Die Schlacht bei Worringen

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Autor: Fr. R.
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Titel: Die Schlacht bei Worringen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 507–508
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[504]

Die bergischen Bauern in der Schlacht bei Worringen.
Nach dem Gemälde von Peter Janssen.

[507]

Die Schlacht bei Worringen.

(Zu dem Bilde S. 504 und 505.)

Hell funkelten die Sterne in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1288 über der niederrheinischen Ebene, wo auf der Fühlinger und Worringer Heide – zwischen Köln und Neuß – zwei Heere einander gegenüber lagen, um in der Morgenfrühe loszuschlagen. Beide Teile blieben die Nacht unter den Waffen. Sie waren einander so nahe, daß man die Geräusche des einen Lagers deutlich in dem andern hören konnte –

„Daß die gestellten Posten fast vernahmen
Der gegenseit’gen Wacht geheimes Flüstern.
Die Feu’r entsprechen Feuern und es sieht
Durch ihre bleichen Flammen ein Geschwader
Des andern bräunlich überfärbt’ Gesicht.
Roß droht dem Roß, ihr stolzes Wiehern dringt
Ins dumpfe Ohr der Nacht; und von den Zelten,
Den Rittern helfend, geben Waffenschmiede,
Die Rüstung nietend mit geschäft’gem Hammer
Der Vorbereitung grauenvollen Ton.“

Die Lage der beiden Heerhaufen war ähnlich wie die der Engländer und Franzosen in der Nacht vor der Schlacht von Azincourt (25. Oktober 1415), die uns Shakespeare in den vorstehenden Versen [508] so anschaulich vorführt. Bei Worringen handelte es sich nun freilich nicht um das Geschick zweier mächtiger Reiche, sondern bloß um den Auftrag einer langwierigen Erbschaftsstreitigkeit, in die allerdings zuletzt eine ganze Menge von Dynasten verwickelt war. Die Geschichte kennt sehr viele wichtigere und größere Schlachten, aber kaum ist jemals in einer anderen so heroisch und zugleich erbittert gekämpft worden, wie in der Schlacht bei Worringen, in der sich beiderseits der „furor teutonicus“ in seiner grimmigsten Gestalt offenbarte. Zudem ist jener in alten Liedern und Sagen vielfach verherrlichte Kampf auch noch dadurch denkwürdig, daß die Entscheidung durch eine Schar mit Morgensternen und Sensen bewaffneter bergischer Bauern herbeigeführt wurde, die den in Eisenrüstungen gehüllten Rittern der feindlichen Streitmacht so übel mitspielte wie später die Schweizer Landleute bei Morgarten und Sempach den geharnischten Rittern Leopolds von Oesterreich. Dieser Sieg bezeichnet einen Hauptruhmestag in der Geschichte der rheinischen Städte Köln und Düsseldorf.

Die Worringer Schlacht entschied den Limburger Erbfolgestreit, der seit 1282 zwischen Rhein und Maas tobte und das ganze Land jämmerlich verwüstet hatte. Das Herzogtum Limburg, das in diesen Streitigkeiten den Zankapfel bildete, umfaßte die beiden jetzt zu Holland und Belgien gehörenden Provinzen Niederländisch- und Belgisch-Limburg und war unter eigenen Regenten ein Teil des Deutschen Reiches. Als im Jahre 1280 Walram, der letzte Sproß des ältesten Zweiges der Herzöge von Limburg, starb, ohne einen Sohn zu hinterlassen, da entspann sich zwei Jahre darauf der erbitterte Streit um die Erbschaft. Alle Wechselfälle dieses verheerenden Krieges zu verfolgen, würde zu weit führen, wer sie kennenlernen will, möge darüber in Herchenbachs und Reulands „Geschichte des Limburger Erbfolgestreites“ (Düsseldorf, Bagel) nachlesen.

Hier sei nur kurz erwähnt, daß zunächst des Verstorbenen Schwiegersohn, Graf Reinold von Geldern, als Erbe seiner inzwischen auch bereits aus dem Leben geschiedenen Gemahlin Irmengard, das Land beanspruchte. Dasselbe that Walrams Bruderssohn, Graf Adolf VII. von Berg, der aber sein Anrecht an Herzog Johann I. von Lothringen und Brabant, seinen Lehnsherrn, der ein gefeierter Turnierheld und Minnesänger war, für 32000 Mark verkaufte. Beide Teile sahen sich nach Bundesgenossen um. Graf Reinold gewann für sich in erster Linie den Erzbischof von Köln, Siegfried von Westerburg, einen stolzen und ehrgeizigen Kirchenfürsten, der einen mächtige Anhang besaß und fortan der eigentliche Führer des Kampfes auf dieser Seite wurde, ferner den Grafen Heinrich von Luxemburg mit seinen Brüdern, Adolf von Nassau und noch viele edle Ritter und Herren. Auf Herzog Johanns Seite standen nicht minder zahlreiche Bundesgenossen, vor allem Graf Adolf von Berg und die Bürger von Köln, die mit dem strengen Regiment ihres Erzbischofs schon lange unzufrieden waren. Jahrelang wütete der Krieg, zuerst in der Nähe von Aachen und Maastricht, später wurde namentlich das bergische Land schrecklich heimgesucht. 1387 kamen die gegen Johann von Brabant Verbündeten dahin überein, dem Hause Berg wegen des geschehenen Verkaufes die Nachfolge von Limburg abzusprechen und sie dem Grafen von Luxemburg, als dem Enkel des verstorbenen Herzogs Walram, zu übertragen. Graf Reinold von Geldern mußte sich damit zufrieden geben, daß man ihm bloß die Nutznießung ließ, dem Luxemburger aber, der ihm dafür indes 40000 Pfund Brabanter Denare zahlen sollte, das Erbrecht zusprach.

Im Frühjahr 1288 eröffnete Herzog Johann von Brabant den Krieg aufs neue, indem er in das Gebiet des Erzstiftes Köln einfiel und sich mit dem Heere der Kölner Bürgerschaft verband. Die Kölner verlangten, daß der Herzog ihnen zunächst beistände, die Zwingburg Worringen anzugreifen, die ihr Erzbischof am Rhein zwischen Köln und Neuß erbaut hatte, und Johann ging auch darauf ein.

Nun berief der Erzbischof schleunigst seine Verbündeten, denn er vermeinte, den Herzog und die Kölner, welche Worringen bereits belagerten, dort in einer Falle zu haben.

Er war des Sieges schon so gewiß, daß er einen ganzen Wagen, beladen mit Ketten und Seilen, mitführen ließ, um die Gefangenen damit zu fesseln. Die Grafen von Geldern und von Luxemburg entsprachen gleich den übrigen Herren auch ungesäumt seinem Rufe. Man vereinigte sich an der Erft und rückte dann gegen Worringen. Nun hob der Brabanter aber rasch die Belagerung der Feste auf und zog mit seiner ganzen Streitmacht dem Feind entgegen.

So lagerten denn wie oben geschildert, in der Nacht zum 5. Juni 1288 beide Teile einander dicht gegenüber auf der Fühlinger und Worringer Heide, und am anderen Morgen – es war ein Sonntag, und zwar das Fest des heilige Bonifacius – entbrannte die Entscheidungsschlacht.

Die Zahl der Streiter in beiden Heeren zusammen wird auf 55000 Mann geschätzt, doch war des Erzbischofs Macht wohl um die Hälfte stärker als die des Herzogs Johann, namentlich an Reiterei war er diesem überlegen, der dafür über mehr Fußvolk verfügte. Ein breiter, von tiefen Gräben eingefaßter Weg auf der Fühlinger Heide trennte die Heerhaufen. Hüben und drüben ordnete Erzbischof Siegfried und der Brabanter als Oberbefehlshaber ihre Schlachtordnung. Als die Heere aufgestellt waren, wurden die Fahnen und Standarten entrollt, Trommeln wirbelten, Trompeten schmetterten, und das Schlachtgeschrei scholl von beiden Seiten über die weite Heide.

Herzog Johann von Brabant rückte unmittelbar auf den Erzbischof los. Ritter Frank von Westfalen, der Führer seiner Brabanter, war der erste, welcher durch den trennenden, mit Wasser und Schlamm gefüllten Graben setzte und die Herzoglichen gegen die lanzentragenden Fußknechte des Kirchenfürsten führte.

Auf der ganzen Linie entbrannte jetzt der Kampf. Furchtbar war der Anprall, es wurde auf beiden Seiten mit ebensoviel Tapferkeit wie Ingrimm gestritten und immer lauter erscholl das Geklirr der Waffen. Inmitten des allgemeine Getümmels gab es Einzelkämpfe, welche an die Thaten der homerischen Helden vor Troja erinnerten. Graf Walram von Ligny, ein Bruder des Luxemburgers, fiel, dann auch dieser selbst, aber das mörderische Gemetzel währte bis in den Nachmittag hinein, ohne daß eine Entscheidung erfolgt wäre.

Die Junisonne brannte so heiß hernieder, daß schließlich auf beiden Seiten eine Unterbrechung des Kampfes eintrat, indem die in Schweiß gebadeten, vor Durst beinahe verschmachtenden Krieger kaum noch die Waffe zu führen vermochten.

Diese Pause nahm Graf Adolf von Berg wahr, der bisher eine weise Zurückhaltung beobachtet hatte. Dem kundigen Kriegsmann entging nicht, daß die Gegner im Vorteil seien, er hielt es deswegen für angemessen, jetzt mit frischen Streitkräften einzugreifen. Er ließ seinen Bauern den Befehl zum Vorgehen zukommen, da diese, obwohl nur mit Sensen, Keulen und nägelbeschlagenen Morgensternen ausgerüstet, schon längst mit Ungeduld erwarteten; sie waren förmlich grimmig darüber, daß man sie so lange harren ließ.

In diesem Augenblick hielt, wie die Chronisten des Tages melden, ein bergischer Mönch, mit Namen Walter Dodde, der zu Pferde die Bauern begleitete und großen Ansehens unter ihnen genoß, eine feurige Ansprache an sie und brach am Schlusse in das weithinhallende Schlachtgeschrei. „Berge roemrik!“ („Ruhmreiche Berger!“) aus. Hingerissen von der volkstümlichen Beredsamkeit des Mönches stimmte die Schar ein und wiederholte den Kriegsruf.

Diesen Vorgang giebt das große Gemälde des Malers Professor Peter Janssen in Düsseldorf, das unser Holzschnitt darstellt, in überaus markiger und packender Weise wieder. Es vergegenwärtigt uns lebhaft, wie der Funke kriegerischer Begeisterung von dem Mönche auf die Bauern überspringt und sie entflammt. Wie ein Ungewitter brachen sie alsdann los und hieben so wütend und ungestüm drein, daß sie zuerst zwischen Freund und Feind gar keinen Unterschied machten, weil sie die bergischen Ritter in ihren Rüstungen nicht von den brabantischen unterscheiden konnten. Sie schrieen unaufhörlich: „Berge roemrik, Berge roemrik!“ und hieben wie besessen mit ihren furchtbaren Waffen um sich, alles niedermachend, was ihnen in den Weg kam. Nur mit Mühe gelang es, ihren Eifer in die richtige Bahn zu lenken, dann aber wüteten die Sensen, Keulen und Morgensterne dermaßen unter den Feinden, daß die Erzbischöflichen zum Weichen gezwungen wurden. Bald gab es kein Halten mehr, die Flucht wurde allgemein. Vollendet ward die Entscheidung, als Erzbischof Siegfried selbst, nachdem sein Streitroß gefallen war, sich seinem Todfeinde Adolf von Berg ergeben mußte.

Der Graf ließ seinen Gefangenen vom Schlachtfelde unter starker Bedeckung nach dem am anderen Rheinufer gelegenen Dorfe Monheim führen, in dessen Kirche er die Nacht verbrachte. Die Fesseln, die er mitgeführt hatte, dienten jetzt dazu, seine Freunde und Bundesgenossen zu binden. Viele von den Verbündeten des Erzbischofs fielen in Gefangenschaft, unter ihnen auch Graf Reinold von Geldern und Adolf von Nassau; der künftige Kaiser; die siegreichen Brabanter blieben unbestrittene Herren des Schlachtfeldes.

Herzog Johann hatte persönlich mit der größten Tapferkeit gefochten und sein Leben wiederholt da eingesetzt, wo die Gefahr am größten war; auch seine Freunde und Verbündeten waren nicht hinter ihm zurückgeblieben, aber den letzten, entscheidenden Schlag hatten doch die bergischen Bauern geführt.

Die Gesamtzahl der Getöteten wird auf etwa 6000 beziffert, auch 4000 Pferdeleichen bedeckten das blutgetränkte Schlachtfeld. Die Gefallenen wurden in tiefen Gruben bestattet, die man auf dem Friedhofe des Dorfes Worringen aushob. Auf der Stätte, wo die Schlacht stattfand, wurde später eine Kapelle errichtet, die noch lange das Andenken jenes schrecklichen Ereignisses wachhielt.

Die Folge der Worringer Schlacht waren tiefgreifend. Gleich nachher wurde die Burg Worringen eingenommen, die sich jetzt nicht mehr halten konnte, und dem Erdboden gleichgemacht, was in Köln, wo man den siegreichen Brabanter jubelnd empfangen hatte, besondere Freude erregte.

Herzog Johann nahm alsdann Limburg in Besitz; den Grafen Reinold entließ er erst nach drei Jahren aus der Gefangenschaft, aber derselbe mußte ihm ein hohes Lösegeld zahlen, allen Ansprüchen auf Limburg entsagen und dem Herzog noch drei Städte abtreten. Erzbischof Siegfried wurde von dem Grafen von Berg in hartem Gewahrsam auf Schloß Burg gehalten; in voller Rüstung mußte er in der Haft ausharren, nur beim Essen wurden ihm Helm und Handschuhe abgenommen.

Seine Freiheit bekam der Kirchenfürst erst nach Jahresfrist, am 18. Juni 1289, wieder, nachdem er sich dem Grafen gegenüber verpflichtet, nirgend am Rhein von der Sieg bis zur Angermündung eine Burg oder Feste anzulegen und 12000 Mark Schadenersatz zu zahlen, und nachdem er auch mit den Bürgern seiner Stadt Frieden gemacht hatte.

In der ganzen Grafschaft Berg war der Sieg des Grafen Adolf mit Frohlocken begrüßt worden. Er und seine Gemahlin Elisabeth stifteten ein dauerndes Andenken an jenes wichtige Ereignis, indem sie am 14. August 1288 das bisherige Dorf Düsseldorf zur Stadt erhoben. Die städtische Gemäldegalerie in Düsseldorf hat deswegen auch Janssens Gemälde, das den entscheidenden Augenblick der Worringer Schlacht so packend wiedergiebt, für sich erworben. Fr. R.