Zur modernen Pädagogik

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Autor: Franz Bonn
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Titel: Zur modernen Pädagogik
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aus: Fliegende Blätter, Band 73, Nr. 1836, S. 105–109
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Illustrationen von Adolf Oberländer
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Zur modernen Pädagogik.

Die moderne Pädagogik verwirft es, die Jugend durch Aussicht auf Belohnung oder durch Furcht vor Bestrafung zu erziehen. Man muß das Gute seiner selbst willen als das Schönste lieben, das Schlechte seiner selbst willen als das Häßlichste hassen. Rücksicht auf Lohn oder Strafe, Tadel oder Beifall darf dabei nicht bestimmend mitwirken.

Von dieser prinzipiellen Auffassung ausgehend, wird man zugeben müssen, daß unsere bisherigen Bilderbücher für die Kinder größtentheils als unmoralisch zu verwerfen sind. Es scheint uns deßhalb an der Zeit zu sein, ein den modernen pädagogischen Anschauungen entsprechendes Kinder-Bilderbuch herzustellen und wollen wir als Muster die vorzüglichsten Nummern aus einem der verbreitetsten Kinderbücher in einer von uns verbesserten Form hier folgen lassen.


Der verbesserte Struwwelpeter.

Wenn die Kinder artig sind,
Nicht von Vorurtheilen blind,
Wenn sie gerne Suppe essen
Und das Brod auch nicht vergessen,
Wenn sie, ohne Ulk zu machen,
Sparsam sind mit ihren Sachen,
Bei’m Spazier’ngeh’n auf den Gassen
Sich mit Ernst und Anstand fassen
Und auch sonst sich so betragen,
Daß man Grund nicht hat zu klagen,
Werden sie in allen Zweigen
Sich geschickt und brauchbar zeigen.


Seht einmal, hier steht er,
Der angenehme Schockschwer’nöther.
Rein gewaschen, glatt gekämmt,
Ohne Flecken ist sein Hemd,
Wohlgepflegt sind seine Nägel,
Reinlichkeit ist seine Regel,

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Reinlichkeit, die nicht nur sittlich,

Angenehm und appetitlich,
Sondern auch, wie Ihr wohl wißt,
Zur Gesundheit nöthig ist.
Heil! ruft da ein Jeder:
Heil, du wohlgewasch’ner Peter!


Die Geschichte von dem braven Friederich.


Der Friederich, der Friederich,
Der war ein Freund von jedem Viech,
Er pflegt die Spinnen in dem Haus
Und schonte selbst die kleinste Laus.
Er schlug nicht eine Fliege todt,
Gab selbst den Mäusen Zuckerbrod, –
Und wie er lieb und freundlich gar
Mit seiner Schwester Gretchen war.
Am Brunnen stand ein großer Hund,
Trank Wasser dort mit seinem Mund,
Da nahte ihm sehr freundlich sich
Der herzensgute Friederich.
Und streichelt ihn, das freut ihn sehr,
Gab ihm ein Brod und dann noch mehr,
Da schleckt der Hund die Hand ihm ab,
Die ihm so gut zu fressen gab,
Und folgt dem braven Friederich,
Der freute d’rob von Herzen sich.
Ein treuer Freund von dieser Stund’
Blieb ihm fortan der gute Hund.
Und als es Friedrich nützlich schien,
Um theures Geld verkauft er ihn
An einen reichen braven Mann,
Der auch die Hunde leiden kann.


Die gar traurige Geschichte von den Zündhölzchen.


Paulinchen war allein zu Haus,
Die Eltern waren beide aus.
Als sie nun durch das Zimmer sprang
Mit leichtem Muth und Sing und Sang,
Da sah sie plötzlich vor sich steh’n
Ein Feuerzeug, nett anzuseh’n.
Da fiel dem klugen Kinde ein:
„Das soll ja ganz was Neues sein.
Ist wirklich uns’re Industrie
So schlecht und billig, wie man schrie?“
Und Miez und Maunz die Katzen
Erheben ihre Tatzen;
Sie drohen mit den Pfoten:
„Der Vater hat’s verboten!
Miau! Mio! Miau! Mio!
Laß steh’n! Sonst brennst du licherloh!“

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Paulinchen an zu lachen fing:

„Das sind ja keine Jönköping,
Nicht schwedisch sind sie, gut und ächt,
Nein nachgemacht und herzlich schlecht,
So wie sie jeder leider kennt,
Wo Eines kaum von hundert brennt.“
Und Miez und Maunz die Katzen
Erheben ihre Tatzen;
Sie drohen mit den Pfoten:
„Die Mutter hat’s verboten,
Miau, mio! Miau, mio!
Geh’ weg! Sonst brennst du lichterloh.“

Jedoch Paulinchen hatte recht,
Die Hölzchen waren herzlich schlecht,
Nicht Eines brennt, so viel sie streicht,
Obwohl sie doch nicht standen feucht.
Und Miez und Maunz die schreien
Gar jämmerlich zu zweien:
„Fürwahr, wer hätte das gedacht,
Daß man so schlechte Waare macht.
Miau, mio! Miau, mio!
Wie kann man doch sich irren so!“

Ob’s auch kein volles Hundert gar,
Nicht Eins davon zu brauchen war;
Da dacht’ Paulinchen: „Sehet wie
Erbärmlich uns’re Industrie!“
Und Miez und Maunz die Kleinen,
Die fingen an zu weinen:
„Miau, mio! Mio, miau!
Wie geh’n doch die Geschäfte flau,
Doch wahrlich ist’s kein Wunder
Erzeugt man solchen Plunder!“


Die Geschichte von dem schwarzen Mohren.


Es ging spazieren vor dem Thor
Ein kohlpechrabenschwarzer Mohr,
Die Sonne schien ihm auf’s Gehirn,
Da nahm er einen Sonnenschirm.
Da kam der Ludwig hergerannt
Und trug ein Fähnchen in der Hand.
Der Kaspar kam mit schnellem Schritt
Und brachte seine Bretzel mit;
Und auch der Wilhelm war nicht steif,
Und brachte seinen runden Reif.
Und sichtlich staunten alle drei,
Als dort das Mohrchen ging vorbei,
Warum er schwarz, wie Tinte, sei.


Da kam der Doktor Nikolas,
Der leer schrieb manches Tintenfaß,
Der sprach: „Ihr Kinder hört mich an,
Die Ursach’ ich Euch sagen kann,
Warum der Mohrenknabe hier
Ganz schwarz und nicht so weiß, wie Ihr!“
Da merkten auf die Buben sehr,
Denn lernen muß man immer mehr,
So oft man kann zu jeder Zeit,
Bei jeglicher Gelegenheit.
„Der Mohr ist schwarz mit Haut und Haar
Vom Brand der Sonne – das ist klar.
Weil da, wo man’s Aequator nennt,
Die Sonne ganz entsetzlich brennt.“
Ob solcher Weisheit staunten sich
Der Wilhelm und der Ludewig.
Sie machten einen Servus tief,
Der kluge Kaspar aber rief:
„Ja jetzt, Herr Doktor, seh’n wir ein

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Warum der Mohr so schwarz muß sein.

Und wir erkennen nebenbei,
Daß auch der Mohr zu achten sei,
Dieweil im weiten Erdenreich
Die Menschenkinder alle gleich.
Ob Einer schwarz ist oder weiß,
Ob kalt geboren oder heiß –
Ein Jeder merk’ die Lehre, daß
Verwerflich ist der Racenhaß.“


Die Geschichte vom Daumenlutscher.


„Konrad!“ sprach die Frau Mama,
„Ich geh’ aus und Du bleibst da.
Sei hübsch ordentlich und fromm,
Bis nach Haus ich wieder komm’
Und vor Allem, Konrad, hör’
Lutsche nicht am Daumen mehr,
Denn das ist sehr ungesund,
Machet weit Dein Mündchen und
Wenn man’s anschaut recht beim Licht
Schickt es überhaupt sich nicht.“
Konrad dachte: „Sie hat Recht,
Daumenlutschen macht sich schlecht.
Klüger ist’s, ich laß es sein,
Wenn ich jetzt auch bin allein.“
Und nachdem die Mutter fort,
Hielt der Konrad selbst sich Wort.
Ja sogar als bald darnach
Er sich in den Daumen stach,
Blieb getreu er seiner Pflicht,
Lutschte an dem Daumen nicht,
Sondern wusch als braver Knab’
Sich die Hand mit Wasser ab.
Als die Mutter dieses sah,
Sehr zufrieden war sie da,
Und der Konrad dachte sich:
„Saperlot! Wie brav bin ich!“


Der Suppen-Kaspar.


Der Kaspar, der war kerngesund,
Ein dicker Bub’ und kugelrund,
Er hatte Backen roth und frisch,

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Die Suppe aß er hübsch bei Tisch.

Doch einmal fing er an zu schrei’n:
„Ich esse keine Suppe – nein!
Ich esse meine Suppe nicht!
Nein! Meine Suppe ess’ ich nicht.“

D’rum dachte man den nächsten Tag,
Ob er nicht lieber Kaffee mag.
Doch weil der schmeckt nach Surrogat,
Bekam ihn bald der Kaspar satt.
D’rauf kochte man dem Kaspar Thee,
Auch damit war’s das nämliche –
Es macht’ nur ein paar Tage lang
Der süße Thee ihm Amusemang.
Am vierten Tag zu seinem Glück
Kehrt Kaspar zu der Supp zurück,
Denn durch Erfahrung jetzt belehrt,
Erkennt er ihren Nahrungswerth
Und überzeugte sich dabei,
Daß nichts so gut, wie Suppe sei.

v. Miris.