Zedler:Thränen des Weinstocks

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Thrainitz

Band: 43 (1745), Spalte: 1769. (Scan)

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Thränen des Weinstocks, sonst auch Reben-Thränen genannt, sind nichts anders, als das Wasser, welches die Weinstöcke zur Frühlings-Zeit von sich fliessen lassen, und hierdurch von vielen Feuchtigkeiten, die ihnen sonst schädlich seyn würden, sich reinigen. Wenn ein Weinstock viel thränet und ausläuft, so ist es ein Zeichen eines guten Weinstocks, der viel Safft und Krafft hat; es laufen auch alle gute Stöcke aus, ehe die Augen ausgehen, denn hernach fliessen sie nicht mehr. Es halten einige dafür, daß dieses aus dem Weinstocke rinnende Wasser, wenn es wohl gejohren, und mit etwas Nelcken, Caneel und dergleichen zubereitet wäre, ein so liebliches Geträncke abgeben würde, daß es auch denjenigen anstünde, welchen das Wasser verhaßt ist, und die sonst sehr gerne von dem Gewächs des Weinstocks trincken, welches man an seinen Ort gestellet seyn läßt, weil es vor den Säfften, so aus andern Gewächsen fliessen, in Ansehung des Geschmacks, eben keinen besondern Vorzug hat. Gewisser ist es, daß dieser Safft in der Artzney, bey unterschiedenen Leibesgebrechen, seinen sehr guten Nutzen erweiset. Innerlich gebraucht, ist er ein vortreffliches Mittel wider die Nieren- und Blasensteine, er thut sehr gut in hitzigen und gifftigen Fiebern, treibet den Harn, und erhält das Geblüte in einem guten Temperamente. Der dick gewordene Safft, den man in Gestalt eines Gummi um den Weinstock findet, wenn er in Weine zerlassen, und nüchtern getruncken wird, nimmt die kleinen Steine und Grieß hinweg. Aeusserlich reinigen diese Thränen die Augen, stärcken das Gesicht, und machen es helle und klar, wenn man des Abends und Morgens etliche Tropffen davon in die Augen thut; sich damit gewaschen, heilen sie die Krätze, den Aussatz, und alle Unreinigkeiten der Haut, nehmen auch die Flechte- und Zittermaale weg.