Zum Kölner Domfest
(15. Oktober 1880.)
Ersehnter Tag! Inmitten lichten Glanzes
Erhebt sich Pfeilerwald und Schiff und Chor,
Aus der Umgrenzung eines Zinnenkranzes
Ins Unbegrenzte steigt der Knauf empor;
Und Furcht erlag, und Zweifelsucht verlor,
Und mit den Thürmen schwingt sich auf nach oben
Ein Lobgesang: Laßt uns den Herren loben!
Und wer ihn hört, aufjubelnder erscholl er
Und alle Pulse schlagen freud’ger, voller:
Ein Ideal, es ward uns zum Idol;
Eins wurde Hohenstauf und Hohenzoller,
Und dieser Dom ist dessen uns Symbol,
Ist er zugleich uns unsrer Einheit Zeichen.
Ein Einheits-Zeichen! Ach, und doch gespalten,
Uneinheitlich des Volkes Herz und Sinn; –
Ersehnter Tag, in deines Mantels Falten
Laß Einigkeit aus Einheit sich gestalten,
Aus ihr erblüht der größere Gewinn,
Und klingst du, hohe Kaiserglocke, heute:
Versöhnung, Friede sei dein erst Geläute!