ADB:Rudhart, Georg Thomas von

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Artikel „Rudhart, Georg Thomas von“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 457–459, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudhart,_Georg_Thomas_von&oldid=- (Version vom 28. April 2024, 16:07 Uhr UTC)
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Rudhart: Georg Thomas v. R., Historiker und Archivar, wurde zu Weismain, einem bambergischen, früher meranischen Städtchen, am 27. März 1792 geboren. Sein Vater Franz Anton R. war Polizeicommissär in fürstbischöflichen Diensten, seine Mutter Rosina, geb. Fuchs, stammte aus einem Geschlecht, das seit drei Jahrhunderten die Bürgermeisterstelle im Städtchen inne hatte. 1804 trat der Knabe in die Studienanstalt zu Bamberg, wohin sein Vater versetzt worden war. 1810 bezog er die Universität Erlangen, um sich zum Juristen auszubilden; im nächsten Jahre siedelte er nach Landshut über. Als jedoch der Krieg von 1813 ausbrach, trat der Student als Freiwilliger in die baierische Armee und wurde zum Unterlieutenant im leichten Infanterie-Bataillon Fick befördert. Nach Abschluß des Pariser Friedens benützte er die Muße des Garnisonsdienstes zu geschichtlichen Studien, wozu er schon in Erlangen durch Breyer angeregt worden war. 1822 schied er aus der Armee, um größere Reisen, insbesondere nach dem Westen Europa’s zu unternehmen. Nach seiner Rückkehr glückte es ihm, eine seinem Wissen und Streben entsprechende Stellung zu erlangen. indem er zum Lehrer der Geschichte am Lyceum zu Bamberg – vorerst in provisorischer Weise – ernannt wurde. Dieser Beruf führte ihn zunächst zu eingehenderem Studium der Urgeschichte des baierischen Volkes. 1826 veröffentlichte er eine Dissertation „Ueber den Unterschied zwischen Kelten und Germanen“; dieselbe sucht festzustellen, daß die Bojer, gleichviel ob man germanische oder keltische Abkunft annehmen wolle, keinesfalls als Stammväter der Bajuwaren anzusehen seien, und legt dagegen Verwahrung ein, daß das [458] bairische Volk zu keltischen Auswürflingen herabgewürdigt und den Bajuwaren ein echt deutscher Ursprung abgesprochen werde. Das Schriftchen zog die Aufmerksamkeit König Ludwig’s I. auf sich, und im nächsten Jahre erhielt der junge Historiker ein königliches Stipendium, um sich auf der Göttinger Hochschule unter Heeren’s Anleitung zum Forscher und Lehrer auszubilden. In Göttingen begann R., angeregt durch den reichen Schatz englischer Litteratur, den die Universitätsbibliothek darbot, seine erste größere Arbeit, eine Biographie des Thomas Morus (1829). Die tüchtige Leistung wird dadurch beeinträchtigt, daß die „auf weiteste Verbreitung im Volke“ berechnete Darstellung fortwährend durch weitläufige kritische Excurse unterbrochen wird. Thomas Morus ist für den Biographen „die Zierde seines Landes und Jahrhunderts, an christlicher Tugend und ächter Geistesgröße nicht leicht von irgend einem anderen Helden übertroffen“, doch ist R. hier wie in allen seinen Schriften sichtlich bestrebt, den objectiven Standpunkt festzuhalten und im Urtheil über den Streit zwischen Morus und Luther die rechte und gerechte Mitte zu treffen. 1827 erhielt R. eine pragmatische Anstellung als Professor der Geschichte am Bamberger Lyceum, und 1829 wurde damit die Professur für Philologie und Alterthumskunde vereinigt. Rudhart’s Vorlesungen entbehrten des Schwunges und der Eleganz, zeichneten sich aber durch Gründlichkeit aus; es war ihm darum zu thun, seinen Hörern möglichst viel positives Wissen zu übermitteln und zugleich dieselben in’s Studium der Quellen und in die Methodik der Behandlung geschichtlichen Stoffes einzuführen. Wie anregend er trotz der Trockenheit seiner Vortragsweise sowol am Lyceum zu Bamberg, als später an der Münchener Hochschule, insbesondere dadurch, daß er jeden Stoff durch Vorzeigung von Urkunden, Münzen und Abbildungen illustrirte, zu wirken verstand, lebt im dankbaren Gedächtniß seiner Schüler noch heute fort. Als Frucht seiner Muße erschien 1835 die Schrift „Ueber die Behandlungsweise der baierischen Geschichte“. Der Verfasser zieht gegen die lächerliche Selbstgenügsamkeit von Pallhausen und Consorten zu Felde, welche die bisherigen Leistungen baierischer Geschichtsforscher als schlechtweg „unübertrefflich“ und eine Berücksichtigung der Franken und Schwaben als „unterworfener Völkerschaften“ für „überflüssig“ erachteten; wie Lang und Feßmaier hält R. die Aufnahme der Geschichte der vom Luneviller Frieden bis zum Wiener Vertrag von 1819 erworbenen Territorien für unbedingt erforderlich und schlägt Anwendung einer synchronistisch-ethnographischen Methode vor, wonach die Geschichte der im Königreich vereinigten Stämme und der späteren Reichsstandschaften zugleich mit der altbaierischen periodenweise vorgetragen werden sollte. Verdienstlicher als solche, wie Böhmer spottete, „rückwärtige Gesammtgeschichtsconstruirung“, die wenigstens für die spätere Zeit der zunehmenden Zersplitterung unüberwindliche Schwierigkeiten darbieten würde, waren andere Vorschläge zu wirklich kritischer Behandlung der bairischen Geschichte, in welcher bisher aus falscher Pietät an zahlreichen Irrthümern festgehalten worden war. Insbesondere wird auch, der Weisung Hume’s gemäß, verlangt, daß in einer Landesgeschichte nicht blos die äußeren, rein politischen, sondern ebenso eingehend die inneren Verhältnisse nach den Hauptmomenten: Staat, Kirche, Volksleben, Kunst und Wissenschaft Berücksichtigung finden sollen. Den hier gestellten Anforderungen suchte R. selbst zu entsprechen in seinem Hauptwerk, der „Aeltesten Geschichte Baierns und der in neuester Zeit zum Königreich Baiern gehörigen Provinzen Schwaben, Rheinland und Franken“ (1841). Der erste Abschnitt schildert die keltische und die germanische Urbevölkerung des deutschen Südens, das Eindringen und die Ansässigmachung der Walen, sowie das Ende der Römerherrschaft, der zweite Theil behandelt die einzelnen in Süddeutschland seßhaften Germanenstämme und schildert deren Verfassungen, Cultus und Culturleben. In Bezug auf die seit vierhundert Jahren vielerörterte Abkunft der [459] Baiern gelangt der Verfasser, hauptsächlich auf die Angaben der Vita St. Severini sich stützend, zu einer von der Zeuß’schen Markomannentheorie abweichenden Ansicht; er läßt die Baiern abstammen von Resten der Heruler, Rugier, Gothen und anderer Völker, welche nach dem Sturze der hunnischen Macht an den Ufern der Donau sich niedergelassen hatten. Dem Beifall, der seinen historischen Arbeiten zu Theil wurde, und dem Ansehen, das er als Lehrer genoß, hatte er zu danken, daß ihm (13. October 1847) eine Professur der Geschichte an der Münchener Hochschule und bald darauf (15. März 1849) auch die Leitung des allgemeinen Reichsarchives, dessen Reichthum an Urkunden und Handschriften bekanntlich nur in Paris und London seines gleichen hat, übertragen wurde. Damit war ihm ein seinen Fähigkeiten und Neigungen besonders entsprechender Wirkungskreis erschlossen. Gerade damals, nach Erlaß der Gesetze über Aufhebung der standes- und gutsherrlichen Gerichtsbarkeit, Ablösung der Grundlasten, des Lehenverbandes etc., mußten die Archive erheblich gesteigerte Thätigkeit im Dienste der Verwaltungsbehörden und processirender Privaten entfalten; gleichwol ließ sich R. eifrige Förderung der Wissenschaft angelegen sein; die Benützung der Archive durch Geschichtsforscher wurde wesentlich erleichtert, mit Publication der Regesta Boica fortgefahren, andere von R. sorgfältig vorbereitete archivalische Publicationen scheiterten an der Ungunst der Verhältnisse. Nur das seit 1850 von R. redigirte Taschenbuch für vaterländische Geschichte, das fast ausschließlich aus bairischen Archiven geschöpfte Beiträge Rudhart’s und anderer Archivbeamten enthielt, erlebte noch mehrere Jahrgänge (bis 1857). Von Rudhart’s akademischen Schriften seien erwähnt die Abhandlung über Wallenstein’s Schuld (1850), wo er insbesondere aus der Correspondenz des Marquis de Feuquières mit Ludwig XIII. nachzuweisen suchte, daß der Friedländer des Verraths am Kaiser wirklich schuldig war, die Festreden über Lorenz Westenrieder als Geschichtsschreiber seines Volkes (1854) und den „gelesensten Schriftsteller der Neuzeit“, Macaulay (1859). Als König Max die Hebung des wissenschaftlichen Lebens in Baiern ins Auge faßte und seiner Neigung entsprechend hauptsächlich zur Förderung historischer Unternehmungen Männer von genialer Productivität um sich versammelte, wußte er auch der achtungswerthen Kraft des einheimischen Gelehrten die geeignetste Aufgabe anzuweisen, indem er ihn an die Spitze einer Commission setzte, welche das in bairischen Archiven und Bibliotheken befindliche, noch unbekannte oder doch ungedruckte Quellenmaterial veröffentlichen sollte. Freilich sind die einzelnen Bände der „Quellen und Erörterungen zur baierischen und deutschen Geschichte“ (1856) von ungleichem Werth; das Unternehmen wurde von vornherein dadurch geschädigt, daß auf Wunsch des Königs sofort ohne weitere Vorarbeiten mit Publicationen begonnen werden mußte, woraus sich der form- und planlose Charakter der Sammlung erklärt. R. gehörte auch zu den ersten, vom König ernannten Mitgliedern der am 20. August 1858 in’s Leben gerufenen Historischen Commission, betheiligte sich aber nur noch an den statutarischen Festsetzungen, nicht mehr an den Arbeiten des Instituts. Am 10. November 1860 raffte ein Schlaganfall den charakterfesten, berufstreuen Mann hinweg. –

Muffat, Denkrede auf G. Th. v. R., 1861. – Personalacten in den k. Archiven.