Das Grammophon

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Autor: H.
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Titel: Das Grammophon
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 197
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Das Grammophon.

Unseren Lesern wird aus dem Jahrgange 1889 der „Gartenlaube“ noch erinnerlich sein, daß der Grundgedanke des Edisonschen Phonographen der ist, die von irgend einem Tone erregten Erschütterungen einer elastischen Phonographenplatte auf einen Wachscylinder, und von diesem – an einem beliebigen Orte und zu einer beliebigen Zeit – wieder auf eine Phonographenplatte übertragen zu lassen, wobei dann der ursprüngliche Ton wieder hervortritt. Das hierbei erforderliche Einritzen der Wachscylinder erfordert trotz der hierzu gewählten sehr günstigen Form des ritzenden Stiftes einen immerhin bedeutenden Antheil der Kraft, welche die zitternde Phonographenplatte entwickelt. Auf diese Weise wird die Wirkung der Plattenschwingungen abgeschwächt, die Töne werden weniger vollkommen wiedergegeben, und zwar in demselben Maße, als der Stift tiefer in den Wachscylinder einschneiden muß.

Figur 1.

Figur 2.

Dieser Umstand veranlaßte den Deutsch-Americaner Emil Berliner, einen andern Zwischenmechanismus zu ersinnen, der diesen Uebelstand vermeidet. Berliner sagte sich: der Schreibstift darf nicht, wie er es beim Phonographen thut, ungleichmäßig einschneiden, er soll nur eine gleitende Bewegung über eine glatte Fläche machen. – Der hiernach konstruierte Apparat, den der Erfinder „Grammophon“ nennt, bietet dem Phonographen gegenüber noch weitere beachtenswerthe Vortheile, wie sich aus Nachstehendem ergeben wird.

Aus Figur 1 ist zu ersehen, daß der Edisonsche Cylinder durch einen wagrechten Teller ersetzt ist. Dieser ist auf einer drehbaren, senkrechten Achse befestigt und Zur Aufnahme einer Zinktafel vorgerichtet. Die rechts befindliche Handkurbel dient dazu, den Teller in Umdrehung zu versetzen. Links oberhalb des Tellers ist der Schreibapparat, „der Empfänger“, angebracht; gegen dessen wirksamen Theil (die elastische Membran) stützt sich ein Stift, welcher die Bewegung der Membran auf den Schreibstift überträgt. Der Schreibstift hat eine feine Spitze aus hartem Osmium= Iridiummetall und wird durch eine leichte Feder an die Membran gedrückt. Berliner gebrauchte als Membran früher eine Glimmerplatte, die er neuerdings durch eine Platte aus sogenannter vulkanisirter Faser ersetzt hat. Wegen der hebelartigen Anordnung des Schreibstiftes macht die Spitze des Stiftes annähernd doppelt so große Bewegungen als die Membran, was für die Deutlichkeit von großem Vortheile ist.

Der „Empfänger“ mit seinem hinter dem Grammophon sichtbaren Schalltrichter wird von einem verschiebbaren Gestelle getragen. Die Verschiebung wird von dem Teller aus mittels konischer Räder und einer Schraubenspindel bewirkt und hat den Zweck, den Schreibstift auf dem Teller seitlich zu verschieben, so daß er im großen und ganzen eine Spirallinie beschreibt, welche jedoch in ihrem Verlaufe zugleich die Erzitierungen des Empfängers wiedergiebt. Ein Stück Solcher Aufzeichnungen wird durch die vergrößert gezeichnete Figur 3 – in noch stärkerer Vergrößerung – die Linienzüge angiebt, welche durch die Grundlaute a e i o u entstehen.

Figur 3.

Figur 4.

Eine Menge von Schwierigkeiten bot die Behandlung und Herstellung der Schriftfläche und die Hervorrufung einer geeigneten Schriftspur, oder wie Berliner sagt, des „Phonautogrammes“. Nach zahllosen Versuchen benutzt der Erfinder zur Zeit eine genau ebene, hochpolirte Zinkblechplatte, die mit einem Aetzgrunde von so außerordentlicher Zartheit überzogen ist, daß die Platte nur angehaucht erscheint. Der Stoff für diesen Ueberzug besteht aus einem Auszuge von Bienenwachs, aus welchem die löslichen Theile durch Petroleumnaphtha ausgezogen wurden.

Mit diesem Präparat wird die Platte bestrichen, das Lösungsmittel verdunstet und hinterläßt den erwähnten Aetzgrund, in welchen der Grammophonstift widerstandslos seine Bewegungen eintragen kann. Es ist dabei nur erforderlich daß durch die Einwirkung der feinen Stiftspitze die zarte Wachshaut entfernt und somit das Metall bloßgelegt wird. Dies geschieht, indem man die Zinkplatte in den Teller bringt und denselben mittels der Kurbel in Umdrehung versetzt; während nun das aufzunehmende Gespräch Musikstück oder dergleichen ertönt, beschreibt der Stift die Spirallinien in der angegebenen Weise. Nach Schluß der Aufnahme wird die Platte abgenommen und mit einer Aetzflüssigkeit behandelt, wodurch die fast unsichtbare Schrift hervortritt und zugleich eine Spur in der für die Wiedergabe des Tones erforderlichen Tiefe erzielt wird. Als Aetzflüssigkeit dient verdünnte Chromsäure, welche gleichmäßig und ohne Blasenentwickelung arbeitet. Die in Figur 1 sichtbare Flasche dient übrigens nicht zu diesen Zwecken, sie hat eine ganz andere Bedeutung. Es zeigte sich nämlich bei der grammophonischen Aufnahme, daß die bekanntlich überall umherschwirrenden Staubteilchen sowie die abgetrennten Wachstheilchen am Schreibstifte kleben blieben und an dem Schreiben theilnahmen, so daß die anfänglich klaren Linien mehr und mehr undeutlich wurden. Dieser Uebelstand wird dadurch beseitigt, daß die Platte mit Alkohol benetzt wird, welcher tropfenweise aus der betreffenden Flasche zufließt.

Wie schließlich das fertige Phonautogramm benutzt wird, ergiebt sich aus dem in Figur 2 dargestellten „Tongeber“. An der linken Seite sieht man den zum Befestigen und Umdrehen der Zinktafel angeordneten Tisch mit Handkurbelrad. In der eingeätzten Spirale, der Spur, gleitet der Stift des Tongebers und überträgt die Krümmungen der Spirallinie auf die Glimmer- bezw. Faserscheibe, in der er dieselben Töne hervorruft, wie sie seiner Zeit der „Empfänger“ erhielt. Die Vorrichtung ist im Grunde [198] dieselbe wie bei dem Empfänger, nur ist sie kräftiger ausgeführt. Der anschließende Schalltrichter soll nur den Ton verstärken.

In ihrer Verwendbarkeit stehen die beiden Apparate – Phonograph und Grammophon – zur Zeit so ziemlich auf gleicher Stufe. Ein unbestrittener Vorzug des Grammophons besteht darin, daß die Töne stärker hervortreten und ohne Anwendung des beim Phonographen erforderlichen Hörrohres wahrnehmbar sind, obwohl beim Gebrauche des letzteren sich die Wirkung erheblich verstärkt. Dagegen treten beim Phonographen die Nebengeräusche weniger störend auf als beim Grammophon.

Es ist aber die Erwartung wohl berechtigt, daß sich die Leistungen des Grammophons bedeutend steigern werden, wenn bei demselben eine weitere Durcharbeitung der einzelnen Theile und die Verwendung eines Elektromotors zur Erzielung eines gleichmäßigen Betriebes, wie es bei dem Phonographen bereits geschehen ist, stattgefunden hat. Vielleicht gehen dann noch die musikalischen Zukunftsträume, wie sie Bellamy in seinem Rückblick aus dem Jahre 2000 giebt, in Erfüllung, und jeder kann durch einen Druck auf den Knopf der elektrischen Leitung zu jeder Zeit Zuhörer eines Konzertes, einer Aufführung, einer Rede werden und sich erzählen lassen, was die Zeitungen berichten, wobei natürlich alle Personen selbst als Redende vorgeführt werden. – Der Verwirklichung dieser Träume sind wir dadurch ein gutes Stück näher gerückt, daß sich die Berlinerschen Phonautogramme mit Leichtigkeit und haarscharf mittels der Galvanoplastik vervielfältigen lassen.

Außerdem ist vor kurze Zeit eine Erfindung gemacht worden, welche beiden Apparaten, sowohl dem Phonographen als dem Grammophon, zugute kommt. Sie rührt von dem in New-York lebenden Lieutenant Battini her und besteht darin, daß nicht nur die Mitte der elastischen Faser- oder Glimmerplatte zur Aufnahme und Abgabe der Töne benutzt wird, sondern auch anderweitige Stellen der Platte, zu welchen von der Mitte aus hebelartige Verbindungen geführt sind. Oder es werden mehrere, selbständige Platten von verschiedener Größe und Spannung in einem Rahmen vereinigt. Da jede Stelle der Platte ebenso wie jede Platte selbst ein verschiedenes Tongebiet besitzt, so wird der Umfang der Töne viel größer und die Wiedergabe erheblich genauer und stärker, wodurch ein solches Instrument in einem Zimmer gewöhnlicher Größe überall vernehmbar wird.

So werden die Selbstsprechapparate Schritt für Schritt der Vollkommenheit entgegengeführt. H.     



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