Zedler:Weiber-Curen

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Weiber-Diebstahl

Band: 54 (1747), Spalte: 66–70. (Scan)

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Weiber-Curen. Darunter verstehen wie hier nicht diejenigen Curen, so an denen Weibern, sondern die, so von selbigen verrichtet werden. Das das Weibsvolck zu Erlernung guter Künste und Wissenschafften so geschickt sey, als die Mannspersonen, solches ist so wohl aus der Vernunfft, als der Erfahrung eine ausgemachte Sache: und daß ein gleiches auch von der Medicin zu behaupten sey, ist durch eben diese Gründe klar und offenbar; Daher saget Plato, Lib. V. de Republ. ausdrücklich: Mulieres, sicuti & Viros, ad Medicinae artem esse aptas; auch erweiset Tiraquell, de Nobilitat. c. 31. §. 306. fol. 172. b. ex Jure scripto, daß die Weibsbilder von Erlernung und Ausübung der Medicin nicht auszuschliessen seyn. Solchergestalt weiset das Alterthum viele Exempel von Weibspersonen auf, so diese Kunst getrieben, auch durch Entdeckung allerhand Kräuter und deren Kräffte, vermehret und in Gang gebracht, ja durch Schrifften erläutert haben; auf welche Weise vor uralten Zeiten die Cibele, Latona, Diana, Isis, Medäa, Circe, Anguitia, Ocyroe, Hygäa, Panacöa, Aegle Jaso, Oenone, Polydamna, und noch andere mehr unter die Ärztinnen gerechnet worden. Die Trota oder Trotula Salernitana soll ein Buch de Morbis Muliorum & earum Curatione geschrieben haben; Die Elephantis eines, de Cosmeticis von der auch das Emplastrum Elephantinum bey dem Celso den Nahmen soll bekommen haben; Die Hildegardis, de Simplicibus & Compositis, quae tollendis aegritudinibus prosunt. Doch, wenn man die Sache beym Lichten besiehet, so haben diese Weiber entweder zu der Zeit gelebet, da die Artzney-Kunst im ersten Aufgange stund, und ehe dieselbe noch als eine ordentliche und erläuterte Profeßion muste erlernet werden, folglich ein jeder rathen mochte, was ihm für diese oder jene Kranckheit bekannt war; oder, es waren der damaligen Aerzte Töchter, die von ihren Vätern einige Medicamente erlernet, wie etwan heut zu Tage manchmal der Aerzte ihre Frauen; und die, ihrer Väter wegen, oft in mehrerer Achtung standen, als sie es mit ihren Thaten verdieneten, wie etwan die Hygäa, Panacöa, Aegle, Jaso des Aesculapii; die Hegione des Herculis; die Oxyroe des Chironis, und anderer ihre Töchter; Oder, sie machten sich blos mit einem und dem andern Medicamente, in dieser oder jener Kranckheit bekannt, wie die Circe wider Gifft, die Hebamme Maja wider Feigwartzen und Spalten, die Hure Achromos mit einem Trancke wider die rothe Ruhr, ein altes Weib zu Rom mit einem Mittel wider die fallende Sucht, und eine andere daselbst aus Africa mit einem Mittel wider die Colic, bey dem Scribone Largo; wider eine andere bey dem Aetio mit einem Medicamente wider den Ansprung; und noch eine mit einer Augen-Artzney, bey dem Avicenna, u. s. w. oder, sie kamen, krafft ihres hohen Standes, in ein medicinisches Ansehen, wenn sie auch nur etwas weniges in der Medicin leisteten, als wie manchmahl die Königinnen und der Könige Töchter, z. E. die Isis, Medea, Circe, Agameda, Cleopatra, Brela Croa, eines Königes in Böhmen Tochter etc. etc. Oder, es gab ihnen die geglaubte Heiligkeit dieses Ansehen, als wie etwan der Hildegardi, bes Tiraquell, am angeführten Orte, fol. 172. b. bis 174. b. und was der gleichen besondere Ursachen mehr mögen gewesen seyn; die aber meist sämtlich nicht so wohl eine dogmatische, als empyrische, und gemeiniglich ziemlich grobe, entweder aus anderwärtigem Mangel, oder aus Ansehen geachtete Praxin beschlossen oder gebahren, und mögen dieserley Weiber wohl meist kaum so viel gewust haben, als unsere jetzigen Kräuter-Weiber, daher auch nach der Zeit, als die Medicin, bey gesitteten Völckern in eine bessere, ordentlichere und gegründetere Verfassung kam, diese weibliche Empirie verboten wurde, wie solches einst, nach Hygini Zeugniß, Fabular. c. 274. zu Athen geschehen. bis endlich eine gewisse Jungfer, Agnodice, nachdem sie in Manns-Kleidern die Medicin von Hierophilo erlernet, und hierauf, bey heimlicher Endeckung ihres Geschlechtes, die meisten Weiber curiret, hierdurch aber den ordentlichen Aertzten die Weiber-Curen meist sämtlich entzogen, dieses Eingriffes und Abganges wegen, von den Aertzten verklaget, und von den Areopagiten verdammet worden, worauf die vornehmsten Weiber der Stadt für Gerichte gekommen, und den Richtern ins Angesicht gesaget. Vos conjuges non estis, sed hostes, quia, quae salutem nobis invenit, eam damnatis; wornach die Athenienser das Gesetz geändert, und den verständigen Weibsleuten erlaubet, die Medicin frey zu erlernen. Und es ist auch in der That gewiß, daß, wenn eine geschickte Weibsperson sich ordentlich zu Erlernung der Medicin bequemen wolte, sie hierzu offt mehr Geschicklichkeit zeigen solte, als manche Mannsperson; und vielleicht würde eine junge Doctorin alsdann bey vielen Männern so viel Achtung und Vertheidigung finden, als die Agnodice bey den Weibern; ja, es ist zu glauben, daß sich viele so gut kranck machen würden, als man die Weiber bey der verkleideten glatten Agnodice beschuldigte, um mehr diese holdselige Aertztin, als ihren medicinischen Kram zu geniessen. Doch es müste vorher eine weibliche Universität anqeleget werden, weil sonst die Medicin allzu chymisch, und die mehresten Collegia mit lauter Kolben und Recipienten gehalten werden möchten. Aber dieses dürfte wohl so leicht nicht geschehen, und es erfordert solches auch keine Nothwendigkeit: weil doch, sonderlich jetziger Zeit, mehr Mannspersonen die Medicin erlernen, als es die Menge der Krancken, bey der algemeinen Quacksalberey, erfordert. Inzwischen haben dieses letztern schädlichen Unfugs wegen, die Fürsten aus wohl bedächtigem Rathe, eine besondere medicinische Facultät geordnet, da gewisse Personen, so die Kunst der Artzney gehöriger Weise, nach der Wirthschafft des Leibes und andern Erfordernissen mit Fleiß erlernet, aufs genaueste examiniret werden sollen, denen alsdenn nach befundener gnugsamer Fähigkeit, die Erlaubniß zu practiciren, ja andre wiederum zu lehren, gegeben werden soll; welche Absichten aber zu unsrer Zeit nicht auf allen Universitäten erreichet oder gesuchet werden. Solchergestalt soll diesen löblichen Verordnungen zu Folge, niemand practiciren, ausser der, so die Kunst mit Fleiß und Verstande erlernet, und hierzu gnugsam autorisiret ist. Aber, wie gehet es heut zu Tage? wie in den ältesten Zeiten, da die Medicin noch in der Wiege lag, und weder gehen noch stehen konnte, zu deren Aufbringen ein jeder etwas beyzutragen suchte, so gut er auch nach seiner Schwäche konnte. Nunmehro curiret ein jeder, wer da will, und es scheinet, als habe sich die medicinische Wissenschafft so verlohren, als wie dort das Schaaf und der Groschen im Evangelio, daß sich jeder Schäfer und Schütze, ja ein jedes triefäugiges altes Weib bemühen müste, selbige wieder zu suchen. Und es ist bis auf den äussersten Eckel bekannt, daß nicht nur die Weiber der Landstreicher und Marcktschreyer die Praxin in weiblichen Beschwerungen so gut, als ihre Männer in männlichen zu üben vermeynen, ja besondere Zettel hiervon ausstreuen; sondern es sind auch die ordentlichen Einwohnerinnen der Städte und Flecken in so grosser Menge Quacksalberinnen, daß auch manchmahl Frauen vom Stande, diese Rolle zu zieren, nicht verabscheuen. Doch es kommt immer eine solche Affteraertztin vor der andern in höheres Ansehen, und die Breßlauer führen in ihren Naturgeschichten, Vers. Vl p. 1886 u. f. eine solche Practicantin von Berlin auf, die daselbst im Jahre 1718 und forthin in eine grosse Achtung gekommen, auch sich selbst eigenhändig eine Kräuter-Doctorin zu schreiben und zu nennen unterstanden. Selbige hat Eva Maria Biehlerin geheissen, sie soll aus dem Dessauischen gebürtig gewesen seyn, und im Urin besehen treffliche Gründe gehabt haben, so, daß sie auch die Betrügereyen der Leute aus selbigem errathen, und vorhersagen können. Sie ist darbey sehr unverschämt und dreiste gewesen, und hat folglich alles auf die Hörner genommen, was ihr nur vorgekommen. Dieses weibliche Wunderthier, so der medicinischen Facultät in einer vornehmen Stadt Hohn gesprochen, ist dadurch in so grosses Ansehn gelanget, als vielleicht kaum die alten Medicä mögen gehabt haben. Doch es ist dieses in der Medicin nichts neues, als in welcher wohl offt der allerunverständigste und boßhafftigste Bube, der Hencker und Dieb, und was dergleichen mehr ist, in grössere Ächtung kommen, als der Aesculap selbst. Dieses Weib mußte man unter den Galenischen Troß zählen, weil sie mit lauter Kräutern heilte; und dieserley Manier ist überhaupt gar vernüfftig, aber sie erfordert, wie alle andere Manieren, Verstand vom menschlichen Cörper und von der Natur der Kranckheit, dergleichen man aber von dieser Affterärtztin nicht erfahren, wohl aber, daß sie laut der Nachricht, in der Verwegenheit und im Lügen excelliret, als welches die Hauptstützen alles empirischen Auskommens sind: Denn das praktische Ansehen gründet sich selten auf Verstand, sondern meist auf Einbildung des Pöbels: und diese letztere ist gewiß auch das Element dieser alten Quacksalberin gewesen, von der man sagen möchte, was dorten Tavernier in seiner Reise-Beschreibung Part. I. Lib. III c. 12. von den Circaßischen Rülpsweibern meldet, die, nachdem sie den Krancken anrülpsen, selbigem Linderung verschaffen; da er denn schreibet: Wo dieses geschieht, so geschiehet es durch Einbildung, und man muß diese Rülpsweiber ehrlich und wohl bezahlen, die Sache gehe auch, wie sie wolle. Und so wird es auch wohl immer in der Welt bleiben, so lange als in derselben Meynungen seyn werden, und es wird wohl kein Medicus fähig seyn, diesen Stall auszumisten, als welches für eine höhere Gewalt gehöret. Ein rechtschaffener Medicus siehet dieses alles mit einer großmüthigen Verlachung an, und kan leicht leiden, daß die Welt mit ihrer größten Anmuth betrogen wird. Primeros saget de Error. Vulgi in Med. Lib. I c. 5. Quoniam parum sollicitus esse debet Medicus, quinam & quot sint, qui Medicinam faciunt, de mulieribus nihil amplius dicemus: sufficit populo, errores suos indicasse. Eine alte Weiber-Cur, die glücklich abgelauffen, hat D. Degner aus Niemägen den Breßlauer Naturgeschichten. Vers. XXVIII p. 442 u. f. einrücken lassen. Aus dieser erhellet, daß, nach dem gemeinen Sprüchworte, eine blinde Taube auch offt eine Erbse findet, und hernach meynet, daß solches von ihrer Weißheit herkomme. Denn gewiß ist es, daß die Medicin von der Erfahrung, auch des gemeinen Mannes, entstanden; und es hat in der That zuweilen ein altes Weib, oder ein alter Mann, eine Anmerckung von langen Zeiten her gemacht, und zuversichtlich befunden, die einem vernünfftigen Artzte nicht allemahl bekannt ist, oder einfället; gleichwie in solcherley Händen auch manches gutes Medicament ist, so dem Medico anzunehmen und vernünfftig zu gebrauchen, keine Schande bringet; daher auch Wolffg. Gabelchover, Observat. med. Cent. VI. Curat. 21. in Schol. p. 63 recht hat, wenn er saget: Anuum remedia non temere contemmenda sunt, veluti ab anu aliqua, aut agyrta, vel vespillone quodam reperta: Nam subinde ab istis hominibus quaedam inveniuntur, quae deinde a medicis in artis operibus versantibus probantur, propter utilitatem, quam ex corum usu consequi experiantur. Doch hiermit wächst gleichwohl solchen Leuten so wenig Recht zu curiren, als einem Schreiber ordentlich zu practiciren zu, ob er schon in einem und dem andern Falle eine kräfftige Supplic zu verfertigen weiß.