Zum Inhalt springen

Zedler:Reiten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
unkorrigiert
<<<Vorheriger

REI IN TEMPORE PRO TEMPORE IPSO (Metonymia)

Nächster>>>

Reitenau

Band: 31 (1742), Spalte: 399–401. (Scan)

[[| in Wikisource]]
in der Wikipedia
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|31|Reiten|399|401}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Reiten|Reiten|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1742)}}


Reiten, Equitare, Monter à Cheval. Insgemein auf einem Pferde sitzend fortgehen: in einer kunstmäßiqen Bedeutung aber, heisset es fest und zierlich im Sattel sitzen, und ein Pferd nicht nur geschickt zu regieren, sondern auch ein rohes Pferd wohl abzurichten wissen. Der dieses wohl verstehet, wird ein guter Reiter, der davon sein Werck macht, und es anderen lehret, ein Bereiter, und der Ort, wo es getrieben wird, eine Reitschule oder Reithaus genennet. Es ist eine adeliche Ubung und Wissenschafft, der sich alle Standespersonen willig befleißigen sollen, und die, wie die alte Redensart lautet, zu Schimpf und Ernst, das ist, am Hofe und zu Felde, bey Aufzügen, Thurnieren und Lustbarkeiten, sowohl im Kriege, als in der Stadt, wo man sich zu Pferde sehen lassen muß, und auf dem Lande, wo man Gestütte oder andere Gelegenheit hat, junge Pferde zuzuzühen, nütz und nöthig ist. Es gehöret zu einem solchen Reiter, vornehmlich daß er mit einer freyen, ungezwungenen Positur zu Pferde sitze, die Faust und Schenckel wohl führe, und dem Pferde die Hülfe also zu geben wisse, damit es das, so er von demselben gethan haben will, geschicklich leiste: darneben auch, daß er die unterschiedlichen Gattungen der Pferde wohl kenne und zu unterscheiden wisse, ihre Tugenden und Gebrechen, ihren verschiedenen Gebrauch, und worzu eine jede Art Pferde vornehmlich anzuwenden, die Mängel und Tücke der Pferde, und wie ihnen abzuhelfen, ihre Kranckheiten, und die bewährtesten Mittel darwider, ihm bekannt mache: daß er die verschiedene Zeuge an Satteln, Zäumen und Gebissen, und wie sie zu gebrauchen, wohl zu beurtheilen, daß er ein Pferd, wo nicht selbst abzurichten, doch wenn es abgerichtet, nach der Kunst recht zn tummeln und zu gebrauchen wisse, und endlich, daß er auch die Wartung der Pferde wohl verstehe. Alles dieses wird besser durch die Ubung und lange Erfahrung, als aus Büchern erlernet, wiewohl doch auch diese wohl zu statten kommen, und darunter vor andern berühmt sind Ant. de Pluvinells vollkommene Reitkunst, Ge. Löhneisens vollkommene Reitkunst von ritterlichen Ubungen, bey Aufzügen und Thurnieren: Des Freyherren von Hochberg vollkommene Pferdezucht: Soleisells vollkommener Stallmeister, welcher lehret die Schönheit, Güte und Mängel der Pferde erkennen. Ge. Simon Winters von Adlersflügel wohl berittener Cavallier, und wohl erfahrner Roßartzt. Des Grafen von Newcastle, vollkommenes Reitbuch, dabey alle Lectiones in Kupffer vorgestellet werden: Joh. Christ. Pinters neuer und verbesserter Pferdeschatz, darunter Pluvinel, Soleisel und Newcastle aus dem Frantzösischen übersetzt. Von dem besonderen Nutzen des Reitens, in Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, hat eine schöne Dissertation herausgegeben Herr D. Christian Michael Adolphi, unter dem Titel: Dissertatio medica, de Equitationis eximio usu medico, Leipzig 1713. und 1729. Und D. Stahl hat zu Halle im Jahre 1699 ein Propempticum inaugurale geschrieben, de Equitatione tanquam novo specifico antiphthisico. Bes. auch Oribas. Lib. IV. c. 24. Ubrigens findet sich von dem Worte reiten eine besondere Redensart in der heiligen Schrifft, nemlich Hos. X, 11, da GOtt der Herr sagt: Ich will Ephraim reiten; und hat diese Redensart viele Erklärungen leiden müssen. Daher Schmid über diesen Ort schreibet: Certe brevitas sermonis non exiguam difficultatem gignit. Doch ist gewiß, daß eigentlich das Ebräische Racabh heisset reiten, oder auf etwas erhabenes steigen, und sich darauf setzen, 4 B. Mos. XXII, 22. 2 B. der Kön. IX, 18. Ps.XLV, 5. Verblümter Weise heisset es über einen herrschen, unter seine Gewalt gebracht haben: Du hast Menschen lassen über unser Haupt fahren, hircabetha, Ps. LXVI 12, Es. LVIII, 14. So es nun von GOtt gesagt wird, so heisset es soviel, als: er wolte sie unter die Ruthe, und unter die Bande zum Gehorsam bringen, Ezech. XX, 17. so, daß sie nicht mehr so unbändig, sondern in harter Dienstbarkeit sich geschmeidig aufführen solten. Gräfens Conc. in Hos. p. 967. Sonst ist das Reiten auf dem Esel, oder, welches die Soldaten lieber hören, auf dem hölzernen Pferde, eine Soldatenstrafe, so nur bey der Infanterie gebräuchlich, und wird nach Befinden des Verbrechers auf zwey, drey, vier und mehr Stunden des Tages, und manchmahl auf drey und vier Tage auch auf mehrere dictirt: Es werden auch wohl, diese Straffe zu vergrössern, den reitenden Soldaten Gewichte bisweilen an die Beine gehängt. Bey der Artillerie müssen die strafbaren Bedienten auf den Stücken reiten, und werden ihnen Kugeln an die Beine gehänget.