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Zedler:Teutsche Weine

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Band: 43 (1745), Spalte: 261–263. (Scan)

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Teutsche Weine. Solche sind bekannter maßen unterschiedlicher Sorten; als Rheinische, Moßler, Necker, Francken, Oesterreicher, Böhmische und Sächsische Weine. Zu unserer Vorfahren Zeiten hat Teutschland weder einheimischen noch fremden Wein besessen, sintemahl selbige davor hielten, wie Julius Cäsar Lib IV. Bell. Gall. Cap. I. bezeuget: Quod vino ad la borem ferendum remollescerent homines, atque effaeminarentur, daß der Wein die Leute zur Arbeit weich und weibisch machte. Ist also der Wein-Bau etwas spät, und sonderlich unter der Regierung und Vergünstigung des Kaysers Aurelii Probi; etwann im dritten Jahrhunderte nach Christi Geburt erst in Teutschland angefangen worden, seither derselben Zeit haben sich die fremden Wein-Reben durch das gantze Teutsche Reich so verbreitet, daß gegenwärtig fast allenthalben Trauben zu finden. Den Vorzug unter solchen haben: 1) Die Vina Rhenana, die am Rhein-Strom wachsenden Weine; nach dem Sprüchworte: Vinum Rhenense decus est, & gloria Mensae. Unter denselben sind die Ringauer und Hocheimer Geistreich, und füllen die Zunge. Die Bacheracher haben ihren besondern Ruhm; die Hambacher, Pfeffersheimer, Ridberger, Affensteiner, Wormsgauer, Rüdersheimer und Gänsefüsser sind gleichfalls in guten Beruff. Diese werden in Menge nach Cölln am Rhein, Dordrecht in Holland, und Franckfurt am Mayn, als auf ihre ordentliche Stapel-Städte, und von da ferner in gantz Europam verführet. Insgemein sind die Rheinischen Weine dünner, leichter, auch nicht so süß und hitzig, als die Welschen und Spanischen, denn sie steigen nicht so sehr ins Haupt, sondern gehen vielmehr zur Blase, also, daß man selbige in grösserer Menge, denn jene, trincken kan. Johann Crato, Consil. 111. und 160. vergönnet die gelinden und unverfälschten blancken Rhein-Weine, auch denen, so mit dem Steine, und Colic beschweret sind, und auch den Gelähmten. Die gar süssen oder gar herben aber, verwirfft er als undienlich. Greg. Horst in seinen Observ. lobet den gelblichen Wein, wider den Scharbock, den weissen von Mittel-Alter wider das Erbrechen, die Miltzsucht, und die Zufälle des Gekröses. Forest, Lib. V. Obs. 10. rühmet den Ringauer, sonderlich in Ohnmachten; und Lib. I. Obs. 20. führet er seine eigene Erfahrung an, daß der Rhein-Wein, ob er wohl durch Urin leicht weggehet, dennoch nähre und fett mache; wie man denn an den Weinschencken, die viel Rhein-Wein sauffen, gewahr würde, daß sie meistentheils feist und wohl bey Leibe wären. Angelus Sala S. IV. Hydraeol. C. 4. tadelt an den Teutschen, daß sie den Rhein-Wein für den gesundesten unter allen Weinen halten, da er doch denen mit Flüssen und Convulsionen geplagten Leuten, wegen seiner Subtilität schädlicher wäre, als die rothen Frantzösischen Weine. Und eben wegen sothanen subtilen Wesens, dadurch er in die Nerven dringet, verbeut ihn auch Forest Lib. XXIX. Obs. 1. im Podagra. 2) Neccaria vina, die Necker-Weine, sonderlich die Heydel- und Würtenberger sind gesund, leicht und wohlgeschmackt. Um Stutgard wächset eine solche Menge Wein, daß die Frantzosen, wie Lausius Orat. pro German. anführet, im Sprüchworte sagen:

Si l'on ne cueilloit de Stutgard le Raisin,
La Ville s' iroit noyer dans le Vin.

Crato Consil. 111. vergönnet denen mit den Stein und der Gicht geplagten einen reinen, nicht sauern, und nicht kalckigten Necker-Wein, sonderlich der an solchen Ort gefallen, da unter dem Pöbel wenig von Stein beschwerte und Podagristen sind. Huarinon Cons. 208. verordnet in Wehtagen des Magens einen wohlreiffen Necker-Wein. Neudecker in Gerocom. rühmet ihn sehr hoch, und will, daß betagte Leute denselben über Tische stets gebrauchen sollen. 3) Alsatica, die im Elsas fallende Weine sind nicht unangenehm, noch der Gesundheit bey mäßigem Gebrauche schädlich, insonderheit die Reichfeldischen, Lippelsbergischen, Blienweilrischen, Rappersweilrischen u. Reichenweilrischen. Drodat Lib. II Panth. c. 16. thut noch hinzu, die Rangischen, Thanischen, Geringischen, Gebweilrischen, Katzenthalischen, Ammersweirischen und Brißgawischen. Sebitz L. de Aliment lobet die Dambachischen, und die auf dem Sturmischen Hügel gewachsen. 4) Mosellana, die Moßler-Weine, sind sehr lieblich, sonderlich die blancken, und die wohl reiff worden. Solenander Sect. III. Conf. 10. rühmet sie wider das Hertzklopffen; und Sect. III. Conf. 6. lobet er die Moßler Weine, welche nur ein Jahr alt seyn, weil sie nicht sehr trocknen noch hitzen: wie ingleichen, die eine kleine zusammenziehende Krafft bey sich haben, weil selbige das Eingeweyde stärcken, und, als nicht gar starck, ohne Wasser getruncken werden können. 5) Franconica; unter den Fränckischen Weinen sind die Würtzburger am Stein, und die Werthheimer mit den Klingenbergern am Mayn die berühmtesten. Daselbst fallen in guten Jahren so schöne Weine, daß sie den Unwissenden für Rhein-Wein mehrentheils verkauffet werden. Ausser diesen besagten aber, giebet es auch in Franckenland an etlichen Orten gar geringe Weine, sonderlich bey nassen Herbsten; also, daß daher das Sprüchwort entstanden: Francken-Wein, Krancken-Wein: Necker-Wein, Lecker-Wein, Rhein-Wein, Fein-Wein. 6) Tyrolensia. Die besten wachsen längst dem Fluß Etsch, welche man dahero Etsch-Weine heisset; sie fallen von beyderley Farbe, aber man hält am meisten von den rothen. Barthol. Consil. 35. will, daß man die im Tyrolischen wachsende Brixer-Weine, weil sie sehr starck, mit Wasser brechen soll. Die Traminer haben den Nahmen von dem Dorffe Tramin, an der Etsche gelegen, sind röthlich, einige mehr, andere weniger; wie davon Joachim Camerar, in Hort. Medic. p. 180. nachzusehen. Die blancken Weine, so um Grätz und Görtz gebauet werden, sind dicke von Substantz, und führen den Gries häuffig ab. Wenn man aber selbige hernach unterlässet, so höret der Abgang des Grieses auch auf; wie solches Bened. Sylvaticus, Cent. III. Cons. 72. an sich selbst wahr genommen hat. 7) Austriaca, die Oesterreichischen Weine, sind nicht unangenehm, aber auch zugleich nicht gar gesund. Um Kloster Neuburg wächset eine solche Menge Weine, daß man im Sprüchwort saget: Dieses Kloster habe einen rinnenden Zapffen. Johann Crato Consil. 169. und 252. und Greg. Horst, Lib. II. Obs. 7. sagen, daß sie, wie auch die Moravica oder Mährischen, wegen vielen Weinsteins, den Podagristen, und denen, die nach der Colic gichtbrüchig geworden, sehr schädlich seyn. 8) Minus generosa, oder unter die geringeren Weine in Teutschland, gehören erstlich, die Schweitzerischen, um Schafhausen, Zürich und Basel; jedoch dem berühmten Bernischen la Cote-Wein im Pays de Baux an seiner Vortrefflichkeit nichts benommen. Darnach die Niederländischen, um Löwen, Namur, Luxenburg und Lüttich. Drittens, die Thüringischen, sonderlich um Jena herum. Viertens, die Schlesischen, zu Grünberg, Carlat und Crossen. Fünfftens, die Laußnitschen, zu Guben und Fürstenberg. Sechstens, die Brandenburgischen, zu Berlin und Franckfurt an der Oder; wiewohl die Potsdammischen, Werdrischen, Fahrländischen und Schaarmündischen, als welche auf keinem rauhen Kalck-Grunde, sondern auf klaren Sand-Hügeln wachsen, und daher nur zwar leichte Weine sind, aber doch keine zusammenziehende Säure, sondern vielmehr eine angenehme Lindigkeit, bevorab in guten Wein-Jahren haben, noch wohl mitgehen können. Uns so findet man auch in Sachsen, unter den um Dreßden und Meissen herum wachsenden Weinen, solche gute Weine, welche mit manchem Rhein-Weine in die Wette streiten können, und wäre nur zu wünschen, daß diese Sächsischen Weine von ihren Eigenthümern selbst, dergestalt in Hochachtung möchten gehalten werden, daß man die ausländischen kostbaren Weine, je länger, je mehr abschaffte, und zur Erhaltung der baaren Mittel im Lande, als welche vor Rhein- und Ungarische, Frantzösische und Italiänische Weine müssen ausgeschicket werden, sich an seinem eigenen Lands-Gewächse, und herrlichen Natur-Gaben vergnügte.