Zimmerische Chronik/Band 2/Kapitel 54

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Autor: Froben Christoph von Zimmern
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Titel: Dises capitel sagt von dem absterben der grevin von Ötingen, deren dreien herren gebrüeder freihern zu Zimbern fraw mueter, auch von etlichen abenteurlichen hendeln, zu Mösskirch verloffen.
Untertitel:
aus: Zimmerische Chronik Band 2. S. 546–558
Herausgeber: Karl August Barack
Auflage: Zweite Verbesserte Auflage
Entstehungsdatum: 16. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)
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Erscheinungsort: Freiburg und Tübingen
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Quelle: Digitalisat der UB Freiburg
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[546]
Dises capitel sagt von dem absterben der grevin von
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Ötingen, deren dreien herren gebrüeder freihern zu Zimbern fraw mueter, auch von etlichen abenteurlichen hendeln, zu Mösskirch verloffen.
Anno domini 1528, uf s. Bartholomestag, ist fraw Margreth grefin von Ötingen, der dreier gebrüeder freiherren
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zu Zimbern fraw muetter, in guetem alter zu Mösskirch gestorben, und ist zu wissen, nachdem herr Johanns Wernher, ir eltester sone, die herrschaft Mösskirch wider eingenomen, das sie von Oberndorf hinaufzogen. Sie hat die behausung ingehapt, die weilunt der alt herr Wernher freiherr von

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[547] Zimbern bewonet, allernechst der pfarrkirchen S. Martin gelegen; alda ist sie ob den zwainzig jaren bliben und hat ain sollichen erbarn, gotzförchtigen wandel gefüert, darab sich menigclichen verwundert. Sie ist steetigs, biß an ir
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ende, in weisem beklaidt gewesen und ein klaidung gehapt, als ob das ain sonderer orden gewesen were; so ist sie auch ain solche gesunde fraw gewesen, das sie kein krankhait nie erliten, allain in irem alter hat sie ein fluß an ainem schenkl überkommen, der hat sie vil jar vermutlichen
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beim leben ufenthalten. Aber in obernemptem jar hat sie den schenkel wider aller arzet und der verstendigen rath zuhailen lassen, darauß gevolgt, das sie zu schwachen angefangen und zu geschwellen, das sie zu bet sich legen müeßen. Noch hat sie niemands bereden künden, das sie
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ein medicum annemen oder dem volgen wellen, sonder sie hat allwegen gesagt, sie welle der arzet und apoteker füeß (also hat sie die medicamenta genennt) nit essen oder trinken, sonder welle Got vertrawen und die natur wirken lassen. Das ist nun ain zeit lang also angestanden, das sich ire
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sachen deglichs gebösert. Wie sie das vermerkt, das kain bösserung vorhanden, hat sie [sich][1] mit großer andacht, ganz christenlichen, versehen lassen und also der beruefung erwartet. Ir sone, herr Gotfridt Wernher, hat one ir wissen bei den doctoribus consuliert, aber es ist zu spat gewesen
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und hat nichs helfen oder erschießen megen. An s. Bartolomestag, als menigclichen zu unser Frawen jennet der Ablach im ambt gewest (dann herr Gotfridt Wernher darvor die pfarrkirchen zu S. Martin abbrechen lassen und die fundamenta domals mauren ließ), hat sie sich gegen denen,
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so bei und umb sie gewest und uf [587] sie gewart haben, ires schmerzens halb heftig erclagt; darnach, als sie gebettet, ist sie in kürze darnach ganz selligclichen und nit anders, dann als ob sie entschlafen wer, uf dem bet verschaiden. Und ob sie, wie gehört, den arzeten nit
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nachgefragt, iedoch hat sie selbigs tags morgens früe den Gangolf Örtlin mit dem wasser zu doctor Geörgen geschickt. Sie hat nach irem absterben ein sollichs wolgefärbtes angesicht gehapt, darab sich alle die, so das gesehen, höchlichen verwundert, also auch das ire wärterin lang gezweifelt,
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ob sie gestorben, oder noch bei leben. Ist beschehen uf

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[548] jar und tag, wie oblaut, in der neunten stundt vor mitemtag, ires alters ungefärlichen bei den 70 jaren. Gegen abents ist sie in dem chor zu S. Martin, der domals unbedeckt gewest, vor dem sacrament, an dem ort, do iezmals
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der fronaltar stehet, begraben worden. Sie ist von menigclichem hoch beclagt worden. Ire drei söne haben sie erlichen bestatten lassen. Der dreißigist ist von den genachpurten prelaten, als abt Gebhart von Pettershusen und andern, statlichen besucht worden, und dieweil ain lecherliche
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sach uf solchem dreißigisten sich begeben, kan ich die zu vermelden nit underlassen. Es het herr Johanns Wernher ain dorechten mentschen von kindswesen umb Gottes willen erzogen, genannt Michel Nar, war von Besika pürtig, der hat sein tag vil kindischer, lecherlicher sachen begangen,
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die umb kürze willen iezmals zu erzellen underlassen werden; aber uf disem dreißigisten, als er ungeferdt auch in die kirchen zu unser lieben Frawen kam, het er sein gewonlich klaidt an, war ain geliderte eselhut[2], und so er die als ain rock zu im gürtet, konte er den außgefülten eselkopf als
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ain cappen ufsetzen, zu dem er seltzam beschoren. Wie er nun zum seelampt kompt, wardt das, wie gepreuchlichen, mit niderer stim und[WS 1] cleglich gesungen. Das misfiel dem narren, der gieng trawrig in der kirchen umbher; als aber das seelampt sein endtschaft erraicht und der schuelmaister
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unser lieben Frawen ampt »Salve sancta parens« etc. mit hocher stimp anfieng und die andern priester sampt den schuelern dasselb mit frölicher stim sangen, empfieng der dorecht mentsch darab ain solchs wolgefallen, das er im selbs nit entziegen konte, sonder damiten in der kirchen
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warf er ain arm uf und schrie so laut er konte: »Laß geen! laß geen! das laut, das laut,« derhalben ain sollichs gelechtert in der kirchen sich erhub, das man den narren, der gleichwol mit seinem geschrai fürfuere[3], zur kirchen hinauß fieren muste. Er hat uf ain zeit, als er aim priester
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zue Mösskirch zu altar gedienet, kein glögklin gehapt, damit er ad elevationem klingln kinden; damit nun an seinem fleis nichs erwünde, hat er, wie man elevirt und er hünder dem priester geknüet, mit baiden henden an die rollen, so er an seinen oren gehapt, zugleicht als ob er klinglt, ge-

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[549] schlagen; ist abermals sein gelacht worden. Er het wol zu dem priester gefüegt, der inter elevandum eucharistiam die mit der ainen handt ufgehept und mit der andern handt geschnelt. Ußer disem allem leichtlichen hat megen
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abgenomen werden, das er sich keiner thorheit ußer schalkhait angenomen, sonder ain lauters kindt gewesen. Hat er sich uf ain zeit ußer einfalt under dem schloß Falkenstain in ain große geferde begeben, dann als er be[588]velch gehapt, mit zwaien eseln wasser uf Falkenstain zu fieren, und herr
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Johannsen Wernhers werkleut, so domals den felsen am schloß gebrochen und geebnet, etlich gar groß stein den perg herab geworfen, die dann all stauden und was sie underwegen angetroffen, mit großem gedöß zerschlagen, ist bemelter Michel denselbigen stainen entgegen geloffen,
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sie angeschrien und mit den henden scheuchen wellen, damit sie weiter kein schaden thuon. Aber er ist ohne zweifel domals von Got sonderlichen bewart worden, dann in derselben stain keiner antroffen, wiewol sie hünder und vor im gerauscht. Er hat nit anders gewist, dann herr Johanns
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Wernher von Zimbern seie sein vatter, derhalben im nit anders gesagt, dann herr vatter, und so herr Johanns Wernher verreiten wellen, ist der narr zu im kommen und dergleichen gethon, als ob er leidig[4] sei seins hinwegraisens, und gesprochen: »Ach, herr Got, lieber herr vatter, kom
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baldt wider!« So baldt in der narr nit mehr gesehen, hat er zu den umbstendern mit heller stimb geschrüwen: »Lan gan! lan gan! er kompt nit wider, der herr vatter, der teufel hat in hingefüert, hini, das er ain schenkel abfall!« so übel hat in der narr gefürcht. Herr Johanns Wernher
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ist uf ain zeit uf dem Ottenwaldt gewesen und am herauf raisen ist er geen Besika komen. Als in des Michel Narren mutter erfaren, die dann, eben wie ir son, nit witzig gewest, ist sie ins würtshaus gangen, den herren angesprochen, wie es irem sone Michel gang und wie er lebe; hat ir herr
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Johanns Wernher gesagt, es gange ime wol, nem heftig an der vernunft zu, das zu hoffen, er noch zu aim burgermaister werde gerathen. Das hat die guet fraw wol erfrewt, und gesprochen: »Ach, das sei Got gelobt, das er so wol gerathen, dann es ist allweg in der jugendt ein witzigs und
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bescheids büeble gewesen,« damit ist sie wider abgeschaiden.

1 [550] Es hat sich menigclich irer dorechten rede zu krank wellen lachen.

* [1543] Nachdem ir [der gräfin von Öttingen] dreißigest gehalten, waren die zwen elteren gebrüeder vorhanden, ir
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verlassenschaft zu tailen. Solche tail zu machen, ward der jüngst under den gebrüder, herr Wilhelm Wernher, erbetten. Der sucht und ordnet, fand under ander ledlin ains, das war voller gelts, etlich hundert gulden an reinischem gold; das het die gut fraw bei iren lebzeiten gespart und villeucht
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vermaint oder besorgt, das sie in ain langes leger sollte kommen, das sie gefast were oder dester weniger ire befründten müßt ansprechen. Das gab der from her seinen gebrüder herfür, hets im selbs künden behalten, wer auch baß an ime angelegt gewest, aber er gabs hin. Sie namens
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von ime an, tailten das, nit ein steften von ainem nestel haten sie ime darvon geben; das überig von ledlin und ander das mußt one ufgethon oder besehen (dann der seltzam, ainfür man, her Gottfrid Wernher, wollt nit, das man sovil weil mit neme) getailt werden. Was dem elter bruder,
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herr Johann Wernher, darvon zugehert, das trueg man hinab in den underen hof, das kam hernach in domum Cadmi und Agenoris[5], das ander halb tail blib im schloß. Herr Gottfridt Wernhers [1544] gemahl, die grefin von Hennenberg, wollt erst sollichs alles ordnen, so spricht aber der seltzam,
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eigensinnig man: »Botz rem, frow! was wollen ir erst mit dem narrenwerk umbgehn?« erwüscht deren ledlin ain guten tail zu sich und onbesehen, was darin guts oder beses, do würft er die in offen und befilcht, ime das überig auch zu bringen. Das mußt hernach, und dieweil es noch selbiger
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zeit so früe im jar, das man die stuben nit einfüret, do mußt man ime eilends stro und reis bringen, stacks an und verbrannt den schwaiß aller mit einandern, domit fürt es der laidig deufel alles mit ainandern hin. Die erlich frow, sein gemahl, schwig still und mußt ain solliche ungereimpte,
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beurische importunitet vertrucken und über ohren gen lassen. In denen ledlin aber sein berlin, ring, edel gestain und treffenliche stuck zu verborgnen und ungewonlichen arzneien gewest, die sein dem Vulcano ufgeopfert worden und nie-

1 [551] mands zu nutz kommen. Ain man, von dessen seltzamen art nit genugsam mag geschriben oder gesagt werden, der weder im selbs, oder auch andern was guts hat gunen mögen oder künden. *

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In diesem 28isten jar haben iren drei burger zu Mösskirch ain walfart zun Ainsidlen fürgenomen, nemlich Lude Wiltman, Hanns Brucker, war ain schmidt, und dann Paule Vischer, der war ain kirsner. Nun war der kürsner in sim sinn ain schriftgelerter und wolbelesen; der underfieng sich,
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seine baidt mitgeferten uf dem weg zu spaien, und dieweil herr Hanns Brucker ain ungeschaffner mentsch war von angesicht, arguiert er, s. Pauls schrib, kein ungeschaffen angesicht het nie guts gewürkt, und wie er das oftermals trib, nam das der Brucker so hoch uf, das er solch gespai
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kurzum nit leiden wolte. Iren gesell tedinget zwischen inen, kam darzu, das sie alle so unains mit ainandern warden, das kainer bei dem andern bleiben, ieder ain sondere straßen wider heim kam, und hetten die walfart dennost nit verricht, und wie man sagt, so ist hinnach kein recht
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vertrawen mehr under inen gewesen, hat doch ieder den andern bleiben lassen. Umb dise zeit ist zu Mösskirch in leben gewesen ein burgermüller, Hanns Beulenmüller, ain müller und ain zimmerman, zu dem haben die von Fridingen an der Tonaw iren
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burgermaister sampt aim rathsfreundt geschickt, mit bevelch, seitmals gedachter Beulenmüller dann zumal für ain berüempten zimmerman und werkmaister geachtet wardte, seins raths in deckung ires kirchenthurns zu haben. Dieselbigen in er[589]öffnung irer werbung under anderm
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bericht anzeigt, es welle inen kein ziegel uf dem thurn bleiben. Dieweil aber sie, die gesandten, villeucht ußer übersehen, mer, dann ußer karkheit, den werkmaister nach dem morgenmal beschickt, hat er sie mit keinem andern rathschlag abgefertiget, dann allain, seitmals kain zigel uf dem thurn
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bleiben, das sie dann denselben hinfüro mit[6] stro bedecken sollen, damit werde inen zu ewigen zeiten kein ziegel herab fallen. Mit sollichem rathschlag hat er sie lassen hinhawen. Man sagt auch sonst von bemelten von Fridingen und irem burgermaister ain gueten schwank und nemlichen, das sie
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uf ain zeit obgenannten iren burgermaister geen Rotweil

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[552] geschickt, pulver für ain gemaine stat Fridingen einzukaufen; der seie zu dem schulthaisen zu Rotweil kommen und im seiner herren bevelch des pulvers halb fürgehalten; dieweil aber der schulthaiß nit anders vermaint, es werde etlich
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zentner belangen, hat er ohne vorwissen ains raths sovil nit bewilligen wollen, derhalben bei den gehaimen räthen uf 4 centner erlangt, so man denen von Fridingen uf das mal ußer gueter nachpurschaft verfolgen well lassen. Wie er nun dem burgermaister von Fridingen seiner herren
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bewilligen fürgehalten, hat der burgermaister nit mehr, dann 6 pfund, begert. Das haben die von Fridingen vil jar hören müeßen, und ist iren genug darob gespott worden, wie ungern sie doch darvon hören sagen. In kürze nachdem obgehörte grefin, fraw Margreth, mit
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todt vergangen und an das ort, aldo iezundt der fronaltar zu S. Martin im chor stat, begraben worden, [ist][7] ein vergebenlicher altar, wie ein disch von holz und vier pfosten, aldo ufgericht, mit dücher umbhenkt worden, und obwol der chor nit under das tach gefiert, sonder allain mit brittern
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überschossen, iedoch wardt mehrmals uf solchem hülzin altar mess gehalten. Begab sich noch desselbigen jars, zu eingang winters, das ain junger priester zu Mösskirch, war ain helfer, genannt herr Hanns Nopp, von Gamertingen bürtig, in kuntschaft kam mit ainem gar hipschen medlin
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zu Mösskirch, hieß Martha Kislingin, war sonst von Bietingen, aber dienet bei irem vetter, Leonhart Kissling. Es kam die sach so weit, das sie ainandern verzilten und namlichen in die ungebawene und noch halb ufgefüerte s. Martins pfarrkirchen, fürnemlich under den fronaltar, mit düechern, wie
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oblaut, verhenkt, darunder schlupften sie zusamen, geschach am morgens gegen tag. Nun het aber der messner derzeit, genannt Jacob Weberle, zwo gewachsne döchtern, die ain Maulaffra, die ander wardt hernach eim von Rinkenbach, genannt der Schneckiskes, zu tail; dieselbigen schickt ir
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alter vatter, der messner, ohne geferdt desselbigen morgens früe in die kirchen, zu der ampel im chor acht[8] zu haben. Die hetten villeucht auch sonst mehr ufmerkens uf die sach, dann, wie man sagt, hetten sie baide lieber die Martham bei jungen pfaffen versehen; das hat sich hernach an inen
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baiden schwestern wol beschaint, wie leuchtfertig sie sich

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[553] gehalten haben. Dieselbigen kamen dem pfaffen under dem umbhang des altars nun vil zu früe in die kirchen, dann der pfaff und die Martha, das medlin, waren von inen verspehet und ergriffen. Do kunt der pfaff wol gedenken,
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waverr er ergriffen sollt werden, was im hernach volgen, derhalben, wie man mainet, das er gewarnet worden, auch von des medlins freundtschaft niergends sicher, die in derhalben nit ufsetzen wolten, und das er sich vor der herrschaft besorgt, do macht er sich darvon. So wolt im auch herr
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Gotfridt Wernher, der sampt ainer ganzen gemaindt ein groß misfallen ab der sach het, weiter nit nachstellen, und gieng im also sein bubenstuck hin, das er kein straf, die er wol verdient het, darumb empfieng. [590] Aber das guet Martele wardt ergriffen und der obrigkait überantwurt; das
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wardt der statt ewigclichen verwisen und mueste den lasterstain darzu tragen, welche straff domals ain anfang nam zu Mösskirch, dann vormals kein solcher stain alda im brauch gewesen, der hoffnung, es seien hievor so fromme leut zu Mösskirch gewesen. Sie kam gleich darnach zu irem erbarn
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priester, herr Hannsen Noppen, der sie zu fahl het gepracht, mit dem zog sie von ainer pfrundt zu der andern, biß er letzstlichen geen Hechingen kommen, da ist er lange zeit hernach pfarrer gewesen. Er ist noch in der grafschaft Zollern. Also ist der lasterstain[9] domals zu ainer straf den
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gailen weibern zu Mösskirch in prauch kommen. Hernach über neunzehen jar, nemlich anno 1546, mueste auch aine zu Mösskirch disen lasterstain für die statt hinauß tragen; die ward gleichfals der statt verwisen. Das trueg sich zu der gestalt. Es war ain burger zu Mösskirch, genannt
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Hanns Glatis, des alten Conradten Glatissen son ...[10], das es unleidenlich, ergerlich und der obrigkait lenger zu gedulden und zu übersehen etwas schimpflich und verweislich sein wolt, dann sie warden mehrmals vor der statt in welden, in früchten, auch sonst in andern winkeln argwönisch
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und büebisch ergriffen. Ir man sahe ein weil durch die finger, so lang, das im von seinen nachpurn und andern so hoch darumb zugeredt wardt, das er auch darzu thuon und

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[554] achtung darauf haben muest. Also ergriff er sie baide uf ain zeit bei ainandern uf der stat umblauf; die hur verwischt im, do trang er uf den Glatis. Der kunt sich nit wol gegen dem man zu wehr stellen, sonder gab die flucht. Der man
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eilt im nach, das er im die schuch abjagt, und als er im sonst nit entrinnen, dann der Huetler ein sewspieß, damit wolt er in beschitten, trang er so hart uf den Glatis, das derselbig über den umblauf absprang und im entranne. Er wardt hernach der und ander missethatten halb wol gestrafft
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und bei herr Gotfridt Wernhern widerumb mit vil gelts eingededinget, dann was sein vatter, der alt Conradt Glatis, mit seinen finanzen von den armen pauren erschunden, das verthetten seine söne hernach ganz üppigclich, die auch der obrigkait mehr, dann ain verschreibung über sich gegeben
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haben. Aber des Huetlers weib, wiewol das auch entrann, iedoch wardt sie unlangs hernach wider ergriffen und für recht gestellt; die wardt mit dem lasterstain der stat verwisen. Die lief darnach noch lange zeit im besenreis hin und wider. Es het der Leonhart Huetler, ir hauswürt, ein
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solchen neidt und unwillen bei gar nahe allen Mösskirchern, das iren vil vermainten, man sollte ine, Huetler, der stat auch verwissen haben. Das kam doher, das er des weibs bubenwerk so lang zugesehen und geduldet; darzu war er bei kurzen jaren darfor ohne ain niderklaidt, also offenlich
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und unverschempt, in Hansen[11] Maiers badt under vil weibs- und manspersonnen gangen und große unzucht getriben, darumb er auch von herr Gotfridt Wernhern, der obrigkait, hertigclich, gleichwol vil weniger, dann er beschuldt, war gestraft worden. Er überkam sovil ußatz, das er hernach
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zu Mösskirch nit lenger bleiben dörfte, sonder zoge hinweg in ain dorf, under dem Hewberg gelegen; da ist er bliben und daselbs gestorben. Man sagt von ime, er hab das weib, von dero hieoben meldung beschehen, nachdem sie lange zeit umbher geloffen, wider angenomen und behalten,
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darbei abzunemen, was für ain leüchtfertiger und unerbarer man er gewesen. Es ist auch zu wissen, nachdem herr Hanns Nopp, wie obgehört, entloffen, war ain alts pfefflin, herr Jacob von Mülhain, caplon und helfer dozumal zu Mösskirch, das hat
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seim gesellen, herr Hannsen, in befürderung seiner buberei

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[555] verhelfen wellen und das Marthale Kisslinge uf ein zeit zu sich [591] in s. Martins kirchen beschaiden, den pact und allen beschaidt mit ir zu machen, wo sie iren[12] liebhaber, den pfaffen, künde antreffen. Aber sie warden auch
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verspehet, und ir haimlich gesprech in ander weg ußgelegt, derhalben das pfefflin von der obrigkait fengclich einzogen, wardt geen Costanz geschickt. Daselbs, als es in examine rigoroso, und seine leichtfertigkaiten genugsamlichen erkundiget, wardt es vorm gaistlichen richter mit aim linden
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fuchsschwanz erstrichen und des bistthumbs Costanz verwissen. Umb die zeit war ain burger zu Mösskirch, genannt Marte Schwarzach, genannt Spindler, der het drei söne. Der ain, genannt herr Hanns, war in seiner jugent ain
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student zu Tibingen, volgends von der leer kam er wider heim, und in bedacht, das er zimlich und wol, nachdem derzeit alle rechte studia erst in ain, gleichwol verdunkleten, anfang kommen, studiert, verlihe im gleich herr Gottfridt Wernher s. Cathrinen caplonei uf s. Martins gestift, da er die überige
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zeit seins lebens biß in das jar 1564 bliben ist und sich also gehalten, das er groß lob erlangt, auch ain sollichen wandel gefüert, das er wenig ergernus gegeben. Seine brüeder und verwandten hat er alle ad nutum sein lebenlang regiert, die ine auch alle entsessen und gefolgig
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gewesen. Der ander son des alten Spindlers, Petter, ist ein beck seins handtwerks und nachgends vil jar burgermaister zu Mösskirch gewesen. Von im sagt man, das in wenig jaren, nachdem er verheirat, er ain hüpsche, junge magt gehapt, die hat im sein hausfraw, war des alten Brugkers
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dochter, Agata genannt, zugeben oder zugeordnet, ime, Pettern, des morgens, so er bachen und in der werkstat sein sollen, zu verhelfen. Hiezwischen war die fraw so faul, wolt des morgens nit ufsteen, sonder blib im pett also faulenzen. Begab sich anno 1529 uf ain hailigen carfreitag,
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das bemelter Petter abermals bachen solt; er wackt das weib uf, aber er kont sie ußer dem bett nit bringen, also half im die magt, wie vormals mehr beschehen. Ich waiß aber nit, was der maister mit der magt, die desselbigen morgens früe ufgestanden, noch halber schlief und halber
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angethon oder bedeckt war, für ain schimpf und gugelfur

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[556] anfieng. Sie wardt schwanger, bracht auch das kind zu seiner zeit, derhalben vil gespais hernach ußer diser handlung entstande, fürnemlich, dieweil dieser actus uf den charfreitag beschehen war; auch wolt im hinfüro sein weib weder
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diese oder andere megt mehr zugeben, am morgen bachen verhelfen, sonder die fraw standt selbs uf, oder Petter muest sich der knecht behelfen, man wolt im nit mehr trawen. Und wiewol herr Gotfridt Wernher den Petter umb disen begangnen ehbruch straft, so war es doch ain gnedige
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straff, dergleichen satzt er ine hernach in kurzer zeit in rath. Er het noch ain brueder, hieß Marte, der war ain rechter, natürlicher Priapus, und wie man sagt, war er über die maß gefast und gestaffiert. Er überkam des alten Baschion Heckers dochter, Anna, die war im, wie man
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gründtlichen gesagt, zu seim willen in der ersten ganz unwillig und clagt oftermals irer muetter, der alten Anna Heckerin, mit wainenden augen über iren hauswürt, von wegen des übergroßen, ungefüegen hausraths und das sie das in die harr nit erleiden könte oder wiste, darauf sie
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die muetter tröste, sie sollt sich leiden, es würde bösser werden. Sprach die dochter: »Ei muetter, leid du in, er hat ain sollichen,« zaigt ir damit mit ußge[592]strecktem arm ain sollichs meß, das solchs aim mülleresel zu schaffen het geben. Die muetter kont ir vor lachen nit vil antwurt
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darüber geben, dann sie dergleichen clagen nie gehört, strafft die dochter irer dorheit halber, welche hernach bei irem hauswürt vil kinder gehapt, und ist die vorgende clag aller eingestellt worden. * [1479] Diser Martin Spindler het nit wol künden mit
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warhait sagen, als vor wenig jaren ain junger gesell zu Tan. Den beclagt ain junge dochter am corgricht zu Basel, als het er ir die ee verhaisen und gleich darauf übern friden gehandlet. Der sprach, ja, es wer war, aber er hetts mit aim underschaid geret, namlich, da er sie würde finden als
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ain jungfraw, aber es het bei ir die mainung nit gehapt, wie sie das selbs wisst, dann er wer ir hinein gewüscht, wie ain pfeifer in ain würtshaus. Ab dem ward ain sollichs gelechter bei allen umbstendern, das es ain ursach gab, das der gut kerle von der clag erlediget ward. Villeucht
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möcht auch der guten dochter unrecht sein beschehen; war haiß wetter gewesen und hett sie sich erüpt, welches, wie die phisici darvon reden, in solchen felen vil mangels bringt,

1

[557] darvon ainest kaiser Ferdinandi vicecanzler, doctor Jacob Johanns, war von Götzes[13] bürtig, ligt im Veldkürcher oder Pludenzer ampt, von seinen landsleuten pflag schimpfweis zu reden: »Das wetter ist haiß und das madle faiß.« Zu
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zeiten aber gerat es den jungen dirnen auch, das inen ain gauch uf den kloben sitzt, wie sich das gleichfahls zu Offenburg hat beschaint, da ain gute dochter auch ain sollichen quidam umb die ee ansprach, als er sich aber verantwurt und vil ußzug sucht[14], wie dann sollicher gesellen geprauch,
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do wollt sie iren procurator, der sie was zu lies sein bedauchte, lenger nit reden lassen, sonder mit ainer besondern gratia fur sie herfür und sprach offenlich zu irer widerpart: »Ja, du waist wol, was du gesagt hast, wie du das fesslin anstachest.« Dise red bewegt menigclichen zu ainem
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gelechter, und erhielt auch ir ansprach. * * [1521] Diser Martin Spindler richt ain großen lerman an in dem nechsten jar nach dem großen sterbendt zu Messkirch bei seiner nachpurin, hieß Ursula Fuchsin, war von Siplingen und hett den Thoman Rietmüllern, war etwan
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burgermaister zu Messkürch gewest. Zu demselbigeu kam ainsmals ain pulvermacher und schütz, war seßhaft zu Neidingen im derfle an der Tonaw, hieß Melcher . . ., het hievor vil haimwesens bei ime gesucht und bracht aber ain hundt mit sich, der legt sich uf der frawen bett in ir
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schlaffkammer. Es [war][15] auch dozumal ir hauswürt ußerm haus gangen, so war der Melcher auch wider hinweg, do kund die fraw den hund nit ab dem bett bringen; da sie schon ain gewalt an inne legen, do fieng er doch an zu murren und kunt nirgends mit ime naher kommen. Also hollet sie
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irer nachpurn ein, disen alten Martin Spindler, der nam ain stecken und jägt den hund hinweg, sprechend: »Wann es ist ain zeichen, das dises hunds maister auch an disem bett ist gelegen.« Wie das weib dise red erhert, do ward sie so zornig, das sie gar nahe an den guten man gefallen were

1

[558] und das man schaiden mußt; sie wollt ie kain solche fraw sein oder darfür geachtet werden. Und mit solcher furia do macht sie erst, das man allerlai hievon reden und ain gespai darauß treiben ward, und ward von unnutzen leuten
5
hierüber geret, das weger wer verschwigen bliben, wie dann der besen, übel redenden welt nichs zuvil ist; soll beschehen sein im jar 1519. * * [1297] Bei wenig jaren hat ain fraw im Madach gelept, die ab irem eheman klagt, [1298] er hab nichs, und
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ist die redt so weit geloffen, das sie baide von der obrigkait sein für das gaistlich gericht geen Costanz gewisen worden. Wie sie nun alda erschinen, hat der official baidt partheien abgesöndert verhört, und nachdem die fraw uf irer clag behart, hat sie der official understanden, mit gueten
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worten von irem fürnemen abzuweisen, under anderm gesprochen: »Ein frome fraw kan sich ires ehemans leuchtlich behelfen, und so der nun gefast, wie ain gerstenkorn, solt sie sich beniegen lassen.« Die fraw ist dem official in die redt gefallen, die sie nit recht gemerkt, und hat überlaut
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gesprochen: »Ja herr, wer er, wie ain jegerhorn, so welt ich nit clagen;« hini zum teufel! do wurt baldt kirchweihe. * Es hat der alt Eberlin Wiltman von Schnerkingen auch ain solichen son gehapt, Simon genannt, den hat sein weib mehrmals begriffen und also befonden, das sie ine gefragt,
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ob auch ain bain darin seie; hini zu teufel mit sollichen unreinen leuten! dann es contra bonos mores ist.



  1. sich] wohl zu ergänzen.
  2. eselhut] d. i. eselshaut; hs. eselhuet.
  3. fürfuere] hs. furfiere, wohl veranlasst durch das folgende fieren.
  4. leidig] hs. ledig.
  5. in domum Cadmi und Agenoris] d. i. er kam nicht mehr zurück, war verloren; vgl. Schwenck, Mythologie I, 55, und Pauly, Real-Encyclopädie I, 540.
  6. mit] hs. nit.
  7. ist] ergänzt.
  8. acht] hs. zu acht.
  9. lasterstain] diese stelle über die sitte des lastereintragens ist abgedruckt im Anzeiger des germanischen Museums 1866, s. 63 ff., wo weitere hinweisungen darüber; s. auch Liebrecht, Zur Volkskunde s. 513, und Du Cange, Glossarium, unter lapis.
  10. ... ] mangelhafte stelle, indem der abschreiber der chronik aus versehen wohl mehrere linien ausließ.
  11. Hansen] hs. Hausen,
  12. iren] hs, irem.
  13. Götzes] d. i. Götzis. Jacob Johanns ist der von Weizenegger-Merkle, Vorarlberg I, 72 ff, genannte Jonas v. Buech, der in diensten Kaiser Karls V stand; über ihn s. noch Schnurrer, Biographische und litterarische Notizen von ehemaligen Lehrern der hebräischen Litteratur in Tübingen s. 71—87, und Bergmann, Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates II. In dieser chronik wird er noch öfters genannt, s. register unter Jonas.
  14. sucht] hs. such.
  15. war] ergänzt, vom abschreiber übersehen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nnd