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Lablache

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Titel: Lablache
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 304
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[304] Lablache. Daß Lablache auf seiner Villa zu Pausilippo nahe Neapel gestorben sei, wissen die Verehrer dieses großen Sängers. Vorausgesetzt, daß es unter den Lesern dieser Zeitschrift viele gibt, denen das Folgende von Interesse sein möchte, erlaube ich mir, Einiges aus seinem Leben mitzutheilen.

Lablache war im Jahre 1794 in Neapel von französischen Eltern geboren, die sich dort niedergelassen hatten. Sein Talent für Musik gewann ihm bald einen Namen, da er noch Kind war, und Napoleon, der sich für sein Talent interessirt hatte, befahl, ihn in das Conservatorium La pieta de Lurchini in Neapel aufzunehmen. Unter den vielen Anekdoten, die aus seiner Jugend erzählt werden, ist auch folgende der Erwähnung werth, da sie authentisch und für sein Wesen und seinen Charakter besonders bezeichnend ist. Das Conservatorium wollte ein Concert geben, und einer von Lablache’s Cameraden, nicht älter als er, d. h. zwischen dem vierzehnten und fünfzehnten Jahre, sollte die Baßgeige spielen, ein Instrument, für welches sich wenige entschließen, da es eben so schwer als „undankbar“ ist. Drei Tage vor dem Concert wurde der kleine Baßgeiger krank; da aber die Billets bereits verkauft und sonst Alles vorbereitet war, so konnte man füglich keine Verlegung eintreten lassen.

In dieser Verlegenheit begab sich Lablache zu dem Director und bot sich kühn an, die Stelle seines Freundes zu ersetzen. Auf die Frage, ob er die Baßgeige zu behandeln verstehe, erwiderte er:

„Ich verstehe davon gar nichts, denn das Instrument ist mir zuwider; aber da Sie in Verlegenheit sind wegen Beppo Carini’s Krankheit, so will ich seine Stelle ersetzen.“

Der Director lachte über die ihm drollig vorkommende Kühnheit des Knaben.

„Lassen Sie mich es nur versuchen,“ rief der Knabe, nichts weniger als eingeschüchtert durch des Direktors geringes Vertrauen auf ihn.

Der Director gab seine Zustimmung und Louis Lablache zerarbeitete nun die Baßgeige, und zwar mit solchem Erfolge, daß ihn der Director die Stelle seines Freundes einnehmen ließ.

Des Knaben kühnes Unternehmen war inzwischen in Neapel bekannt geworden. Das bei dem Concert gegenwärtige Publicum richtete deshalb unwillkürlich seine Augen auf den Knaben, dessen Instrument viel größer als er selbst war. Doch kühn, als ob er daheim sich übte, strich Lablache seinen Bogen und erntete allgemeinen Beifall. Und so groß wurde das Erstaunen über diese tour de force, daß der Director ihn nach dem Concerte zu sich rufen ließ und ihm den Rath gab, sich von nun an diesem Instrumente zu widmen.

„Bursche,“ rief der Director in seinem Enthusiasmus, „Erfolg ist Dir gewiß, Triumphe erwarten Dich. Niemand wird Dich übertreffen und Reichthum und Unsterblichkeit sind Dein Lohn für Dein Studium.“

„Nein,“ erwiderte Lablache, „ich habe für nichts anderes Talent, als für die Bühne; ich muß ein Sänger werden.“

Doch auf diese Einsprache nahm der Director keine Rücksicht, schickte den Burschen aus der Singclasse und empfahl ihn der Fürsorge des Musikmeisters, der aus ihm einen tüchtigen contra-basso machen sollte. Umsonst wendete der widerspenstige Bursche alle die kleinen Ränke und Pfiffe an, die ein aufgeweckter Knabe gegen Maßregeln ergreift, die ihm als drückende und endlich unerträgliche Tyrannei erscheinen, der Director bestand unerbittlich darauf, er solle ein contra-basso werden. Da endlich nahm Lablache die Gelegenheit wahr und entfloh eines Abends einem Instrumente, für das er nun einmal gar keine Neigung verspürte.

Er begann nun, in den kleinen Theatern der Vorstädte von Neapel zu singen, deren Eigenthümer froh waren, eine so herrliche Stimme für wenige Lire des Tages gewonnen zu haben. Auch Lablache fühlte sich glücklich, endlich der entsetzlichen Baßgeige entflohen zu sein. Aber das Conservatorium war nicht gemeint, einen Schüler zu verlieren, der so ausgezeichnetes Talent für die Baßgeige hatte, man spürte dem Entlaufenen nach und brachte ihn im Triumph zu seinem verhaßten Instrumente zurück.

Fünf Mal entfloh Louis Lablache seinen Quälgeistern und fünf Mal ward er aufgesucht und zurückgebracht. Ein so oft gegebenes böses Beispiel machte die Vorsteher der Anstalt wegen der übrigen Schüler besorgt. Sie sprachen deshalb die Regierung um Hülfe an und diese verbot den Eigenthümers der Theater und den Concertgebern bei Strafe von 2000 Ducaten und bei Verlust ihrer Rechte auf fünfzehn Tage, ihn wieder zu engagiren.

Lablache sah nun wohl, daß Flucht ihn nicht von dem verhaßten Instrumente befreie, aber um so störriger zeigte er sich bei alles Versuchen, ihn für dasselbe zu gewinnen, so daß endlich der Director nachgab und ihm erlaubte, wieder in seine Singclasse zurückzukehren.

Nach Beendigung seiner Studien trat er 1812 in seinem achtzehnten Jahre in einer Buffopartie auf und zwar mit dem brillantesten Erfolge, Nicht lange nachher heirathete er die Tochter des berühmten Schauspielers Pinotti. Seine späteren Engagements zu Messina und Palermo erhöhten seinen Ruf und bei seiner Rückkehr nach Neapel wurde er als erster Baßsänger an dem Theater La Scala, dem vornehmsten in Italien, angestellt. Von da an, d. h. von 1817, verbreitete sich sein Ruf über ganz Europa. Die ersten Componisten schrieben ausdrücklich für seine Stimme bestimmte Opern. Alle Fürsten Europa’s schienen sich eine Ehre daraus zumachen, ihn zu ehren und zu beschenken. Wenige Künstler dürften, außer einem bedeutenden Vermögen, so viele kostbare Geschenke hinterlassen haben.

Ein großer Bewunderer von ihm war der Kaiser Nikolaus. Als dieser gehört hatte, daß Lablache, der sehr das Comfort liebte, die Reise nach St. Petersburg fürchte, wohin ihn ein Engagement rief, beschloß er, den berühmten Sänger mit wahrhaft kaiserlicher Gastfreundschaft zu empfangen. Der arme Lablache schüttelte sich, als er die Grenze überschritt, schon im Voraus über alle die Horreurs, die er auf seinem Wege bis Petersburg würde zu ertragen haben. Das erste Diner sollte er, wie er auf seine Erkundigung erfuhr, in einer einsam gelegenen Schenke genießen. Da angekommen, erblickte er eine elende Hütte, die kaum ein erträgliches Obdach versprach. Doch wie erstaunte er, als ihn ein splendid eingerichtetes Speisezimmer empfing, dessen Tisch süperb servirt und dessen Duft und Wärme durch wohlriechendes Holz bewirkt war! Es braucht wohl nicht hinzugefügt zu werden, daß die kaiserliche Hospitalität den Gast überall in gleicher Weise empfing, wo dieser der Erfrischung bedurfte, bis er die schöne Hauptstadt erreicht hatte. Als Lablache auftreten sollte, kam der Kaiser und fragte:

„Nun, was halten Sie von unserm Lande?“

„O, das ist großartig!“ rief der Künstler, der wohl wußte, wem er alle diese Zuvorkommenheiten zu verdanken hatte. – Auf der Rückreise ward ihm gleiche Gunst zu Theil. Zugleich schenkte ihm der Kaiser sein Bildniß, reich mit Juwelen besetzt. Auch dessen Nachfolger beschenkte ihn mit seiner Gunst, und erhob ihn in den Adelstand.

Lablache, in seinen jungen Jahren schlank und dürr, wurde in seinen alten Tagen bedenklich corpulent; dennoch war er ein hübscher Mann, dessen Humor und Geist eben so angenehm war, wie seine Stimme.