Zedler:Vampyren oder Blutsauger

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Band: 46 (1745), Spalte: 474–482. (Scan)

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Vampyren, oder Blutsauger, diese haben mit den schmatzenden Todten, davon im XLIV Bande, p. 664. u. ff. gehandelt wird, grosse Verwandtschafft. Man verstehet dadurch todte menschliche Cörper, welche aus den Gräbern hervor spatzieren, den Lebendigen das Blut aussaugen, und sie dadurch umbringen sollen.

Von solchen blutsaugenden Todten sind zwey Berichte aus Ungern eingelauffen, die man hier in aller Kürtze anführen will. In dem Dorffe Kisolova, war ein Unterthan, Nahmens Peter Plogojowitz gestorben und begraben. Darauf begab es sich, daß innerhalb 8. Tagen neun Personen, so wohl alte als junge, nach einer 24stündigen Kranckheit dahin sturben. Diese sagten auf ihrem Todtenbette aus, [475] wie gedachter Plogojowitz im Schlaf zu ihnen kommen, sich auf sie geleget, sie gewürget, daß sie davon sterben müßten. Man öffnete endlich das Grab dieses Plogojowitz, und befand, daß erstlich der Cörper nicht den geringsten Todten-Geruch von sich gab, er war auch, ausser der Nasen, die gantz abgefallen, noch frisch. Haar und Bart, auch die Nägel waren ihm gewachsen, die alte Haut hatte sich hinweg gescheelet, und eine frische darunter hervor gethan. Das Gesicht, Hände und Füsse, ja der gantze Leib waren so beschaffen, daß sie in seinen Lebzeiten nicht hätten vollkommener seyn können. In seinem Munde erblickte man einiges frisches Blut, welches der gemeinen Aussage nach, er von denen, die er umgebracht, gesogen hatte. Man spitzte einen Pfahl, und durchschlug damit das Hertz des todten Cörpers, da dann häufiges Blut, so gantz frisch, auch durch Mund und Ohren heraus geflossen. Endlich verbrannte man diesen Cörper zu Asche. Und das geschahe ohngefehr 1725.

Der andere Bericht lautet folgendergestalt: Im Jahr 1732. entstand ein Gerüchte, daß in dem Dorffe Medvegya in Servien die Vampyrs einige Personen durch Aussaugung des Bluts umgebracht hätten. Darauf ward eine Untersuchung dieser Sache angestellet. Die Einwohner des Dorffs sagten aus, daß vor ungefehr 5. Jahren daselbst ein Heyduck, Nahmens Arnod Paole durch einen Fall vom Heuwagen den Hals gebrochen. Dieser hatte sich bey seinen Lebzeiten verlauten lassen, daß er bey Gassova von einem Vampyr geplagt worden, daher er von der Erde des Grabes des Vampyrs gegessen, und sich mit dessen Blute geschmieret habe, um von der Plage los zu werden. Zwantzig oder 30. Tage nach seinem Todte klagten schon einige Leute, daß sie von gedachtem Arnod Paole geplagt würden, wie denn auch würcklich vier Personen von ihm umgebracht worden. Etwa viertzig Tage nach seinem Todte hatten sie ihn ausgegraben, den Cörper unverweset gefunden, auch floß ihm frisches Blut zu den Augen, Nasen, Mund und Ohren heraus. Das Hembd und Ubertuch waren gantz blutig, die alten Nägel an Händen und Füssen samt der Haut waren abgefallen, und dagegen andere neue gewachsen. Man schlug ihm einen Pfahl durchs Hertz, wobey er einen wohlvernehmlichen Laut von sich gab, und verbrannte endlich den Cörper zu Asche. Gedachte Einwohner gaben ferner vor, daß alle, welche von den Vampyren geplagt und umgebracht würden, ebenfalls zu Vampyren werden müsten. Also verrichteten sie an den vier obberührten Personen gleiche Execution.

Der Arnod Paole solte nicht allein die Leute, sondern auch das Vieh angegriffen, und ihnen das Blut ausgesauget haben, und weil die Leute das Fleisch von diesem Vieh genutzet, so zeigte sichs aufs neue, daß sich wieder Vampyren daselbst befänden. In Zeit von drey Monaten waren siebenzehn junge und alte Personen gestorben, und zwar einige darunter ohne vorher gehabte Kranckheit in zwey oder längstens drey Tagen. Einer, Nahmens Joviza, meldete, daß seine Schwieger-Tochter vor 15. Tagen sich frisch und gesund schlafen gelegt, um Mitternacht aber sey sie mit einem entsetzlichen Geschrey, [476] Furcht und Zittern aus dem Schlafe aufgefahren, und geklagt, daß sie von einem vor 9. Wochen verstorbenen Heyducken Sohn, Nahmens Milloe, sey um den Hals gewürget worden. Worauf sie von Stund an schlechter worden, Schmertzen auf der Brust empfunden, und den dritten Tag gestorben. Darauf öffnete man die verdächtige Gräber: 1) Eines Eheweibes, Nahmens Stana, 20. Jahr alt, so vor 2. Monaten, 3. Tage nach ihrer Niederkunfft gestorben, und vorher selbst ausgesaget, daß sie sich mit dem Blute eines Vampyrs gestrichen, folglich auch ein Vampyr werden müste. Der Cörper war vollkommen und unverweset. In der Höhlung der Brust fand sich frisches extravasirtes Geblüte. Die Haut an Händen und Füssen samt den alten Nägeln fielen von selbst herunter, hergegen zeigten sich, nebst einer frischen und lebhaften Haut, gantz neue Nägel; 2) Ein Weib, Nahmens Miliza, von 60. Jahren, war vor etlichen neunzig Tagen, nach drey monatlicher Kranckheit gestorben. In der Brust befand sich viel liquides Geblüte, und das Eingeweide war gleich der vorgemeldten in gutem Stande. Die umstehende Heyducken sagten, das Weib wäre Zeit Lebens mager und ausgedörret gewesen, ietzo aber war ihr Leib fett und vollkommen. Sie solte damahliger Zeit den Anfang der Vampyren gemacht haben, weil sie das Fleisch von den Schafen, die von Vampyren umgebracht worden, gegessen; 3) Ein achttägiges Kind, welches neuntzig Tage im Grabe gelegen; und 4) Vorgedachter Milloe befunden sich in Vampyren-Stand. Mit dem 5. 6. und 7den Cörper hatte es gleiche Beschaffenheit. 8) Ein Weib samt ihrem Kinde, welche vor 7. Wochen, ihr Kind aber, welches 8. Wochen alt gewesen, und vor 21. Tagen gestorben, waren beyde völlig verweset, ob sie gleich nahe bey den Gräbern der Vampyren lagen. 9) Ein Knecht, 23. Jahr alt, war in drey monatlicher Kranckheit gestorben, und ward nach 5. monatlicher Begräbniß völlig verweset gefunden. 10) Ein Weib mit ihrem Kinde, so vor fünff Wochen gestorben, waren gleichfalls verweset. 11) Stancko, ein Heyducke von 60. Jahren, der vor sechs Wochen gestorben, war im Vampyren-Stand. 12) Ein Heyduck, Nahmens Milloe, gleichergestelt. 13) Stanjoicka, eines Heyducken Weib, war vor 48. Tagen begraben worden. Sie sahe im Gesichte gantz roth und lebhaft aus, und war, wie obgemeldet, von Milloe um den Hals gewürget worden. Rechter Seite unter dem Ohr hatte sie einen blauen mit Blut unterlauffenen Flecken, eines Fingers lang. Bey Eröffnung ihres Sarges floß viel frisches Blut aus der Nase. Dergleichen fand sich auch bey der Secirung in der Höhle der Brust, und Ventriculo cordis. Die Viscera waren in gesundem und gutem Stande. Die Unterhaut an dem gantzen Cörper samt denen frischen Nägeln an Händen und Füssen waren gleichfalls gantz frisch. Darauf wurden denen Vampyren die Köpfe herunter geschlagen, und samt den Cörpern verbrannt, die Asche davon in den Fluß Morava geworffen: Die verwesete Leiber aber wieder in ihre Gräber geleget.

Man darf bey allen diesen Begebenheiten nur mercken, daß sie sich [477] unter denen Rätzen, welche sich zur Griechischen Religion bekennen, zugetragen, alsdenn wird man sich gar leicht darein finden können. Die Griechische Christen glauben, daß der Teufel über die Cörper derjenigen, die im Bann gestorben, volle Gewalt habe, sie besitze und gleichsam beseele, auch dadurch den Lebendigen viel Schaden zufüge. An Historien und Exempeln davon fehlet es unter ihnen nicht. Sie wollen dergleichen Cörper gefunden haben, die gantz frisch und lebhafft ausgesehen, ob sie gleich lange Zeit unter der Erde gelegen, woraus sie schliessen, daß diese Cörper äßen und verdaueten, auch des Nachts herum wanderten.

Nach Monsieur de Ricaut Bericht, vom Zustande der Griechischen Kirche p. 59. soll in der Insel Scio die Gewohnheit seyn, daß wenn die Leute des Nachts gerufen werden, sie das erste mahl nicht antworten, weil sie besorgen, es möchte vielleicht ein dergleichen Gespenste seyn, dem man nicht antworten müste, wo man nicht sterben wolte. Dieser Autor setzt hinzu, daß man auch daselbst alle plötzliche Todesfälle solchen verbanneten Cörpern pflege zu zuschreiben.

Eine eintzige besondere Historie, welche eben diesr Autor beybringet, kan einem von dem Aberglauben der heutigen Griechen in dieser Materie überzeugen. Ein Mensch flüchtete wegen eines Verbrechens aus Morea in die Insel Milo, und entgieng dadurch der Strafe der weltlichen Obrigkeit, aber nicht dem Banne, womit er beleget ward. Dieser starb, und ward an einen abgelegenen Ort begraben. Allein die Einwohner gedachter Insel wurden alle Nachte durch seltsame Gespenster erschreckt, und als sie das Grab wieder öffneten, funden sie den Cörper von lebhaffter Farbe, die Adern waren vom Blute gantz aufgeschwollen, und der Sarg mit Trauben, Aepfeln, Nüssen und andern Früchten damahliger Jahres-Zeit angefüllet, welche er, nach der Griechen Einbildung zu seiner Speise und Nahrung eingetragen. Man berichtete die Sache an den Patriarchen zu Constantinopel, bat ihm um die Erlassung des Bannes, und setzte indessen den Cörper in die Kirche. Eines Tages entstand nach vielem Gebet und Opffern im Sarge ein Tumult, und es fand sich, daß der Leichnam gantz verfaulet und verweset war. Und solches solte, wie man hernach erfahren, zu der Stunde geschehen seyn, in welcher der Patriarche die Erlassung des Bannes unterzeichnet. Worzu aber ein starcker Glaube gehöret.

Die Griechen nennen dergleichen im Bann verstorbene Cörper, Buthrolaccas oder Burcolaccas, von Β?ρχα, ein stinckender Koth, und λάχχος, ein Grab oder Graben. Wiewohl andere solche Benennungen lieber durch reissende Wölffe übersetzen wollen. Von diesen Burcolaccas haben sonder Zweifel auch die Vampyren ihren Ursprung hergenommen, weil zwischen ihnen eine vollkommene Aehnlichkeit angetroffen wird. Die Burcolaccas sollen die Menschen plötzlich umbringen, die Vampyren auch. Die Burcolaccas essen in den Gräbern, wovon sie frisch und lebhafft bleiben, die Vampyren aber saugen zu ihrer Nahrung den Lebendigen das Blut aus, und werden dadurch in unverweseten und lebhafften Stande erhalten. [478] Mit den Burcolaccas verfähret man also, daß man sie aus den Gräbern hervorlanget, ein groß Feuer macht, ein Todten-Opffer anstellt, den Bann aufhebt, und sie endlich verbrennet. Nicht viel anders verfähret man mit den Vampyren. Man hauet ihnen den Kopf ab, oder schlägt ihnen einen Pfahl durchs Hertz, und verbrennet sie auch zu Asche. Ein eintziger Unterscheid findet sich zwischen ihnen. Die Burcolaccas sind verbannete Cörper, die Vampyren aber nicht. Wenigstens findet man in obigen Berichten nicht, daß die Vampyren solten in Bann verstorbene Cörper gewesen seyn. Allein dieser Unterscheid will nicht viel sagen; Denn nachdem man einmahl die plötzliche Todesfälle den verbannten Leichnamen zugeschrieben, so hat man leicht weiter verfallen und glauben können, daß andere todte Cörper, die nicht in öffentlichen Bann gestorben, eben dergleichen würckten. Es muß doch manchmahl Mühe setzen, dergleichen schädliche Cörper zu entdecken. Daher sollen die alten Sclavonier im Gebrauch gehabt haben, daß sie ein gantz schwartzes Pferd auf die Kirchhöfe lauffen lassen, und acht gegeben, bey welchen Gräbern es stille gestanden. Diese hielt man denn für Vampyren-Gräber.

Allein dieses sowohl als alles übrige, welches die abergläubische Griechen von den Burcolaccas und Vampyren glauben, ist eine blosse Einbildung, und handgreiffliche Fabel. Wie solte es dem Teufel möglich seyn, einen Cörper, der des Lebens beraubet ist, wiederum zu beseelen, ihn aus dem Sarge durch das dicke Erdreich heraus und wieder hinein zubringen, ohne daß weder Sarg noch Grab geöffnet würde? Von den andern ungereimten Dingen, die dabey vorkommen, nichts zu gedencken. Gleichwohl ist diese wunderliche Meynung von den Griechen auf andere Nationen kommen, und hat sonder Zweifel auch zu unsern schmatzenden Todten Gelegenheit gegeben.

Von dem gemeinen Volck in Istria schreibt der Baron Valvasor in Topographia Carniolae Lib. 6. cap. 10, wie es in dem Wahn stünde, daß es gewisse Zauberer gebe, die den Kindern das Blut aussaugen; Einen solchen nennen sie Strigon, ingleichen auch Vedarez. Wenn ein Strigon stirbt, so soll er um Mitternacht herum gehen, und an die Häuser klopffen. Aus dem Hause aber, wo er angeklopfft, muß bald darauf einer sterben. Geschicht es denn, so sagen die Bauern, der Strigon habe ihn gefressen. Sie glauben auch, diese verstorbene Zauberer machten sich des Nachts Zeit an die Weiber, welche sie würcklich beschliefen. Solchem Uebel zu steuren, öffnen sie nach Mitternacht das Grab, schlagen dem todten Cörper einen Pfahl von Dornholtz durch den Bauch, worauf das Blut hervor rinnen, der Leichnam sich krümmen und liegen soll, als ob er lebte, und die Schmertzen fühlete. Alsdenn verschütten sie das Grab mit Erde, und lauffen davon.

In Pohlen weiß man auch von solchen Todten vieles zu erzehlen, die in ihren Gräbern noch fressen, als Gespenster herum wandern, und die Leute in der Nachbarschafft umbringen sollen. Sie werden daselbst Upierz und Upierzyca genennet. Acta Erud. [479] 1722. p. 17.

In Schlesien, und zwar in einem Dorffe Hozeploz genannt, sollen die Menschen nach dem Todte sehr oft zu den ihrigen zurückkommen, mit ihnen essen und trincken, ja gar mit ihren hinterlassenen Weibern sich fleischlich vermischen. Wenn reisende Leute zu der Zeit, da sie aus den Gräbern herauskommen, durch das Dorff paßiren, lauffen sie ihnen nach, und hucken auf ihre Rücken. Bes. eines Weimarischen Medici muthmaßliche Gedancken von denen Vampyren, p. 13. 14.

Alle diese Länder sind den Griechen am nächsten; darum ist es augenscheinlich, daß sie ihre fressende und würgende Todten denselben zu dancken haben. Weil aber die Meinung, daß die todten Cörper aus dem Grabe hervorgehen, und also die Menschen umbringen sollen, sehr grob ist; so haben es andere, insonderheit unsere Teutschen, etwas subtiler machen wollen. Sie lassen die todten Cörper immer im Grabe liegen, aber wacker schmatzen, und ihr Leichen-Geräthe, Hände und Füsse zufressen, und dadurch ihre Freunde und Anverwandten umbringen. Man siehet das letztere noch für ungereimter an, weil gar nicht zu ergründen stehet, was das Schmatzen und Fressen der Todten den Lebendigen schaden solte.

Das Vorgeben der Griechen von der Unverweslichkeit der excommunicirten Cörper ist nicht nur ein Aberglaube, sondern es stecket auch darunter ein Interesse ihrer Popen oder Priester. Ein gewisser Griechischer Abt, welcher vor einiger Zeit Europa durchreisete, gab dem Herrn Rector Stuß auf Befragen: Wie es komme, daß der Bann, da man auch auf die Leiber einen so abscheulichen Fluch leget, in Griechenland so offt gebraucht werde? zur Antwort: Es müsse derselbe offt gebraucht werden, weil er in Streitsachen, Vergleichen, Schuldforderungen, Diebshändeln, bey falschen Zeugnissen und dergleichen Fällen, (immassen sie mit keinen Processen vor Türckische Gerichte kommen dürfften), an statt eines Endes sey. Wer sich diesen Fluch auflegen liesse, und den Kläger nicht befriedige, der müsse solchergestalt unrecht haben. Wenn aber nach dem Todte sein Cörper bey der gewöhnlichen Untersuchung, dieses Fluchs wegen, aufgeblasen und verhärtet angetroffen werde, und die Anverwandten denselben von dem Fluch wolten gelöset haben, so müsten sie Satisfaction thun, wovon sonder Zweifel die Geistlichkeit auch ihr Theil empfangen wird. Besiehe Gründliche Auszüge aus denen Disputationen II Band, p. 594. Also ist der Griechischen Clerisey an solchen Vorgeben gar zuviel gelegen, als daß sie diesen Aberglauben solten erkennen und abschaffen.

Weil auch die Unverweslichkeit der todten Cörper seine natürliche Ursachen haben kan, so darff man sie nicht dem Bann zuschreiben, auch daraus kein Wunder machen. Die Aufhebung des Bannes mag auch nicht zuwege bringen, daß die Cörper alsobald in Staub und Asche verfallen; sondern es gehet gantz natürlich zu, daß einige Cörper noch gantz zu seyn scheinen, aber durch ein geringes Anrühren zu Asche werden, wovon die Ursache gnungsam bekannt ist. Wir kommen nunmehro zu den Vampyren, und wollen noch die [480] Umstände erwegen, die sich dabey ereignet haben. Die Unverweslichkeit der Cörper ist das erste, warum man sie für Vampyren gehalten. Allein wer folgende Ursachen bedenckt, die einen todten Cörper eine Zeitlang unverweslich erhalten können, wird dieselbige nicht für ein Kennzeichen eines Vampyrs annehmen. Ein menschlicher Cörper ist schon mehr zur Fäulung geneigt, als der andere.

Wovon man ein Exempel beym Ammiano Marcellino Lib. 19. Cap. 9. findet. Der Persische König Sapor belagerte die Stadt Amida, und verlohr davor dreyßig tausend Mann. Hernach fand sich unter den Todten ein grosser Unterscheid. Die Leiber der Römischen Soldaten verfauleten bald und zerflossen; Derer Perser aber wurden dürre wie ein Stock, und blieben ohne Fäulniß. Solches soll daher kommen seyn, weil die Perser sparsamer gelebet, und in einem hitzigen Lande gebohren worden. Vielleicht werden auch die Leiber der Griechen durch das strenge Fasten, und einfache Speisen sehr ausgetrocknet, daß sie daher nicht so geschwinde verfaulen, als andere Cörper die blutreich und voller Saft sind.

Solches kan auch von der Kranckheit herrühren, woran ein Mensch stirbt. Sintemahl diejenigen, welche an einer auszehrenden und ausdörrenden Kranckheit sterben, nicht so leicht als andere verfaulen. Ein hohes, sandigtes, steinigtes und salpeterichtes Erdreich kan auch die Leiber eine Zeitlang für Fäulung schützen; Nicht weniger auch die Kälte dazu viel beytragen, und was dergleichen Ursachen mehr sind, wodurch die Cörper natürlicher Weise unverweset erhalten werden.

Das lebhaffte Ansehen, und Geblüte, so sich bey den Vampyren gefunden, ist auch von der Beschaffenheit nicht, daß man daraus etwas sonderbares schliessen müste. Weil die Cörper noch unverweset waren, so war ihr Ansehen freylich lebhaffter als der andern, die schon zu faulen anfiengen, und eben deswegen gaben sie auch keinen sonderlichen Todten-Geruch von sich. Was das bey ihnen befundene Blut anlangt, so berichten die Artzneyverständige, daß verschiedene Cörper entweder gleich, oder einige Stunden nach ihrem Todte geblutet haben. Sie setzen hinzu, es könne solches vielmehr geschehen, wenn todte Cörper viertzig Tage, oder länger, im Grabe gelegen, und zu faulen angefangen.

Das Wachsen der Haare und Nägel an Händen und Füssen könnte auch wohl natürlich zugehen. Jedoch ist lieber dem gelehrten Weimarischen Medico in seinen muthmaßlichen Gedancken von den Vampyren p. 68. 69. beyzustimmen, welcher dafür hält, es schiene nur, als ob Haare und Nägel gewachsen, in der That aber wären sie nicht gewachsen, sondern die Sache verhalte sich also: Weil nach dem Todte der Umlauff des Geblütes aufhöret, und kein Geblüt mehr zu der Oberfläche des Cörpers geführet wird, so wird die Haut, und die darunter liegende fleischigte Theile, nach und nach welck, fallen zusammen und schwinden gleichsam, daß nachmahls nicht nur die Haare, sondern auch die Nägel an den todten Cörpern, bis auf die Wurtzel sich unsern Augen zeigen. [481] Es kan auch seyn, daß manche Cörper mit langen Haaren und Nägeln begraben worden, und weil man darauf nicht acht gehabt, hat man geglaubt, sie müsten erst nach dem Tode gewachsen seyn.

Das Vorgeben der Lebendigen, wie sie von den Vampyren im Schlaf ergriffen, gedrückt, und ihnen das Blut ausgesogen würde, ist eine blosse Einbildung dieser furchtsamen Leute gewesen, und ihr Todt nicht durch die Vampyren, sondern durch eine ansteckende Kranckheit, die unter ihnen damahls graßiret, befördert worden. Setzt man ferner, daß sich bey solcher Kranckheit der Incubus, oder das sogenannte Alpdrücken als ein Symptoma befunden, so hat man auch eine natürliche Ursache des Drückens und Würgens. Man darf sich nicht wundern, wenn die einfältigen Leute dieses Drücken den Vampyren zugeschrieben, da es unter uns Leute giebt, die aus dem Alp einen bösen Geist machen, der ihnen durch Hexerey auf den Leib gebannet worden.

Die meisten Meynungen, z. E. des Putonei, des belobten Weimarischen Medici in den muthmaßlichen Gedancken, und D. Johann Wilhelm Albrecht im Tractat de Effectibus Musices in corpus animatum §. 18. 19. gehet dahin: Es habe unter denen Leuten eine ansteckende Kranckheit graßiret, wodurch die Menschen plötzlich dahin gerissen worden. Weil aber solche Kranckheit auch ihre Phantasie verwirret, oder der Alp sich dabey gefunden, so sind sie auf die Einbildung gerathen, als würden sie von den Verstorbenen gedrückt, und ihnen das Blut ausgesogen. Zumahl da sie nach der Lehre der Griechischen Kirche alle plötzliche Todes-Fälle gewissen verstorbenen Cörpern zuzuschreiben pflegen. Diese Meynung ist die sicherste und beste. Denn wenn man von einer Begebenheit natürliche Ursachen angeben kan, muß man dabey bleiben, und nicht die Geister oder verborgene Eigenschaften mit ins Spiel mengen.

Besiehe Johann Christian Stock in Dissert. Physica de Cadaveribus sanguifugis, Jena 1732. Tharsanders Schauplatz I Th. p. 458. u. ff. Ausser diesen sind noch folgende Schrifften von dieser Materie ans Licht getreten: 1) Putoneus in einer besondern Nachricht von denen Vampyren, Leipzig 1732. in 8. 2) Visus & Repertus über die sogenannten Vampyrs, Nürnb. 1732. in 8. 3) Actenmäßige und umständliche Relation von denen Vampyren, Leipz. 1732. in 8. 4) Gottl. Heinr. Voigts kurtzes Bedencken von denen Actenmäßigen Relationen, wegen derer Vampyren, Leipz. 1732. in 8. 5) W.S.G.E.A. Curieuse und sehr wunderbahre Relation von denen sich neuer Dinge in Servien erzeigenden Blut-Saugern oder Vampyrs, 1732. in 8. 6) Christoph Friedrich Demelii Philosophischer Versuch, ob nicht die merckwürdige Begebenheit derer Blut-Sauger aus denen Principiis Naturae erläutert werden könne. Wien 1732. in 8. 7) Eines Weimarischen Medici, D. Joh. Christ. Fritschii, muthmaßliche Gedancken von denen Vampyren, Leipzig 1732. in 8. 8) Schreiben eines guten Freundes an einen andern guten Freund, die Vampyren betreffend, in Fol. 9) Dissertatio Physica de Cadaveribus sanguifugis, unterm Vorsitz Johann Christ. [482] Stockii, Jena 1732. in 4. 10) Ottonis Graben zum Stein unverlohrnes Licht und Recht derer Todten unter den Lebendigen, Berlin und Leipzig in 8. 11) M. Joh. Christoph Pohlii, Dissert. de Hominibus post mortem sanguifugis, Leipzig 1732. in 4. 12) Johann Christ. Harenberg vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampyrs oder Blutsaugenden Todten, Wolffenbüttel 1732. in 8. 13) Joh. Heinrich Zopffii Diss. de Vampiris Serviensibus, Duisburg 1733. in 4. und 14) M. Michael Ranffts Diss. I. & II. de Vampyris, und andere mehr.