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Zedler:Straffe (Schärffung oder Erhöhung der)

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Straffe (schärfste)

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Straffe, (Schantzen-)

Band: 40 (1744), Spalte: 591–594. (Scan)

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Straffe (Schärffung oder Erhöhung der) Exasperatio, Multiplicatio, oder Augmentum Poenae, siehe Schärffung der Straffe, im XXXIV Bande, p. 773.

Gegenwärtig aber ist hiervon noch folgendes zu mercken.

Es ist nehmlich zuförderst bey Abfassung des Malefitz-Urtheils, oder einer peinlichen Sententz, nicht die geringste Frage, dafern ein Uebelthäter vielfältige Uebelthaten begangen, mit was für Straffe er von Rechtswegen belegt werden solle? Als zum Exempel: Einer begehet die Laster der Sodomiterey, Diebstahl, Entleibung, etc.

Dieweil nun aber an und vor sich selbst jedes Laster die Todes-Straffe nach sich ziehet, und gleichwohl unmöglich fället, daß ein Delinquent öffters, als einmahl, sterbe, folglich die auf jedes Verbrechen gesetzte Todes-Straffe die andere ausschliesset: Als ist in diesem Fall der Delinquent wegen den schwersten Laster g[...] zu straffen; angesehen durch die schwerere die mindere Todes-Straffe ausgelöscht wird. Jul. Clar. Lib. III. Sentent. §. ult. q. 84. v. Alius est casus.

Worbey aber zu mercken, daß, gleichwie wegen vielfältiger begangener Mordthat jemand mit glüenden Zangen-Rissen, und Riemenausschneiden, vor der würcklichen Feuer- oder Rads-Straffe belegt werden kan und soll, also auch und um so vielmehr ein solches statt finden würde, da neben vielfältigen Mordthaten auch andere Uebelthaten mit einlieffen.

Denn das Augmentum poenae, oder die Schärffung der Straffe, ist keine absonderliche Todes-Straffe. Also auch, wenn zwey Laster zusammen kommen, deren eines mit dem Strange, das andere mit dem Schwerdte abzustraffen wäre; so solte die Straffe des Strangs, als die schwereste, erkannt werden.

Desgleichen im Laster der Strassen-Rauberey und Entleibung müßte das Urtheil des Schwerdts mit der Maß erkannt werden, daß der todte Cörper auf ein Rad eingeflochten werde.

Ferner da etwa ein Bruder-Mord, mit dem Brand-Schaden, oder anderm Verbrechen einlieffe, müßte das Urthel dahin geschärfft werden, daß der arme Sünder an die Richtstatt geschleifft, und folgends mit dem Feuer vom Leben zum Tode hingerichtet werden solle.

[592] Denn wenn zwey Laster zusammen kommen, deren jedes gleich das erste mahl ohne Wiederholung eine sonderbare Schärffung des Urtheils verdienet, als zum Exempel, da einer eine Mordthat begangen, wie nicht weniger sein Weib umgebracht hätte; so wäre ebenfalls das Urtheil mit glüenden Zangen-Zwicken zu schärffen.

Ja, wenn die Laster dergestalt abscheulich seynd, daß selbige mit der gemeinen ordentlichen Straffe nicht genugsam abgebüßt würden; so könnte das Urtheil auch mit unterschiedener Schärffung ausgefällt werden.

Wie denn Carpzov p. 3. q. 132. n. 60. von einem meldet, der 40 Mordthaten mit sonderlicher Grausamkeit begangen, und noch darzu Brand-Schaden und Dieberey verübt, dem das Urtheil dergestalt geschärfft worden sey, daß er zur Richtstatt geschleifft, mit 6 glüenden Zangen-Griffen gerissen, und sodann mit dem Feuer vom Leben zum Tode hingerichtet worden.

Und dieses alles findet statt, da mehrere Verbrechen zusammen kommen, deren jedes die Todes-Straffe verdienet, immassen ein Falschmüntzer und verwegener Dieb, vor dessen Aufhenckug mit Abhauung der Hand gestrafft werden mag.

Zum andern, da einer die Uebelthat, die mit der Todes-Straffe zu belegen, und noch darzu andere Verbrechen begangen hätte, welche keine Todes- sondern nur eine Leibes-Straffe verdienen; so wird nur die verdiente Todes-Straffe allein zuerkannt, und exequirt.

Denn die schwerere Straffe hebet, wie bereits gemeldet, allemahl, die mindere oder geringere auf. Farinac L. I. t. 3. q. 22. n. 30. Und ist nicht gebräuchlich, daß jemanden solchen Falls zuvor die Hand abgehauen, und er sodenn erst hingerichtet werden solle. Noch weniger, daß wegen der geringern Uebelthat die Todes-Straffe geschärfft werde, als welches eigentlich nur in dem Falle statt findet, da mehrere Haupt-Verbrechen zusammen stossen.

Zum dritten, wenn mehrere Uebelthaten vorhanden, deren jedwede nur mit einer Leibes-Straffe abzustraffen wäre; so werden auch durch Zuerkennung einer Leibes-Straffe die andern Verbrechen darmit aufgehoben. Denn ob zwar von Rechts wegen eine Straffe die andere nicht aufhebet, L. I. §. Hunc tamen I. 2. §. 1. ff. de Tutel & rat. distrah. so wird doch dieser Lehr-Satz nur statt finden, da die Straffen einander wohl erleiden mögen.

Dannenhero, da jemand zwey Uebelthaten begangen hätte, deren eine mit Abhauung der Hand, die andere mit Ruthen auszustreichen, zu straffen wäre; so solte nur eine Leibes-Straffe hieraus erwehlet werden. Worunter aber die Stellung an den Pranger nicht verstanden wird, weil solche keine wahre Leibes-Straffe zu nennen ist. Daher sie denn auch gemeiniglich mit der Ruthen Aushauung, dem Finger abhacken, Ohren-abschneiden etc. mit denen Formalien zuerkannt wird: öffentlich an den Pranger gestellt, und sodenn mit Ruthen ausgehauen etc. P. G. H. O. art. 198.

Jedoch lehret Carpzov d. I. n. 72. Dafern ein meineydiger Urphedbrecher noch ein anders Verbrechen, so mit Ruthen aushauen anzusehen wäre, begangen hätte, so könnte auch wohl das Finger-Abhauen mit der Ruthen-Straffe cumulirt, und beyde zusammen exequirt werden.

Viertens, daß eine jedwede [593] Leibes-Straffe die ewige Landes-Verweisung nach sich ziehe, so aber mit andern Bürgerlichen Straffen nicht cumulirt oder vermehrt werden mag. Denn ob zwar die ewige Landes-Verweisung, wegen vielfältig bevorstehender Ungelegenheit, Armuth, Unehre, etc. wordurch der Tod zeitlich einspringen kan, keine geringe Straffe, und von etlichen Criminalisten unter die Leibes-Straffe gerechnet wird, Boss. in tit. Carcer. fidejuss. committ. Guatz Def. 33 c. 27 n. 23 und 24. So wird doch aber auch von andern Criminalisten selbige nur zwischen den Leibs- und Bürgerlichen Straffen für eine Mittel-Straffe erkannt. Menoch q. 80. n. 87.

Daß aber eine Leibes-Straffe mit einer Bürgerlichen andern Straffe vermehret werden solte, als da neben dem Ruthenaushauen, noch eine Geld-Straffe, wegen anderer geringen Verbrechen, zuerkennt werden solte, hält Carpzov p. 3. q. 132. n. 77. nicht für üblich.

Fünfftens, da jemand etliche geringe Verbrechen begangen hätte, deren theils mit Geld- oder Gefängniß-Straffe, zeitlicher Verweisung, und dergleichen, abzustraffen; so würde zwar, den gemeinen Rechten nach, jedwede Straffe, weil solche einander leiden mögen, und nicht an den Leib gehen, vorzukehren seyn.

Allein nach der üblichen Practick werden die Uebelthaten, im Urtheile zwar jedes besonders angeführt, jedoch mehr nicht, als eine Straffe, auf solche Masse zuerkannt, daß durch solche Straffe alle Uebelthaten genugsam auf einmahl abgebüst werden.

Wie denn wegen vielfältiger Verbrechen die Straffe auch bis zum Ruthenaushauen geschärfft werden mag. Carpzov d. I. n. 82.

Jedoch ist nicht ungebräuchlich, daß, neben Dictirung einer Gefängniß-Straffe mit Wasser und Brodt, auch eine Geld-Straffe, nach den Umständen des Delinquenten Vermögens, oder auch absonderlich bey denen Römisch-Catholischen eine geistliche Busse, als Beichten, Communiciren, Kirchfahrtengehen, Allmosengeben etc. sonderlich im Laster einer schuldhafften und culpösen Entleibung, zusammen gesetzt werden.

Welches alles aber sich nicht bessre, als aus einer reiflichen Erwegung derer bey einem Verbrechen sich ins besondere ereignenden besorglichen Umstände, erkennen läst, und welche also auch ein Richter bey Ausfällung des Urtheil und der dadurch verwürckten Straffe wohl zu überlegen hat.

Es lauffen nehmlich in denen Criminal-Processen fast beständig nicht allein gewisse mildernde, (wovon unter dem Artickel Straffe (Milderung der) bereits ausführlich gehandelt worden) sondern auch die Straffe insgemein schwerer machende Umstände ein.

Dergleichen sind: 1) Der Gefangenen vorher geführtes liederliches und beweislich böses Leben. Denn hierdurch ist des Delinquenten boshaffte Natur abzunehmen, und zu erlernen, daß keine Reue noch Besserung zu hoffen; sonderlich da er bereits vorhero gewarnet, oder auch willkührlich abgestrafft worden wäre.

2) Da einer junge unschuldige Leute zur Uebelthat verführt hätte. Denn dieses ist eine schwere Aergerniß und Sünde an sich selbst.

3) Wenn ein Delinquent die That gar arglistig und höchst gefährlicher Weise angegriffen, oder, da ein hauptsächlicher Schaden, und noch was ärgers daraus hätte entstehen mögen. [594]

4) Da der Delinquent die Missethat an geweyheten, befreyten, oder sonst hohen Orten, oder in Gegenwart vornehmer, oder ihm Obrigkeitlich vorgesetzter Personen, begangen.

5) Da einer Krancke tödtet, zu Pest- Brunst- Wasser-Gefahr oder Aufruhr-Zeiten stiehlet, oder beschädiget.

6) Da durch das Verbrechen das Vaterland und die vorgesetzte Obrigkeit hoch verletzet wird. L. si quis aliquid. 38 §. 1. ff. de poen.

7) Da das Laster zu sehr überhand nimmt; so muß zu mehrerm Abscheu die Straffe nothwendig geschärfft werden. L. aut facta. 16. de poen.

8) Wenn sich etliche mit einander vereinigt und zusammen geschworen haben, und gleichsam ein Handwerck aus der Uebelthat machen.

9) Wenn ein Vater, Mutter, Herr, Frau, oder Obrigkeit, so die Uebelthat hätte abstellen können, noch darzu geholffen hätte.

10) Wenn ein Lehrmeister, eine Amme oder andere dergleichen Personen, wider ihre Untergebene einen Mord, oder anders Laster verübten.

Mit wenigem zu melden, so ist absonderlich nach der Nieder-Oesterreich. Landes-Ordn. art. 45. die Linder- oder Beschwerung der Straffe: 1) Aus der That; 2) Aus des Thäters; 3) Dessen Person, dem unrecht geschehen; 4) Aus was für Gemüth und Vorbereitung; 5) An was für einem Orte; 6) Zu welcher Zeit; 7) Auf was Weise dieselbe vollzogen worden, zu ermessen.

Die beschwerenden Special-Umstände aber betreffend; so kan hiervon unter eines jeden Lasters eigentlicher und besondern Benennung ein mehrers nachgesehen werden.