Zur Galerie
[546] Zur Galerie. (Zu dem Bilde S. 525.) Ja, so ein Sonntagsvergnügen will verdient sein! Nicht bloß das nöthige Kleingeld dazu, nein, auch das Vergnügen selbst verlangt manchen Schweißtropfen, und vollends der zärtliche Vater, der seinen Kindern auch ihren Antheil an der geselligen Erholung gönnen will, muß sich mit einem ausgiebigen Vorrath von Selbstlosigkeit und Opfermuth wappnen.
Da steigen sie die schöne breite Treppe zum Festsaal herauf, der wackere Schlächtermeister und seine bessere Hälfte, und damit’s daheim nicht ohne mütterliche Aufsicht bleibe, haben sie auch das dreijährige Töchterchen gleich in das Konzert mitgenommen. Freilich, es ging ein [547] bißchen langsam, als die kleinen Kinderfüßchen eine der schönen breiten Granitstufen um die andere erklettern sollten, und es waren der Stufen so viele! „Heinrich, trag sie!“ lautet darum die kurze Entscheidung der stattlichen Gattin, die sich natürlich in ihrem schönen Sonntagsgewand mit derlei „staatsgefährlichen“ Unternehmungen nicht befassen kann.
Und der getreue Heinrich, der an seinem eigenen Gewicht gerade genug zu tragen hätte, fügt sich vielleicht mit innerem, jedenfalls aber ohne äußeres Widerstreben in das Unabänderliche und nimmt den kleinen Familienstolz kurzweg unter den Arm, ohne aus dessen Erziehung zu körperlicher Anmuth in Haltung und Bewegung allzuviel Rücksicht zu nehmen. Im Augenblick hat unter seiner tropfenden Stirn nur ein Gedanke Raum; „Ach, wenn wir nur erst oben wären!“ Und doch ist sein Martersteig noch nicht so bald zu Ende – denn von der Ebene des großen Saales geht’s erst noch einmal recht steil hinauf zu den bescheideneren Höhen der Galerie, Armer Heinrich!