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Der geschichtliche Fiesco

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Textdaten
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Autor: Julius Bacher
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Titel: Der geschichtliche Fiesco
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aus: Die Gartenlaube, Heft 46, 47, S. 725–727, 735–737
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Historisches zu Friedrich Schillers „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“
Nach urkundlichen Quellen
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[725]
Der geschichtliche Fiesco.
Nach urkundlichen Quellen von Julius Bacher.


Die Verschwörung des Fiesco, an und für sich nur eine politische Episode und ohne besondere Bedeutung für die damaligen politischen Zustände in Italien, ist dem größeren Publicum durch Schiller’s gleichbenanntes Drama genügend bekannt geworden, um die Voraussetzung zu rechtfertigen, daß man den historischen Ereignissen, welche dem unsterblichen Dichter die Motive und Charaktere zu seinem Schauspiel geliefert, ein gewisses Interesse nicht versagen wird. Zugleich ersehen wir daraus, in welcher Weise Schiller den der Geschichte entlehnten Stoff zu seinem Zweck benutzt, und inwieweit er sich dabei der Erfindung bedient hat. Wir bemerken, daß wir zum Theil aus den nämlichen Geschichtsquellen, aus welchen Schiller schöpfte, die nachstehende Mittheilung entnommen haben.

Die Zeit, in welcher das oben bezeichnete politische Drama, das trotz seiner Resultatlosigkeit dennoch sehr viel Aufsehen in Europa hervorrief, spielte, ist das Jahr 1547. Genua war damals Republik und Andreas Doria, der berühmte Seeheld, der es durch seine Kühnheit und Tapferkeit im Jahre 1528 unter dem [726] Beistande Kaiser Carl’s des Fünften von der Oberherrschaft der Franzosen befreit hatte, stand allgemein geachtet, ja verehrt und vergöttert, an der Spitze der Verwaltung, bis man mehr und mehr gewahrte, daß er seinen Enkel Gianettino Doria ganz besonders bevorzugte. Gianettino Doria war ein Mann vom übelsten Rufe und wegen seiner ehrgeizigen und eigennützigen Absichten allgemein gehaßt und gefürchtet. Der Großvater hatte ihn bereits zum Erben seines Privatvermögens ausersehen und man besorgte wohl nicht mit Unrecht, er strebe auch dahin, ihn den Nachfolger seiner politischen Macht werden zu lassen, da er im Laufe der Zeit mehr und mehr darauf bedacht schien, seinen unwürdigen Verwandten groß und mächtig zu machen, als die Sicherheit der Republik zu befestigen.

So bildete sich allmählich unter dem genuesischen Adel eine Partei von Unzufriedenen und die wahren Vaterlandsfreunde sannen darauf, den der Freiheit ihres Staates so höchst gefährlichen Feind so zeitig wie möglich zu beseitigen und, noch ehe der alte Doria starb, dem gefürchteten Unheil durch eine rasche That vorzubeugen.

Einer dieser Nobili, Johann Ludwig Fiesco, Graf von Lavagna, dem das wachsende Mißvergnügen der Genuesen nicht entgangen war, ließ sich durch dasselbe bestimmen, darauf einen kühnen und ebenso ehrgeizigen Plan zu bauen. Einer der reichsten und vornehmsten Edelleute der Republik, verband er mit diesen Vorzügen zugleich alle jene persönlichen Eigenschaften, welche das menschliche Herz zu gewinnen geeignet sind. Er war ebenso liebenswürdig als großmüthig, liebte die Pracht bis zur Verschwendung und war zugleich gastfrei im weitesten Sinne. Dabei besaß er ein einschmeichelndes, höfliches und bezauberndes Wesen und eine seltene Rednergabe. Aber unter der Maske dieser Tugenden und Vorzüge, die, wie der Geschichtsschreiber bemerkt, ihn zur Zierde und zum Genuß des bürgerlichen Lebens gebildet zu haben schienen, verbarg er alle Neigungen und Fähigkeiten, welche die Personen besitzen müssen, die sich an die Spitze gefahrvoller Unternehmungen zu stellen wagen: unersättliche Ehrsucht, einen Muth, der vor keiner Gefahr zurückbebt, und eine stolze, herrschsüchtige Seele.

Einem solchen Charakter mußte der unterwürfige Zustand, in welchen er sich durch die Verhältnisse in der Republik versetzt sah, unerträglich sein. Immer hatte er auf die Macht des älteren Doria nur mit neidischen Augen geblickt, es erwachte daher sein ganzer Stolz bei dem Gedanken, dieselbe könnte als Erbe einst auf Gianettino Doria übergehen. Einem so allgemein verachteten Manne gehorchen zu müssen, dünkte ihm unerträglich. Von diesen Gedanken und Gefühlen stets beunruhigt, sann seine stolze und ehrgeizige Seele darauf, einem solchen Unheil auf jede Weise zu begegnen.

Anfangs war es sein Plan, im Geheimen ein Bündniß mit Franz, König von Frankreich, anzubahnen. Er machte deshalb dem französischen Gesandten in Rom Vorschläge dazu, und sprach die Absicht aus, mit Frankreichs Beistand Doria und die kaiserliche Partei aus dem Freistaat zu vertreiben und diesen wieder unter den Schutz Frankreichs zu stellen, indem er im Geheimen hoffte, daß ihm aus Dankbarkeit für den geleisteten Dienst alsdann König Franz die Regierungsgewalt in Genua übertragen würde. Mit großer Vorsicht zog er einige ihm näher bekannte Personen, darunter Verrina, in sein Vertrauen, denen er jedoch nur im Allgemeinen den übeln Zustand der Republik und seine Absicht, denselben zu heben, vorstellte, ohne ihnen seine eigentlichen Pläne zu verrathen. Verrina, einer der vornehmsten von den Vertrauten, jedoch ein Mann, dessen Verhältnisse gänzlich zerrüttet waren und der also nichts mehr zu verlieren hatte, überdies zu den kühnsten Unternehmungen geneigt und befähigt, trat dem Vorschlage Fiesco’s, Frankreich die Republik in die Hände zu spielen, entschieden entgegen. Er nannte es eine Thorheit, sich einer so großen Gefahr zum Nutzen eines Fremden auszusetzen, und schlug seinerseits vor, das Unternehmen zum eignen Nutzen auszuführen und sich die Herrschaft über Genua anzueignen. Er befeuerte Fiesco’s Muth durch die schmeichelhafte Vorstellung, daß dessen hohe Geburt, die Zuneigung und Verehrung seiner Mitbürger und der Eifer und die Anhänglichkeit seiner Freunde ihn zu einer solchen Stellung berechtigen und die Letzteren, wozu er sich natürlich selbst rechnete, bemüht sein würden, ihn zu derselben zu erheben.

Verrina’s Vorschlag kam Fiesco’s Ehrgeiz verlockend entgegen, der sich dadurch die glänzendsten Aussichten eröffnet sah, die seine geheimen und heißesten Wünsche zu erfüllen versprachen. Ohne sich daher lange zu besinnen, billigte er Verrina’s Plan und versprach, denselben unter dem Beistande seiner Freunde ausführen zu wollen. Die übrigen Vertrauten erkannten zwar die mit der Ausführung eines solchen Vorhabens verbundene Gefahr für sich und Fiesco, da jedoch der Letztere, den sie Freund, aber auch Gönner nannten, so bereitwillig auf das Wagniß einging, so glaubten sie nicht widersprechen zu müssen und gaben nach kurzer Berathung ihre Zustimmung.

Nachdem man über den Zweck des Unternehmens völlig einverstanden war, kam es nun darauf an, die Art und Weise zu bestimmen, in welcher dasselbe ausgeführt werden sollte, und es wurde nach kurzer Berathung beschlossen, nicht nur die beiden Dorias, sondern auch die Vornehmsten ihrer Partei zu ermorden, die eingeführte republikanische Regierung umzustoßen und Fiesco auf den herzoglichen Thron von Genua zu setzen. Daß die Freunde Fiesco’s, ganz besonders Verrina, ihren Nutzen von einer solchen Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Genua zu ziehen erwarteten, darf kaum bemerkt werden; denn wie nahe lag die Voraussetzung, daß derjenige, dem sie die Macht in dem Staate verschafft hatten, ihnen mit unauslöschlicher Dankbarkeit ergeben bleiben würde!

So ging denn der Gedanke, die Macht der Republik an sich zu reißen und statt dieser eine autokratische Regierungsform einzuführen, an deren Spitze Fiesco als Herzog von Genua stand, nicht von diesem, sondern vielmehr von Verrina aus, und wir erkennen, daß Schiller die gegebenen geschichtlichen Momente gerade umgekehrt benutzt hat, obgleich der Held des Dramas durch getreue Wiedergabe der bezeichneten Vorgänge weniger schuldig hätte erscheinen und darum das Interesse des Zuhörers für sich hätte erhöhen müssen. Wer wollte indeß unserm Dichter deshalb einen Vorwurf machen, dessen Intentionen, wie wir aus dem Stück ersehen, dahin gerichtet waren, in Verrina einen verjüngten Andreas Doria wiederzugeben, als Gegensatz zu dem eigennützigen und ehrgeizigen Fiesco?

Ein so gefahrvolles Vorhaben erforderte aber Zeit zu den nöthigen Vorbereitungen, und Fiesco entwickelte, ganz von seinem Unternehmen erfüllt, die angestrengteste Thätigkeit, wobei sich die ihm eigenthümliche Energie und Klugheit in der glänzendsten Weise bewährten. Mit einer undurchdringlichen Verstellungskunst wußte er seine gefährlichen Absichten zu verbergen; unaufhörliche Feste und Zerstreuungen aller Art schienen ihn gänzlich zu fesseln, während er an seinem Plan arbeitete, so daß man in Genua über sein ausschweifendes Leben spöttelte und ihn mit nichts weniger als mit revolutionären Gedanken beschäftigt glaubte. Das eben hatte Fiesco gewollt, und mit um so größerer Kaltblütigkeit, aber auch Vorsicht setzte er seine Zurüstungen fort, ohne sich darin weder durch Bedenklichkeiten seiner Vertrauten stören zu lassen, noch auch von Ungeduld zu einer verfrühten Ausführung seines Vorhabens verleitet zu werden. Ohne seine eigentliche Absicht zu verrathen, setzte er den Briefwechsel mit dem französischen Gesandten am römischen Hofe fort, in der Absicht, sich des Schutzes der französischen Waffen zu versichern, wenn er derselben etwa bedürfen sollte. Zu dem gleichen Zwecke trat er mit dem Herzog von Parma, Farnese, in Verbindung, der, mit den Bestimmungen Kaiser Carl’s des Fünften unzufrieden, da ihm dieser die Investitur dieses Herzogthums verweigert hatte, jetzt bedacht war, alle Pläne zu befördern, welche den kaiserlichen Einfluß in Italien vermindern könnten, oder auf den Sturz der Dorias abzielten, die dem Kaiser die vollste Ergebenheit schenkten.

Fiesco, dessen Scharfblick längst erstaunt hatte, daß ein am Meere gelegener Staat sich vorzugsweise der Herstellung einer bedeutenden Seemacht befleißigen müßte, beeilte sich vier Galeeren von dem Papst zu kaufen, welcher auf diesen Kauf um so rascher einging, als ihm der Plan Fiesco’s nicht unbekannt war und er denselben billigte. Um diesen allerdings auffälligen Ankauf zu bemänteln und ihm eine andere Absicht unterzubreiten, bemannte er eine der Galeeren unter dem Vorwande, mit derselben gegen die Türken kriegen zu wollen; dieser Vorwand diente ihm überdies auch als Anlaß, eine beträchtliche Anzahl Truppen anzuwerben und kühne Abenteurer in Sold zu nehmen.

Während Fiesco alle dieser Vorbereitungen traf, blieb er um so mehr bestrebt, durch Feste aller Art und ein [727] leichtsinniges Treiben jeden Argwohn von sich abzulenken. Er verstand es zugleich, den beiden Dorias durch Aufmerksamkeiten so sehr zu schmeicheln und sich deren volles Vertrauen zu gewinnen, daß nicht nur der alte Doria, dessen edles Herz von jedem Argwohn weit entfernt war, sondern auch Gianettino Doria völlig getäuscht wurden, obgleich des Letzteren böswillige Absichten ihn nur zu leicht zum Verdacht gegen Andere hätten bewegen müssen. Unter Beobachtung aller dieser Vorsichtsmaßregeln gelang es Fiesco endlich, die Zurüstungen zu seinem Vorhaben zu treffen, und es fragte sich nur noch, wann und wie der beabsichtigte Schlag geschehen sollte. In nächtlichen Zusammenkünften berieth sich Fiesco mit seinen Vertrauten, um ihre Meinung zu erfahren, in welcher Weise das Vorhaben am sichersten ausgeführt werden könnte, und man kam überein, den alten Doria während der großen Messe in einer der Kirchen zu ermorden. Da aber Andreas seines hohen Alters wegen den feierlichen Gottesdienst nur selten zu besuchen pflegte, so verwarf man diesen Vorschlag wieder und verstand sich dazu, daß Fiesco die beiden Doria und deren Freunde zu sich einladen sollte, bei welcher Gelegenheit dieselben mit Leichtigkeit und ohne große Gefahr beseitigt werden könnten. Der Anschlag sollte schon in der nächsten Zeit ausgeführt werden, und Fiesco beeilte sich demgemäß die Vorbereitungen zu diesem blutigen Feste zu treffen und die Einladungen an die Schlachtopfer ergehen zu lassen.

So herrschte in dem Palast des Grafen eine vermehrte Thätigkeit, da das Fest, wie man sich in ganz Genua erzählte, eins der glänzendsten werden sollte, die der verschwenderische Fiesco seinen Freunden und zu Ehren der beiden Doria zu geben gedächte. Noch waren nur zwei Tage bis zu diesem Fest, und Fiesco und seine Vertrauten schmeichelten sich bereits mit der Hoffnung, sich nun bald an dem erwünschten Ziel zu befinden, als Gianettino Doria Fiesco die Mittheilung zugehen ließ, daß er eines dringenden Geschäftes halber Genua verlassen müßte und darum an dem Feste nicht Theil nehmen könnte. Der alte Doria lehnte wegen der Abwesenheit seines Enkels den Besuch ebenfalls ab, und so sah sich Fiesco veranlaßt, sein blutiges Vorhaben aufzugeben. Es mußte also von den Verschworenen ein anderer Plan ersonnen werden, und bei einer bald darauf zwischen ihnen stattfindenden Berathung that Verrina den Vorschlag, sich statt der List der offenen Gewalt zu bedienen. Seiner eindringlichen Beredsamkeit gelang es, den Grafen und seine Anhänger für denselben zu gewinnen. Ein offenes Auftreten sagte auch dem kühnen Charakter Fiesco’s mehr zu, der in einem hinterlistigen Morde zu viel Entehrendes erblickt haben mochte.

Man setzte zum Ausbruch des Aufstandes die Nacht vom zweiten auf den dritten Januar fest, und hatte diese Zeit mit Absicht gewählt, da der Doge, einer hergebrachten Sitte gemäß, an dem ersten Tage des neuen Jahres sein Amt niederlegte und der Nachfolger desselben erst an dem vierten Tage darauf erwählt werden konnte. Es blieb daher die Republik diese vier Tage hindurch ohne die Spitze der Regierungsgewalt, und Fiesco hoffte deshalb mit um so geringerer Anstrengung die erledigte Würde in Besitz nehmen zu können. Ohne daß die Genuesen das Geringste von diesem ihre Freiheit bedrohenden Anschlag ahnten, nahte der bestimmte Tag, und Fiesco beeilte sich, am Morgen desselben seine Freunde zu besuchen und unter ihnen einige Stunden in großer Fröhlichkeit zu verbringen.

Als der Abend nahte, begab er sich zu den beiden Dorias, um aus ihrem Betragen und Wesen zu entnehmen, ob sie etwa irgend welchen Verdacht gegen seinen Anschlag hegten. Mit der gewöhnlichen Zutraulichkeit von Beiden empfangen, war er ganz Ehrerbietung und aufmerksamste Hochachtung, und nachdem er mit ihnen eine Stunde im vertraulichen Gespräch zugebracht hatte, während dessen er sie genau beobachtete, konnte er mit der beruhigenden Ueberzeugung von ihnen scheiden, daß auch nicht der leiseste Argwohn gegen ihn vorhanden sei. Fiesco war Menschenkenner genug, um sich keiner Täuschung hinzugeben, denn wäre es auch Gianettino gelungen, sich, falls er Verdacht gegen ihn hegte, zu beherrschen, so war doch Andreas ein viel zu edler und offener Charakter, um seine Gedanken durch Verstellung zu verhüllen. So hätte der Verschwörer im Fall eines Verrathes oder einer Entdeckung die Stimmung des Alten sicher entdecken müssen. Es war mithin zu einer Besorgniß nicht der geringste Anlaß, und mit um so größerem Vertrauen und vollster Sicherheit ging er jetzt an die Ausführung seines Vorhabens. Von den Dorias begab er sich nach seinem eigenen Palast, der abgesondert von den anderen Häusern in einem großen, von hohen Mauern umgebenen Hofraum stand und durch seine Lage sowohl als seine Räumlichkeiten zu geheimen Zusammenkünften besonders geeignet war.

Fiesco hatte am Morgen befohlen, die Thore desselben zu öffnen und einem Jeden, wer er auch sein sollte, den Eingang zu gestatten; ein starke Wache jedoch, die im Hofe aufgestellt worden war, hatte den geheimen Befehl erhalten, Niemand aus dem Palast heraus zu lassen. Verrina und die übrigen Vertrauten des Fiesco, welche sich in dem Palast befanden, hatten auf geheimen Wegen sowohl die Vasallen der Grafen, als auch die Besatzung seiner Galeeren in kleinen Haufen und mit Vermeidung allen Aufsehens in den Palast eingelassen, und verfügten sich alsdann in die Stadt, die vornehmsten Bürger, – welche mit Doria’s Regierungsverwaltung unzufrieden waren und von denen man wußte, daß sie Willen und Muth genug besaßen, durch ihren Beistand einen Umsturz der Regierung herbeizuführen – im Namen ihres Gönners und Freundes zu einem Gastmahl einzuladen.

Bald erfüllte eine große Anzahl von Personen aus allen Ständen Fiesco’s Palast, von denen jedoch nur wenige den eigentlichen Zweck ihrer Anwesenheit daselbst kannten. Groß war darum das Erstaunen der Unwissenden, als sie statt der Vorbereitungen zu einem Freudenfeste den Hof mit bewaffneten Leuten und die Zimmer mit Waffen aller Art angefüllt fanden. Erstaunen, Furcht und Schrecken bemeisterte sich ihrer, und Frage auf Frage ertönte nach der Ursache einer so sonderbaren Ueberraschung, mit welcher sich zugleich der Zwang verband, sich nicht entfernen zu dürfen, bevor der Graf sie gesehen und gesprochen hatte. Zwar war Fiesco darauf bedacht gewesen, daß es an Wein und sonstigen Erfrischungen für die Gäste nicht fehlte; die Gemüther der Versammelten waren jedoch durch die nicht erwarteten kriegerischen Anstalten zu sehr in Unruhe versetzt worden, um sich nicht unbehaglich zu fühlen, besonders als die in Fiesco’s Pläne Eingeweihten die Ungewißheit derselben nicht zu heben für gut fanden, da ihnen Fiesco ein strenges Schweigen bis zu seiner Rückkunft anbefohlen hatte. In der peinigendsten Ungewißheit gingen der Versammlung so die Stunden dahin, bis Fiesco in seinen Palast zurückkehrte.

Mit einem Freudengeschrei wurde der Graf begrüßt, und das Erstaunen der Anwesenden steigerte sich, als sie Fiesco heiter und zuversichtlich schauten, statt, wie sie erwartet und gefürchtet hatten, ernst und sogar drohend. Nachdem Fiesco die Truppen im Hof freundlich und zutraulich begrüßt hatte, begab er sich sogleich in seinen Palast, woselbst in einem der größten Säle die vornehmsten Genuesen versammelt waren. Das Antlitz derselben zeigte Unwillen und Ungeduld, und Fiesco wurde nichts weniger als freundlich empfangen; ja mancher Blick begegnete ihm feindlich und drohend. Er wurde dadurch nicht überrascht, denn er hatte ein solches Benehmen erwartet, da seine den Gästen bereitete Täuschung nicht gut eine andere Wirkung erzeugen konnte, und so verlor er seine heitere Laune nicht, sondern beeilte sich vielmehr, in einem zuversichtlichen Ton zu seinen Gästen zu sprechen. „Vergebt,“ sprach er, sich an die Vornehmsten der Versammelten wendend, „die Täuschung, die ich Euch bereitet habe; ich wurde jedoch durch die Nothwendigkeit dazu bestimmt; den Grund dazu sollt Ihr sogleich erfahren. Vergebt, meine edlen Mitbürger und Freunde, wenn Ihr statt der Vorbereitungen zu einem heiteren Gastmahle bewaffnete Truppen und die Werkzeuge des Krieges findet; aber nicht zu einem Freudenmahle, sondern zu einer tapfern Unternehmung ließ ich Euch laden, überzeugt von Eurem Muth und dem vollen Vertrauen zu mir. Ihr werdet mir, hoffe ich, die gespielte Täuschung um so williger vergeben, wenn ich Euch erkläre, daß diese Unternehmung nichts Geringeres bezweckt, als uns von der Gewaltherrschaft Doria’s zu befreien, uns und Genua die Freiheit wieder zu geben!“ –

Diese Worte, feurig und überzeugungsvoll gesprochen, verfehlten ihre Wirkung auf die Versammelten nicht, und kaum hatte Fiesco geendet, so ertönte der Saal von dem Ausruf des Erstaunens, des Beifalls und der Verwunderung.

[735] Als sich die Ruhe in der Versammlung wieder eingestellt hatte, begann Fiesco mit der ihm eigenen Beredsamkeit ihnen ein Bild der unerträglichen Gewalt des alten Doria und des Ehrgeizes Gianettino’s, sowie der Zärtelichkeit des Kaisers für diese Familie zu entwerfen, indem er nicht unterließ, ihnen die Gefahren zu zeigen, welche daraus für ihre Person und die Freiheit des Vaterlandes hervorgehen müßten, da es keinem Zweifel unterläge, daß unter diesen Umständen Gianettino zur Regierung gelangen und alsdann nicht nur alle Freiheiten unterdrücken, sondern daß derselbe auch bemüht sein würde, die Obergewalt in der Republik in seiner Familie erblich zu machen. „Jetzt, meine Freunde,“ fuhr Fiesco mit feuriger Beredsamkeit fort, „steht es in Eurer Macht, diese ungerechte Herrschaft zu stürzen und die Freiheit Eures Vaterlandes auf einem festen Grunde aufzubauen und für alle Zeiten dauernd zu sichern. Die Tyrannen müssen niedergestoßen werden. Ich habe zu diesem Zweck die wirksamsten Maßregeln getroffen. Meine Genossen sind zahlreich. Ich kann mich im Nothfall auf Alliirte und Beschützer verlassen. Zum Glück sind die Tyrannen ebenso sicher, wie ich vorsichtig gewesen bin. Ihre stolze Verachtung ihrer Mitbürger hat allen Argwohn und jede Besorgniß aus ihrem Herzen verbannt, welche sonst die Verbrecher scharfsichtig zu machen pflegt, die Rache, die sie verdienen, voraus zu sehen, und schlau, sich dagegen zu verwahren. Sie werden nun den Schlag fühlen, ehe sie eine feindliche Hand über sich vermuthen. Laßt uns also hinaus stürmen und durch ein edles Unternehmen, das fast mit keiner Gefahr verbunden ist und einen sichern Erfolg verspricht, unser Vaterland befreien!“

Diese Worte, mit dem unwiderstehlichen Feuer einer von einem großen Unternehmen erfüllten Seele gesprochen, riefen in der Versammlung die beabsichtigte Wirkung hervor. Fiesco’s Vasallen, die gewöhnt waren, ihrem Oberherrn in Allem blindlings zu folgen, antworteten mit helltönenden Beifallsbezeigungen; ebenso alle von Fiesco herbeigezogenen Abenteurer, sowie Diejenigen, welche sich in mißlichen Verhältnissen befanden und denen die mit dem Aufstande verbundene Unordnung sichere Aussicht auf Gewinn und Bereicherung gewährte. Die angeseheneren und besonneneren Genuesen, denen das Unternehmen frevelhaft und darum verwerflich erschien, wagten, durch die Uebermacht in Schrecken gesetzt, dennoch nicht, ihre Stimme dagegen zu erheben.

Nachdem Fiesco sich auf diese Weise die Zustimmung und den Beistand der Versammelten zu seinem Unternehmen gesichert zu haben glaubte, entwickelte er den Plan, nach welchem dasselbe ausgeführt werden sollte, und da die nahende Nacht dazu bestimmt war, ließ er seine Gäste bis dahin reich bewirthen. Während dessen war er bemüht, ihren Muth durch eine beredte Zusprache zu erheben, indem er vorsichtiger Weise in ihrer Mitte blieb, um einer etwaigen Sinnesänderung bis zum Erscheinen der festgesetzten Stunde vorzubeugen.

So kam denn die für die Doria und deren Freunde so verhängnißvoll werdende Mitternacht des 2. und 3. Januars 1547, und ehe Fiesco die letzten Befehle an die Versammelten richtete und ihnen die Thore öffnen ließ, ging er, von der Wichtigkeit der nahenden Stunde und der vorauszusehenden Gefahren gedrängt, seiner von ihm zärtlich geliebten Gattin ein Lebewohl zu sagen. Dieselbe war aus dem edeln Hause der Cibo und durch Schönheit und Tugend vor Vielen ihres Geschlechtes ausgezeichnet.

Obgleich der Graf vorsichtig seine Gemahlin bestimmt hatte, sich in einem von den Höfen entfernten Theil des Palastes aufzuhalten, indem er als Grund dafür eine den Genuesen zu veranstaltende Festlichkeit bezeichnete, so hatte das ungewohnte und geräuschvolle Treiben dennoch ihre Aufmerksamkeit erregt und sie trotz der bezeichneten Veranlassung dazu mit einer gewissen Besorgniß erfüllt, da sie niemals vorher eine so große Menge Leute aus so verschiedenen Classen in ihrem Palast versammelt gesehen hatte, und sie war darum auf den nahe liegenden Gedanken gerathen, es müßten sich mit der vorgeschützten Festlichkeit noch irgend andere und gefährliche Zwecke verbinden. Eine solche Voraussetzung schien ihr um so mehr gerechtfertigt, als auch ihr Gemahl in der letzten Zeit eine sonst an ihm nicht bemerkte Aufregung und Zerstreutheit verrathen hatte, die er, wie ihr nicht entgangen war, vor allen Menschen zu verbergen sich bemühte. Von dem heißen Wunsch erfüllt, von ihrem Gemahl Aufklärung über die Vorgänge in dem Palast zu erhalten, hatte sie ihn zu wiederholten Malen, jedoch vergebens, zu sich bitten lassen; erst als die Glocken von Genua’s Thürmen die Mitternacht ankündigten, sollte ihr Verlangen befriedigt werden; wenige Augenblicke darauf trat Fiesco bei ihr ein. Seine Erregung, die er trotz seiner großen Willenskraft Angesichts der nahenden blutigen Stunde nicht mehr zu verbergen vermochte, schien ihre schlimme Voraussetzung zu bestätigen, und von Liebe und Sorge um ihren Gemahl erfüllt, warf sie sich an seine Brust und bat, ihr nichts zu verhehlen.

Der Graf glaubte ihr seine Pläne nicht länger verschweigen zu dürfen und theilte ihr daher dieselben mit. Ein tödtlicher Schrecken bemächtigte sich ihrer bei der Vorstellung eines so blutigen Unternehmens, und von den übelsten Ahnungen über den Ausgang desselben übermannt, suchte sie den heiß geliebten Gemahl durch Thränen und Bitten davon zurückzuhalten. Umsonst strebte Fiesco sie zu beruhigen und zu trösten; von der Ueberzeugung erfüllt, daß der Aufstand ihrem Gatten zum Unheil gereichen müßte, ließ sie von Bitten und Flehen nicht ab und gerieth endlich in Verzweiflung, als Fiesco trotz alledem dennoch auf seinem Vorsatz beharrte. Einer Ohnmacht nahe legte er sie auf eine Ottomane, indem er ihr zurief: „Leben Sie wohl! Entweder sehen Sie mich nie wieder, oder morgen soll Alles in Genua zu Ihren Füßen liegen!“

Mit diesen stolzen und zuversichtlichen Worten eilte er, ihre Ohnmacht benutzend, aus dem Zimmer und befand sich wenige Minuten darauf in der Mitte der Verschworenen. Ohne Zögern ertheilte er nun die nöthigen Befehle. Eine Abtheilung der Verschworenen erhielt den Auftrag, sich nach den verschiedenen Thoren der Stadt zu begeben und sich derselben zu bemächtigen; eine andere sollte die bedeutendsten Straßen und festesten Plätze besetzen, während sich Fiesco selbst vorbehielt, den Hafen, in welchem sich Doria’s Galeeren befanden, also das gefahrvollste Unternehmen, anzugreifen. Die Genuesen ahnten nicht, daß ihre nächtliche Ruhe in einer so unerhörten Weise gestört werden sollte, während Fiesco’s Palast die gefährlichen Ruhestörer wohlbewaffnet und voll Muth entließ. Ohne den geringsten Widerstand zu finden, gelang es ihnen, einige Thore in raschem Ueberfall zu nehmen, die noch übrigen indeß nur nach einem hitzigen Gefecht mit der Besatzung derselben. Kurze Zeit darauf waren die Genuesen, von dem ungewohnten Treiben, dem Geschrei der Verschwörer und Angegriffenen aufgeschreckt, erwacht und aus ihren Häusern geeilt, um die Ursache des ersteren kennen zu lernen. Sie fanden Straßen und Plätze mit Bewaffneten angefüllt und zogen sich, das Uebelste befürchtend, sogleich in ihre Wohnungen zurück, in banger Erwartung des Ausganges dieses nicht geahnten Ueberfalls.

Während dessen war Fiesco mit Verrina und einer Anzahl der auserlesensten Soldaten nach dem Hafen geeilt. Verrina erhielt den Befehl, mit der Galeere, welche Fiesco angeblich zu einem Feldzug gegen die Türken bemannt hatte und die nun in dem Hafen neben Doria’s Schiffen lag, die Mündung des letztern zu verstopfen, um die Möglichkeit einer Flucht von der Stadt aus zu verhindern, da es ja darauf ankam, sich der beiden Doria zu bemächtigen. Denn die Galeeren Doria’s waren bis auf die angeketteten Rudersclaven unbemannt, ebenso abgetakelt und vermochten daher keinen Beistand zu leisten.

Der Name eines so beliebten Mannes, wie Fiesco, begeisterte Viele aus dem Volk, man griff eilig zu den Waffen und reihte sich mit dem Rufe „Fiesco und Freiheit“ den Verschworenen an, während der zu der Partei des Doria zählende Adel sich in seine befestigten Paläste zurückzog, um sich vor einer Plünderung zu sichern. Bald drang der Tumult und das Losungsgeschrei der Verschworenen in Doria’s Palast, und Gianettino, der mit seinem Großoheim in demselben wohnte, verließ eilig sein Lager, im Glauben, der Tumult sei Folge eines unter den Schiffsleuten ausgebrochenen Aufstandes, sammelte [736] er einige Bewaffnete, um sich nach dem Hafen zu begeben und die Ruhe daselbst wieder herzustellen. Um dahin zu gelangen, mußte er jedoch durch das Thomasthor gehen, das unglücklicherweise bereits von den Verschworenen eingenommen worden war, und kaum betrat er dasselbe, als sich die Letzteren in äußerster Wuth auf ihn und seine Begleiter stürzten und ihn und diese ermordeten. Dasselbe Schicksal hätte auch den alten Doria erreicht, wenn Hieronymus Fiesco, ein Bruder des Grafen, den von diesem erhaltenen Auftrag, Doria in seinem Palast zu überfallen und niederzumachen, ausgeführt hätte. Fiesco’s Bruder scheint jedoch im Geheimen gleichfalls selbstsüchtige Absichten gehegt zu haben; ob dieselben zugleich feindselige gegen seinen Bruder oder nur eigennützige gewesen sind, läßt sich schwer ermitteln, eine Thatsache jedoch ist es, daß er den von seinem Bruder erhaltenen Befehl nicht vollzog, mit seinen Truppen den Palast Doria’s nicht überfiel und Andreas während dieser Zögerung die Nachricht von der Natur des Aufstandes, dem Tode seines Neffen und der ihm selbst drohenden Gefahr erhielt und zugleich so viel Zeit gewann, sich auf ein Pferd zu werfen und so sich durch die Flucht zu retten.

Dadurch daß Hieronymus den von seinem Bruder erhaltenen Befehl nicht vollzog, sollte der so bedächtig vorbereitete Aufstand wirkungslos werden, und es ist in der That schwer zu begreifen, warum sich Schiller ein so bedeutsames Moment für den Ausgang seines Drama’s hat entgehen lassen können, da dasselbe dem Schauspiel eine viel tiefere Wirkung hätte verleihen müssen und er, treu der Geschichte, Fiesco’s Unternehmen an dem Verrath von dessen Bruder hätte scheitern lassen.

Die Nachricht von Doria’s Flucht war einigen Senatoren zu Ohren gekommen, und von der Ueberzeugung erfüllt, unter den obwaltenden so höchst gefahrvollen Verhältnissen zur Rettung der Stadt ebenso rasch als entschlossen handeln zu müssen, vereinigten sich erst einige und waren muthig genug, sich in dem Palast der Republik zu versammeln. Hier fand eine Berathung über die zu ergreifenden Mittel gegen den Aufstand statt. Man machte den Vorschlag, auf die Straße zu eilen und die zerstreuten Soldaten zu sammeln, mit welchen man alsdann die Verschwörer angreifen wollte. Der Vorschlag wurde angenommen, und es gelang in der That, eine nicht unbedeutende Anzahl Truppen zu sammeln, mit welchen man bald darauf einen sich ihnen entgegenstellenden Haufen Verschworener angriff.

Sie wurden jedoch mit nicht unbedeutendem Verlust zurückgeschlagen und glaubten nun nichts Besseres thun zu können, als sich mit einer so mächtigen Partei, der sie nicht zu widerstehen vermochten, zu verbinden. Man kam also überein, Einige aus ihrer Mitte an Fiesco abzusenden, um zu vernehmen, unter welchen Bedingungen er ihre Unterwerfung anzunehmen für gut finden würde.

Während dieser Vorgänge, die dem Unternehmen Fiesco’s einen glücklichen Ausgang verhießen, hatte Letzterer sich mit Hülfe seiner Truppen der Galeeren Doria’s bemächtigt. Nach diesem so wichtigen Erfolge erachtete er es für zweckmäßig, seinen Freunden in der Stadt mit seinen Truppen rasch zu Hülfe zu eilen, um den Aufstand zu beenden und seine Macht zu befestigen. Schon hatte er den Befehl zum Abmarsch gegeben, als am Bord der Admirals-Galeere ein lautes Getümmel entstand; Fiesco, darüber bestürzt und in der Besorgniß, die Galeerensclaven hätten sich befreit und die Besatzung auf den Schiffen angegriffen, eilte wieder zurück, um sich nach den Schiffen zu begeben. Und hier ereilte ihn die Nemesis. Das Bret, welches von dem Ufer aus auf das Schiff gelegt worden war, schlug, als er allen Andern voraus und nur von Verrina gefolgt hastig darüber forteilen wollte, um. Von seiner schweren Rüstung niedergezogen, sank er tief in die Wellen und war so rettungslos verloren. Verrina, der nur allein das schreckliche Ende seines von ihm bewunderten Freundes, an dessen Dasein sich alle seine Hoffnungen für die Zukunft knüpften, mit Entsetzen wahrgenommen hatte, ohne daß er zur Rettung desselben auch nur das Geringste hätte thun können, behielt Besinnung genug, die bedeutsamen Folgen zu erkennen, welche aus dem Bekanntwerden von Fiesco’s Tode für das Unternehmen hervorgehen mußten, und theilte daher nur einigen seiner Freunde das Geschehene mit, indem er ihnen zugleich anempfahl, gegen Jedermann darüber zu schweigen, bis der Aufstand zu Ende geführt, eine Einigung mit den Senatoren zu Stande gekommen wäre und sie die Macht in Händen hätten.

So wichtig und den Umständen angemessen diese Maßregel auch war, sollte dieselbe jedoch wiederum an dem verrätherischen Benehmen von Fiesco’s Bruder, Hieronymus, scheitern. Der Letztere war nämlich zu Verrina und den übrigen Anführern mit einer Truppenabtheilung gestoßen, nachdem er die Flucht des alten Doria, den Tod Gianettino’s erfahren und den Dogenpalast hatte besetzen lassen, und es wurde ihm im Vertrauen der Tod seines Bruders mitgetheilt und das strengste Schweigen darüber empfohlen; aber statt durch das unglückliche Ende seines Bruders niedergeschlagen zu werden, wurde dadurch vielmehr seine Selbstsucht und Eitelkeit geweckt. Der Gedanke erwachte in ihm, sich statt seines Bruders die Gewalt in Genua anzueignen. Niemand von den Verschworenen ahnte seine geheimen Absichten.

Endlich erschienen die Senatoren und fragten nach Fiesco, den sie zu sprechen wünschten, und Verrina war eben im Begriff denselben mitzutheilen, daß sich Fiesco noch auf den Schiffen befände und ihm den Auftrag ertheilt habe, mit ihnen in seinem Namen zu unterhandeln, als Hieronymus, zum großen Erstaunen aller Anwesenden, vortrat und statt seiner mit kindischer Eitelkeit antwortete: „Ich bin jetzt die einzige Person, der der Titel eines Grafen von Lavagna gebührt, und mit mir allein haben die Senatoren zu unterhandeln.“ Diese wurden dadurch auf das Höchste überrascht, allein sie erriethen, was vorgefallen sein mußte, und erkannten den großen Vortheil, den ihnen der Tod des so mächtigen und verehrten Anführers gewähren mußte. Statt daher ihre Unterwerfung anzuzeigen, änderten sie ihre Sprache und machten bedeutende Forderungen, und zwar lediglich in der Absicht, durch die hingezogenen Verhandlungen Zeit zu gewinnen, damit ihre Anhänger so viele Truppen zusammen bringen konnten, um den Palast der Republik zu vertheidigen und den Aufstand wirkungslos zu machen.

Dieses Verhalten sollte mit Erfolg gekrönt werden und zugleich den Aufstand gänzlich scheitern lassen. Die Verschworenen nämlich, durch den Tod ihres angebeteten Anführers betäubt und entmuthigt, verzweifelten an dem guten Ausgang des Unternehmens und waren um ihr eigenes Wohl bedacht, das, behielten die Senatoren die Macht, sehr gefährdet war. Ueberdies hatten sie kein Vertrauen zu Hieronymus, der sich als ein unbesonnener Jüngling gezeigt hatte und seinen Bruder nicht zu ersetzen befähigt war. Auch war die Verschwörung, wie wir erfahren haben, so außerordentlich geheimnißvoll betrieben worden, daß der größere Theil der Genuesen erst jetzt damit bekannt wurde und für die Theilnahme also nicht genugsam vorbereitet war. Der Mann, dem sie ihr Vertrauen geschenkt hätten, war dahin, und diejenigen, welche ihm gefolgt waren, kannten wiederum die Mitverschworenen nicht und ebensowenig Fiesco’s eigentliche Pläne.

Unter den darin Eingeweihten befand sich überdies kein einziger Mann, der durch sein Ansehen und seine Klugheit einen Anspruch auf Fiesco’s beabsichtigte Stellung hätte machen können; die Seele also, welche die Verschworenen belebt hatte, fehlte, und so entsank ihnen der Muth, das Unternehmen fortzuführen. Die feigsten der Verschworenen schlichen sich im Schutz der Dunkelheit nach ihren Häusern und hofften auf diese Weise unbekannt zu bleiben, während sich Andere durch eine zeitige Flucht vor der ihnen drohenden Strafe zu retten bemüht waren. Als der Tag anbrach, war von den Verschworenen keine Spur mehr in Genua. Die Stadt war und blieb auch am folgenden Tage ruhig; keiner der so kühnen Aufrührer ließ sich blicken, und nur einige Merkmale von Gewaltthätigkeiten verriethen den Aufstand der vergangenen Nacht. Während dieser Vorgänge hatten die Anhänger Doria’s diesem Nachricht von dem Ausgange des Aufstandes gegeben und ihn zugleich dringend ersucht, schleunigst nach Genua zurückzukehren, um die Ruhe und seine eigene Macht daselbst wiederherzustellen.

Doria hatte in der Nähe Genua’s eine Zufluchtsstätte gefunden, und von der Liebe zu seinem Vaterlande erfüllt, war er sogleich entschlossen, dem Verlangen seiner Freunde nachzugeben. Der etwa in Genua’s Mauern auf ihn lauernden Gefahren nicht achtend, kehrte er gegen Abend wieder nach der Stadt zurück, von den Genuesen mit lautem Jubel empfangen. Niemand dachte daran, ihn seiner Würde zu berauben oder eine Aenderung der Regierungsform oder Gewalt zu verlangen; mit seiner Rückkehr war auch Genua’s Friede zurückgekehrt.

Bald darauf begannen die Untersuchungen gegen die Theilnehmer [737] der Verschwörung. Und auch in diesem Falle bewährte sich auf’s Neue die Großmuth und der Edelsinn Doria’s; denn trotz der auf ihn herabbeschworenen Gefahren und trotz des Unglücks, das ihn durch den Mord seines Neffen betroffen, dessen verstümmelten Körper er vor sich liegen sah, bewahrte er dennoch so viele Milde und Mäßigung, daß er das von dem Senat über die Verschworenen gefällte Urtheil, Tod und Einziehung ihrer Güter, in Verbannung milderte und sich dadurch auf’s Neue die Bewunderung seiner Mitbürger erwarb. Nachdem der Senat auf diese Weise die Ruhe und Sicherheit in der Republik wieder hergestellt hatte, theilte er dem Kaiser, dem Schutzherrn Genua’s, die näheren Umstände des Geschehenen mit.

Kaiser Carl war über eine so seltsame und unerwartete Begebenheit höchlich erstaunt. Sein Scharfblick erkannte aber sogleich, daß Fiesco lediglich durch einen ihm von außen zugesicherten Beistand den Plan zu der Verschwörung ersonnen haben müßte. Er täuschte sich darin nicht und erhielt bald die gewisse Nachricht, daß der Herzog von Parma und selbst der Papst Fiesco’s Plan unterstützt hätten. Besorgt, es könnte der Krieg durch den König von Frankreich auf’s Neue in Italien angefacht werden, schob er die gegen den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen von Hessen beabsichtigten Unternehmungen noch hinaus, und so war Fiesco’s Verschwörung der Grund, daß Deutschland noch für einige Zeit von dem Einmarsche der kaiserlichen Truppen verschont blieb. Dies war auch die einzige Wirkung, die Fiesco’s so wohl überlegtes und vorbereitetes Unternehmen hatte. Der Name Fiesco’s verfiel der Verachtung. Seine Güter wurden eingezogen und Hieronymus büßte seinen Verrath durch ewige Verbannung. Andreas Doria bekleidete die Würde eines Dogen noch mehrere Jahre, doppelt hochgeachtet und geliebt von seinen Mitbürgern. Sein Andenken lebt noch heute in Denkmälern, die man ihm errichtet hatte, und die Geschichte nennt ihn den Vater seines Landes und den Wiederhersteller von Genua’s Freiheit.