Das Mozartdenkmal in Wien
[226] Das Mozartdenkmal in Wien. (Mit Abbildung.) Die Mozartgedenktage, welche uns das vergangene Jahr brachte, sind von den Wienern in jeder Beziehung würdig begangen worden. Daß aber diese Gedenkfeierlichkeiten nicht, wie seit Jahren geplant war, durch die Enthüllung des Mozartdenkmals gekrönt wurden, das hatte seinen Grund in gewissen örtlichen Schwierigkeiten, in jener leidigen Platzfrage, die gleich einer unheilvollen Wolke in Sicht zu kommen pflegt, sobald die Wiener das Gedächtniß eines Großen in Erz oder Stein verewigen wollen.
Das Ende der wechselvollen Vorschläge und Versuche war, daß man sich auf den erprobten Rath des verstorbenen Dombaumeisters Schmidt für die Stelle des alten Kärntnerthor-Theaters, hinter dem neuen Opernhaus, auf dem Albrechtsplatz entschied, und zwar sollte das Denkmal, um für ruhige Betrachter Raum zu lassen, nicht in der Mitte, sondern etwas zur Seite, gegenüber der Vorderseite einiger stattlichen Bürgerhäuser, errichtet werden. – Für diesen Platz wurde denn ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben, bei welchem zunächst Bildhauer Hellmer als erster mit einem Entwurf siegte, der den eigenthümlichen Platzbedingungen am meisten gerecht wurde. Die Ausführung des Denkmals selbst wurde aber Viktor Tilgner, dessen Mozartfigur als die beste anerkannt wurde, übertragen. Und dieser Künstler ging nun bei der Ausführung dieses Auftrags dem doppelten Ziele nach, sein Mozartdenkmal aus der profanen räumlichen Umgebung würdig herauszuheben und den Wienern einen Mozart vorzustellen, der zugleich dem Bilde, welches sich jeder von ihm mit unbewußter Idealisierung macht, und den uns überlieferten wirklichen Bildnissen entspräche.
Um den ersteren Zweck zu erreichen, hat Tilgner das 7½ Meter hohe Denkmal – die Figur Mozarts selbst ist 2 Meter 90 hoch – auf einen Unterbau gestellt, zu dem vom Platze aus zwei Stufen emporführen und den im Rücken gegen den Bürgersteig und die Häuser eine Balustrade abschließt. Elliptisch wie der Unterbau erhebt sich das Denkmal selbst, unten breit ausladend, im eigentlichen Postament nach oben sich verjüngend. Die Architektur weicht durch wechselvolle Bewegung in wohlthuender Weise von der akademischen Schablone ab. Sie wird aus weißem Marmor ausgeführt, während aller Schmuck aus Bronze, theilweise vergoldeter Bronze bestehen wird, so daß der Eindruck lebendigster Heiterkeit, reichsten Glanzes, wie er dem Wiener Wesen so recht zusagt, nicht ausbleiben kann. Zu unterst am Sockel steht in goldenen Buchstaben der lateinische Vers: „Dignum laude virum musa vetat mori“, „den Ruhmwürdigen läßt die Muse nicht sterben“. Darüber lehnt in der Ecke eine Lyra, von der ein Goldband zu jener Inschrift herabfließt, während Lorbeerblätter unter ihr hervorschauen und ein üppiger Rosenstrauch aus ihr emporsprießt hinein in die Schrift des Namens: Wolfgang Amadeus Mozart. Dieser Inschrift entspricht auf der Rückseite des Postaments ein Relief, welches den kleinen Mozart vorstellt, wie er vor der Kaiserin Maria Theresia Klavier spielt.
Seiner ganzen reichen und liebenswürdigen Phantasie hat der Künstler
Lauf gelassen in der Behandlung der beiden Seiten. Kosende, allerlei
Musikinstrumente mit komischem Eifer spielende, lesende und scherzende
Putten sitzen, liegen und klettern hier durcheinander, getreue Sinnbilder der
heitern Muse des Tondichters, die uns ja, nach einem tiefen Worte, erst
so recht gezeigt hat, wie schön es auf Gottes Erde ist. Und nun Mozart
selbst, wie poetisch und wie getreu zugleich ist er erfaßt und dargestellt,
in einem Augenblick, da er, gleichsam der Erde entrückt, dem Klange
himmlischer Harmonien zu lauschen und sie festzuhalten scheint, um mit
ihrer Wiedergabe die Welt zu beglücken! Das Haupt, leicht zur Linken und
nach rückwärts geneigt, weist wohl die allen bekannten Züge, aber in einer
fast überirdischen Verklärung. Und etwas wie ein höheres Leben fließt
durch die ganze, in die zierliche Tracht der Zeit gekleidete Gestalt. Da ist
alles von einer süßen, überzeugenden Beredsamkeit, insbesondere der, wir
möchten sagen, in melodischem Flusse bewegte rechte Arm, die Hand,
in deren ausgestreckten feinen Fingern die innere Bewegung sich malt, das
etwas erhobene rechte Bein, das sich von der Erdenschwere loszulösen
scheint, die Linke, die in seliger Vergessenheit in den Blättern auf
dem gefällig ausgemeißelten Notenpulte spielt. In anmuthigen Wellen
senkt sich von der linken Schulter über den linken Arm der Mantel im Rücken zum rechten Fuße herab, während Frack, Kniehose und Strümpfe eng an den Leib sich schmiegen und jede Biegung und Bewegung sichtbar werden lassen. Voll edlen Schwunges, zugleich hoheitsvoll und heiter, wird das Mozartdenkmal Viktor Tilgners eine hohe Zierde der Kaiserstadt, eine würdige Dankesgabe der Nachwelt für den großen Tondichter sein. W. L.