Zum neuen Jahre (Lavant)
[1378]
Zum neuen Jahre.
Von Rudolf Lavant.
Die Glocken spenden ihren letzten Gruß
Mit dumpfem Hall dem abgeschiednen Jahre.
Die letzten Reiseschuhe trägt sein Fuß,
Mit welkem Antlitz ruht es auf der Bahre,
Dem Scheidenden bei dieser Glocken Hallen ―
Es war ja nur ein Jahr der alten Zeit,
Die rettungslos dem Untergang verfallen.
Auf hohem Stuhl sitzt die Gerechtigkeit
Wir aber fragen: Schickt die neue Zeit
Das junge Jahr, das schweigend wir begrüßen?
Führt es herauf den ersten, irren Schein
Des neuen Tags, erschließt es neue Bahnen?
Und läßt es freudig rauschen unsre Fahnen?
Die mit ihm kommen, meinen sie es gut?
Sind sanft und mild und freundlich ihre Augen
Und schaudern sie vor warmem Menschenblut,
Verheißen Lind’rung sie für jeden Druck,
Statt Unheil feindlich und verstockt zu brüten?
Sind ihrer Stirnen und Gewänder Schmuck
Allein des Frühlings zarte duft’ge Blüthen?
Du junges Jahr, und rathen: „Blut und Eisen!“
Bist du dir klar, bist du bewußt und frei
Und wirst gebieterisch du fort sie weisen?
Verbannst aus deiner Nähe du den Krieg,
Wird über Noth und Elend dir der Sieg
Und wirst die fahle Seuche du bezwingen?
Er hat so lang das Regiment geführt
Der düstre Troß in allen Menschenreichen ―
Und ohne Gegenwehr wir er nicht weichen.
Hast du den Blitz im Auge, junges Jahr,
Der spielend bändigt diese nimmer Satten?
Sprichst du das Wort, das sie auf immerdar
Wir wissen Alle, daß es vorwärts geht,
Und Hoffnung weiht des Jahres erste Stunden,
Doch wie mit dir, du junges Jahr, es steht
Und was du bist, du musst es erst bekunden.
Und Keinen findest zag du und beklommen;
Bist du ein Kind der neuen, bessern Zeit,
Dann sei von ganzem Herzen uns willkommen!