Zum Inhalt springen

Zedler:Thurneisser zum Thurn (Leonhard)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
korrigiert
<<<Vorheriger

Thurnburg (Kesselring von)

Nächster>>>

Thurn am Hart

Band: 43 (1745), Spalte: 2007–2010. (Scan)

Leonhard Thurneysser in Wikisource
Leonhard Thurneysser in der Wikipedia
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|43|Thurneisser zum Thurn (Leonhard)|2007|2010}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Thurneisser zum Thurn (Leonhard)|Thurneisser zum Thurn (Leonhard)|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1745)}}

Thurneisser zum Thurn (Leonhard) ein Medicus, war zu Basel 1530 gebohren, und brachte sich von Jugend auf eine gute Kenntniß von Kräutern zuwege, die er nachgehends auf seinen vielen Reisen sehr vermehrt hat.

Im Anfange arbeitete er, wie er selbst an einem Ort bezeuget, zu Straßburg und Costnitz als ein Goldschmiedts-Geselle, und ließ sich hiernächst in einen Geld-Handel ein, dabey er aber so kurtz kam, daß er Schulden halber die Stadt Basel räumen muste, und hierdurch sein angebohrnes Bürger-Recht daselbst verlohr. Dieses brachte ihn zuerst auf die Gedancken, fremde Länder zu besehen, dannenhero er 1548 nach Engelland, 1549 nach Franckreich, und ferner 1553 in einige Orientalische und Nordische Provintzen von Europa bis nach Moscau reisete, 1558 aber sich zu dem Ertz-Hertzog Ferdinand, Kaysers Maximilians Bruder, verfügte, in dessen Diensten er 12 Jahr blieb, und die demselben in Tyrol zugehörige Bergwercke bauete. Da er aber bey einigen Herrn der Bergwercke in Ungnade kam, verließ er dieses Land, und verrichtete in Ferdinands Diensten unterschiedliche Reisen, als 1560 nach Schottland und in die Orcadische Inseln, 1561 aber nach Spanien und Portugall, schiffte auch von dannen nach Africa, besahe die Barbarey Aethiopien, Egypten, Arabien, Syrien, das Gelobte [2008] Land, den Hellespont, und langte von dar über Candia, Griechenland und Italien 1568 wieder in Ungarn an. Nach diesem besuchte er auch Böhmen, quittirte sodann seine Dienste, und reisete an verschiedenen Orten in Teutschland herum, weil er ein Buch von den mancherley Gewässern schreiben, und alles selbst mit ansehen wolte.

Zu diesem Ende kam er unter andern nach Franckfurt an der Oder, allwo er sein gedachtes Buch wolte drucken lassen. Als aber der Churfürst 1570, um sich von seinen dasigen Unterthanen huldigen zu lassen, dahin kam, und von Thurneissern hörte, ließ er ihn zu sich hohlen und machte ihn, nachdem derselbe die Churfürstin curirt, 1571 zum Churfürstl. Leib-Medico, übergab ihm auch das so genannte graue Kloster in Berlin, welches Thurneisser samt der Kirchen auf eigene Kosten reparirte, und sodann zu seiner Wohnung und Laboratorio gebrauchte.

Es schickten aber die Baßler, wie man sagt, einen Goldschmieds-Gesellen, Nahmens Daniel Merian nach Berlin, welcher allerhand Dinge wider ihn aussprengte, auf Churfürstl. Befehl aber aufgesucht, hernach zu Prag ertappt, und zum Tode verdammt wurde, wovon ihn aber Thurneisser noch errettete. Im Jahr 1579 reisete er nach Basel, kaufte daselbst ein Haus, und hielt um das Bürger-Recht an, welches er aber nicht erhalten konnte, wie er denn seine Lands-Leute jederzeit sehr feindselig gegen sich gefunden hat.

Er hat sich drey mahl verheyrathet, 1) mit einer Wittwe, Marg. Müllerin, welche der Rath zu Basel nach seiner dritte halbjährigen Abwesenheit von ihm geschieden. 2) Mit Anne Hütleins, welche 1675 zu Berlin gestorben. 3) Mit Marie Herbrotin, welche nach seiner Abreise nach der Marck 1581 zu Basel blieb, und weil sie sehr unzüchtig lebte, 1582 von ihm gestossen ward. Sie nahm aber hierauf sein Haus zu Basel im Besitz, und ließ ihn citiren, da denn, weil er nicht erschien, alle seine wichtige Güter derselben zuerkannt wurden, wider welches Verfahren er sich in Schrifften defendirte. Der Churfürst nahm sich auch selbst seiner an, und schickte Schreiben an den Rath zu Basel, allein wieder dieses, noch seine Ankunfft an diesem Orte, da er den Brandenburgischen Hof verlassen, konnten ihm seine Güter wieder zuwege bringen. In seinem andern Wittwenstande hatte er mit seiner Haushälterin ein natürlich Kind erzeugt, welches hernach, vorgedachte Herbrotin zu Basel mit Gifft vergeben.

Er starb zu Cölln am Rhein, in einem Kloster, 1596, und haben die Baßler vorgegeben, daß ihn der Teuffel, mit welchem er in seinem Leben zu thun gehabt, geholet habe; in welchem Verdacht er durch ein besonderes Schicksal gekommen; indem er der Sternseher-Kunst fleißiger oblage, als solches seiner Frau gelegen war, welche ihn deshalben vor Gerichte anklagte, und um die Ehe-Scheidung ansuchte, unter dem Vorwande, daß ihr Mann in seiner Einsamkeit öffters mit vielen rede, mit denen Geistern Gemeinschafft habe, und sich also der Zauberey sehr verdächtig mache. Andere haben ausgesprengt, daß er auf Churfürstl. Befehl verbrannt worden.

Er war im übrigen überaus emsig, dabey aber ein wenig eigennützig und großsprechend [2009] und hatte bey einem mittelmäßigen Verstande ein grosses Gedächtniß. In der Astrologie hatte er es weit gebracht, und so wohl Siegmunden I, als sich selbst seinen Sterbenstag verkündiget. Er war auch ein trefflicher Botanicus und Chymicus, wie auch ein erfahrner Empiricus; ob er aber Gold habe machen können, welches einige aus seinem grossen Reichthum muthmassen wollen, ist nicht zu entscheiden, da er zumahl auch seine Artzeneyen und praeparata theuer verkaufft, und damit viel Geld gewonnen. Viele damahls lebende Gelehrten, als: Hieronymus Cardanus, Peter Manfredus, ein Spanischer Medicus, Peter Pictavius etc. bezeugen grosse Hochachtung vor ihn, und etliche haben sich gar aus den entferntesten Ländern zu ihn begeben. Doch hat er ihm auch an Widerspruch nicht gefehlet, wie denn unter andern Frantz Joel, ein Professor zu Greyphswalde, wider ihn geschrieben, und seine geheime Wissenschafften für Teufelskünste ausgegeben.

Er legte sich zu Berlin eine eigene Druckerey an, darin er seine Wercke sehr fleißig und correct drucken lassen. Hieher gehören:

1. Tractat, de Cometa, 1577.
2. Pison, von kalten, warmen, mineralischen Wassern, samt der Vergleichung mit den Plantis oder Erdgewächsen, Franckfurt an der Oder 1572 in Fol. welchem Wercke Johan Rudolph Saltzmann eine kurtze Beschreibung des Sahl; oder Sahlbacher-Brunnens oder Bades, samt etlichen Fragen von Sauerbrunnen hinzugethan, und zu Straßburg 1612 in Fol. ediret.
3. Magna Alchymia, s. de natura vegetabilium, metallorum, salium, astrorum, eorumque influentiis, Berlin 1583. in Fol. Cölln 1587 in Fol.
4. Historia s. descriptio plantarum & earum virtutes extrahendi ratio, Berlin 1578. Cölln 1587 in Fol. Sie ist auch ins Deutsche übersetzt zu Berlin 1578 in Fol. gedruckt.
5. Archidoxa, darinn der wahre Lauf und Gang der Planeten, auch Heimlichkeit, Würckung und Macht des Gestirns, das fünffte Wesen aus den Metallen und Mineralien etc. in Versen beschrieben wird, Berlin 1575 in Fol.
6. De quinta essentia, medicina & alchymia, Leipzig 1579 in Fol.
7. XII unterschiedene Tractaten gemachter Harn-Proben, Frackf. an der Oder 1571 in Fol.
8. Βεβάιοσις άγωνισμἔ, s. confirmatio concertationis oder Bestätigung der allernützlichsten und nothdürfftigsten Kunst des Harn-Probirens samt beweislicher Erkänntniß des gantzen menschlichen Cörpers auch desselbigen äusserl. und innerlichen Gliedern Zufällen, Gebrechen, Kranckheiten und deren Ursachen in 13 Büchern, Berlin 1576. in Fol. [2010]
9. Onomasticon vocabulorum Arabicorum, Aethiopicorum etc deutsch. Berlin 1583 in Fol. Es ist dieses eine Erklärung der Terminorum Paracelsorum, und ist nach der Zeit mit seiner Alchymia Magna zu Cölln 1587. in Fol. zusammen gedruckt worden.
10. Allmanach, samt der Practica aufs Jahr 1577.
11. MSta. davon einige in der Königlichen Berlinischen Bibliotheck zu finden sind.

u. a. m.

Thurneissers Scripta Conring. de Hermet. Medic. c. 21. und 23. Stollens Histor. der Medicin. Gelahrh. p. 575. u. f.