Zum Inhalt springen

Zedler:Observantz (Kirchen-)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Observantz (gerichtliche)

Nächster>>>

Observantz (öffentliche)

Band: 25 (1740), Spalte: 276–277. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|25|Observantz (Kirchen-)|276|277}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Observantz (Kirchen-)|Observantz (Kirchen-)|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1740)}}

Observantz (Kirchen-) Lat. Observantia Ecclesiastica, begreifft überhaupt alle diejenigen Ceremonien, Gebräuche und Gewohnheiten unter sich, welche nicht so wohl auf oberherrlichen Befehl, oder wer sonst das Recht sogenannte Kirchen-Ordnungen zu machen und auszuschreiben hat, sondern vielmehr nur aus willkührlicher Entschliessung dieser oder jener Gemeine, bey den öffentlichen Gottesdienste und andern dahin gehörigen Umständen und Handlungen angenommen sind und beobachtet werden. Gleichwie aber die Christliche Kirche überhaupt, und deren verschiedene Gemeinen ins besondere, eigentlich nicht anders, als so viel besondere und unterschiedene Collegia oder Societäten betrachtet werden können; also haben dieselben auch wegen der Observantz und Gewohnheit ebenfalls keine andere Rechte, als sonst bey einer jedweden andern Gewohnheit oder den sogenannten Herkommen statt findet; wovon unter dem Artickel Observantz ein mehreres nachgelesen werden kan. Folglich führen auch alle Gebräuche und Gewohnheiten, so man in derselben findet, keine Verbindlichkeit bey sich; sondern [277] man hat desfalls auch noch jetzo eben diejenige Freyheit, so man bereits von Anfang gehabt. Und hat man also auch bey der Reformation allerdings das Recht gehabt, von ein und andern Gewohnheiten in der Kirche abzugehen, wenn sie auch gleich in den ersten Jahrhunderten gebräuchlich gewesen. Denn wer wolte wohl läugnen, daß nicht alle diejenigen Dinge, so in der Schrifft nirgends verboten worden, indifferent seyn solten? Inzwischen ist doch auch dieses eine ausgemachte Sache, daß, wenn eine Kirche eine und andere Gewohnheiten angenommen, dieselbe wiederum so schlechterdings davon abzugehen nicht schuldig sey. Ja es hat dieselbe das Recht, keinen in ihre Gemeine auf und anzunehmen, oder darinnen zu dulten, der sich derselben nicht gleich stellen will; weil auch hier die lange Observantz, die Vermuthung macht, daß sich die gantze Gemeine dessen ausdrücklich verglichen habe. Und würde also derjenige sehr unklug verfahren, welcher verlangen wolte, daß die Kirche entweder seinetwegen dergleichen Gewohnheit abschaffen, oder aber ihn dagegen dennoch als ein Glied derselben unter sich leiden solle. Man mag sich derowegen noch so viel auf die Kirchen-Observantz beruffen; so ist es dennoch eine ausgemachte Sache, daß aus derselben nichts anders bewiesen werden kan, als daß jede Christliche Gemeine die Freyheit habe, in ihren Kirchen solche Ceremonien und Gebräuche einzuführen, oder beyzubehalten, welche in der ersten Kirche aus einer bloß natürlichen Freyheit angenommen worden. Daß aber jemand daraus ein Recht erlanget hätte, einen andern zu zwingen, oder daß man wegen deren Unterlassung nicht als eine Christliche Gemeine angesehen werden könne, ist eben so unerweißlich, als wenn einer behaupten wolte, daß, weil vor etlichen hundert Jahren alle Professores schwartze Mäntel getragen, und einen Knebel Bart gehabt, deswegen auch noch heutiges Tages derjenige kein rechter Professor wäre, so nicht dergleichen hätte. Denn das sind indifferente Dinge, die dem Wesen einer Sache weder etwas geben, noch nehmen. Wolte man gleich sagen, das sich dieses mercklich geändert, nachdem der Fürst oder die hohe Landes-Obrigkeit die Direction über die Kirche bekommen; so kan auch dieses nicht eingeräumet werden. Denn daferne man die Gewohnheit überhaupt, oder an und vor sich selbst, ansiehet; so kan dieselbe ohne diß schon auch nicht einmal in einem Monarchischen Staate als ein Gesetze angesehen werden; indem bekannter maassen in demselben nichts als ein ordentliches Gesetze gültig ist, oder davor gehalten werden mag, ausser woselbst entweder ein ausdrückliches Gebot oder Verbot des Fürsten vorhanden ist. Besiehe hiervon ein mehrers in Gerhards von Mastricht Hist. Jur. Eccl. Caspar Zieglers Diss. de Orig. & Decrem. Jur. Can. Thomasius Cautel. circa Praecogn. Jurispr. Eccl. c. 19 u. 20. Böhmers Disp. de Observantia Eccles. u. a.