Die Stimme des Gemordeten
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- [71] DIE STIMME DES GEMORDETEN
- März 1919
- Gruß aus dem Grab euch, meinen Mördern!
- Ich zürn euch nicht ob euer Tat.
- Ein jeder sucht das Recht zu fördern,
- das er für recht befunden hat.
- 5Ihr glaubt an eurer Ahnen Lehre:
- Ich bin der Herr und du der Knecht!
- Herr sein erachtet ihr als Ehre
- und Ehre als ein Sonderrecht.
- Ich aber hielt es mit den Niedern.
- 10Ich sprach dem Volke mahnend zu,
- dem Ahnenenkel zu erwidern:
- Ich bin kein Knecht, kein Herr bist du!
- So kränkt ich euch an eurem Stolze
- und nahm dem Volk den Kinderwahn,
- 15als wärt ihr von besonderm Holze,
- als wär die Welt euch untertan.
- Ich kränkte euch. Ihr nahmt die Rache,
- und alle sind wir überzeugt,
- zu dienen der gerechten Sache,
- 20der sich der Mensch in Demut beugt.
- Mag denn mein Opferblut entscheiden,
- ob euer Recht, ob meines siegt,
- und ob des Volks, ob euer Leiden
- im Weltenratschluß schwerer wiegt.
- 25Fiel mit dem Ballast meines Lebens
- des Volks Befreiung über Bord,
- dann war mein Werk von je vergebens, –
- und sehr gerecht war euer Mord.
- [72] Entquillt jedoch aus meinem Blute
- 30die nicht von euch gewollte Saat,
- dann preis ich jubelnd die Minute,
- die euch die Kraft verlieh zur Tat.
- Dann ward der Freiheit zum Erwecker
- der Arm der tötenden Gewalt,
- 35dann machtet ihr mich zum Vollstrecker
- des Willens, dem mein Leben galt.
- Dann wird mein Sterben euer Ende
- und euer Tod mein Anfang sein,
- dann springt zum Fest der Weltenwende
- 40mein Geist für meinen Körper ein.
- Dann wird es endlich sich erweisen,
- wer sich und wer die Welt befreit:
- Gemeinschaft oder Macht und Eisen!
- Hie Zukunft, hie Vergangenheit! –
- 45Der Tod, den ich erlitten habe,
- stählt meine Manen zum Gefecht.
- Gruß euch, ihr Mörder, aus dem Grabe!
- Zum Kampf! und wer gewinnt, hat recht!