Zedler:Rügier, Rügen
Rügier, Rügen, Rugii, Rugi, ein Schwäbisches Volck, so ehemals an der Ost-See in Hinterpommern gewohnet, dessen Namens-Gedächtniß annoch auf der Stadt Rügenwalde und auf der Insul Rügen hafftet. Man findet auch ein Rhugium bey dem Ptolomäus auf derselben Küsten, welches vermuthlich ihre Hauptstadt gewesen. Tacitus schreibt, daß die Rügen und Lemovier runde Schilde und kurtze Schwerdter führen, und eine grosse Ehrerbietung gegen ihre Könige bezeugen. Jornandes führet zweyerley Rügen an, Ethel-Rügen, die in Scandinavien, und Ulme Rügen, die am Strand der Ost-See in Deutschland gewohnet haben. Die Ulme-Rügen oder Holm-Rügen sind ohne Zweiffel die älteste und die Stamm-Väter der Ethet-Rügen, oder Edel-Rügen. Denn wie das uralte Vaterland aller Schwäbischen Völcker in Deutschland zu suchen, allwo sie zu den ältesten Zeiten von der Donau bis an die Ost See gewohnet haben; also können in Norden keine andere Rügen vorhanden seyn, als die von diesen abstammen. Dieser Unterscheid war zwar dem Tacitus nicht bekannt, es kan aber seyn, daß lange vor seiner Zeit die Holm-Rügen (wie Jornandes schreibet) von den Edel-Rügen vertrieben worden, und diese nachmals einen Zug mit den Deutschen, Vandalen u. Gothen nach Scythien gethan, und daß die Holm-Rügen nach der Edel-Rügen Abzug wiederum ihre vorige Wohnungen an der See-Küste eingenommen haben, allwo sie nachmals den Römern doch nur durch das Gerüchte bekannt worden. Die Insel Rügen beschreibet Tacitus als eine heilige Insel, darauf die Göttin Herthe ihr Heiligthum und ihren Wagen gehabt, und die zu keinem andern Gebrauch als zu den Feyertagen der gesammten Schwäbischen Nation an der Ost-See gewidmet gewesen, daher es scheinet, daß sie erst nach der Zeit dieses Scribenten bewohnet worden, wiewol man weder davon, noch von dem Leben und Thaten ihrer Könige, einige Nachricht hat. Auf gleiche Weise lieset man nicht, daß die Rügen im 3 und 4 Jahrhundert einige Bewegung gemacht haben. Aber im 5 Jahrhundert findet man sie nicht mehr zu Hause, sondern theils in Italien, unter den Fahnen des Königs Odoacri, theils an der Donau in dem Lande der Qvaden, welches sie als ein lediges und verlassenes Gut eingenommen, und das Rugiland genennet haben. Um selbige Zeit hat der heilige Severin, welcher jenseit der Donau im Norico sein Kloster hatte, den Rügen und ihrem Könige Feletheus das Evangelium geprediget, aber wenig [1752]Nutzen bey ihnen geschafft. Paul Diaconus, der dieses alles erzählet, füget noch hinzu, daß zwischen Odoacern und Feletheus ein blutiger Krieg entstanden, in welchem Feletheus umgekommen, die Rügen erschlagen oder gefangen genommen, und das Land gäntzlich verwüstet worden, und daß nach der Rügen Vertilgung die Longobarden das Rugiland auf eine Zeitlang besessen haben. Endlich sind auch die Ost-Gothen mit einer grossen Menge Rügen und Gepiden zum Vorschein kommen, welche ohne Zweiffel die Nachkommen derjenigen Rügen gewesen, so weiland mit den Gothen und Vandalen nach der Mäotischen See-Pfütze gewandert sind. Denn diese Armee kam nicht von der Ost-See, sondern von dem schwartzen Meer herauf gestiegen. Ennodius beschreibet sie als wilde Bestien, die den Tag für verlohren hielten, da sie nicht was böses gethan hätten. Was das Land der Rügen an der Ost-See betrifft, so ist dasselbe nach dem Austritt der alten Einwohner von den Cassuben und Wenden, die Insel Rügen aber von den Ranen (RANIS, RUANIS) eingenommen worden. Tacitus de mor. Germ. c. 40. 43. Paul Warnefrid de gestis Longob. l. 1. c. 19. Jornandes de reb. Get. c. 3. und 51. Ennod. in vita Epiphanii. Hartknoch de orig. Pomeran. §. 5. Mascau Deutsche Geschichte. p. 456. Baudrands Lex. Geograph. Abels Deutsche und Sächsische Alterthümer.