Zedler:Papiermacher
Papiermacher. Die Kunst, Papier zu machen, so, wie es heutiges Tages zu geschehen pfleget, soll im Jahr 1470 in Basel seyn erfunden worden, wiewohl der Jesuit Balbin in seiner Historia Bohemica beweisen will, daß es allbereit 1340 in Deutschland bekannt gewesen. Es mag aber dessen Ursprungsort und Zeit sich herschreiben, wo und wie lang es will, so ist und bleibet dieses doch gewiß, daß das aus Lumpen gemachte Papier sehr viel Mühe und Arbeit kostet, bis es zu seiner Vollkommenheit gebracht werde, indem ein jeder Bogen Papier zwey und dreyßig mal durch die Hand gehen muß, ehe er zum Schreiben kan gebraucht werden. Denn erstlich werden die Lumpen, wenn sie in die Mühle gebracht, ausgesucht, die weissen zu dem Schreibe- die bunten aber zu dem blauen wie auch zu dem Maculatur- und Flüßpapier angewendet, hernach eingenetzet, auf einander gelegt, und der Faulung überlassen, alsdenn gehackt, eingefeuchtet, nochmals gehackt, gestampfet, zusammen geschlagen, und zum halben Zeug getrucknet, hierauf wieder gestampfet, zum gantzen Zeug in die Bütte, welche ein groß Faß ist, gethan, mit Wasser angemacht, und durch eine kupferne Blase, in welcher Feuer gemacht, ausgewärmet. Nachmals wird mit der Form, welche aus einem höltzernen Ramen, in der Grösse, wie die Bogen verlanget werden, und aus sehr engen, der Länge nach an einander gemachten feinen Drat bestehet, worinnen in der Mitten das Zeichen des Papiers, als etwan in dem Postpapiere das Posthorn, in dem Memmingischen, das Wapen mit dem halben Adler und Creutze, ebenfalls aus feinem Drate subtil eingeflochten ist, der Zeug aus den Bütten geschöpfet, jeder Bogen auf einen besondern Filtz, und also Wechselweise, ein Bogen und ein Filtz übereinander gelegt, alsdenn unter die Presse gebracht, und das Wasser ausgepresset. Denn werden die Bogen auf die Stricke gehänget, getrocknet, geschälet, geleimt, geglättet, sortiret, und die mangelhaften ausgeschossen, geglättet, und in Bücher zu vier- und fünf und zwantzig Bogen, diese wieder in Rieß, und alsdenn in Ballen zusammen geleget. Es können auch solche Bogen dünne und dicke, wie auch, nach dem die Forme eingerichtet, groß und klein, breit und schmal, nach Belieben, geschöpfet werden, woraus der Unterscheid des Papiers entspringet. Die Papiermacher [647] müssen ihre Kunst mit vier Jahren und vierzehn Tagen erlernen, und wenn man einen Jungen zum Gesellen machet, wird den Meistern und Gesellen ein Schmauß gegeben, welches sie einen Lehrbraten nennen. Wenn ein Geselle den Meister um Arbeit anspricht und vierzehn Tage bey demselben gearbeitet hat, so wird ihm ein gewisser Becher oder Kanne mit Biere oder Weine zum Austrincken überreichet, der der Willkommen oder das Geschencke heißt; und wenn ein Geselle Abschied nimmt, oder solchen von dem Meister bekömmt, so nennen sie es Feyerabend. Was die übrigen gebräuchlichen Kunst- und Professionswörter bey den Papiermachern betrift: so wird dem Leser nicht unangenehm seyn davon einen kurtzen Auszug und Beschreibung allhier zu sehen. Stampf, ist ein Stücke Holtz, worein unten vier eiserne Keile geschlagen, und womit in den Papiermühlen die alten Lumpen zerstampfet werden. Schwinge, ist eine kleine Pfoste, welche nebst angefügtem Stampfe einem grossen Hammer gleichet, und wodurch die Hadern zerstampfet werden. Nase, ist ein Stückgen Holtz, welches gebrauchet wird, wenn die Schwinge von dem Hobel am vördern Orte abgenutzet, gleichsam, wie eine Sohle auf einen Schuh, angesetzet wird. Hinterstaude ist in Papiermühlen ein Stücke Holtz, worinnen die Schwinge am hintern Orte mit einem höltzernen Nagel angemachet. Vorderstauden, sind zwey Säulgen, welche in den Löcherbaum eingemacht, zwischen denen die Schwingen gehen, daß sie auf keine Seite weichen können. Löcherbaum, ist ein grosser Baum, bey nahe zehn Ellen dicke, worein unterschiedliche grosse Löcher ovalrund gewölbet, und in selbigen durch die Stämpfe alte Hadern gestampfet werden. Scheibe, ist ein von Pferdehaaren zusammengewürcktes Tuch, gleichwie in einem Würtz- oder Pudersiebe, wodurch der Unflath der gestampften Hadern gesaubert wird. Scheibenkästgen, ist ein Klötzgen im Löcherbaume, darinnen viel gebohrte Löcher und die härne Scheibe mit Zwecken angenagelt, wodurch die Stämpfe den Unflath der Hadern auswaschen, und hierdurch der gute Zeug zum Papiere gereiniget wird. Blatte ist ein ovalrundes Eisen einen Centner schwer, im gewölbten Loche des Löcherbaums, darauf die Hadern klein und zu Papierzeuge gestampfet werden. Geschirre, ist das vom Löcherbaume, Welle, Rad, Stämpfen, Schwingen, Hinter- und Vorderstauden zusammengebauete Werck, in und durch welches die Hadern zermalmet und zu Zeug gestampfet werden. Zeug, sind bey den Papiermachern zerstampfte Hadern, welche, wie Brey, aussehen. Leren, heißt die zerstampften Hadern und Zeug aus dem Geschirre thun. Hadern, sind alte abgenutzte Lumpen von Leinewand, Zwillig und dergleichen. Lervaß, ist ein Schäffel oder Stotz, darein Hadern und Zeug gefasset wird. Lerbecher, ist bey den Papiermachern ein klein höltzern Gefäß, womit der Zeug aus dem Geschirre geraffet wird. Zeugkasten, ist ein von Brettern zusammengeschlagenes Behältniß, etliche Ellen weit und breit, worein der, in den Geschirren [648] klein gestampfte Zeug geschaffet, und hierdurch grosse Haufen daraus formiret werden. Zeugbritsch, ist ein Stücke Holtz, womit der Zeug derb geschlagen wird. Büttloch, ist ein grosser Trog, darinnen der Zeug gerühret, und zum Papiermachen zubereitet wird. Rechen ist eine Stange, unten mit einem eisernen Gegitter womit der Zeug in dem Büttloche zerrühret wird. Halber Zeug, wenn die Hadern nur Tag und Nacht gestampfet sind. Gantzer Zeug, heißt, wenn der halbe Zeug wieder eingetragen, und so lange gestampfet ist, daß er zum Papiere tüchtig. Bütte, ist ein grosses Faß, in welcher Zeug und Wasser durch eine kupferne Blase, unter welche Feuer gemachet, aufgewärmt, folglich aber das Papier vermittelst hierzu verfertigter Formen, daraus gemacht wird. Bittkrücke, ist ein Instrument, womit der Zeug, ehe kan Papier gemacht werden, im Wasser zerrühret wird. Blase, ein klein Oefgen in der Bütte, wodurch der Zeug zum Papiermachen zulänglich erwärmt wird. Büttstuhl, ist bey der Bütten derjenige Stuhl des Gesellens, der das Papier machet. Ausschuß, heisset dasjenige Papier, welches etlicher massen zerrissen oder fleckigt, dennoch aber gebraucht werden kan. Abreiben, heißt bey den Papiermachern, das Papier oben und unten mit einem Reibeisen gleich machen. Ausbinden, heißt das Papier in Rieße oder Ballen binden. Werckstube, ist bey den Papiermachern eine Werckstadt, darinnen Papier gemachet wird. Meisterknecht, ist ein verständiger Geselle, der geschickt ist, das Amt eines Meisters, oder einer Wittwe' die Werckstadt zu versorgen. Mühlbereiter, ist ein Geselle, der die Geschirre zu rechter Zeit versorget und darauf Acht hat. Gautschstuhl, ist derjenige Ort, worinnen ein Geselle stehet, und die verfertigten Bogen Papier von der Forme auf die Tücher oder Filtze drücket. Büttknecht heißt ein Papiermachergeselle, der vermittelst einer Forme Papier machet. Gautscher ist ein Papiermachergeselle, der das Papier von der Forme auf den Filtz drucket. Forme, ist schon oben beschrieben. Deckel, ist ein höltzerner Ramen, über die Papiermacherformen gefertiget, welcher den nöthigen Zeug auf solchen Formen aufhält, bis das Wasser davon abgelaufen ist. Esel, ist ein Säulgen mit etlichen Kerben, daran die Formen zu Ablaufung des übrigen Wassers gelehnet werden. Filtz, ist ein viereckigt Stück Tuch, darauf das nasse Papier von der Forme gedrucket wird. Gautschbret, ist, worauf neu verfertigte Bogen Papier auf Filtze gedrücket werden, bis sieben Buch und solchem nach ein sogenanntes Buscht erfüllet. Buscht heißt, wenn sieben Buch Filtze, und auf jedem Filtze ein Bogen Papier aus der Bütte gemacht ist. Presse, ist, wodurch bey Machung des Papiers, das übrige Wasser, beym Leimen, der übrige Leim, bey gäntzlicher Ausfertigung aber, solches gleich und eben gepresset wird. Krantz, ist ein eiserner Ring, mit Zacken, welcher durch Beyhülfe eines so genannten Ansetzers oder Stemmholtzes, die Presse, vor dem schnellen Zurücklauffen [649] auf- oder anhält. Preßstange, ist eine lange starcke Stange, womit man die Presse umdrehet. Legen heißt das gepreßte Papier von den Filtzen weg, und auf ein hierzu bereitetes Bret bringen. Leger, heißt derjenige Geselle, der das Papier von den Filtzen wegnimmt, und einen Bogen auf den andern Buschl, und Rießweise zusammen bringet. Haspel, ist ein Kloben, mit dem man, vermöge eines Seils oder Kette, am allerschärfften zu pressen pfleget. Fällen, sind eiserne Klinckgen, worauf die Stämpfe und Schwingen ruhen, wenn der Zeug aus den Geschirren gethan wird. Hadermesser ist ein Beil in Papiermühlen, damit die Lumpen zerhacket werden. Schleppe ist ein klein Bretgen mit Tuche überzogen, womit das Papier gleich auf einander gezogen und geleget werden kan. Hängstuhl, heißt ein Stuhl, darauf das nasse Papier beym Aufhängen, besserer Beqvemlichkeit halber, gesetzet wird. Leim kochen die Papiermacher aus Schaffüssen und Abgänglingen, so die Gerber von den Fellen und Ledern wegschneiden, damit wird das Papier geleimet. Leimständer ist ein Faß, darinne das Papier qeleimet wird. Netzen, heißt das Papier in Leim tuncken und naß machen. Werfen heißt das geleimte Papier Bogenweise von einander machen, und zum Aufhängen aufs Kreutz thun. Durchzühen heißt das Papier zum andern male leimen, oder in Alaunwasser naß machen. Schälen heißt das getrucknete Papier bogenweise von einander sondern. Schlagstampf, ist ein grosser eiserner Hammer, der ans Wasser gerichtet, damit das Papier auf einer eisernen Blatte geschlagen wird. Glättstein, ist ein in Holtz gefaßter Marmorstein, darmit das Papier Bogenweise geglättet wird. Glättblatte, ist ein Marmor oder sonst ein feiner Stein, darauf das Papier glatt gemachet wird. Ubrigens sind die Papiermacher zweyerley, Stampfer und Glätter, welche nur auf Hofrecht vierzehn Tage, länger aber nicht, beysammen arbeiten dürffen. Stampfer, sind diejenigen, die das Papier mit einer eisernen Blatte, mit dergleichen Hammer oder Stampfe, welche ans Wasser gerichtet ist, glatt machen. Glätter, ist ein Papiermacher, welcher das Papier mit Steinen oder Holtze, Bogenweise glatt machet, und wenn ein Glätter sich zu den Stampfern begiebet, muß er sich einkauffen und abstraffen lassen. Es ist auch dieses noch, als etwas lobenswürdiges bey den Papiermachern anzuführen, daß sie unter ihren Kunstverwandten dermassen scharff über Ehre und Erbarkeit halten, daß, wenn einer unter ihnen sich durch Diebstahl, oder anderes Verbrechen an seinen Ehren verwahrloset, sie solchen nicht mehr in ihrer Zunfft dulten, auch nimmermehr wieder darein aufnehmen, wenn er auch viel Geld geben wolte; iedoch giebt es hin und wieder solche unter ihnen gescholtene Meister, welche dergleichen Gesellen fördern.