Zedler:Wangeroge

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Wanger-Oeg

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Wangeroger-Sprache

Band: 52 (1747), Spalte: 1985. (Scan)

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Wangeroge, oder Wangeroghe, auch Wangerooghe, und Wanger Oeg genannt, ist eine kleine Insel auf der Nord-See, bey Ost-Frießland, eine Weile von Jevern, und gehoret zu der Herrschafft Jevern. Sie hat den Nahmen von dem gegen über liegenden Wanger-Lande, als dessen Auge, welches nach Niedersächsischer Sprache Oge genannt wird, sie sey. Sie hat ihren eigenen Voigt und Priester. Diese Insel ist vorzeiten viel grösser, als gegenwärtig, gewesen, und soll, nach der Alten Berichte, sowohl in- als ausserhalb des Hafens, oder Strandes, durch die hohen Wasser-Fluthen und starcken Stürme, mehr als die Hälffte sich mit der Zeit verlohren haben. Jetzo ist sie nur eine halbe Meile lang, und eine halbe Viertheil-Meile breit, und hat also etwan eine Deutsche Meile in ihrem Umkreise. Sie ist denen auf der West- ode Nord-See fahrenden sehr nützlich, als dahin sie sich bey Sturm-Zeiten begeben, und für dem Schiffbruche retten können; Wie es sich denn offt begiebt, daß an selbigem Orte 40.50.60. und mehr grosse Last-Schiffe zusammen kommen, und sich daselbst so lange, bis das Ungewitter vorbey ist, aufhalten, dahero solche Stelle von den Schiffleuten vor einen sichern Schiff-Hafen geruhmet wird. Auf dieser Insel sind zwey Kirchen, die eine in Norden hat noch vor kurzer Zeit, die andere aber in Westen mitten auf der Insel, mit einem hohen dicken Thurme und einem Dorffe, gestanden. Jene ist in den vorigen Jahren durch die Ungestürmigkeit des Meeres, hinweg gegangen, davon man noch die Kennzeichen auch zu der Ebbe-Zeit die Abtheilung der Aecker und die bey den Häusern gehabten Brunnen, mercklich sehen kan. Die Einwohner finden zuweilen daselbst einige alte silberne Münzen, und andere Sachen. Der Ort wird sonsten Oldenoge genannt, und es fahren nunmehro die grössesten Schiffe darüber. Der in Westen stehende ansehnliche dicke Thurm ist in dem Jahr 1597. von Graf Johansen von Oldenburg, auf der Elterleute zu Bremen schrifft- und mündliches Ersuchen einzig und allein zu der Schiff- und Seefahrenden Bestem, zu erbauen angefangen, und in dem Jahr 1602. vollendet worden, dessen Kosten an Materialien und Hand-Wercks-Lohn, ohne die Fuhren und Frohnen der Unterthanen, auf 24000. Thlr. sich belauffen haben. Oben darauf hat einen grosse eiserne mit Rüben-Oel gefüllete brennende Lampe durch 48 Fenster geleuchtet, den Seefahrenden bey dunckeln und einfallenden Sturm-Gewitters Zeiten zu Verhütung Schiffbruchs, die Gegend und den Ort in der See zu zeigen. Dieweil aber solche Lampen durch die Fenster nicht weit in die See geschienen hat, und nachgehends die Feuerbacken erfunden sind, als ließ Graf Anton Günther von Oldenburg eine Feuerbake in Norden, auf einem Sand-Hügel, und noch zwey und zwantzig Stuffen hoch, aufrichten, und das Feuer mit Schottischen Stein-Kohlen, von Michaelis bis gegen den Christ-Tag, und wieder gegen Fasten bis Ostern, allseits unterhalten, welches in die vierdtehalb Meil-Weges aus der See gesehen wird. Nach Abgang deren in Norden gestandenen Kirchen, ist der Mittel-Theil dieses Thurms zu dem Gottesdienste der Einwohner, das unterste und oberste aber, bey etwan vorgehendem Schiffbruche, zu Hinlegung der gestrandeten und salvirten, oder gebergten Güter, verordnet worden, massen die Grafen, nach aufgehobenem Strand Rechte, niemahls mit den gestrandeten Gütern auf der See, Jhade und Weser, mit der Schärffe verfahren, sondern dieselben zu Erhaltung ihrer Jurisdiction, so die auf gedachten Wassern haben, auf gebührliches Ansuchen, rückgegebene Recognition und erlegtem Berg-Gelde vor die Hülff leistenden, wieder abfolgen lassen; Danne den Bedrängten nicht noch grössere Bedrängniß zugefüget werde. Die Einwohner dieser Insel gebrauchen sich zwar insgemein der Westphälischen Sprache; Jedoch haben sie unter sich noch eine besondere, die ein Fremder gar nicht verstehen kan, welche, ihrer Aussage nach, die uralte Friesische Sprache seyn, und mit der Englischen Mund-Art eine Gemeinschafft haben soll. Auch sind die Einwohner, wie fast alle Wasser-Leute, etwas roh und wilder Art, doch sollen sie sich, vor einigen Zeiten sehr gebessert haben. Ihre beste Nahrung bestehet in der Fischeren, als in allerhand See-Fischen, Saal-Hunden, Muscheln, Schullen, Schell-Fischen, Meer Trin-Michel- und Heiligenbutten, auch Rochen, Stören, Cabeljau, Golcken, Hummelstaschen, Grabben, auch sonsten ungewöhnlichen Fischen, welche sie theils auftrucknen und dörren, theils ihren Schmalz und Häute anderwärts verführen und verkaufen. In Ost-Süd-Ost sind gegen den Anfang des 18. Jahrhunderts Austern eingepflantzet worden, welche sich gefasselt haben; sind aber der Herrschafft vorbehalten worden. Diese Insel soll so voller Sand seyn, daß sie nicht einen Halm Graß hervor bringet, daher man daselbst keine Bäume, wie auch kein Wild, oder Weydewerck findet; Wiewohl andere bezeugen, daß sie nach besserer Einrichtung, ziemlich Weyde-reich und fruchtbar geworden sey. Es sind auch einige Caninchen darein gesetzt worden, die sich in den Sand-Hügeln sehr vermehret haben. Diese Insel ist durch die See über eine starcke Meile von dem festen Lande der Herrschafft Jevern, als der Küste von Ost-Frießland abgeschnitten; Es verlaufe sich aber die See bey der Ebbezeit dermassen, daß beyderseits Einwohner trockenes Fusses einander zulauffen können; Jedoch dürften sie keine Zeit versäumen, damit sie nicht die Fluth betrete, und wie öffters zu geschehen pfleget, ersäuffe. Graf Anton Günther von Oldenburg begab sich einstmahls in seiner Jugend in so grosse Gefahr, daß er, zu der Ebbe Zeit, hinüber ritte. Winckelmanns Oldenb. Chron. p. 10. u.f. 117. 582. Lexic. der A. M. und N. Geogr. p. 1199. Abels Preuss. Geogr. Tb. I. p. 471. u.f. Hübners Geographischer Th. III. p. 525.