Aus der Rumpelkammer eines Rathhauses
[612] Aus der Rumpelkammer eines Rathhauses. Daß selbst eine „Rumpelkammer“, zumal wenn sie die eines Rathhauses ist, zuweilen ganz beachtenswerthe Schätze enthalten kann, davon erzählt Professor Mohr in seinem trefflichen jüngst erschienenen Buche „Köln in seiner Glanzzeit“ (Köln, Ahn) ein interessantes Beispiel. Während der inneren baulichen Veränderungen im Kölner Rathhause, im Jahre 1859, war der damalige Archivar Dr. Ennen mit Aufräumen in der sogenannten Mittwochsrentkammer beschäftigt. Er ließ sich weder den Staub noch die Mühe verdrießen, Berge vergilbter Akten zu durchstöbern und mit kundigem Blicke zu prüfen, was ihm in die Hände kam. Aber nicht in den Akten, sondern unter denselben machte er zunächst eine interessante Entdeckung: es fand sich dort ein Richtschwert, eine ungewöhnlich schön gearbeitete Waffe aus dem 14. Jahrhundert. Da dasselbe seiner Zeit entblößt geführt wurde, so diente ein wenig ansehnliches Futteral, innen von dünnem Holze, von außen mit grauer Leinewand überzogen, als Scheide. Die Klinge, welche noch die Spuren des letzten Strafgerichtes trug, war von tadelloser Vollendung. Der schlanke, kreuzweise umwundene Griff hatte oben, entsprechend der Zeit, statt des Knaufes eine Medaille, zu beiden Seiten aber in vergoldetem Silber und in Email das Wappen der Stadt, die Kronen der heiligen drei Könige.
Dieser außergewöhnliche Fund ermunterte Ennen und den inzwischen hinzugezogenen Prof. Mohr zu weiteren Nachforschungen, und namentlich war es eine große schwere Kiste, welche sie anzog, trotzdem dieselbe dem Anscheine nach kaum mit anderem, als werthlosen Lappen angefüllt war. Da sie keinen Deckel hatte, so erschwerte der Staub von Jahrhunderten das Suchen außerordentlich. Das erste, was sich unter dem Wuste zeigte, war eine auf Leinwand gemalte unbedeutende Kirmeßfahne aus dem vorigen Jahrhundert. Doktor Ennen scherzte nicht wenig über das bescheidene Resultat und über das bestaubte Aussehen dieses Fundes. Dann aber folgte schon eine zweite, bessere Fahne auf Leinwand, mit einem wohlstilisirten Doppeladler aus dem 17. Jahrhundert, und endlich nach fortgesetztem Wühlen zeigte sich ein Fund, der selbst kühnere Erwartungen noch übertraf. Es war das ein Stück rother Seide mit einem Bruchstück der Kölner Wappenkronen des Dreikönigenbanners und zwar nicht nur in ansehnlicher Größe, sondern auch ausnehmend schön und auf goldenem Grunde gezeichnet, nach der Stilart des Kronenlaubwerks etwa der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehörig. Von dieser Fundstelle an war der ganze übrige Raum der mächtigen Kiste mit solchen, manchmal nur fingerlangen Theilen von verschiedenen Fahnen und aus verschiedenen Zeiten angefüllt. Namentlich aber zeigten sich noch so zahlreiche Stücke des Dreikönigenbanners, daß, in pietätvoller Würdigung eines solchen Schatzes, Prof. Mohr seitens der städtischen Behörde mit der Wiederherstellung dieser für die Geschichte der Stadt höchst wichtigen Fundstücke betraut werden konnte. – th.