Auf Lederstrumpfs Spuren

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Autor: Rudolf Cronau
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Titel: Auf Lederstrumpfs Spuren
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, 49, S. 797–799, 809–812
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[797]

Auf Lederstrumpfs Spuren.

In Wort und Bild geschildert von Rudolf Cronau.
I.0 Das Urbild Lederstrumpfs.

James Fenimore Cooper.

Lederstrumpf! – Ich bin überzeugt, daß der bloße Klang dieses Namens bei Millionen von Deutschen den süßen Traum der Jugend, die Erinnerung an eine Zeit wachrufen wird, wo es zu ihren liebsten Beschäftigungen gehörte, mit Coopers Lederstrumpfgeschichten stundenlang in einem Winkel zu sitzen und von den Thaten „Wildtöters“ und des Häuptlings Chingachgook zu lesen. Wer hätte in jenen Jahren nicht selbst einmal „die große Schlange“ oder Uncas „den flinken Hirsch“ gespielt und dabei vergessen, die Schularbeiten zu erledigen, für welche Versäumnis anderen Tags dem „flinken Hirsch“ Arrest oder wohl gar eine gesalzene Tracht Prügel zudiktiert wurde.

Da wir Menschen uns gern an das erinnern lassen, was in den Tagen der Jugend unsere Herzen bewegte, so darf ich wohl auch hoffen, daß manche Leser der „Gartenlaube“ mir gern in jene Gegenden folgen werden, die einst der Schauplatz der Thaten Lederstrumpfs waren.

„Wie,“ so höre ich fragen, „ist denn Lederstrumpf nicht eine der Phantasie Coopers entsprungene Romanfigur, die in Wirklichkeit nie existierte?“ Ich kann diese Frage ebensowohl bejahen wie verneinen, denn Lederstrumpf ist eine erdichtete Figur, aber die sie kennzeichnenden Züge sind einer historischen Persönlichkeit entnommen. Es läßt sich nachweisen, daß James Fenimore Cooper, als er im Jahre 1822 „die Pioniere oder die Ansiedler an den Quellen des Susquehannah,“ den zuerst erschienenen Teil seiner Lederstrumpfsgeschichten, schrieb, für seinen Nathanael Bumppo eine bestimmte Persönlichkeit als Vorbild benutzte, den als Jäger und Indianerkämpfer, noch mehr aber als ersten Pionier des Staates Kentucky berühmt gewordenen Daniel Boone. Dieser um das Jahr 1735 in Pennsylvanien geborene Mann war einer der ersten jener kühnen, wetterfesten, im Kampf mit Indianern und den Bestien der Urwälder gestählten Vorläufer der Kultur, welche die Gipfel der Alleghanys erstiegen und die Blicke über jene Wildnis hinwegschweifen ließen, durch deren Wälder und Prairien die Flüsse in einem westwärts gerichteten Laufe dem sagenhaften Mississippi zueilten.

Daniel Boone.
Nach dem Originalgemälde von Chappel.

Büffelherden, die nach Tausenden zählten, weideten damals ungestört auf den berühmten Grasebenen des heutigen Kentucky, die Wälder bargen zahllose Hirsche, Bären, Biber und andere kostbare Pelztiere, und zu gewissen Jahreszeiten verfinsterten sich die Lüfte durch die endlosen Scharen der Wändertauben. Mächtig angezogen durch den Anblick dieser Terra incognita, stieg Boone von den wolkenumzogenen Höhen hernieder, um in den Wäldern am Quellgebiet des Kentucky eine versteckte Blockhütte aufzuschlagen und der Jagd obzuliegen. Boone war von fünf ebenso kühnen Männern begleitet, die aber alle von den Indianern umgebracht wurden oder in Gefangenschaft derselben gerieten. Mehrere Monate verbrachte Boone allein in der unendlichen Wildnis, ward im Jahre 1760 aber ganz unerwartet von seinem Bruder aufgefunden, mit dem er nach seinem früheren Wohnsitz zurückkehrte. Das geschah aber nur, um die Familien der beiden zur Uebersiedlung in die menschenleere Wildnis zu bewegen. Fünf andere Familien sowie vierzig wohlbewaffnete Männer schlossen sich dem Zuge an, der aber, noch ehe er das Ziel erreichte, in harten Kämpfen mit den Indianern sechs Mann, sowie alles Vieh einbüßte. Entmutigt durch diesen schweren Verlust, gab die kleine Karawane die Reise nach Kentucky auf und ließ sich in Südwest-Virginien nieder; Boone hingegen drang später an der Spitze einer neuen Schar abermals bis in die im Herzen von Kentucky gelegene Wildnis vor und gründete im Juni 1775 am Ufer des Kentuckyflusses die aus rohen Blockhütten bestehende, wohlbefestigte Niederlassung Boonesborough. Die Geschichte derselben war während des ersten Jahrzehntes eine fast ununterbrochene Kette der erbittertsten Kämpfe mit den Indianern, die zu verschiedenen Malen in gewaltigen Haufen die Ansiedlung wochenlang belagerten und ihr die schwersten Verluste zufügten.

Besonders gefahrvoll war die Belagerung, welche Boonesborough im Sommer 1778 zu bestehen hatte, wo während des amerikanischen Befreiungskrieges die Engländer alle unter ihrem Einfluß stehenden Indianerhorden aufboten, um mit Hilfe derselben die freiheitsdurstigen Unterthanen der englischen Kolonien entweder zum Gehorsam zurückzuführen oder gänzlich zu vernichten. Eine derartige, von acht englischen Offizieren befehligte Indianerbande erschien auch vor Boonesborough, um es mit Feuer und Schwert vom Erdboden zu vertilgen. Mehr als 500 Köpfe stark, begannen die Angreifer einen förmlichen, mit [798] der teuflischsten Hinterlist durchgeführten Belagerungskrieg wider die von Pallisaden umgebene, kaum von einem halben hundert Männer verteidigte Urwaldfestung. Als alle Anstürme und Versuche, sie durch feurige Pfeile in Brand zu setzen, abgeschlagen wurden, versuchten die Belagerer durch einen in der Nacht gegrabenen unterirdischen Gang einzudringen. Boone aber grub mit seinen Tapferen einen Gegengang und pflanzte in demselben eine mit Kugeln und Nägeln vollgepfropfte hölzerne Kanone auf, um die Angreifer bei ihrem Eindringen sofort niederzuschießen. Als aber die Belagerer erkannten, daß ihr Anschlag entdeckt und den Ansiedlern nicht beizukommen sei, entschlossen sie sich endlich zum Abzug, zumal sie bereits 37 Tote und zahlreiche schwer Verwundete zählten. Die Belagerten die mit einem Verlust von nur 2 Toten, sowie mit mehreren Verwundungen davongekommen waren, sammelten nach dem Abzug der Feinde über 125 Pfund Bleikugeln, die aus den Pallisaden und den Wänden der Blockhütten herausgeschnitten wurden.

Noch gefährlicher war ein Angriff, den vier Jahre später eine mehrere hundert Mann starke Indianerbande gegen die in diesem Teil Kentuckys gelegenen Ansiedlungen, besonders gegen Bryan Station ausführten, wo sich drei Schwäger Boones niedergelassen hatten. Die Indianer standen unter der Leitung eines Weißen, Simon Girty, der, als Kind von den Senecas geraubt und bei den Shaunies großgewachsen, in sich die ganze Verschlagenheit und Grausamkeit der Rothäute mit den Lastern der Weißen vereinigte. Boone kam mit seinen Leuten den Bedrohten zu Hilfen und es gelang, die Indianer abzuschlagen, In der Hitze der Verfolgung aber fielen die Ansiedler in einen Hinterhalt und verloren gegen 50 Mann.

Boonesborough im Jahre 1777.

Wie gefahrvoll das Leben der Pioniere der Kultur in diesen Landstrichen war, lehrt die Thatsache, daß in Kentucky allein während der Jahre 1783 bis 1790 gegen 1500 Weiße durch Indianer umgebracht wurden. Schließlich aber behaupteten die zähen Hinterwäldler doch das Feld und zwangen, besonders als sie durch Zuzüge aus dem Osten Verstärkung erhielten, die Rothäute zu einer dauernden Aufgabe ihres Gebietes. In den vielen Gefechten erhielt Boone manche Wunde und geriet mehrmals in die Gefangenschaft der Wilden, wußte aber durch List dem drohenden Tode am Marterpfahl stets zu entrinnen.

Weniger gut verstand er es, sich der weißen Spekulanten zu erwehren die nach Vertreibung der Indianer ins Land kamen. Sie brachten ihn und andere der Pioniere durch gefälschte Papiere um Hab’ und Gut, so daß Boone im Jahre 1792 voll Mißmut Boonesborough verließ und sich nach den westlich vom Mississippi gelegenen Prairien wandte, die er, den Pelztieren nachgehend, meist allein bis an den oberen Missouri durchstreifte.

Nach Bestehung zahllosen Abenteuer starb der wackere Jäger hochbetagt um Sommer des Jahres 1820 am Femme Osagefluß in Missouri. Seine Ueberreste sollten dem Staat, dessen erster Ansiedler er gewesen war, doch erhalten bleiben, denn als die Bürger der von Deutschen in Kentucky gegründeten Stadt Frankfort im Jahre 1845 einen neuen Friedhof anlegten, meinten sie, daß derselbe nicht schöner eingeweiht werden könne, als wenn man auf ihm die Gebeine des ersten weißen Bewohners von Kentucky zur ewigen Ruhe bette. Dem Plan folgte alsbald die Ausführung, denn noch in demselben Sommer begab sich eine Abordnung der Frankforter nach Missouri. Die Ueberreste Boones wurden in einen neuen Sarg gelegt und nach Frankfort gebracht, wo sie am 20. August auf einem das Thal des Kentucky überschauenden Hügel unter Begehung würdiger Feierlichkeiten aufs neue beigesetzt wurden. Einige Jahre später schmückte man das Grab mit einem Denkmal, auf dessen vier Seiten Begebenheiten aus den Kämpfen Boones mit den Indianern, sowie aus seinem Ansiedler- und Jägerleben dargestellt sind.

Daß die Persönlichkeit Boones dem Schriftsteller James Fenimore Cooper vorschwebte, als er seine berühmten Lederstrumpfromane schrieb, ist nicht bloß aus einer mündlichen Aeußerung Coopers bekannt, sondern geht auch aus der unverkennbaren Aehnlichkeit des Namens Daniel Boone (sprich Buhn) mit Nathanael Bumppo, dem Namen Lederstrumpfs, hervor. Ferner stimmt die Personalbeschreibung, die Cooper in den Romanen „Die Ansiedler“ und „Die Prairie“ von Leberstrumpf entwirft, vollkommen mit einem Porträt Boones überein, welches von dem amerikanischen Maler Chappel gemalt wurde und lange Jahre im Besitz einer Newyorker Verlagsfirma war. Boone ist auf diesem Bilde als ein bereits in hohem Alter befindlicher Mann und in dem Anzug dargestellt, der von den abgehärteten Grenzjägern seiner Zeit allgemein getragen wurde. Derselbe bestand aus einem aus grobem Zeug ober gegerbtem Hirschleder gefertigten Rock, der oft am Nacken und an den Schultern mit Pelzwerk oder aber mit einer Garnierung von 8 bis 10 Centimeter langen, dünnen Lederfransen besetzt war. Die letzteren dienten weniger als Schmuck, sondern ersetzten dem Jäger die häufig benötigten Bindfaden. Ueber den kurzen, grobwollenen Beinkleidern und den derben Strümpfen wurden fast bis an den Leib reichende Ledergamaschen getragen, deren Nähte häufig gleichfalls mit Fransen versehen waren, eine Nachahmung der indianischen Sitte, die „Leggins“ oder Beinkleider mit den Kopfhaaren erschlagener Feinde zu besetzen. Die Füße staken in Mokassins aus weichem Hirschleder, die wie die Gamaschen und der lederne Rock durch eine besondere den Indianern abgelernte Gerbung völlig wasserdicht waren. Die Kopfbedeckung bestand zumeist aus einem mützenartig verarbeiteten Fuchsfell, dessen Schwanz über den Rücken des Jägers hinabhing.

An Waffen führte der Jäger außer einem breiten, haarscharfen Messer, das über der Brust in einer sofort erreichbaren Tasche stak, eine Büchse, sowie ein leichtes Beil, den Tomahawk. Der letztere, ein in den Wäldern unentbehrlicher Gegenstand und im Handgemenge eine äußerst brauchbare Waffe, wurde an einem breiten, die Hüften umspannenden Gurt getragen, an dem auch die Kugeltasche hing. Zur Aufbewahrung des Pulvers diente ein Ochsenhorn, das an einem Riemen befestigt und der rechten Seite des Jägers so angepaßt war, daß es die Bewegungen desselben nicht hinderte und sich auch nicht im Gestrüpp verfangen konnte. Nicht selten waren Waffen und Pulverhorn nach indianischer Weise mit Perlstickereien oder Bemalung geschmückt. Ein wachsamer Hund bildete mitunter den Begleiter des Jägers.

Vergleicht man die Personalbeschreibung, die Cooper in seinen „Ansiedlern“ und in der „Prairie“ von dem alten Lederstrumpf und seinem treuen Hektor entwirft, mit dem von Chappel gemalten Bilde, so ist kaum zu bezweifeln, daß das letztere dem Schriftsteller im Original oder in einer Nachbildung bekannt [799] gewesen ist. Nicht minder scheint ein Nachruf, den der Gouverneur des Staates Missouri, Morehead, den Manen Boones widmete, zur Kenntnis Coopers gekommen zu sein, denn die in dem Nachruf gegebene Charakteristik Boones spiegelt sich aufs deutlichste in der Lederstrumpffigur wieder. „Ohne eine irgendwie bemerkenswerte Erziehung genossen zu haben,“ so sagte der Gouverneur in dem Nachruf, „hat Boone doch einen Platz unter den ausgezeichnetsten seiner Zeitgenossen eingenommen. Er vereinigte in sich viele hervorragende Eigenschaften Klugheit, Mut, Vorsicht und eine ungewöhnliche physische Kraft. Niemals schrak er vor Gefahren zurück, niemals erlag er den Anstrengungen und Mühen seines gefährlichen Berufs; selten gelang es jemand, ihn zu überrumpeln. Seine Gewohnheiten waren einfach und nicht verletzend, eine gewisse Rauheit ausgenommen, die allen Jägern eigen ist. Seine persönliche Erscheinung bot nichts besonders Hervorragendes, sein Ausdruck war mild und zufrieden. Ein Jäger durch und durch, lebte und starb er in einem Blockhaus, von allen Habseligkeiten seine sichere Büchse als das wertvollste Besitztum preisend.“

Das Grabmal Daniel Boones auf dem Friedhofe zu Frankfort.

Es ist von hohem Interesse, zu sehen, wie Cooper diese Personalbeschreibung der Figur des Helden seiner Lederstrumpfromane unterlegte. Nimmt man diese Romane zur Hand, so möchte man zur Vermutung kommen, daß die fünf Abteilungen „Wildtöter“, „Der letzte der Mohikaner“, „Pfadfinder“, „Die Ansiedler an den Quellen des Susquehannah“ und „Die Prairie“ in der hier gegebenen chronologisch richtigen Reihenfolge geschrieben worden seien. Das ist aber nicht der Fall. Von allen Lederstrumpfromanen erschien der vierte, „Die Ansiedler“, zuerst, und zwar im Jahre 1823. Drei Jahre später, am 4. Februar 1826, folgte Nummer 2 der Serie, „Der letzte der Mohikaner“, 16 Monate darauf Nummer 5, „Die Prairie“. Dann verstrichen nicht weniger als 13 Jahre, bevor Cooper mit den beiden Romanen „Pfadfinder“ (1840) und „Wildtöter“ der Serie die Abrundung gab. Entstanden demnach die einzelnen Abschnitte zusammenhangslos und in ganz verschiedenen Zeiträumen, so erscheint es um so bewundernswerter, daß Cooper es trotzdem verstand, der Figur seines Helden ein so einheitliches Gepräge zu verleihen, daß sie wie aus einem Gusse, wie ein völlig abgerundetes Meisterwerk vor uns steht. Im „Wildtöter“ lernen wir diesen Helden als einen vollkommenen Neuling auf dem Kriegspfade kennen. Er hat, in den Wigwams der Delawaren verweilend, sich insbesondere einem jungen Häuptling jenes Stammes, Chingachgook, angeschlossen und findet in Gemeinschaft mit demselben am See „Glimmerglas“ zum erstenmal Gelegenheit, seine Kraft und seine auf vielen Jagdzügen erworbene Geschicklichkeit zu bethätigen. Scharfblick, Aufrichtigkeit und gewinnende Herzensgüte machen die Grundzüge seines Charakters aus, in dem sich die Tugenden der Weißen mit den besseren Eigenschaften der roten Urbewohner Amerikas in der glücklichen Weise mischen.

Im „Letzten der Mohikaner“ und im „Pfadfinder“ steht Lederstrumpf in voller Manneskraft, als kühner, furchtloser Jäger vor uns. Wald und Himmel sind ihm ein offenes Buch. Jeder Laut, der die Stille des Urwalds unterbricht, jeder aus seiner Lage gerückte Stein, jeder geknickte Zweig vermitteln ihm die Kunde über gewisse Vorgänge. Niemals verläßt ihn seine Kaltblütigkeit; aus den gefährlichen Lagen weiß er stets einen Ausweg zu finden.

In den „Ansiedlern an den Quellen des Susquehannah“ erscheint Lederstrumpf als alter Mann, der auf den Hügeln am Glimmerglas sein einsames Blockhaus aufgeschlagen hat. Er, der ein volles Menschenalter vor der Ankunft der ersten Ansiedler die den See umschließenden Wälder durchstreifte und dies endlose Jagdrevier als sein alleiniges Eigentum betrachten durfte, muß nun voll Mißvergnügen sehen, wie die Ansiedler rücksichtslos das Wild zusammenschießen und die Bäume niederschlagen, die er so sehr geliebt. Die Natur, die ihm allezeit eine Freundin und Ernährerin war, gilt diesem Schwarm der Eindringlinge als eine Feindin, die niedergerungen werden müsse. Was Wunder, daß Natty Bumppo mit diesen Menschen nicht zu leben vermag, daß die Luft in ihren Straßen ihn beengt und er gleich dem verjagten Wild hinaus in die Weite zieht, der sinkenden Sonne nach.

Zuletzt zeigt Cooper uns den äußerst betagten Lederstrumpf als einsamen Trapper inmitten der überwältigenden Großartigkeit der westlichen Prairien. Seine körperliche Kraft ist verfallen, der Geist hingegen ist rein und geläutert wie die Luft der ihn umgebenden Steppe. Er ist nicht mehr der leicht erregbare, verdrießlich den Einbruch der Ansiedler wahrnehmende Trapper. Während er nicht aufhört, zu bedauern, hat er aufgehört, anzuschuldigen. Er weiß, daß die majestätische Feierlichkeit der Natur nicht lange ungestört bleiben wird, denn in jedem von Osten her kommenden Windstoß hört er das Knarren der Wagenräder, den Klang der Aexte, das Rauschen niedersinkender Bäume, die den Marsch der unaufhaltsam vordringenden Civilisation verkünden. Er weiß, daß dieselbe nicht aufzuhalten ist, und er hat dabei gelernt, sich in das Unabwendbare mit würdiger Ergebung zu fügen. Er hat keine Wünsche mehr, sondern sieht dem nahen Ende, dem Grab unter dem wehenden Prairiegras mit einer so ruhigen Fassung entgegen, wie der von harter Tagesarbeit ermüdete Arbeiter nach Sonnenuntergang dem besten Freund, dem Schlaf, entgegensieht.

So stellen Coopers Lederstrumpfromane ein völlig abgerundetes Gesamtbild, ein Drama in fünf Aufzügen dar, dessen Held anerkanntermaßen eine der fesselndsten, eigenartigsten und edelsten Schöpfungen der amerikanischen Litteratur ist. Die Lederstrumpfromane begründeten den Weltruf ihres Dichters. Sie wurden nicht nur in fast alle europäischen, sondern sogar auch in verschiedene asiatische Sprachen übersetzt. Die Zahl der in der Originalsprache erscheinenden Ausgaben und Nachdrucke ist eine geradezu überraschende und wächst, seitdem die Romane frei wurden, von Jahr zu Jahr. Auch in Deutschland erlebten sie viele Auflagen in mehr als fünfzehn verschiedenen Uebersetzungen. Besonders die Menge der Bearbeitungen für die Jugend ist erstaunlich.


[809]

Die Lederstrumpfhöhle auf der Hudsoninsel bei Glens Falls.
Nach einer Originalzeichnung von Rudolf Cronau.

[810]
II.0 Die Stätten der Lederstrumpfromane.

Der Otsegosee.

Selbstverständlich hätte die Figur des weißen Jägers allein nicht ausreichen können, um den Lederstrumpfromanen Coopers das Interesse der ganzen gebildeten Welt zuzuwenden. Dazu trug noch anderes bei: die Romane schilderten ein bedeutsames, vom Glanz wilder Romantik umleuchtetes Stück der amerikanischen Kulturgeschichte, sie malten den Kampf der weißen Ansiedler gegen die blutdürstigen Indianerstämme und eine schier übermächtige Natur. Dies mußte nicht bloß in Amerika, sondern auch in Europa interessieren, da sich unter den Ansiedlern, die den Kampf zu führen hatten, Tausende von Abkömmlingen fast jedes europäischen Volkes befanden. Von dem rührend einfachen und dabei gefahrvolle Dasein der Ansiedler, von ihren bescheidenen Vergnügungen und Festlichkeiten, von ihren Freuden und Leiden gaben die Lederstrumpfromane getreue Schilderungen die um so mehr fesseln mußten, als sie in der reizendsten und ungezwungensten Form dargeboten wurden.

Verstand es Cooper, das Leben und Treiben der Menschen zu schildern, so war er aber ein fast noch bedeutenderer Landschaftsmaler. Kein Geringerer als Balzac sagte einst: „Seine Naturschilderungen sind unübertrefflich. Niemals ist die Kunst, in Worten zu malen, der Malerei mit dem Pinsel so nahegekommen. Die Lederstrumpfgeschichten sind eine Schule für litterarische Landschafter.“

In der That kann man die Natur in ihrer jungfräulichen Wildnis, die Prairien in ihrer überwältigenden Majestät, die Jahreszeiten in ihrem Wechsel kaum schöner und ergreifender schildern, als Cooper es gethan.

Das Geheimnis dieses Erfolges liegt darin, daß der Dichter, wie er sich bestrebte, seine Figuren dem wirklichen Leben nachzubilden, so auch jeden Strich seiner Landschaften streng nach der Natur zeichnete. Darüber äußert er sich selbst in der Vorrede zum „Wildtöter“: „Wenig braucht der Verfasser über die Charaktere und die Scenerie dieser Erzählung zu sagen. Jene sind natürlich Werke der Dichtung, diese aber ist so naturtreu, als nur immer die vertraute Bekanntschaft mit dem gegenwärtigen Aussehen der betreffenden Gegend und Vermutungen über ihren früheren Charakter den Verfasser in stand setzten, sie zu schildern. See, Berge, Thal und Wald sind insgesamt, wie er glaubt, genau genug dargestellt, während Fluß, Fels und Küste treue Abzeichnungen der Natur sind. Selbst die einzelnen vorspringenden Punkte existieren, etwas verändert durch die Civilisation, aber so entsprechend den Schilderungen, daß jeder, der mit der Scenerie der fraglichen Gegend vertraut ist, sie leicht erkennt.“ In der That, der im „Wildtöter“ und in den „Ansiedlern“ verherrlichte See „Glimmerglas“, der rauschende Oswego und die tausend [811] Inseln, wo der alte Seebär Cap und seine hübsche Nichte Mabel so haarsträubende Abenteuer erlebten, sind nicht minder getreu der Wirklichkeit nachgemalt wie die merkwürdige Höhle, in der das Geschwisterpaar Alice und Cora nebst seinen Begleitern von Lederstrumpf und den beiden Mohikanern vor den teuflischen Mingos verborgen wurden.

Für die meisterliche Weise, mit der Cooper es verstand, gegebene Oertlichkeiten in seine Romane zu verweben, bietet gerade die im „Letzten der Mohikaner“ beschriebene Hohle ein schlagendes Beispiel dar.

Im Jahre 1824 unternahm Cooper in Gemeinschaft mehrerer Freunde eine Reise nach dem im nordöstlichen Teil des Staates New York gelegenen Georgsee und besuchte dabei den am oberen Hudson gelegenen Ort Glens Falls. Die Reisenden stiegen auch zu dem Hudson hernieder, der hier einen durch eine kleine Felseninsel in mehrere Arme geteilten äußerst malerischen Wasserfall bildet. Die seit Jahrtausenden dahinrauschenden Fluten haben in das harte Gestein der Insel die abenteuerlichsten Gassen eingeschnitten, deren eine sich zu einer überaus merkwürdigen Hohle verengt, die tunnelartig die untere Hälfte der Insel durchzieht. Als die Reisenden in diese Höhle eindrangen, meinte der bei der Gesellschaft sich befindende englische Lord Derby, daß dieser seltsame Fleck sich als Schauplatz für einen Roman eigne. Cooper versprach, einen solchen zu schreiben, in dem die Höhle eine Rolle spiele. Die Reise führte weiter an den herrlichen Georgsee, an dessen Südspitze noch heute die Wälle des alten Forts William Henry liegen, das in den Kriegen der Franzosen und Engländer während des vorigen Jahrhunderts von dem Schotten Munro so heldenmütig wider den französischen General Montcalm und seine Indianerhorden verteidigt wurde.

Wie anregend diese Reise für Cooper war, zeigt der Umstand, daß kaum ein Jahr später, am 4. Februar 1826, sein vorzüglicher Roman „Der Letzte der Mohikaner“ erschien, durch den der Ruhm des Dichters seinen höchsten Gipfel erreichte. Daß die Hohle auf der Hudsoninsel sowie die historischen Vorgänge im Fort William Henry in der glücklichsten Weise in diesen Roman verflochten sind, ist jedem Leser desselben wohlbekannt. Den Wasserfall selbst schildert Lederstrumpf mit folgenden Worten: „Wenn wir das Tageslicht hätten, würde ich Sie bitten, auf den Felsen zu steigen, wo ich Ihnen zeigen wollte, wie verkehrt dieses Wasser ist; es fehlt ihm alle Ordnung und Regelmäßigkeit; bald springt es auf, bald stürzt es nieder; hier schleicht es nur hin, dort schießt es fort; an dieser Stelle ist es weiß wie Schnee, an jener ist es grün wie Gras; an dieser Seite ist es ein Sturz, daß man glaubt, die Erde müsse bersten, an jener murmelt es wie ein Bach, und hat die Bosheit, Wirbel zu bilden, und spült das Gestein aus, als ob es Lehm wäre. Ja, es ist keine Ordnung im Flusse mehr. Zweihundert Klafter von hier aufwärts fließt er friedlich, als wollte er seinem alten Laufe getreu bleiben, dann aber trennt sich das Wasser und stößt an das Ufer links und rechts; ja man meint, es schaue rückwärts, wie wenn es ungern die Wildnis verließe, um sich mit dem Salzwasser zu machen.“

Von allen Oertlichkeiten, an denen Cooper verweilte, hat er aber keine so oft und mit so großer Vorliebe verwendet wie den Ostegosee, an dessen Ufern er seine Jugend sowie das letzte Drittel seines Daseins verlebte.

Mitten im Herzen des Staates New York, von wälderumgürteten Hohen eingeschlossen, wird dieses etwa 14 Kilometer lange und mehrere Kilometer breite krystallklare Wasserbecken von zahlreichen Bergbächen genährt. Der Ueberschuß seines Wassers aber fließt als der überaus liebliche Susquehannah der 500 Meilen entfernten Chesapeake Bai und weiter dem Weltmeere zu. Wie viele tausend Jahre der See inmitten der ihn umgebenden feierlichen Waldeinsamkeit ruhte, bis Menschen, die Indianer, an seinen Ufern erschienen, vermag niemand zu sagen. Nur der Jagd und dem Fischfang lebend, vermochten diese Rothäute mit den primitiven Werkzeugen, die sie besaßen, das Bild der Landschaft nicht zu ändern, denn als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die ersten Weißen in diese Gegend eindrangen, empfingen sie den Eindruck, als habe nie zuvor ein Mensch die Ruhe derselben gestört.

Dichter Urwald drängte sich bis an den Rand der krystallklaren Gewässer, in welchen sich die überhängenden riesigen Eichen, Buchen, Ulmen, Espen und schwermütigen Fichten sowie die friedvolle Wölbung des Himmels mit überraschender Deutlichkeit widerspiegelten

Es war im Herbst des Jahres 1790 als der Vater unseres Dichters, der Richter William Cooper (er erscheint in den „Ansiedlern“ unter dem Namen Marmaduke Temple), seinen bisherigen Wohnsitz Burlington in New Jersey, wo James Fenimore Cooper am 15. September 1789 geboren wurde, aufgab und sich am Südende des Otsego niederließ. Eine kleine Schar von früher gekommenen Ansiedlern hatte hier eine Lichtung ausgehauen und auf derselben eine aus rohen Blockhütten bestehende Ortschaft erbaut, die dem Neuankömmling zu Ehren den Namen Cooperstown annahm.

William Cooper hatte nämlich eine Zeit lang im Abgeordnetenhause des damals eben erst entstandenen nordamerikanischen Staatenbundes gesessen und war mancherlei Verdienste halber vom Kongreß mit mehreren tausend Acker Landes am Ostegosee belohnt worden. Um diese Zeit war der spätere Schöpfer des „Leberstrumpfs“ wenig mehr als ein Jahr alt. Die ersten Eindrücke, die in seinem empfänglichen Gemüt haften blieben, waren diejenigen, die der harte Kampf mit sich brachte, den die Ansiedler gegen die schier unbezwingliche Urwildnis zu führen hatten. Mit den rauhen Holzfällern, den ersten Pionieren in diesem Kampfe, kam der junge Cooper täglich in Berührung. Fast ebenso oft erschienen Trapper und Fallensteller im Orte, um gegen die Felle erlegter Tiere Pulver, Blei oder andere Dinge einzutauschen. Bei Tische und am lodernden Kaminfeuer drehten die Gespräche sich sehr häufig um die Abenteuer, welche jene kühnen Jäger im Kampf mit den Raubtieren der Wildnis oder den noch gefährlicheren Indianern erlebt hatten. Auch von den letzteren suchten bisweilen kleine Trupps, die Ueberreste ehemals mächtiger Stämme, den See auf, um Fische zu speeren

Die Cooperstown zunächst gelegenen Niederlassungen, wohin der junge Cooper öfter kam, waren die von Deutschen, und zwar Pfälzern gegründeten Ortschaften im Schoharie- und Mohawkthal.

Sie hatten die ganze zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts hindurch unter den Ueberfällen der Franzosen, der Engländer und Indianer schwer zu leiden gehabt, aber heldenhaft die Feinde fast stets mit blutigen Köpfen zurückgeworfen Während jener heißen Gefechte hatten gar manche dieser kernigen Pfälzer sich zu gefürchteten Indianerjägern ausgebildet; vornehmlich die Thaten des Konrad Weiser, des Adam Hartmann, des Thimoteus Murphy, des Christian Scheck und des Nikolaus Herckheimer lebten in aller Munde. Viel gesungene Volkslieder priesen den Löwenmut Schecks, der mit nur vier Söhnen am 6. August 1781 sein festes Blockhaus gegen 48 Huronen und 16 Engländer so erfolgreich verteidigte, daß dieselben schließlich mit einem Verlust von 11 Toten und 12 Verwundeten, von denen 9 nachträglich noch starben den Rückzug antreten mußten. Nicht minder besang man „den Helden von Oriskany“, den wackeren Nikolaus Herckheimer, der an der Spitze von 800 Pfälzer Bauern am 6. August 1777 den das Fort Stanwix am oberen Mohawk belagernden 750 Engländern und 1000 mit ihnen verbündeten Indianern so hart zusetzte, daß sie die Belagerung des Forts aufgeben und nach Canada zurückkehren mußten, was für den ferneren Verlauf des amerikanischen Befreiungskrieges die wichtigen Folgen hatte.

Der zum Manne gereifte Cooper vergaß niemals diese in seiner Jugend empfangenen Eindrücke und erlauschten Erzählungen, sondern suchte sie in seinen zahlreichen Romanen, besonders den Leberstrumpfgeschichten, in liebevoller Weise festzuhalten. Dabei wußte er jede Eigenheit der ihm so wohlbekannten Landschaften, jede auffällige Erscheinung in der geschicktesten Weise in diese Romane zu verweben.

In der ganzen Umgebung des im „Wildtöter“ unter dem Namen „Glimmerglas“ verherrlichten Otsegosees befindet sich nicht eine Bucht, nicht eine Thalschlucht oder ein Wasserfall, an die sich nicht irgend eine in Coopers Romanen geschilderte Scene knüpfte. Im nördlichen Teil des Sees, von beiden [812] Ufern desselben gleich weit entfernt, ist eine vom Wasser bedeckte Sandbank. Daß dieser unscheinbare Fleck in einem Romane Verwendung finden könne, würde gewiß nur wenigen Menschen in den Sinn kommen. Cooper aber ließ den alten Tom Hutter hier das „Castell“, eine auf Pallisaden stehende Wasserburg, errichten, in der er mit seinen beiden Töchtern, der sanftmütigen Hetty und der berückend schönen, aber etwas leichtsinnig veranlagten Judith, hauste und wo er, wie im „Wildtöter“ zu lesen ist, unter dem Skalpiermesser eines Huronen seine Kopfhaut einbüßte.

Am südlichen Ende des Sees, wo der Susquehannah unter einem förmlichen Dom von überhängenden Bäumen als Abfluß des Sees seinen Ursprung nimmt, ragt ein gewaltiger Steinblock, kaum einen Schritt vom Ufer entfernt, aus dem Wasser. Die seit Jahrtausenden den Stein umspülenden Wellen verliehen ihm eine bienenkorb- oder heuschoberähnliche Form. Er ist der Fels, wo Wildtöter mit der Arche seinen indianischen Freund Chingachgook erwartete und in die „Arche“ aufnahm. Eine am Westufer in den See vorspringende Landzunge ist der Platz, wo Wildtöter am Marterpfahl stand und wo die Schlußscene, der Untergang der Huronen unter den Bajonetten der englischen Soldaten, sich ereignete. In den Bergen am Ostufer errettete Natty Bumppo die beiden Freundinnen Elisabeth Temple und Luise Grant von der Wut des seiner Jungen beraubten Panthers.

Der Chingachgookfelsen am Südende des Otsegosees.

Ebendaselbst ist der Schauplatz des furchtbaren, in den „Ansiedlern“ geschilderten Waldbrandes sowie die Höhle, in welcher der getreue Delawarenhäuptling Chingachgook während eines heftigen Donnerschlags von Manitu in die Jagdgründe seiner Väter abberufen wurde.

Wie lieb dem von aller Welt gefeierten Dichter des „Lederstrumpfs“ der Otsegosee und seine Umgebung waren, zeigt der Umstand, daß er nach Beendigung seiner Reisen durch Europa sich im Jahre 1833 dauernd auf dem vom Vater ererbten Besitztum „Otsego Hall“ niederließ.

„Otsego Hall“ galt lange Zeit hindurch unter den Gebäuden des idyllisch schönen, heute etwa 2500 Bewohner zählenden Ortes Cooperstown als das schönste. Es war von uralten Bäumen umgeben und enthielt außer vielen von Cooper während seiner Reisen gesammelten Merkwürdigkeiten eine vorzügliche Bibliothek. Hier schrieb Cooper während der 17 Jahre seines Verweilens 24 von seinen insgesamt 39 Bände umfassenden Werken, Er legte die nimmer müde Feder erst aus der Hand, als am 14. September 1851 der Tod ihn abrief.

Seine treue Gattin folgte ihm nur wenige Monate später ins Jenseits nach. Die letzten beiden seiner Kinder starben im Dezember 1894 und im Frühling 1895. Seine Tochter Susan Fenimore Cooper, die im Jahre 1813 geboren wurde, hatte vom Vater die schriftstellerische Begabung geerbt. Sie hat einige Werke geschrieben, die sich durch feine Empfindung und einen eleganten Stil auszeichnen. Mehr aber war sie noch angesehen durch ihre gemeinnützige Thätigkeit. Sie erwählte namentlich ihren Heimatsort Cooperstown zur Stätte ihres menschenfreundlichen Wirkens und gründete daselbst ein Waisenhaus, sowie eine Friendly Society, einen Hilfsverein. Heute ist das ganze Coopersche Geschlecht erloschen Auch „Otsego Hall“ steht nicht mehr. Eine im Jahre 1853 ausgebrochen Feuersbrunst legte es in Asche. Der Standort des denkwürdigen Gebäudes ist aber durch eine hübsche Parkanlage und eine Gedenktafel bezeichnet.

Das von alten Fichten überschattete Coopersche Erbbegräbnis umschließt gegen 36 Grabstellen, darunter diejenige des freigelassenen Negers Joseph Stewart, der nach zwanzigjährigem, der Familie Cooper geleistetem treuen Dienste im Jahre 1823 starb und in den „Ansiedlern an den Quellen des Susquehannah“ von Cooper gleichfalls verewigt worden ist.

Die Grabstätten des berühmten Romanschreibers sowie seiner Gemahlin sind nur mit einfachen Marmorplatten bedeckt, die keine weiteren Inschriften als die Namen, Geburts- und Sterbetage der unter ihnen Ruhenden tragen. Dagegen erhebt sich auf dem am Ostufer des Sees angelegten, entzückend schönen neuen Friedhof ein von Freunden und Verehrern des Dichters dem Andenken desselben gewidmetes Monument, ein mächtiger Schaft aus carrarischem Marmor, dessen Spitze die Figur des seine Flinte ladenden, nachdenklich auf den blauen See hinabblickenden Lederstrumpfs trägt. Sein treuer Hektor ist ihm zur Seite.

Auf der Vorderseite des das Denkmal tragenden Unterbaues prangt der Name Coopers in einem Kranz von Eichen- und Lorbeerzweigen. Auf der rechten Seite des Unterbaus deuten Studierlampe, Tintenfaß und eine von einem Adler emporgetragene Schreibfeder den Beruf des Schriftstellers an. Ein Anker hinter gekreuzten Rudern, sowie Degen und Fernglas erinnern an den von Cooper ursprünglich ins Auge gefaßten Seemannsberuf sowie an seine Seeromane. Die Südseite des Monuments hingegen zeigt eine aus Bogen, Köcher, Lanze, Tomahawk, Scalplocke und einem Halsband aus Bärenklauen gebildete Waffentrophäe.

Es bedürfte dieses stolzen Denkmales nicht, um den Namen Coopers auf die Nachwelt zu bringen. Der Zauber, der seine Lederstrumpfgeschichten umweht, die Romantik, mit der er den lieblichen Otsego umkleidete, werden leben, so lange es eine amerikanische Litteratur giebt, so lange der „Glimmerglas“ die ihn umschließenden Wälder und Höhen widerspiegelt.