Zum Inhalt springen

Zedler:Preußische Panacee

aus Wikisource, der freien Quellensammlung


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Preußische Müntze

Nächster>>>

Preußischer Ritter-Orden

Band: 29 (1741), Spalte: 374. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|29|Preußische Panacee|374|}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Preußische Panacee|Preußische Panacee|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1741)}}


Preußische Panacee, ist der Branntewein, wie aus den Breßlauer Naturgeschichten, im Jahre 1719. Mens. Septemb. Class. II. Artic. 3. §. 2. p. 312. und im Jahre 1720 Mens. April. Class. IV. Artic. 10. p. 454. erhellet, und schreibet am letztern Orte Herr G. A. Hellwing aus Angerburg davon also: „Ich muß auch den Mißbrauch des Brannteweins aus unsrem Orte des bekannt machen. Ich glaube nicht, daß man die delicatesten Weine in Italien, Spanien und Franckreich so begierig einschlürfft, als der Preussische Pöbel den gemeinen Kornbranntewein. Des Morgens ist er ein Präservativ wider die böse Lufft: da trincket alles Branntewein, was nur selbigen bezahlen kan. Hat der Litthauische oder Polnische Bauer kein Geld, so bringet er ein Viertel Haber, oder Getreyde, eine Mandel Eyer, oder ein Huhn in den Krug, und versäufft es im Branntewein. Nach der Mahlzeit soll er die Speisen kochen und verdauen helffen, darum so muß wieder ein Glas Branntewein eingestürtzet werden. Auf die Nacht heißt es: Gebt mir Branntewein, daß mich die Speisen nicht drücken, daß mich die Winde nicht belästigen, sondern daß ich gut möge schlaffen können. Im Sommer, wenn heiß Wetter ist, trinckt man Branntewein, daß er die Hitze kühle. Ist es im Winter kalt, so rufft man nach Branntewein, weil er wärmet. Will jemand schwitzen, so stöst er einen halben Löffel voll Pfefferkörner in den Branntewein, und nimmet es bonis avibus ein; was nun aber der Branntewein nicht austreibt, das muß die, wie eine Badstube, eingeheitzte Stube und heisses Deckbette wohl austreiben. Ist eine Sechswöchnerin kranck, oder fället sie in Ohnmacht, da räthet jedermann ein Schlücksgen Branntewein, es sey nichts, denn die Mutter, die würde sich gleich stillen. Thut dem Bauren der Kopff, oder Fuß, oder Rücken und dessen Nachbar wehe, so recommandiret man den Branntewein, leget darein rohen Honig, rührets wacker um und isset den Branntewein mit Löffeln. Ja ich sage mehr: Branntewein wird den Leuten auf dem Todbette gegeben, ausser, wenn der Mensch schon verscheiden soll, da giebt man ihnen ein Tröpfgen Wein. Kurtz zu sagen, der Branntewein ist bey dem gemeinen Volcke die rechte eingebildete Panacäa, das rechte Universal-Medicament, ja der rechte Stein der Weisen, verstehe aber vor diejenigen die ihn verkauffen, Gold zu machen. Ein solcher Mißbrauch gehet hier unter dem gemeinen Manne mit dem Branntewein vor; daher es denn geschiehet, daß ihrer viel vor der Zeit ihr Leben verkürtzen: Ein arbeitsamer Bauer arbeitet sichs noch aus; allein ich muß gestehen, daß die 28 Jahr her, als ich im Amte bin, die meisten Bürger und Maltzenbräuer, um dieser Ursache willen, ihr Leben vor der Zeit haben endigen müssen. Ich könnte mehr davon melden, wie der Branntewein auch in allen äusserlichen Leibes-Schäden gebraucht werde, allein es mag diß mal hierbey sein Bewenden haben.“