ADB:Scheffel, Victor von
*): Joseph Victor v. S., „der Lieblingsdichter des deutschen Volkes“, wurde am 16. Februar 1826 zu Karlsruhe in Baden in der Steinstraße [778] Nr. 25 als Sohn des Ingenieurs und badischen Hauptmanns à la suite Philipp Jakob Scheffel und dessen Gemahlin Frau Josephine geborene Krederer, geboren. Scheffel’s Vorfahren gehörten dem schwäbisch-alemannischen Stamme an; der Vater stammte von Gengenbach, einem Städtchen des Kinzigthales, wo sein Vater der letzte Schaffner d. i. Kellermeister und Verwalter des reichsfreien Benedictinerstifts Gengenbach gewesen, als welcher dieser, Magnus S. (geb. 1732), der im J. 1832 100 Jahre alt verstorbene Großvater des Dichters, von dem Fürstbischof von Stirum angestellt wurde, und zwar jedenfalls auf Betreiben seines Onkels Jakob, des vorletzten Prälaten der Gengenbacher Abtei. Die Mutter Scheffel’s war die am 22. October 1803 geborene Tochter des 1819 verstorbenen Kaufmanns und Stadtschultheißen Krederer in Oberndorf am Neckar; das elterliche Haus derselben war ehemals ein Edelsitz gewesen, ein Vorfahre ihres Vaters, Balthasar Krederer, war früher Burghauptmann der einst mächtigen Küssaburg zwischen Waldshut und Schaffhausen gewesen, ihre Mutter, Katharina, geb. Eggstein, hatte zu Rielasingen am Fuße des Hohentwiel das Licht der Welt erblickt. Diese siedelte, nachdem sie Wittwe geworden war, nach Karlsruhe zu ihrer Tochter über, um deren Haushalt zu führen, wo sie am 20. Juli 1851 starb. Ein späterer Abkömmling derselben Familie Krederer, Redacteur Karl Stolz in Augsburg, erwähnte in seinem Nekrolog in der „Augsburger Abendzeitung“, daß das Geschlecht der Krederer von Oberndorf „reich an klugen und starkgeistigen Frauen gewesen sei“ und besonders drei derselben, die Mutter des Dichters S., eine Großtante desselben, die Kaufmannsfrau Anna Stolz geb. Krederer in Gengenbach, und seine Urgroßmutter, Frau Euphemia Krederer in Oberndorf, zeichneten sich „durch Geistes- und Herzensbildung, eine gesunde Auffassung der Dinge des Lebens und durchdringenden Verstand“ aus. Bei dieser eben genannten Frau Stolz in Gengenbach lernte der badische Hauptmann S. gelegentlich eines Besuchs die Nichte derselben, die Josephine Krederer kennen und führte sie im J. 1824 als Gattin heim. Die Familien Krederer, Scheffel und Stolz standen jedoch schon vorher in verwandtschaftlichen Beziehungen, denn die Schwester des Hauptmanns S., Antonie S., hatte den Apotheker Stolz in Bühl geheirathet, dessen Bruder der später als Schriftsteller bekannt gewordene Alban Stolz war. Obgleich nun die Eltern des Dichters zwei grundverschiedene Naturen waren, er der bureaukratische, steifpedantische Beamte, der dienststrenge Soldat, der sittenstrenge zugeknöpfte Mann aus der Rheinniederung, sie die poetisch veranlagte, kluge Frau, die phantasie- und gemüthvolle Märchenerzählerin, die bewegliche intelligente Schwäbin aus Oberndorf, so lebten sie doch während der ganzen Dauer ihres Lebens in durchaus harmonischer, glücklicher Ehe, zudem waren beide tiefreligiöse Menschen, die als gute Katholiken galten, dabei aber doch auch in allen streng protestantischen Kreisen der badischen Residenz gern gesehen waren. Emil Frommel schilderte den Major S. in folgender Weise: „Der Herr Major war ein dürres Männchen, der zum Nebenetat des großen badischen Generalstabs, oder, wie es damals hieß, zum Geniecorps gehörte; er war ein Mann, schlecht und recht ein Biedermann, der sehr dafür war, daß man in dieser Welt ein ordentlicher Mensch sein, Rang und Stellung haben und zu den „Besseren“ gehören müsse.“ Ueber Frau Josephine S. urtheilt derselbe weiter: „Es blickten ein paar intelligente blaue Augen aus einem feinen, geistvollen Gesicht; voll Witz und sprudelnder Laune, mitunter auch etwas derb, hatte sie das beste Erbtheil ihres schwäbischen Stammes: eine lebhafte Phantasie, ein reiches wohlwollendes Gemüth, daneben eine Portion Weiberlist und Schalkheit, überkommen. Mir erschien der Major immer als ein sehr gescheiter Mann, daß er sich eine solche Frau erobert hatte.“ Der Major S., der mit dem Titel eines Oberbauraths auch Mitglied der Commission [779] für die Regulirung des Rheins von Basel bis Mannheim war, bereiste wiederholt die Ufer des deutschen Stroms, zu dessen poetischer Verherrlichung später sein Sohn beigetragen hat. Auch mit litterarischen Arbeiten hatte sich derselbe einige Male befaßt, seine Abhandlung über die Correction des Rheinbettes von Basel bis Lauterburg galt in Fachkreisen als eine hervorragende Leistung und nicht minder gerühmt wurde eine von ihm verfaßte Schrift über das Leben des Generals Tulla, die er nach dessen Tode herausgab. In ungleich höherem Maße hatte sich Frau Josephine S. der schriftstellerischen Thätigkeit hingegeben. Die Wittwe des Professors Julius Braun, deren 1869 verstorbener Mann ein intimer Jugendfreund Scheffel’s war und die selbst Scheffel’s Mutter näher gekannt hat, bekundete in dem von ihr verfaßten Nekrolog auf den Dichter („Erinnerungen an den Dichter des „Ekkehard“ von R. Artaria“ in Gartenlaube 1886, Nr. 18 u. 19), daß ihre poetischen Producte von dem Sohne mit kindlicher Pietät verehrt wurden. „Ihren großen Tag erlebte die Frau Majorin“, heißt es darin, „als Anfang der fünfziger Jahre ein nettes Lustspiel von ihr im Karlsruher Hoftheater aufgeführt wurde und die großherzoglichen Herrschaften, sowie Alles, was zur Gesellschaft zählte, den lebhaftesten Beifall klatschten.“ Das Stück war „Lorle und Dorle“ betitelt, war in schwäbischer Mundart geschrieben und ist später auch in Heidelberg zur Aufführung gelangt. Ganz besonders äußerte sich ihr poetisches Talent in Improvisationen und daß sie eine „Gelegenheitsdichterin“ im besten Sinne war, beweisen die verschiedenen kleinen sinnigen, lyrischen Gedichte, die sie zu Familienfesten dichtete, darunter ein prächtiger, schwungvoller „Dialog zu Hebel’s 100. Geburtstag“, ein Gedicht über den „Straßburger Münster“ (mitgetheilt von Emil Frommel in seiner Schrift „Aus goldnen Jugendtagen“), ein „Hochzeit-Lied von den Veteranen dargebracht zur silbernen Hochzeit des Fürsten Karl Egon von Fürstenberg mit der Fürstin Amalie“ (abgedruckt in der „Erinnerungsschrift von Karl Egon Ebert“, Donaueschingen 1843). Und wie Frau S., nach den Aufzeichnungen Frommel’s sich meist ein Adagio von Beethoven spielen ließ, zu welchem sie dann frischweg improvisirte, so sind auch ihre Märchen nicht in langer Zeit des Grübelns am Schreibtisch entstanden, sondern verdanken sämmtlich ihr Entstehen dem Verlangen der Kinder nach neuen Märchen, dem von Frau S. stets entsprochen wurde, indem sie aus dem reichen Schatz ihrer Phantasie schöpfte und mit dem ihr eigenthümlichen naiv-heitern und gemüthvollen Humor die niedlichen Märchen schuf, die später zum Theil von ihr selbst und zum Theil von einer Jugendgespielin des Dichters, Frau Alberta v. Freydorf, aufgeschrieben wurden und von der Letzteren durch den Druck unter dem Titel „In der Gaißblattlaube. Ein Märchenstrauß im Garten der mütterlichen Freundin Frau Josephine Scheffel gewunden“ (Dresden 1886) dem größeren Publicum bekannt gegeben worden sind. Frau S. lebte eine stille Welt in sich, wie Frommel sagt, und Joseph hat von ihr das Beste empfangen, ja S. selbst bestätigte es einst seinem Freunde Julius Klaiber[WS 1], daß wie bei so manchem Dichter, auch bei ihm die poetische Gabe ein mütterliches Erbtheil sei, indem er sagte: „Wenn Sie meine dichterische Art begreifen wollen, müssen Sie den Grund nicht in meinem Leben suchen; das ist sehr einfach verlaufen. Es kam alles von innen heraus. Meine Mutter hätten Sie kennen müssen: was ich Poetisches in mir habe, habe ich von ihr“ (Daheim 1868 Nr. 43: „Ein deutscher Volksdichter“ von J. Klaiber). Wie Scheffel’s Vater in dem Befreiungskriege von 1814 und 1815 sich vor Straßburg eine Medaille errungen, so hat auch seine Mutter im Kampfe gegen einen andern Feind, im Kampfe gegen Armuth und Krankheit sich erhebliche Verdienste erworben, war sie doch mit an der Spitze der 18 Karlsruher Frauen, welche am 6. Juni 1859 unter dem Vorsitz der Großherzogin von Baden nach [780] Prüfung und Annahme der von dem damaligen Referenten im Ministerium des Innern für Armensachen, Ministerialrath Dietz entworfenen Statuten den „Badischen Frauenverein“ begründeten (Geschichte des Badischen Frauenvereins. Festschrift. Karlsruhe 1881), den Verein, der unter den vielen, welche sich in unserem deutschen Vaterlande der Erfüllung des edlen Frauenberufes mit voller Hingebung gewidmet haben, einen der hervorragendsten Plätze einnimmt; war sie es doch, die am 1. Mai 1848 einen Jungfrauenverein zur Unterstützung bedrängter Arbeiterfamilien gegründet, der sich im Hinblick auf das Leben und Wirken der berühmten Landgräfin Elisabeth von Thüringen den Namen „Elisabethen-Verein“ beilegte und dessen vieljährig und segensreich wirkende Präsidentin Frau Major S. war.
ScheffelIn dem gleichen Jahre, in dem die Mutter des Majors S. starb, wurde dem jungen Ehepaar am 16. Februar 1826 ein Sohn geboren, der in der Taufe den Namen Joseph Victor erhielt. Unter der liebevollen Pflege seiner besorgten Mutter, die darin von ihrer eigenen Mutter unterstützt wurde, wuchs der kleine Joseph bald zum munteren Knaben heran, in dem das freundlich strenge Wesen des Vaters neben der zärtlichen Liebe der Mutter einen festen selbständigen Charakter emporkeimen ließ. Schon bald nach der Geburt ihres Sohnes hatten die Eltern ihre bisherige Wohnung mit einer solchen in dem eigenen Haus Stefanienstraße 16 vertauscht, dessen großer zum Hause gehörige Garten unmittelbar an den prächtigen Hardtwald anstieß, während an der Vorderseite sich weite Grasflächen ausdehnten. Hier konnte sich der kleine Junge tummeln und mit seiner jüngeren Schwester Marie in der schönen Natur spielen, hier durfte er in der Geißblattlaube den Märchen seiner Mutter lauschen, durch die seine Phantasie mächtig angeregt wurde, und wie diese in ihm haften geblieben sind und nicht ohne Einfluß auf seine späteren Dichtungen waren, so hat auch der Aufenthalt in dem schönen elterlichen Anwesen die Liebe zur Natur in ihm ausgebildet. Der aufgeweckte, gutherzige Knabe war überall gern gesehen, und so vergoldete manch’ fröhlicher Sonnenstrahl des späteren Dichters Jugend. Die Berichte, die wir über Scheffel’s Schulzeit theils aus seinem eigenen Munde, theils aus demjenigen einstiger Mitschüler besitzen, bekunden sämmtlich, daß das ihm von der Mutter überkommene beschauliche Denkvermögen in Gemeinschaft mit dem vom Vater ererbten strengen Pflichtgefühl bereits in den ersten Jahren seines Bildungsganges ihn auszeichnete, und in der That war S. laut den Berichten des Karlsruher Lyceums während der Jahre 1833–43 beinahe immer der erste Schüler der Classen, in denen damals noch andere saßen, die im späteren Leben sich berühmt und berüchtigt gemacht haben, wie Karl Blind, Steinmetz, Aaron, Frank, Ludwig Eichrodt, Rudolf Braun und Julius Braun. Die alten Sprachen lernte S. sehr leicht, des guten Lateins halber, welches er während seiner ganzen Lebenszeit schriftlich und mündlich gleich vollendet beherrschte, ist er oft bewundert und beneidet worden, seine Kenntnisse in der griechischen Sprache und in der Geschichte zeigen sich auch in seinen Schriften und insbesondere in den gelehrten Anmerkungen dazu; in allen drei Fächern war er bereits auf der Schule hervorragend. Frommel schrieb: „Ich sehe ihn noch, wie er jedesmal bei dem Schlußactus die Prämie in Empfang nahm, um sie in die eigens dazu hergestellte Schachtel niederzulegen“, und Klaiber sagt in dem bereits erwähnten Aufsatz im „Daheim“: „Auf meine Bemerkung, daß er gewiß einst fleißig auf seiner Schulbank gesessen sei, nickte Scheffel freundlich und verließ mich einen Augenblick, um mit einem schön gearbeiteten Etui zurückzukehren, in dem, in grünen Sammt eingelassen, eine ansehnliche Menge silberner und goldener Denkmünzen prangte, lauter Preise vom Gymnasium her. Das ist für meinen kleinen Sohn – nicht das schlechteste Vermächtniß seines Vaters, [781] sagte er mit wohlgefälligem Blick auf den Zeugen seines einstigen Fleißes verweilend“. S. war also ein ausgezeichneter Schüler, und zwar ohne daß sein aufgewecktes, wenn auch sinniges Wesen dadurch an Frische eingebüßt hätte. Mit Leichtigkeit bewältigte er die Schulaufgaben und fand dabei genügende Zeit, um seine Privatliebhaberei für die Zeichenkunst zu pflegen und seine Neigung zum Studium der Geschichte und Litteratur in selbständiger Weise zu befriedigen und saß er dann in seiner Kammer, die einen Blick ins Grüne gewährte, dann wurde schon damals manchmal der Pegasus bestiegen, sei es um einen Freund zum Geburtstag damit zu erfreuen, sei es auch nur um dem frohen Behagen der jugendlich sehnsuchtsvollen Stimmung Ausdruck zu verleihen. Und als in den oberen Classen auch das Gefühl der Geselligkeit und der heiteren Lebenslust sich bei seinen Kameraden regte, entzog sich Joseph diesen unschuldigen Vorspielen akademischer Herrlichkeit und studentischer Fröhlichkeit nicht, wurde er doch auch darin von seiner klugen Mutter, wie in seiner Liebhaberei für alterthümliche Trinkgefäße, in seiner Freude an den Werken der Ritterromantik und in dem Vergnügen an theatralischen Aufführungen eher unterstützt als gehindert. Im Herbst des Jahres 1843 verließ der nun im 18. Lebensjahre stehende Joseph S. mit Ehren das Gymnasium, sein sehnlichster Wunsch in jenen Tagen war Maler zu werden. „Nach Naturanlage und Neigung hätte ich ein Maler werden sollen. Erziehung und Verhältnisse wendeten zum Dienst der Justiz, die unerfüllte Sehnsucht nach der bildenden Kunst und die Oede eines mechanischen Berufes riefen in ihrem Zusammenwirken die Poesie wach“, so urtheilte S. später (1855) selbst (I. Hub, Die deutsche komische Dichtung II, 718). Der Vater, der in seinem Sohne Joseph sein körperliches und geistiges Ebenbild heranwachsen zu sehen glaubte, wollte ihn zum badischen Beamten ausbilden lassen und so mußte er mehr der Macht gehorchend als dem eigenen Triebe sich dem Studium der Jurisprudenz widmen, doch wurde seiner Neigung zur Kunst wenigstens soweit Rechnung getragen, daß er die Universität in der Kunststadt München zunächst beziehen durfte. Hier wurde S. nun am 3. November 1843 in der juristischen Facultät immatriculirt, woselbst er zwei Semester verblieb. Ganz der Richtung entsprechend, die sein Bildungstrieb gleich im ersten Semester einschlug und dem mächtigen Einflusse, den die aufblühende Kunststadt, der Besuch der kurz vorher eröffneten beiden Pinakotheken, der Verkehr in den Ateliers einzelner Meister, an die er empfohlen war, auf seinen Geist ausübte, ist auch der Freund und Commilitone, dem er sich von Anfang innig anschloß, kein Studirender der Rechte, sondern ein Kunsthistoriker gewesen, der am 11. August 1872 in Berlin verstorbene Professor Friedrich Eggers. Mit diesem traf S. nach Jahren wieder in Berlin zusammen, wo sie beide dann eine gemeinsame Wohnung innehatten. Trotz seiner Begeisterung für die Kunst vernachlässigte er aber keineswegs sein Brotstudium. Er hörte von Fachvorlesungen im Wintersemester bei Arndts Encyclopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft und Institutionen und Geschichte des römischen Rechts; im Sommersemester 1844 bei Phillips deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte und Kirchenrecht und bei Moy Rechtsphilosophie. Daneben aber trieb S. schon damals historische und kunstgeschichtliche Studien; bei Thiersch hörte er im Winter Vorlesungen über Pindar „mit ausgezeichnetem Fleiße“, und bei Höfler Geschichte des Mittelalters, im folgenden Semester bei Prantl, der damals Privatdocent war, Geschichte der griechisch-römischen Philosophie „mit ausgezeichnetem Fleiße“, und bei Thiersch Aesthetik und neuere Kunstgeschichte „mit vorzüglichem Fleiß und Erfolge“. Bezeichnend ist, daß für die Fachcollegia nur das Belegen bezeugt ist und nur die philosophisch-historischen Vorlesungen ein bestimmtes Zeugniß über den Besuch enthalten. Das nächste Jahr verbrachte er in Heidelberg, wo er am 31. October [782] 1844 immatriculirt wurde; hier hörte er im Wintersemester 1844/45 bei Mittermaier deutsches Privatrecht, bei Vangerow Pandekten, im Sommersemester 1845 Criminalrecht und Civilproceß bei Mittermaier, Lehnrecht bei Zöpfl, außerdem Darstellung und Kritik des Hegel’schen Systems bei Dr. Roeth, und Dante’s Inferno bei Dr. Ruth. Von Heidelberg begab er sich nach Berlin und ward hier am 25. October 1845 immatriculirt; er hörte im Wintersemester 1845/46 deutsches Staats- und Privatrecht, und Geschichte der neueren Rechtsphilosophie bei Stahl, bei Heffter Criminalproceß, bei Dr. Berner Criminalpsychologie, bei Waagen Geschichte der bildenden Künste der neuesten Zeit; im Sommer 1846 Civilprakticum und Relatorium bei Heffter; Pandektenprakticum bei Dr. Schmidt, und auserlesene Lehren der gerichtlichen Medicin bei Professor Wagner. Im Herbste 1846 kehrte er nach Heidelberg zurück, wo seine zweite Immatriculation am 12. November stattfand, und hörte im Winter 1846/47 Civilproceßprakticum und Relatorium bei Mittermaier, Code Napoléon und badisches Landrecht bei Roßhirt, und ein Conversatorium über den Civilproceß bei Dr. Brackenhöft. Die kunsthistorischen Liebhabereien treten also in den beiden letzten Semestern vor dem Ernst des Fachstudiums zurück. Das Abgangszeugniß von Heidelberg ist am 18. März 1847 ausgefertigt. Diesem von K. Bartsch (Beilage zur Allgem. Zeitung 1886, Nr. 126, 127) auf Grund der Universitätsacten mitgetheilten Verzeichniß der von S. „belegten“ Vorlesungen ist noch nachzutragen, daß derselbe nach den Tagebuchaufzeichnungen seines Heidelberger Jugendfreundes, des Oberamtsrichter Schwanitz in Ilmenau, auch noch bei Gervinus in Heidelberg und in Berlin bei Homeyer über Nachdruck, bei Gneist über Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, auch bei dem Philosophen Werder gehört hat. Unter den Büchern, die er während seiner Studienzeit mit besonderer Vorliebe las, war auch die Luther’sche Bibelübersetzung, an der er seinen Sinn für den Reichthum der deutschen Sprache schulte. Wieweit dieses Studium auch auf seine religiöse Anschauung von Einfluß war, geht daraus hervor, daß er, obgleich von Hause aus katholisch, doch in seinem späteren Leben in religiösen Angelegenheiten stets seine Sympathie für den Protestantismus bezeugte, die nach einiger Zeit noch ganz besonders darin zu Tage trat, daß er seinen Sohn Victor protestantisch taufen ließ. In München hatte S. studentischen Vereinigungen sich nicht angeschlossen, aber in Heidelberg trat er sofort der burschenschaftlichen Verbindung „Alemannia“ bei, nachdem sich dieselbe erst kurz zuvor aufgethan hatte. Im Sommer 1845 entstand aus einer Verschmelzung dieser „Alemannia“ mit der „Palatia“ die neue Verbindung „Teutonia“ und in ähnlicher Weise ein Jahr später die „Frankonia“, deren Mitglied S. dann im Winter 1846 war; in Berlin gehörte er der Burschenschaft „Germania“ an. Die Burschenschafter betheiligten sich damals bedeutend an den politischen Bestrebungen und auch S. fühlte warm für sein deutsches Vaterland und zwar vom großdeutschen Standpunkt aus. Als er am 13. März 1847 aus der Liste der Studenten sich hatte streichen lassen, schrieb er an seinen Freund Schwanitz das charakteristische Wort: „Gute Nacht Frühling! Desto wärmer aber werde ich die Erinnerungen pflegen, je dürrer die Candidatenzeit ist.“ Während dieser Studienjahre hatte S. mehrfach kleinere und größere Ausflüge und Reisen gemacht, so besuchte er den Odenwald von Heidelberg aus und die Insel Rügen von Berlin aus. Um diese Zeit entstanden auch seine „Lieder eines fahrenden Schülers“, die er an die „Fliegenden Blätter“ einsandte, wo dieselben (1847 Nr. 116, 51, 53) mit Illustrationen, die nach der Vermuthung des Herrn Schwanitz ebenfalls von seiner Hand stammen, erschienen sind. Doch war dies nicht sein erster Schritt in die Oeffentlichkeit, hatte doch bereits der 17jährige Gymnasiast S. einen Aufsatz über das die tapferen 400 Pforzheimer bei Wimpfen [783] darstellende Gemälde von Feodor Dietz in der „Karlsruher Zeitung“ veröffentlicht, der bei seinen Mitschülern größte Bewunderung, bei den Lehrern freudigen Unwillen und bei den Künstlern lebhaften Beifall fand. – S. lieferte im Sommer des Jahres 1847 seine schriftlichen Arbeiten zur Staatsprüfung ein. Das Urtheil über die ihm aufgegebene Rechtsfrage lautete: „Die Abhandlung zeichnet sich durch umfassende Benützung der Litteratur, Selbständigkeit der Ausführung, logische Anordnung des Stoffs und klare, gewandte Diction vortheilhaft aus und kann unbedenklich für eine gelungene erklärt werden.“ In der am 9. August 1848 zu Heidelberg stattgehabten mündlichen Prüfung von Seite der Professoren Roßhirt, Vangerow, Zöpfl und Morstadt bestand S. mit „ziemlich gut“, wobei allerdings hervorgehoben wurde, daß „die Antworten des Candidaten wenn auch größtentheils richtig und gehörig begründet, mehr von Talent und allgemeiner Bildung, als von ausgedehntem positiven Wissen in den Gegenständen der Prüfung zeugten“. Den Doctorgrad erwarb er im Herbste desselben Jahres bei der juristischen Facultät in Heidelberg summa cum laude. Zwischen den Abschluß seiner Studien und die Staatsprüfung fällt ein Aufenthalt in Frankfurt a. M. (1848) und eine im Sommer unternommene Reise nach Lauenburg, die er als Secretär des Reichscommissärs Welcker in dessen Begleitung machte; aber die Eindrücke, welche er an Ort und Stelle empfing, waren im ganzen sehr unerfreulicher Natur, und er kam schließlich enttäuscht und verstimmt von Schleswig-Holstein zurück. Merkwürdig mag es scheinen, daß das politisch so bedeutungsvolle Jahr an S. vorüberging, ohne ihn poetisch anzuregen und mit Recht sagt Prölß, daß im Gegensatz zu den damaligen Dichtungen Scheffel’s Poesien wohl am wenigsten den Gluthhauch jener patriotisch-freiheitlichen Begeisterung athmen, welche damals die Jugend Deutschlands erfüllte. Aber in der wilden Revolutionszeit versuchte auch er sich einmal in der Politik. Von Heidelberg aus, wo er kurze Zeit im Criminalbureau des Oberamtes unter dem Amtsvorstand v. Preen prakticirte, übernahm er auf Zureden des Professors Häusser die Redaction der in Karlsruhe erschienenen „Vaterländischen Blätter“, des Organs der constitutionellen Partei, das unter Mitwirkung badischer Abgeordneter herausgegeben wurde. Nach den Untersuchungen Ruhemann’s dürften die Artikel „Zeitungsenten“ in Nr. 13 vom 2. Februar und „Unterredung mit dem Teufel“ in Nummer 77 von S. stammen. Das Blatt ging sofort nach Ausbruch der Revolution wieder ein, aber S. mußte damals an politischen Aufsätzen doch Gefallen gefunden haben, denn nachdem er der großen Volksversammlung zu Offenburg am 13. Mai beigewohnt hatte, verfaßte er einen Bericht über dieselbe, den er später unter der Ueberschrift „Zwei Tage in Offenburg“ in der „Allgemeinen Zeitung“ (Beilage zu Nr. 267, 268 vom 24. und 25. September 1849) – als ersten Beitrag zu derselben – erscheinen ließ. Als alle Bande der Ordnung gelöst waren, hatten Scheffel’s Mutter und Großmutter sich nach Cannstadt geflüchtet, S. aber verbrachte die Zeit in Auerbach an der Bergstraße, wo sich eine ganze Colonie von Flüchtlingen, darunter Heidelberger Professoren und Beamte angesiedelt hatte. Als S. dann in den Untersuchungscommissionen für die politischen Gefangenen verwendet werden sollte, hielt er das mit seiner Ehre unvereinbar, infolge dessen er plötzlich seiner Stelle als Secretär des Civilcommissärs v. Orff, den er ins Lager nach Rastatt begleitet hatte, enthoben wurde. Zu Beginn des Jahres 1850 zog S. in Säkkingen ein, in jenem Ort, der durch seine Dichtung später wohl weltbekannt wurde, um als Dienstrevisor beim dortigen Bezirksamt in den Verwaltungszweig der juristischen Praxis eingeweiht zu werden. Aus jener Zeit stammt eine Anzahl von Briefen an Eltern und Schwester, aus denen ersichtlich ist, daß S. dort ein ungezwungenes freies und sein poetisches Gemüth ungemein [784] anregendes Leben geführt hat (Deutsche Dichtung, III. Bd., Heft 9, 10). Er verblieb daselbst bis Ende des Jahres 1851, reichte dann bei dem Hofgericht in Bruchsal ein Bittgesuch um Zulassung zur Secretariatspraxis ein, das vom Präsidenten empfohlen wurde, worauf die Gewährung von Seiten des Ministeriums erfolgte und er am 9. December bereits eintrat. Ausflüge von Säkkingen aus hatten ihn zu einem Aufsatz „Aus dem Hauensteiner Schwarzwald“ (Morgenblatt für gebildete Leser. Stuttgart 1853, Nr. 14, 15, 17, 18) angeregt, dessen historisch-volkspsychologischer Charakter ihn vor den übrigen wenigen Prosaarbeiten Scheffel’s auszeichnet. In Gemeinschaft mit Professor Häusser unternahm er im Herbste 1851, also ehe er sich ganz nach Bruchsal wandte, eine Reise in die Graubündener Alpenwelt, und auch diese, wie die dabei erlangten Eindrücke und Studien wurden von ihm in drei Briefen „Aus den rhätischen Alpen“ (Allgemeine Zeitung 1851, Nr 285, 287, 293) geschildert. Nur kurze Zeit duldete es ihn in Bruchsal, denn schon am 7. Mai 1852 machte er dem Hofgericht die Anzeige, daß er „behufs Antritts einer größeren Reise nach Italien und Frankreich unterm 9. d. M. seine seitherige Stellung als Volontär bei hohem Gerichtshofe aufzugeben gedenke“. In seiner Mittheilung an das Ministerium hebt er hervor, daß die beabsichtigte Reise ihn „mehrere Monate von der Praxis fernhalten, dagegen, wie er hoffe, für seine weitere wissenschaftliche und universelle Ausbildung von Nutzen sein werde“. Mit diesem Schritt hatte S. mit der bisherigen, ihm nichts weniger als zusagenden Berufswissenschaft gebrochen, aber trotzdem ist durchaus nicht zu glauben, daß er seine Berufsgeschäfte darum vernachlässigt habe, vielmehr läßt uns ein amtlicher Bericht über seine Leistungen vom 14. Mai 1852, in dem es heißt, „daß S. fortwährend durch seine Leistungen im Secretariat sowie durch erstattete Vorträge sich sowol hinsichtlich des Fleißes als hinsichtlich des Talents und der Kenntnisse in hohem Grade wahrhaft ausgezeichnet gezeigt habe“, vermuthen, daß er durch gewissenhafte Pflichterfüllung seinem Vater habe zeigen wollen, wie es durchaus nicht Leichtsinn und Trägheit sei, was ihn zur Aufgabe der Beamtenlaufbahn drängte, für die er von seinem Vater auf das entschiedenste bestimmt war. Dieser war wohl nicht gegen die Romreise gestimmt, aber daß sein Sohn nach achtjähriger Beamtenpraxis plötzlich noch „umsatteln“ wolle, das widerstrebte dem Ordnungssinn des Majors und nur den vereinten Anstrengungen, die wohl von allen Familienangehörigen ausgingen, gelang es endlich, den Willen des Sohnes durchzusetzen, und so fuhr denn S. in den letzten Tagen des Mai 1852 nach Süden – um Maler zu werden.
„Ich wollte oft, ich hätte nie ein corpus juris gesehen und wäre in München ein Maler geworden“, so hatte er kurz zuvor an seinen Freund Julius Braun, den bekannten Archäologen, nach Rom geschrieben, mit welchen Hoffnungen, in welcher Stimmung S. demnach seinen Einzug in Rom hielt, wo damals der ihm bekannte Landschaftsmaler Ernst Willers aus Oldenburg seinen Wohnsitz hatte, vermag gewiß jeder zu empfinden. Den Sommer über verblieb S. in Albano, wo er, im Kreise von Künstlern lebend, den Vorstudien zu seiner künftigen Künstlerlaufbahn mit ganz außerordentlichem Eifer sich widmete. Je weniger die mit ihm lebenden Künstler daran glauben mochten, daß er es zu einem bedeutenden Maler bringen werde, schon darum, weil der bereits 26jährige noch mit den Elementen der Technik zu ringen hatte, um so überraschender war denselben sein Erzählungs- und Darstellungstalent, und nachdem einst Frau Engerth, die Gemahlin des späteren Galeriedirectors Eduard v. Engerth in Wien ihm zugerufen hatte: „Aber Scheffel, Sie sind ja ein Dichter, warum schreiben Sie denn das nicht auf?“ faßte sich auch der Letztgenannte eines Tages ein Herz, um dem ihm liebgewordenen S. auseinander zu setzen, wie wenig er sich [785] zum Maler und wie so sehr zum Dichter er sich eigne (s. K. E. Franzos, Aus Scheffel’s Sturm- und Drangzeit. Neue Illustrirte Zeitung 1886). Mehrere Monate inneren Ringens folgten, während welcher Zeit er immer noch an seinem Ausspruch „Ich will und muß ein Maler werden“ festhielt, aber mehr und mehr sah er selbst ein, daß sein poetisches Talent größer als seine künstlerische Befähigung war. Die Malversuche wurden immer mehr vernachlässigt, wogegen er sich wieder mehr litterarischen Beschäftigungen zuwandte und, ebenso wie Gottfried Keller nach Italien zog, um Landschaftsmaler zu werden und als Dichter heimkam, so wurde auch S. fern im Süd aus dem Maler ein Poet. Im Februar war er plötzlich verschwunden, er schrieb nur eine kurze Zeile, er müsse fort in die Einsamkeit. S. fuhr südlich nach Sorrent, wo er mit dem jugendlichen Paul Heyse glückliche Tage verlebte, beide Dichter, die sich gegenseitig ihre dichterischen Pläne und Wünsche entdeckten, beide Menschen, die, im schönsten Jugendalter, von Lebensmuth und Begeisterung für die Schönheiten der südlichen Natur erfüllt waren. Auf Capri hatte sich S. eingemiethet und dieses Inselstädtchen wurde nun die Geburtsstätte unseres größten humoristischen Epos der Neuzeit, des Sangs vom Oberrhein: „Der Trompeter von Säkkingen“. Wie ihn die Erinnerung an seinen Schwarzwald, die Sage von dem Spielmann Jung Werner und der schönen Margaretha zu seiner Dichtung angeregt hat, und diese selbst „auf Don Pagano’s Dache“ entstanden ist, hat er selbst in der „Zueignung“ seines Trompeters mit köstlichem Humor und im liebenswürdigsten Ton dem von ihm selbst nicht geahnten colossalen Leserkreis erzählt.
Am 1. Mai des Jahres 1853 konnte S. das Buch abschließen und mit einer humorvollen prächtigen Widmungsepistel seinen Eltern nach Karlsruhe senden. Wenige Tage später mußte er selbst der Heimath zueilen, die Nachricht von der schweren Erkrankung seiner Schwester Marie, die er zärtlich liebte, und die kurz vor der Hochzeit ihre Verlobung mit einem Officier, den sie nicht zu lieben vermochte, aufgelöst hatte, trieb ihn nach Hause. Daheim fand er die Seinigen infolge der Verhältnisse in trüber Stimmung, sein Vater drang wiederum in ihn, die Laufbahn des Juristen aufs neue einzuschlagen und dazu kam noch eine empfindliche Augenentzündung. Diese zwang ihn auf Monate hinaus, sich jeder anstrengenden Thätigkeit zu enthalten, aber der Vater gab die Hoffnung nicht auf, daß der Sohn doch noch als Jurist „etwas Ordentliches werde“, weshalb er unter dem 7. Mai 1854 im Namen seines „wegen Augenleidens“ abwesenden Sohnes ein Gesuch an das Ministerium richtete, worin er die Ernennung zum Referendär mit Dispensation vom zweiten Examen erbat. Darauf hin wurde am 6. Juli 1854 S. „unter Erlassung der zweiten Prüfung“ zum Referendär ernannt. Allein praktischen Gebrauch hat der Dichter von der neuen Würde nicht mehr gemacht, denn er widmete sich von nun ab ganz der Poesie und auch sein Vater schien jetzt damit zufrieden. Längere Zeit lebte S. nun wieder in seinem lieben Heidelberg, wo er in dem unter dem Namen „Der Engere“ bekannt gewordenen Kreise von bedeutenden Männern der verschiedensten Berufsarten, dessen Präsident und eigentliche Seele Ludwig Häusser war, mancherlei Anregungen für seine in dieser Zeit entstandenen Gedichte empfing, die 1867 unter dem Titel „Gaudeamus“ veröffentlicht wurden, und seitdem von vielen Componisten mit Melodien versehen, gesungen werden, soweit die deutsche Zunge klingt. Die Frische und Sangbarkeit, die Naturmächtigkeit und Originalität der Lieder gab denselben eine Verbreitung, besonders auch in studentischen Kreisen, wie sie bisher wohl noch keinem Geisteskinde der Poeten, die alten Volkslieder vielleicht ausgenommen, zu Theil geworden war.
[786] Im Winter 1853–54 beschäftigte sich S. mit der Uebertragung des lateinischen Waltharius und um diese Zeit entstand auch der Plan zu seinem bedeutendsten dichterischen Werke, dem „Ekkehard“, zu dem jene Uebersetzung eine Art Vorstudie bildete. Die eigentliche Ausführung geschah im Frühjahr 1854 in der Meierei zu Füßen der ehrwürdigen Veste Hohentwiel. „Dort in den Revieren des schwäbischen Meeres, die Seele erfüllt von dem Walten erloschener Geschlechter, das Herz erquickt von warmem Sonnenschein und würziger Bergluft“ hat er den Roman geschrieben. Den ersten Impuls zu demselben empfing S., als er Pertz’ „Monumenta Germaniae“ studirte und dabei auf die Klostergeschichte St. Gallens stieß, die der Mönch Ratpert begonnen und Ekkehard IV. bis ans Ende des 10. Jahrhunderts fortgeführt hat. Verschiedene Episoden dieser schlichten Klosterchronik mutheten ihn so an und beschäftigten seine Phantasie so lebhaft, daß er nun die eingehendsten Localstudien machte und in der ehrwürdigen Bücherei des heiligen Gallus sein Material ergänzte. Auf dem Hohentwiel hat er das Buch begonnen und auf dem Wildkirchli am Säntis sind die letzten Capitel entstanden. Nach den Angaben Kastropp’s (Magazin f. d. Literatur des In- und Auslandes 1886, Nr. 17) erschien der „Ekkehard“ zuerst in einem belletristischen Blatt in Frankfurt, wurde aber vom Publicum so kühl aufgenommen, daß der Redaction mehrfache Aufforderungen zugingen, die Veröffentlichung abzubrechen. Als derselbe 1855 als Buch erscheinen sollte, erbat sich S. das Manuscript noch einmal zurück, um der Dichtung noch einen Anhang von 285 gelehrten Anmerkungen beizufügen zur Erhärtung des geschichtlichen Charakters unter Angabe der benutzten Quellen, „zur Beruhigung derer, die sonst nur Fabel und müßige Erfindung in dem Dargestellten zu wittern geneigt sein könnten“. Während der „Trompeter“ in der Metzler’schen Buchhandlung in Stuttgart erschienen war, kam der „Ekkehard“ im Verlag der Firma Meidinger u. Co. in Frankfurt a. M. heraus, und zwar hatte dieselbe laut dem Vertrag vom 20. Februar 1855 auf fünfzehn Jahre hinaus gegen ein einmaliges Honorar von 1200 Gulden das unbeschränkte Verlagsrecht erworben. Als die genannte Verlagshandlung sechs Jahre später fallierte, waren noch immer Exemplare des Buches vorhanden, die nebst anderen Werken und sämmtlichen Verlagsrechten aus der Concursmasse von Otto Janke in Berlin käuflich erstanden wurden. Dieser druckte nun 1862 eine zweite Auflage und bis 1869 noch fünf weitere. S. war mit dieser käuflichen Ueberlassung durchaus nicht einverstanden, es kam zu unerquicklichen Erörterungen in der Presse, beide Parteien geriethen in die heftigste Polemik, gaben gegenseitige Anklageschriften heraus, ließen Gutachten einholen und processierten längere Zeit, bis durch die Vermittelung der Metzler’schen Buchhandlung in Stuttgart 1870 der Sache ein Ende gemacht wurde, indem diese das Verlagsrecht übernahm. (S. Klostermann, Ueber das geistige Eigenthum. Berlin 1867, Bd. I, S. 338 ff.) S. schrieb damals in einer Anwandlung übertriebenen Rechtsgefühles, das sich in seinem ferneren Leben noch mehrmals gezeigt hat: „wenn ich hätte ahnen können, welch schweres Martyrium mir, meinem Werk und meinen Vermögensinteressen durch eine hinter meinem Rücken stattgehabte „Verlagsrecht-Restaufkäuferei“ und „Verlagscontracts-Exportirung“ bereitet werden würde, mein Buch „Ekkehard“ wäre nie geschrieben worden!“
Im J. 1855 war er zum zweiten Male nach Italien gegangen. Diesmal aber nur in das nördliche, wo er einige Zeit hindurch in der Gesellschaft Anselm Feuerbach’s verweilte. Einige Wochen verbrachten sie am Tobliner See, welchen Aufenthalt später beide gleicherweise zu den reinsten und schönsten Erinnerungen ihres Lebens zählten, dann aber trennten sich die Wege der Freunde. Feuerbach kehrte nach Venedig zurück, S. aber ging nach Meran und von da [787] nach Baden-Baden. (Vgl. A. Hausrath, S. u. A. Feuerbach. Deutsche Rundschau 1887.) Wie auf seiner ersten Reise, so berichtete auch jetzt wieder S. über seine Erlebnisse in den „Briefen aus Venedig und den tridentinischen Alpen“ (Frankfurter Museum 1855 Nr. 2 und 1856 Nr. 11–13), eine Reihe anderer Mittheilungen „Aus Südfrankreich“ schildern seine Eindrücke während einer Wanderfahrt durch dieses Land, die er 1856 unternahm; sie erschienen in Westermann’s Monatsheften (Bd. II) und sind mit Holzschnitten nach Zeichnungen Scheffel’s ausgestattet. Den Winter 1856–57 verbrachte er nach mehrfachen glücklich überstandenen Erkrankungen, gegen die er zuletzt in Rippoldsau Heilung gesucht und gefunden hatte, in der bairischen Residenzstadt. Im Verkehr mit dem Kreise von Dichtern, die König Max II. dahin berufen hatte, war der Rest der vorhergegangenen Gemüthskrankheit wohl gänzlich gewichen gewesen, als eine Katastrophe eintrat, die den Dichter wiederum in die trübste Stimmung zurückstieß. Auf seine Aufforderung hin war seine ebenfalls künstlerisch begabte Schwester Marie zur weiteren Ausbildung nach München übergesiedelt, war daselbst vom Typhus ergriffen worden und nach kurzem Krankenlager am 19. Februar 1857 gestorben. Als sich dieses ereignete, hatte S. an einem Roman „Irene von Spielberg“ gearbeitet um ein dem König Max von Baiern „in einem leichtsinnigen Augenblick gegebenes Versprechen zu erfüllen“. S. äußerte damals, der Tod habe ihm sein bestes Leben entrissen, ob er je wieder eine Feder anrühren könne, wisse er nicht. Und in der That ist der Roman nicht vollendet worden, was später von ihm erschien, war zum Theil bereits früher entstanden, oder gehörte in die Kategorie der Gelegenheitsgedichte, um die er in seinem späteren Leben ja so häufig angegangen worden ist. Aber eine kleine epische Erzählung „Hugideo“ entstand damals gewissermaßen als ein Todtenopfer des trauernden Bruders, als ein Denkmal, das er seinem von ihm innigst geliebten Schutzengel gesetzt hat. Das merkwürdige kleine Stimmungsbild erschien damals in Westermann’s Monatsheften (Bd. III) und erst später (1883) in Buchform. Nochmals machte er eine Reise nach Nordfrankreich und Paris in Begleitung seines Freundes August von Eisenhart aus München, dann begleitete er den ihm ebenfalls von München her befreundeten Professor Riehl auf einer kleinen Studienreise den Rhein hinab und ließ sich nun wiederum in Heidelberg nieder. Einer wiederholten Einladung des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, in dem die Lectüre des „Ekkehard“ den Wunsch entstehen ließ, diesen eigenartigen Dichter kennen zu lernen, was denn auch bereits während des Aufenthaltes Scheffel’s in München geschehen war, konnte sich dieser nicht länger widersetzen und kurz nach der ersten Audienz ließ ihm der Großherzog durch den Burgcommandanten von Arnswald die Aufforderung zugehen, sich als Dichter an der Erneuerung der Wartburg durch ein Werk nach seiner Wahl zu betheiligen, und zu diesem Zwecke seine Wohnung auf der Wartburg zu nehmen. Aber S. konnte dem nicht Folge leisten, da er sich bereits dem Fürsten von Fürstenberg gegenüber verpflichtet hatte. Im Jahr 1858 trat er dann seine Stelle als Hofbibliothekar in Donaueschingen an, die er ein Jahr inne hatte. Hier erschloß sich ihm ein reicher Schatz in der Laßbergischen Bibliothek, deren altdeutsche Handschriften er ordnete und in einem gedruckten Katalog (Stuttgart 1859) beschrieb. Eine weitere Frucht dieser altdeutschen Studien war die im Jahr 1866 mit Zeichnungen von A. von Werner herausgegebene Novelle: „Juniperus“, die uns in die Blüthezeit des ritterlich höfischen Lebens, die Zeit des ausgehenden 12. Jahrhunderts, in die Periode der Kreuzzüge einführt. Nachdem er sich mit Mühe in Donaueschingen auf längere Zeit frei gemacht hatte, zog er endlich nach der Wartburg und brachte nun einige Monate im Thüringer Lande zu, eifrige Studien zu einem Roman [788] „Viola“ machend, dessen Mittelpunkt der sangliebende Hof zu Eisenach unter Landgraf Hermann sein sollte. Allein der ganze reiche Stoff wollte sich zu keiner geschlossenen Composition fügen und so ist auch dieser Roman nicht zur Veröffentlichung gelangt. Als Resultat seines Thüringer Aufenthaltes und der Wanderjahre seit 1855 erschien 1863 „Frau Aventiure“, die Lieder aus Heinrich von Ofterdingen’s Zeit, „ein Strauß von Liedern, wie er auf der Frau Aventiure von Mailuft und Tanzfreude durchwehten Blumenangern hundertfältig zu pflücken ist, als der Ausdruck aufrichtigen Dankes, den er einem hohen Schirmherrn deutscher Kunst schuldet“. Als S. nach seiner Rückkehr „das schönste Mädchen von Heidelberg hatte erobern wollen“, infolge ungeschickten Verhaltens eines seiner Jugendfreunde aber von seinem Plane abstehen mußte, da trieb es ihn wieder in die Einsamkeit der geliebten Gebirgswelt zu flüchten und so wurde er denn während zweier Monate abermals zum Einsiedler auf der Insel Frauenwörth im Chiemsee. Von hier aus begab er sich nach Salzburg und in das Salzkammergut und auf dieser Reise beim Anblick der alten Einsiedelei dicht an der Falkensteinwand, an der heute der von Erzherzogin Marie Valerie gedichtete „Dank an Scheffel“ prangt, erstand in ihm die Idee zu den „Bergpsalmen“ (Stuttgart 1870). Langes Arbeiten in Karlsruhe, um das dem Großherzog von Weimar gegebene Versprechen einzulösen, die Ueberanstrengungen körperlicher und geistiger Art ließen im November 1860 eine Gehirnerkrankung zum Ausbruch kommen, die nach seiner eigenen Angabe einer bleibenden Umnachtung alles Denkens nahe war, von der er jedoch in dem schweizerischen Orte Liestal und in der Heilanstalt Brestenberg am Hallwyler See bald wieder genesen war, der er aber für lange Zeit ein bewegtes Wanderleben folgen ließ, „um durch angestrengte Wanderungen, Schwimmen, Kahnfahren, Körperübungen u. s. w. den sterblichen Leichnam so in Bewegung zu setzen, daß er nicht Zeit hatte, die Melancholie weiter auszubilden“. Endlich im Jahre 1864 nach vielem Umherschweifen in dem südlichen Baden und Baiern ließ sich S. auf einige Zeit in Karlsruhe nieder und vermählte sich hier zur großen Freude seiner Eltern mit Fräulein Caroline von Malzen, der Tochter des damaligen baierischen Gesandten zu Karlsruhe am 22. August 1864. Bald darauf erging an S. eine ebenso ehrenvolle, als seinen Neigungen entsprechende Berufung, aber wie er bereits früher eine Stelle am badischen General-Landes-Archiv in Karlsruhe zu Gunsten eines unvermögenden Freundes abgeschlagen hatte, so lehnte er es auch jetzt ab, den Posten des Directors am Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg zu übernehmen. War Freiherr von Malzen darüber auch wenig erfreut, so gab er sich doch bald zufrieden, als S. den ihm vom Großherzog von Weimar verliehenen Hofrathstitel trotz seiner Abneigung gegen alle solche Ehrenbezeugungen annahm. Nur kurze Zeit konnte sich Frau Major S. an dem Eheglück ihres Sohnes erfreuen, denn am 5. Februar 1865 wurde dieselbe mit jäher Schnelligkeit vom Tode der Stätte ihres rastlosen, gemeinnützigen Wirkens entrissen. Zunächst mußte S. der vielen abzuwickelnden Geschäfte wegen seine Frau viel in ihrem Landhause zu Seeon allein lassen, und als er sich später sogar genöthigt sah, mit derselben ganz in das väterliche Haus nach Karlsruhe überzusiedeln, wo neben dem alten kränklichen Vater auch sein geistig und körperlich zurückgebliebener Bruder Karl von ihm zu pflegen war, da vermochte es die junge Frau, die ein stilles Glück an der Seite ihres Mannes erhofft hatte, nicht mehr länger sich in ihre Lage zu finden, sie siedelte zunächst nach Clarens am Genfer See über, wo sie am 20. Mai 1867 einen Sohn gebar, dessen Erziehung von nun ab Scheffel’s Hauptlebensaufgabe bildete, und später zog sie zu ihren Eltern nach München. Am 16. Januar 1869 war auch der Vater Scheffel’s gestorben. Von da an regte sich in ihm [789] das Verlangen nach einem idyllisch einsam gelegenen Landsitz, das er im Jahre 1871 zu stillen vermochte, indem er sich nahe bei Radolfzell am Bodensee die Villa Seehalde und später ein im altdeutschen Stil gehaltenes Wohnhaus auf der Mettnau käuflich erwarb. Bald nach Beendigung des Krieges 1870/71 hatte er wiederholt längere Wanderfahrten nach dem benachbarten Elsaß unternommen, über die er im Jahrgang 1872 von „Ueber Land und Meer“ in den „Skizzen aus dem Elsaß“ berichtete. Alle diese seine Schilderungen der von ihm besuchten Gegenden wurden nach seinem Tode von dem verdienstvollen Biographen Scheffel’s, Johannes Prölß in Frankfurt a. M., mit einem Vorwort unter dem Gesammttitel „Reisebilder“ (Stuttgart 1887) herausgegeben. Sonst entstanden in den siebziger Jahren nur noch einige Gelegenheitsgedichte und -Dichtungen, wie der „Brautwillkomm auf Wartburg“, ein lyrisches Festspiel zur Vermählung des Erbgroßherzogs von Weimar (Weimar 1873), ein Gedicht auf das Regierungsjubiläum des Großherzogs Friedrich von Baden im April 1877, infolgedessen er in der Presse ungerechter Weise viel und scharf angegriffen worden ist, und endlich noch eine Dichtung „Waldeinsamkeit“ (Stuttgart 1880), als Begleit-Text zu zwölf landschaftlichen Stimmungsbildern von Julius Mařak. Den größten Theil des Jahres brachte S. auf seiner Besitzung am Bodensee zu, wo er gern der Jagd, dem Rudern und Fischen oblag, und häufig von alten Bekannten besucht, aber auch von vielen Neugierigen belästigt wurde. Seiner Pflichten gegen den leidenden Bruder blieb er mit großer Sorgfalt immer eingedenk, bis derselbe am 10. October 1879 im Pfründnerhaus zu Karlsruhe starb. Sein fünfzigster Geburtstag wurde 1876 nicht nur im badischen Lande allein gefeiert, aus allen Gegenden kamen ihm Beweise der Anerkennung; Begrüßungen der hervorragendsten Männer Deutschlands, darunter eine solche des Fürsten Bismarck, verliehen dem Festtage einen glänzenden Schmuck und sein ihm stets wohlgeneigter Landesfürst ehrte ihn durch die Erhebung in den erblichen Adelstand, nachdem er kurz zuvor vom König von Württemberg den Kronenorden erhalten hatte, mit dem der Personaladel verbunden ist. Wie schon früher in Folge seines Huldigungsgedichtes auf seinen Großherzog, so wurde ihm auch jetzt nach seiner Nobilitirung in der Presse von verschiedenen Seiten, darunter von Gutzkow und Hieronymus Lorm der Vorwurf, ein Fürstenschmeichler und Titelhascher zu sein, gemacht, jedoch traf ihn dieser unverdienter Weise.
Sein reizbares Rechtsgefühl, das sich früher schon in Säkkingen bei einem Conflict mit Hauptmann Schwarz (Prölß S. 157–161) und in seinem Streit mit Otto Janke in seiner ganzen Schärfe geäußert hatte, nahm im Alter immer mehr zu und verwickelte ihn in eine ganze Reihe hartnäckig geführter Processe besonders auch gegen die Fischer der Insel Reichenau, denen er das Recht absprach, auf den ihm gehörigen Flächen zu Zeiten der Ueberschwemmung ihrem Gewerbe nachzugehen.
Wie sehr seine Reizbarkeit und Streitbarkeit mit dem zunehmenden Alter hervortraten, erhellt auch aus zwei Schreiben Scheffel’s an das Bezirksamt in Karlsruhe aus dem Jahre 1881, die bisher noch nicht veröffentlicht worden sind. Daselbst sollten die Grüfte des alten Friedhofes geschlossen werden, wogegen sich S. in der energischsten Weise aussprach, da die Familie S. zwei Grüfte besaß, in denen seine Eltern und Geschwister beigesetzt waren. „Der Unterzeichnete wird nie in eine Demolirung der alten Friedhofkirche einwilligen, protestirt gegen alle Antastung seines wohlerworbenen mit Gruft versehenen Grundstücks und läßt keine Entschädigung zu“, heißt es in dem ersten Briefe, dem er bald darauf einen zweiten nachfolgen ließ, aus dem seine Erregung noch mehr ersichtlich ist, indem er darin u. A. sagt: „Die Gruften gehören der [790] Familie jetzt wie in 20 und wie in 30 und wie in 100 Jahren unzerstörbar als Eigenthum! Fluch denen, die die Gebeine meiner Eltern und Geschwister auf die Gasse zu werfen versuchen sollten!“ Neben seinem heftigen Rechtlichkeitsgefühl äußert sich darin nicht nur eine rührende Pietät gegen die Seinigen, sondern gleichzeitig auch sein Bestreben ein Baudenkmal der Nachwelt zu erhalten, denn er bittet zum Schlusse, „im Interesse der als Denkmal der Vergangenheit zu erhaltenden Friedhofsanlagen auch die Kapelle für alle Zeit unversehrt bestehen zu lassen.“
Wenige Monate vor dem fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Heidelberg, deren Ruhm er wie kein Anderer besungen hatte, in deren Bann er sich sein ganzes Leben hindurch befunden hatte, in der er zum Dichter gereift war und die ihn als den gepriesensten Ehrengast erwartet hatte, ist Scheffel in seinem Hause zu Karlsruhe am Abend des 9. April 1886 gestorben. Sein Schwanengesang war das Hauptfestlied zu dem genannten Jubiläum, was er schon zwei Jahre vorhergesagt hatte, als er an die Redaction der „Akademischen Monatshefte“ schrieb: „Wenn mir 1886 ein Lied zum Heidelberger Jubiläum gelingt, so wird es mein Schwanenlied sein.“ An seinem Todtenbette trauerte die zur Versöhnung herbeigeeilte Gattin und sein Sohn Victor, der jetzt als Secondlieutenant im 3. Badischen Dragonerregiment Nr. 22 in Karlsruhe lebt. Und wie er im Leben der Lieblingsdichter der Nation war, dem, wie selten einem Schriftsteller bei Lebenszeiten, Anerkennungen und Ehrungen zu Theil geworden waren, so betheiligte sich auch bei seinem Tode seine ganze Nation an der Trauer, ja sein Landesherr erschien noch persönlich in der Wohnung, um dem treuen Unterthan die letzte Ehre zu erweisen. Noch kurz vor seinem Ableben hatte S. einen „Abschiedsgruß an Großherzog Friedrich von Baden“ gedichtet und diesen nach seinem Tode zu überreichen den Oberbürgermeister von Heidelberg gebeten. Eine an ihn gerichtete Bitte um eine Abschrift (Zernin, Erinnerungen S. 92) beschied der Fürst dahin, daß er sich nicht entschließen könne, jenes Gedicht veröffentlichen zu lassen, da dasselbe zu viel Persönliches enthalte. Aus seinem Nachlaß wurden, abgesehen von den bereits erwähnten Reisebildern und den „Fünf Dichtungen“, die sämmtlich auch schon verstreut gedruckt waren, seine „Gedichte“ (Stuttgart 1888) veröffentlicht, die ebenfalls zum Theil bereits Bekanntes und zum Theil Unreifes, von S. kaum zur Veröffentlichung Bestimmtes enthalten. Ob die in seiner Hinterlassenschaft sich[1] befindlichen Romanfragmente jemals an die Oeffentlichkeit gelangen werden, darüber ist bis jetzt nichts bekannt geworden. Seine Werke haben eine Verbreitung gefunden, wie sie in Deutschland wohl einzig dastehen dürfte; sein „Ekkehard“ und sein „Trompeter“ sowie seine Lieder sind Gemeingut unseres Volkes geworden und werden auch für alle Zeiten Zierden der Weltlitteratur bleiben.
- K. Alberti, Der Lieblingsdichter des neuen Deutschland. Schorers Familienblatt 1886. – Ammon, Scheffel u. Karlsruhe. Bad. Landeszeitg. 1886. – R. Artaria, Erinnerungen an den Dichter des „Ekkehard“. Gartenlaube 1886. – K. Bartsch, Joseph Victor v. S. Beilage z. Allgem. Zeitg. 1886 Nr. 126. 127; – derselbe in Nord u. Süd 1878. H. 16. – K. Blind, Erinnerungen an S. Neue Freie Presse 1886. – O. Brahm, Joseph Victor v. S. Deutsche Rundschau XII. H. 11. – Th. Cathiau, Scheffel’s Wohnhäuser. Karlsr. Zeitg. 1886; – derselbe, Scheffel’s letzte Tage u. Stunden. Bad. Landesztg. 1886. – Felix Dahn, Erinnerungen an meinen lieben Joseph. Ruperto-Carola-Festschrift. – A. Dammert, Aus meinen Beziehungen zu S. u. s. Eltern. Mülhausen 1889, – A. Ewich, Aus den Akten der Gemeinde Gabelbach. Bad. Landeszeitg. 1886. – Erinnerungsblätter [791] an J. V. v. S. Prag 1886. – Festzeitung zur akad. Scheffel-Feier. Karlsruhe 1887. – Festgabe zu Ehren Scheffel’s. Wien 1876. – K. E. Franzos, Aus Scheffel’s Sturm- u. Drangzeit u. s. w. Deutsche Dichtung 1887. 1888. Neue illustr. Zeitg. 1886. – A. v. Freydorf, Scheffel-Erinnerungen. Ruperto-Carola-Festschrift 1886. Deutsche Revue 1888. Magazin f. Litteratur 1888. – E. Frommel, Aus goldnen Jugendtagen. Stuttgart 1888. – E. Geiger, Frau Aventiure. Stuttgart 1887. – Fr. Geßler, Wie S. geadelt wurde. Gegenwart. Bd. 30. – A. Hausrath, J. V. v. S. u. Anselm Feuerbach. Deutsche Rundschau 1887. – Herford, Entstehungsgeschichte d. Trompeters von Säckingen. Zürich 1889. – J. Klaiber, Ein deutscher Volksdichter. Daheim 1868. – A. Klar, J. V. S. u. s. Stellung in d. deutschen Litteratur. Prag 1876. – G. Längin, zur Erinnerung an V. v. S. Straßb. Post 1886. – Meinhardt, v. S. Westermanns Monatsh. Bd. 39. – H. Pilz, V. v. S. Leipzig 1887. – J. Prölß, J. Scheffel’s Leben u. Dichten. Berlin 1887. – E. Rittershaus, Ueber V. v. S. Neue Freie Presse 1888. – A. Ruhemann, J. V. v. S. Stuttgart 1887. – Scheffel-Gedenkbuch. Wien 1890. – C. Schwanitz. Erinnerungsblatt an J. V. v. S. Ilmenau 1886; – derselbe, Wahrheit u. Dichtung. Ilmenau 1888; – derselbe, Blätter d. Erinnerung. Ilmenau 1852. – J. Stöckle, J. V. v. S. Der Dichter des fröhlichen Wanderns. Paderborn 1888. – A. v. Werner, Erinnerungen an V. v. S. Gegenwart. Bd. 29. – G. Zernin, Erinnerungen an D. J. V. v. S. Darmstadt 1887; – derselbe, Ein Bericht Scheffel’s über d. badischen Aufstand v. 1849. Deutsche Revue 1887. – E. Ziel, J. V. v. S. Westermann’s Monatsh. 1886; – derselbe, Literar. Reliefs II. Leipzig 1887. – etc. etc. (Eine Zusammenstellung sämmtlicher Bücher, Schriften, Abhandlungen etc. von und über Scheffel von dem Verfasser dieser Biographie erscheint demnächst.)
[777] *) Zu S. 676.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 790. Z. 18 v. u. streiche: sich. [Bd. 33, S. 799]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Julius Klaiber (1834–1892), Gymnasialprofessor in Stuttgart.