Chevy-Chase oder Die Jagd im Chevy-Forst
Gott schütz den König, unsern Herrn,
Und unser Aller Leben;
Im Chevy-Walde hat sich einst
Wehvolle Jagd begeben.
* * *
Vor Thaue noch und Tage
Zog aus er heut, mit Hund und Horn,
Daß er den Hirsch erjage.
Er schwur es jüngst an heiliger Stätt
Er woll’ drei Sommertage lang
Auf schott’schem Boden pirschen.
Er woll’, was lebt im Chevy-Forst,
Mit Speer und Pfeil erlegen.
Den Hirsch in den Gehegen.“
* * *
Als er das Wort vernommen,
Dem Percy-Grafen schwur er da
Der aber ist im Walde schon
Mit fünfzehnhundert Mannen,
Wohlausgesucht und wohlerprobt
Den Bogen straff zu spannen.
Flieht, was die Schlucht geborgen;
Ein Montag war’s, noch halbe Nacht,
Es graute just im Morgen.
Und eh der Morgen kam, da lag
Doch rastlos, nach gethanem Schmaus
Begann ein neues Jagen.
Aufs Neu durch Schlucht und Dickicht hin
Stob Huf und Hund nach Beute,
Dem Lustgeheul der Meute.
Graf Percy nur war satt des Spiels
Mit Hirschen und mit Hinden,
Er sprach: „Lord Douglas gab sein Wort,
Bei Gott, nicht länger harrt’ ich sein,
Dächt’ ich er könn’ es brechen.“
Da that alsbald ein Ritter jung
Also zum Grafen sprechen:
Das ist er mit den Seinen,
Schau, wie im Mittagssonnenglühn
Die blanken Speere scheinen.
Zweitausend sind’s vom Lauf des Tweed,
Und der vorauf ist Douglas selbst,
An Roß und Helm zu kennen.““
„… Nun denn wohlan!“ rief Percy da,
„Dies Feld sei unsre Schranke,
Sei’s Schotte oder Franke.
Das ist der Hirsch, den ich gesucht,
Nun lohnt es sich zu jagen,
Es brennt mein Herz, Mann gegen Mann,
Lord Douglas hört’s und ruft ihm zu:
„Da soll mich Gott verderben,
So wahr ein Lord ich bin wie Du,
Du oder ich muß sterben.
Und Schimpf an unsrem Leben,
So vieler Mannen schuldlos Blut,
Mit in den Kauf zu geben.
Es sei all’ unser Streit gelegt
„Verdammt sei der, rief Percy da,
Der andren Sinnes wäre …“
Withrington hieß der Degen,
Dran ist uns nicht gelegen.
Wir wollen nicht, dieweil ihr kämpft,
Hier Psalm und Lieder singen,
Und unsrem König Heinrich dann
Wohl seid ihr Lords und edle Herrn,
Und wir nur Knapp und Ritter,
Doch dächt ich traun, auch unser Schwert
Macht Wunden oder Splitter.““
Den Eschenbogen biegen,
Und achtzig Schotten sanken hin
Von ihrer Pfeile Fliegen.
Lord Douglas aber, unbewegt,
Und kehrt zu seinen Mannen jetzt
Hoch auf des Waldes Hügel.
Schon stehn sie da, nach Kriegesart
Getheilt zu dreien Rotten,
Fährt Douglas mit den Schotten.
Das gab ein Stechen und ein Haun,
Manch breite Wunde klaffte,
Längst unser englisch Bogenvolk
Ein Leid, nicht auszusagen,
Wie stöhnend da in Sand und Blut
Die Menschenknäule lagen.
Da endlich – mit Gestampfe –
Ansprangen wie zwei Löwen jetzt
Die Führer selbst zum Kampfe.
Sie kämpften bis vernehmbar fast
Bis Blut und Schweiß von Brust und Stirn
Wie Regen niedertropfte.
„Ergieb Dich, Percy,“ Douglas rief’s,
„Ganz Schottland soll Dich preisen,
Am Throne Dir erweisen.“
Doch Percy stolz: „Da wollt’ ich eh’
Wie Kraut am Sumpf verrotten,
Mein Wort ist nein und dreimal nein
Da kam ein Pfeil aus unsern Reihn
Verräthrisch durch die Lüfte,
Und bohrte tief in Douglas Herz
Durch Rippe sich und Hüfte.
Graf Percy sah ihn enden,
Und faßte dann des Todten Hand
Mit seinen beiden Händen.
Hin gäb’ ich für Dein Leben jetzt
Mein Land und meine Habe.“
Er sprach es kaum, da kam’s wie Sturm
Durch Freund und Feind gestoben,
Und hoch den Schild gehoben.
Wer ist’s? Sir Ralph Montgommery.
Er sah den Douglas sinken,
Nun soll auch Percy’s Helmbuschzier
Und schleudernd jetzt den wuchtgen Schaft
Mit Hasses Kraft und Schnelle,
Durchfuhr die Lanze Percy’s Leib
Um eine Weber-Elle.
Auf hufgestampfte Tenne,
Schon aber griff ein Bogenschütz
Nach Köcher und nach Senne.
Er spannte straff des Bogens Seil,
Und drückte seinen längsten Pfeil
Scharf an die Eschenkante.
Lang zielt’ er so, daß sichren Flugs
Der Pfeil zum Herzen dringe,
Bebt in der Brust die Schwinge.
Und mit ihm sind gefallen
Auf beiden Seiten männiglich
Von zwanzighundert schott’schen Volks,
Die Schild und Speer genommen,
Kaum fünfundfünfzig, weh und wund,
Sind norderwärts entkommen.
Trug es den Sieg von dannen,
Nur dreiundfünfzig kehrten heim
Von fünfzehnhundert Mannen.
Die andern schliefen fest im Wald
Und Nachtwind nur und Mondenlicht
Glitt über ihre Pfühle.
* * *
Das war die Jagd im Chevy-Forst,
Wo Herr und Hirsch gefallen.
Und sei uns gnädig allen.