Allgemeines Deutsches Kommersbuch:356

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Schauenburg:
Allgemeines Deutsches Kommersbuch
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[710]

von der Pfalz; ge=gen al=le E=ti=ket=te brüllte er aus
vol=lem Hals: Wie kam ge=stern ich ins Nest?
Bin, scheint’s, wie=der voll ge=west! Wie kam ge=stern ich ins
Nest? Bin, scheint’s, wie=der voll ge=west!

     2. Na, ein wenig schief geladen, grinste drauf der Kammermohr,
selbst von Mainz des Bischofs Gnaden kamen mir benebelt vor, |: ’s war
halt doch ein schönes Fest: Alles wieder voll gewest! :|

     3. So? du findest das zum Lachen? Sklavenseele, lache nur!
Künftig werd ich’s anders machen, Hassan, höre meinen Schwur:
’s letzte Mal, bei Tod und Pest, war es, daß ich voll gewest!

     4. Will ein christlich Leben führen, ganz mich der Beschauung
weihn; um mein Thun zu kontrollieren, trag ich’s in ein Tagbuch ein,
und ich hoff, daß ihr nicht lest, daß ich wieder voll gewest!

     5. Als der Kurfürst kam zu sterben, machte er sein Testament,
und es fanden seine Erben auch ein Buch in Pergament. Drinnen
stand auf jeder Seit: Seid vernünftig, liebe Leut, dieses geb ich zu
Attest: Heute wieder voll gewest. *)[1]

     6. Hieraus mag nun jeder sehen, was ein guter Vorsatz nützt,
und wozu auch widerstehen, wenn der volle Becher blitzt? Drum stoßt
an! Probatum est: Heute wieder voll gewest!

A. Schuster. 1887.

[711]


          800.     Was dem Dr. phil. Straubinger alles auf deutschen Universitäten begegnet ist.

     1. Zu Königsberg, im heilgen Drang, lief ich um den Philosophen=
gang und dachte des großen Kants. Dann ging ich in alle Kneipen
und schrie: „Ist denn gar kein Philosophe mehr hie?“ „„Nein, mein
Herr, denn wir sind alle königlich preußische Lieutenants.““

     2. Und in Pommern in Greifswalde wollt ich kein Konvikt erhalten
und verhielt mich darum stumm; doch verstrich kaum ein Semestor,
da erwischte mich der Quästor und kränkte mich mit 2 Thaler und 4
Groschen Stipendium.

     3. In Rostock am Ostseestrande ich viel Mecklenburger kannte, die
schon hundert Jahr studiert. Wollte mich da auch erheitern, Pump
und Wissenschaft erweitern, wurde aber wegen zu großer Jugend gar
nicht immatrikuliert.

     4. Darum ging ich nach Göttingen, bei dem Corps dort einzu=
springen, aber fand den Ton malad, fand die Vatermörder größer und
die Schläger auch nicht böser, aber die Füßchen klein — ich begreife
nicht, was Heine gesehen hat.

     5. Auf der Eisenbahn in Gießen thät mich etwas sehr verdrießen:
trotz allem Widersprechen reichte man mir im Waggon ein philo=
sophisches Doktordiplom. Ich mußte aber dafür sechzig Gulden blechen!

     6. Zu Freiburg in dem Breisegau, da ging’s mit meinem Wechsel
flau, drum sucht ich in Baden mein plaisir, sprengte allda die Bank,
worauf sich der Bankier erhang und mir sterbend zurief: „Sie sind
gewiß österreichischer Offizier!“

     7. In dem schwäbischen Athene Tübingen war’s sonst ganz bene,
lief mir aber zum Skandal ein Wölfle; stieß endlich ’n flotten Musen=
sohn, bat rührend um ’ne Kontraktion, der aber sagte mutvoll: „Nur
nichts Unchristliches, ich bin ä Windgölfle!“

     8. Wissenschaft und Rauch in Massen finden sich in Halles Straßen,
wo ich in ein Kollegium schlich, dauerte mir viel zu lang, so daß ich
oft vom Sitz aufsprang — aber Leo hielt das für demokratischen Anstrich.

     9. Dort in Kiel, wo ein Nachtwächter, auch nicht als ein anderer
schlechter, mich ein Gendarm abführte, weil ich gebrüllt sehr stark:
„’s ist etwas faul im Staate Dänemark“ — ich denunzierte aber Hamlet,
dem die Polizei gleich nachspürte.

     10. Denk ich an Leipzigs an der Gose, da war’s doch sonst mehr
famose, wie ein altes Haus mir schreibt. Sonntags ging man ’raus
nach Gohlis, trank allda mit Schillern Schmollis — und abends wurde
mit Goethe in Auerbachs Keller weiter gekneipt.

     11. In Berlin mit holder Minne wohnt ich bei einer Sängerinne,
sang à la Jenny Lind — zeigte mir der Prorektor ’n Paragraph, der



  1. *) Diese Notiz des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz findet sich in dessen „Tage= und Ausgabebuch“ unterm 9. Juni 1598. Daselbst heißt es ferner: „30. Juli. Hab ich ein Rausch gehabet“ (Siehe Ausg. d. Tagebuchs von Wille S. 236 und 238.)