die ansehnliche Kirch-Gebäude, insonderheit die Haupt-Kirche St. Blasius, ingleichen das Naturalien-Cabinet, des dermahligen Pastors Lesser an der Kirche auf den Frauenberge bey. Im übrigen gehöret die Stadt im Reichsstädtischen Collegio auf dem Reichs-Tage zu Regenspurg zur Rheinischen Banck. Ihr Reichs-Anschlag war vor diesem 30 zu Fuß; je= tzund aber nur 20 oder an Gelde 80 fl. monatlich: zum Cammer-Gerichte aber jährlich ordentlich 70 fl. und mit der Vermehrung 116 fl. 42 Kreutzer 5 [1280] Heller. Das Wapen der Stadt ist im güldenen Felde ein schwartzer ungekrönter Adler. Endlich ist noch zu wissen, daß zwar der Rath die Würde und Gewalt einer Obrigkeit hat, die Ober-Gerichte aber und was Hals und Band betrifft, vor des H. Röͤmischen Reichs Stuhl gehören. Hiemit war vormals der Graf von Hohenstein beliehen. Nachdem aber dieses Geschlecht im Jahr 1593 ausgestorben, ist die Vegtey dem Chur-Hause zu Sachsen, welches ohnedem das Schultheissen-Amt daselbst gehabt, von neuem verliehen worden. Doch hat der Rath die Freyheit von wegen des Reichs, an beyden Gerichts-Stühlen Schöppen zu setzen. So giengen auch die Appellationen nicht an Chur-Sachsen, sondern an das Cammer-Gericht, oder an den Reichs-Hofrath, welche ohnfehlbar häuffig seyn müssen, indem des Raths obrigkeitliche Straffen nicht über 5 Gülden seyn sollen. Im Jahr 1698 hat Sachsen seine Gerechtsame dieses Orts, nemlich die Reichs-Vogtey und Reichs-Schultheissen-Amt, an Chur-Brandenburg verkaufft, welches vorher schon das Collectur-Amt, und den Hof des Klosters Walckenried an sich gebracht hatte, auch seit 1680 die Exemtion dieser Stadt in seinem Nutzen, zu einer Vergnügung vor die von Reichs wegen gemachten Kriegs-Unkosten gesucht, aber nicht erhalten. Unterdessen sind hieraus nachmahls einige Weitläufftigkeiten entstanden, so daß 1703 die Stadt mit Preußischen Völckern besetzet, doch bey der 1704 angestellten Commißion die Sache auf gewisse Art beygeleget worden. Im Jahr 1711 ließ der König diese Stadt von neuem besetzen, und solte auch durch diese Völcker eine neue Festung angeleget werden. Es hat aber der Rath durch eine Summe Geld die Ausziehung bald wieder erhalten. Im Jahr 1704 kam heraus: Offenes Instrument über das, was zwischen der Königlichen Preußischen Commißion und dem Magistrat zu Nordhausen, wegen Reluition der Reichs-Vogtey und Reichs-Schultzen-Amts daselbst vom 2 bis 9 September 1704 vorgegangen. Cöln an der Spree, fol. Im Jahr 1710 ward publicirt: Deductio Juris Sr. Königlichen Majestät im Preußen als Fürsten von Halberstadt, contra des H. R. Reichs Sadt Nordhausen, wegen Gräntz-Streitigkeiten ratione territorii der Werther, Helmenflur und bey der Grafschafft Hohenstein hergebrachten Juris an die Prodstey, vorjetzo die Pfarre in der Vorstadt dem so genannten alten Dorff, als partis integralis feudi caduci & reuniti gedachter Grafschafft; ingleichen wegen der von dem Stifft Walckenried, nebst dem Collectur-Amt und freyen Curie oder Collectur-Hof in Nordhausen erkaufften, und rechtmäßig erlangten von undencklichen Jahren her promera facultate gebrauchten Brau- und Schanck-Gerechtigkeit; beygefügt einige responsa Juris und in dieser Sache ergangne Schreiben, in fol. Von der Preußischer seits gesuchten Exemtion dieser Stadt stehen die acta publica beym Lundotp Contin. P. 13. c. 26. 36. 39. it. P. 14. c. 19. Peckenstein theatro Saxon. p. 193 seqq. Zeiller. topogr. Sax. Oleatius in syntagmate de rebus Thuring. t. 2. etc. Offenes Instrument über dasjenige, so zwischen der Königl. Preußischen [1281] Commißion und dem Magistrat zu Nordhausen 1704 vorgegangen. Lünig R. A. part. spec. cont. 4. th. 2.