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Eine berühmte Schönheit

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Textdaten
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Autor: v. Holzhausen
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Titel: Eine berühmte Schönheit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 655
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[655] Eine berühmte Schönheit. In den Räumen des neuen Museums zu Berlin, in welchen die Kunstschätze und Curiositäten des königlichen Kupferstichcabinets aufgestellt sind, hängt ein verblichenes Pastellbild inmitten einiger Thierstücke und alter Männerköpfe; es hat schon seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit von Kennern und Liebhabern erregt. Fast immer sitzen Künstler beiderlei Geschlechts mit ihrem Malapparat davor und copiren mit grellen Farben das blasse Bild. So vervielfältigt hängt es jetzt auch schon in den Kunstläden am Schaufenster und die Leute bleiben davor stehen, indem sie bewundernd fragen: wer ist das? oder auch wohl ohne Neugier sich an der Schönheit laben, die sie für irgend eine Künstlerphantasie halten.

Allein das Bild gehört der Wirklichkeit an, es ist kein Ideal, es ist ein holdes Frauenantlitz, dessen märchenhafte Schönheit allerdings dem Lande der Träume zu entstammen scheint. Dem Lande des Wunderbaren gehörten Erscheinung und Schicksal dieser Frau aber in der That an; die Lebensgeschichte der Gräfin Sophia Potocka gleicht einem barock erfundenen Roman. Einige ihrer berühmten Zeitgenossen, der Graf de la Garde, der Fürst von Ligne, Herr von Varnhagen, haben dieselbe umständlich erzählt; nach ihnen berichteten Hofrath Förster und Baron Zedlitz darüber. Das große Publicum, besonders das weibliche, ist aber gewiß unbekannt mit den Einzelheiten dieses bunten Frauenlebens; ohne weitere Ausschmückung sei es deshalb hier erzählt.

Im Jahr 1786 war ein Herr du Barry französischer Gesandter in Constantinopel; er sah einst bei einem Spazierritt eine Gruppe spielender Kinder auf der Straße, unter denen ihm ein reizendes Mädchen von dreizehn Jahren auffiel. Dunkle Locken und Augen, eine marmorweiße Gesichtsfarbe, eine edle Nase und schlanke Glieder verriethen die griechische Abkunft desselben. Der Gesandte, ein Kenner der Frauenschönheit, bot sich bei den Eltern des Mädchens als Käufer an, was in Constantinopel nichts Ungewöhnliches war, denn die Muselmänner erhandelten sich oft eine schöne Fanariotin oder Georgierin für ihren Harem. Einem vornehmen Franken, der versprach für die gute Erziehung des Kindes und für seine Zukunft zu sorgen, wurden weniger Schwierigkeiten beim Abschluß des Kaufes gemacht, als es vielleicht bei einem Türken geschehen wäre. Im Hotel des Gesandten hatte die kleine Sophia gute Tage, sie bekam eine Erzieherin, schöne Kleider und Geschenke, ihre Eltern und Geschwister durften sie besuchen; ihr Leben glich einem Frühlingstage. Aber schon nach einigen Jahren änderte es sich, der Gesandte wurde von seinem Posten abgerufen. Er reiste plötzlich ab und nahm Sophia, für die er fünfzehnhundert Piaster gezahlt hatte, als sein Eigenthum mit.

Die Reise war sehr beschwerlich, da der Gesandte den Landweg durch die europäische Türkei nehmen mußte. In dem russischen Grenzorte Podolski hielt sich der Gesandte einige Tage bei dem Commandanten der Festung auf, um sich von den Strapazen der Reise zu erholen, und überließ auch die schöne Sophia ganz arglos dem Verkehr mit dem russischen General Johann de Witt, einem Abkömmling des einstigen berühmten Großpensionärs von Holland. Derselbe war ein ebenso schöner wie tapferer Officier, der alsbald eine heftige Leidenschaft für die junge Fanariotin empfand. Er überredete sie, sich heimlich mit ihm trauen zu lassen, und als der Gesandte eine Ausfahrt unternommen hatte, ließ der Festungscommandant alle Thore schließen, schickte ihm dieselbe Geldsumme nach, die der Preis Sophia’s einst gewesen, und ersuchte den Gesandten gefälligst weiter zu reisen, ohne diese wiederzusehen. Ein Danksagungsbrief für die genossenen Wohlthaten begleitete die überraschende Nachricht. Der Gesandte sah ein, daß er nach der vollzogenen Ehe seines Pflegetöchterchens keine Gewalt mehr über dasselbe habe, und folgte der Weisung des Commandanten, ruhig nach Frankreich heimzureisen.

Das junge Ehepaar lebte sehr glücklich, ein Sohn ward nach Jahresfrist geboren, der später als General und berühmte Männerschönheit auf dem Congreß in Wien so viel Aufsehen hervorrief. Sophiens Reize erblühten nach ihrer Verheirathung nur noch schöner und ihr Gemahl konnte der Versuchung nicht widerstehen, eine Befriedigung seiner Eitelkeit darin zu finden, die holde Frau in die große Welt einzuführen. Er machte Reisen mit ihr, namentlich stellte er sie bei den Höfen aller großen Staaten vor. Alles wetteiferte in Huldigungen für sie. Fürsten, Dichter, Maler und Bildhauer schwärmten für so viel Schönheit; der eitle Gemahl genoß in vollen Zügen ihre Triumphe mit und es schien eine Zeit lang, als sollte er keine Dornen an seiner Rose finden. Sophia blieb taub für alle Schmeicheleien und beachtete die Männer nicht, die sie anbeteten. Da begegnete ihr Graf Felix Potocki, einer der reichsten Grundbesitzer; in Polen wie in Rußland besaß er Güter, um die ihn Könige beneideten. Er war nicht gewohnt, seine Wünsche zu überwinden; nachdem er erfahren, daß die schöne Frau schon einmal durch eine Geldsumme errungen worden war, faßte er den Entschluß, es abermals zu versuchen. Er legte zwei Millionen Gulden in ein Kästchen, in ein anderes zwei geladene Pistolen und begab sich damit zum General de Witt, der sich in sehr geldbedürftiger Lage befand, wie er wußte. Die Wahl zwischen beiden Kästchen mag demselben schwer genug geworden sein, aber anstatt sich mit seinem Rival zu schießen, bewilligte er die Scheidung und Sophia ward Gräfin Potocka.

Mit königlicher Pracht wurde sie von ihrem neuen Gemahl überschüttet; ein Perlenhalsband ist besonders berühmt geworden, das er ihr zum Geburtstage schenkte. Es enthielt hundert große Perlen, von denen jede hundert Friedrichsd’or gekostet hatte. Am Hofe zu Petersburg wurde sie die Diamantenfee genannt, weil sie von Juwelen strahlte, wo sie erschien. Die Kaiserin Katharina dachte daran, sie zur Königin von Polen zu machen, weil Graf Potocki gegen sein Vaterland für die russische Herrscherin die Waffen getragen hatte. Auf einem Balle nahm sie ihr eigenes Diadem ab und setzte es dem Grafen auf die Stirn mit den Worten: „Das gäbe eine schöne Krone für Polens König.“

Der Graf zog sich indessen nach der zweiten Theilung von Polen zurück und versuchte es, gegen Rußland zu kämpfen; man traute ihm indeß nicht. Die polnischen Patrioten confiscirten seine Güter und verschmähten seine Dienste. Nachdem Kosciusko jedoch die Schlacht bei Maciejowice verloren hatte und „Finis Poloniae“rief, gelang es dem Grafen Potocki, die Gnade der Kaiserin Katharina und durch dieselbe seine Güter wieder zu erlangen. Seine schöne Gemahlin hatte ihm zwei Söhne geboren und stand im dreißigsten Jahre noch in der vollsten Blüthe ihrer Reize; der Graf sollte indessen sein Glück nicht lange genießen. Er starb 1805, nachdem er kaum Zeit gehabt hatte, sein kolossales Vermögen wieder einigermaßen zu ordnen.

Sophia blieb Wittwe, führte jedoch ein Leben, das dem Glanz und dem Vergnügen gewidmet war; sie bewohnte das prachtvolle Schloß von Tulkzin in Rußland, dessen Park weit und breit berühmt war durch die ungeheuren Kosten seiner Anlage. Zweitausend Leibeigene hatten zehn Jahre lang daran gearbeitet, Felsenpartien, rauschende Wasserfälle, prächtig grüne Wiesengründe und hohe Baumgruppen waren aus der unfruchtbaren russischen Steppe durch Ausdauer und Kunstfleiß hervorgezaubert. Weiße Hirsche zierten den Park, vergoldete Gondeln schwammen mit den Schwänen um die Wette auf den künstlichen Seen. Jeder Tag ward durch Feste bezeichnet, Feuerwerke prasselten, herrliche Tanzmusik erschallte und die Gäste strömten aus allen Weltgegenden herbei, um unter den Fittigen der großartigsten Gastfreundschaft das Leben zu genießen und die Zaubergärten der neuen Armida kennen zu lernen.

Der Graf de la Garde gehörte zu den eifrigsten Verehrern der schönen Wittwe, er schilderte sie folgendermaßen: „Ein hinreißenderes Geschöpf, als diese berühmte Sophia, gab es nicht noch einmal. Sie übte mit dreißig Jahren durch Schönheit und Liebenswürdigkeit noch eine unbegrenzte Macht aus. Ihre regelmäßigen Züge, ihre lebhaften Farben, ihre schwarzen, flammenden Augen, welche das Feuer der Liebe ausstrahlten, die Zartheit und Grazie ihres Wuchses, die Fülle ihrer Formen bildeten ein Ganzes, wie es die Bildhauer der alten Griechenwelt als unerreichbares Ideal der Schönheit dargestellt haben. Man müßte ganze Bände schreiben, wollte man eine deutliche Vorstellung von dem bewegten Leben geben, welches in Tulkzin geführt wurde. Sophia mußte glauben, sie gehöre nicht mehr zu den Sterblichen, wenn sie die Vergötterung betrachtete, womit ihr von allen Seiten gehuldigt ward. Sie war nicht eigentlich eitel, nur sich ihrer Schönheit bewußt und ließ es sich mit holdem Lächeln gefallen, daß man vor ihrem Altar verschwenderisch Weihrauch opferte.

Mitleidsvoll und freigebig bezeichnete sie jeden Tag mit einer Wohlthat; sie beschäftigte sich selbst mit der Verwaltung ihrer Güter, die in der That für ein Königreich gelten konnten. Sie linderte das Loos ihrer Leibeigenen, beförderte den Landbau und den Handel; in ihrer Jagd-Droschke oder auf stolzem Renner durcheilte sie ihre Besitzungen, um Alles selbst zu sehen. Der Abend gehörte erst dem Vergnügen; Ballets, Concerte, Schauspiele in allen Sprachen wurden aufgeführt und durch ihre Mitwirkung verherrlicht.“

In allem Lebensgenuß kam aber doch zuweilen eine leise Trauer über die schöne Griechin; man hat sie oft auf einer ihrer Besitzungen in der Krim, wo einst Iphigenie auch am Meeresstrand gestanden und nach Griechenlands Küsten ausgeschaut haben mag, gesehen, wie sie in Erinnerung verloren der einstigen Heimath gedachte mit Thränen der Wehmuth in den schönen Augen. Sie wollte an dieser Stelle eine Stadt erbauen, die Sophiapolis heißen sollte. Doch reichten ihre Schätze und ebenso ihre Lebensdauer nicht aus für den großen Plan. Ein Brustleiden zwang sie zu ernsten Vorsichtsmaßregeln. Sie reiste nach Berlin, um die berühmten Aerzte damaliger Zeit, Hufeland und Horn, zu consultiren. Aber ihre Kunst vermochte sie nicht zu retten. Sophia starb 1823 in Berlin, wo ihre Anmuth und Liebenswürdigkeit trotz des herannahenden Alters noch viele Anerkennung gefunden hatten. Ein Pastellgemälde enthielt den einzigen schwachen Abglanz ihrer Schönheit; es ist dasselbe, welches Eingangs dieses Aufsatzes erwähnt wurde. Es stellt sie in einfachem grauen Seidenkleide dar, der reizende Hals bis zum zartgeformten Busen ist von einer Spitzenkrause eingerahmt. Das reiche Haar schwebt wie eine dunkle Wolke in losen leichtgepuderten Locken um das helle Antlitz. Ein blaues Band zieht sich durch dieselben und hebt sie über der Stirn ein wenig in die Höhe, ganz wie es die jetzige Mode auch liebt. Das rosige Colorit ist wohl der Zeit gewichen, das Gesicht ist bleich und zart wie eine weiße Perle und die Augen weich und dunkel wie schwarzer Sammet. So rein und sanft blicken nur noch Kinderaugen!

Wie das liebliche Bild nach Berlin gekommen, läßt sich nicht mehr ermitteln; es fand sich unter den Kunstsachen des Prinzen Heinrich von Preußen, jenes Bruders des Königs Friedrich Wilhelm’s des Dritten, den die Vorliebe für römische Kunst und Religion dem Vaterlande entfremdete. Durch Vermittelung des verdienstvollen Geheimen Raths Schorn wurde das Portrait der berühmten Schönheit dem königl. Kupferstichcabinet einverleibt. Es hat nicht an Zweiflern gefehlt, welche die Aechtheit des Bildes bestritten, namentlich auch den einfachen Anzug als der reichsten Grundbesitzerin in Rußland und Polen nicht würdig erachteten, indessen ist die Zeit doch noch nicht so lange her, daß die Geschichte mit der Sage verwechselt werden könnte, und die mitgetheilten Einzelheiten sind durchaus wahr.

v. Holzhausen.