Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Friedrich Blumenbach

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Johann Friedrich Blumenbach
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 25–26
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Johann Friedrich Blumenbach.
Geb. d. 11. Mai 1752, gest. d. 22. Jan. 1840.


Blumenbach’s Name lebt, als der eines Naturforschers von Weltruf, eines Vaters der vergleichenden Anatomie und des lange Jahre hindurch hochgefeierten Nestors Naturforscher Deutschlands, in unvergänglicher Erinnerung.

Blumenbach wurde in Gotha geboren, sein Vater war dort Professor am Gymnasium, selbst Naturfreund und Kenner; er half den talentvollen Sohn mit Liebe vorbilden, so daß dieser schon 1769 mit 17 Jahren die Universität Jena beziehen konnte. Blumenbach wandte sich ein Triennium hindurch ganz dem Naturstudium, verbunden mit dem der Arzneikunde, zu, ging von Jena 1772 nach Göttingen, promovirte dort im folgenden Jahre und begann nun selbst naturgeschichtliche Vorträge zu halten. Er erhielt eine Professur der Medicin und wandelte fortan seine wissenschaftliche Laufbahn, die ihn zu einem Ziele führte, das nur wenige erreichen, zu dem Ziele, gleichsam eine Großmacht im Reiche der Wissenschaft, eine allbekannte, allgefeierte Autorität zu werden und zu sein. Schon seine Dissertation: de generis humani verietate nativa war gleichsam der Vorläufer seiner umfassenden Thätigkeit im Gebiete der physischen Anthropologie. Das fortgesetzte Studium der Menschenracen, auf die Bildung der verschiedenen Schädelformen begründet, gab Blumenbach Anlaß zur Anlage seiner berühmten Schädelsammlung, welche wohl kaum ihres Gleichen hatte. Nicht minder bedeutend, wie auf diesem anziehenden Gebiete der organisch-animalischen Natur, war Blumenbach auch in jenem der Geologie, Mineralogie und Versteinerungskunde. Diese lag vor ihm noch ganz im Argen, vielen waren die Versteinerungen noch »Naturspiele« und eine unbegriffene Welt. Blumenbach’s Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt trugen Licht in die frühere Unklarheit; er verband die Versteinerungskunde mit der Geologie, er beseitigte den lange geglaubten homo antediluvianus Scheuchzer’s. Er schrieb ein »Handbuch der Naturgeschichte«, welches allgemeine Anerkennung und Verbreitung fand. Selbst die Archäologie diente Blumenbach’s tief eindringendem Geist zur Aufhellung schwieriger naturgeschichtlicher Räthsel. Zahlreiche Schriften über den Bildungstrieb in der Natur, die [Ξ] Zeugungs- und Erneuerungskraft in einzelnen Thiergeschlechtern u. dgl. gaben den grüßten Philosophen neue Stoffe zum Nachdenken.

Blumenbach’s Knochenlehre und seine vergleichende Anatomie machten Epoche. Die medicinische Wissenschaft bereicherte Blumenbach außerdem durch psychologische und physiologische Schriften über Heimweh, Selbstmord u. a.

Einzig in seiner Art stand Blumenbach als akademischer Lehrer da, eben so kernhaft tüchtig, eine ächt deutsche Natur, als originell, humoristisch, witzig, allen, die ihn hörten, unvergeßlich. Seine Vorlesungen waren die besuchtesten, stets zog er durch seinen Vortrag, durch seine Persönlichkeit an, stets war er heiter und dabei stets würdevoll; er war ganz der Mann des Katheders, ein Olympier aus goldenem Stuhle, voll antiker Ruhe. Seine Sprache war deutsch, bisweilen derb, allverständlich, nicht geschraubt und wundersam verdrechselt, gleich der so mancher neueren Modephilosophen. Hundert und aber hundert seiner Scherze leben noch im Munde dankbarer Zuhörer. Manches traf sein sarkastischer Spott, so die Wetterprophezeihungen. »Meine Herren!« sprach er wohl öfters mit seiner tiefen und eigenthümlichen Stimme, »ich will Ihnen ein untrügliche Witterungszeichen sagen, prägen Sie sich’s tief ein. Wenn frühmorgens der Hahn tritt auf den Mist – und kräht – so wird es anderes Wetter – oder es bleibt, wie es ist.« –

Alle möglichen Ehrenbezeugungen von Seiten der gelehrten Welt wurden dem gefeierten Naturforscher zu Theil; er wurde Mitglied aller Akademien; Orden und Titel schmückten ihn, Könige und Fürsten besuchten ihn. König Georg von Großbritannien äußerte, er habe nie einen bedeutenderen Mann gesehen, als Blumenbach. Vielfach ward sein Rath, seine Empfehlung erbeten, und wen Blumenbach empfahl, der war gut empfohlen. Hunderten seiner fleißigen Zuhörer half ein Brief vom »alten Blumenbach« zu erwünschten Stellen. Fossilien, da und dort aufgefunden, wurden ihm gesandt, er bestimmte sie richtig, so um nur ein Beispiel zu nennen, die Höhlenbärenknochen der Glücksbrunner Höhle zwischen Altenstein und Liebenstein. Als Sammler hatte Blumenbach Goethe’s Glück und Taktik.

So gelangte der wackere Alte zu hohen Greisenjahren. Er war Heine’s Schwager geworden, war königl. großbritannischer Hofrath, Ritter der Ehren-Legion, Commandeur des Guelphenordens (anderer auswärtiger Orden nicht zu gedenken), Obermedicinalrath, Oberaufseher des königl. Museums u. s. w. Am 19. September 1825 feierte er sein Doctorjubiläum, am 26. Februar 1826 sein Amtsjubiläum; zahlreiche Bildnisse von ihm erschienen. Die zu seinem Doctorjubiläum auf Anlaß deutscher Naturfreunde geprägte Medaille zeigte auf dem Avers sein Profilbild, auf dem Revers die drei Schädel der Hauptraben, mit der Inschrift: Naturae interpreti ossa loqi jubenti physiosophili germanici D. 19. Sept. 1825. Ein Stipendium wurde begründet und nach Blumenbach benannt, und der gefeierte Jubilar mit sonstigen Ehrenbezeugungen überhäuft.

Eine eiserne Gesundheit, die nur wenige Störungen erlitt, unterstützte Blumenbach’s unermüdetes Wirken als Forscher, Lehrer und Schriftsteller; es war Harmonie in seiner ganzen Natur, in seinem innersten Wesen, wie bei Goethe, dieß erklärt das geistige frischbleiben bis zu hohem Lebensalter; nie bediente er sich einer Brille; seine Handschrift war fest, doch wechselte sie und näherte sich in spätern Jahren bedeutend der Unleserlichkeit, wovon eine Lähmung des rechten Schreibefingers die Ursache war, denn nun schrieb er mit der linken Hand. Im 87. Jahre schrieb er wieder mit der rechten Hand, und schöner wie zuvor. Erst im 88. Jahre nöthigte ihn Altersschwäche, dem Lehrstuhl zu entsagen. Diese war es auch, die nach schnellem sinken der so lange der Welt zu gute gekommenen Lebenskraft ihm die Fackel löschte.

Die berühmte Schädelsammlung wurde um hohen Preis von der königlichen Regierung angekauft und mit dem Göttinger Museum vereinigt. Dauernd wird Blumenbach’s Andenken als eines der bedeutendsten deutschen Naturforscher fortleben.