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ADB:Spitzweg, Carl

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Artikel „Spitzweg, Karl“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 226–230, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spitzweg,_Carl&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:09 Uhr UTC)
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Band 35 (1893), S. 226–230 (Quelle).
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Spitzweg: Karl S., Genre- und Landschaftsmaler, geboren am 5. Februar 1808 zu München als der Sohn des vielfach verdienten Kaufmanns Simon S., welcher sich als echter Patriot in der Kammer der Abgeordneten hervorthat, ebenso auch in den städtischen Collegien; als bürgerlicher Magistratsrath beantragte er 1819 die Errichtung einer Erziehungs- und Bildungsschule für künftige Bürger, welcher 1822 eine höhere Töchterschule folgte. Simon S. gab auch die Anregung zu einem Denkmal für König Maximilian I. als unvergängliches Zeichen des Dankes seiner Landeskinder für die 1818 erfolgte Verleihung der Constitution. – Von seinen drei Söhnen sollte, wie Simon S. halb scherzhaft meinte, der eine Arzt, der andere Apotheker werden und der dritte die väterliche Material- und Spezereiwaaren-Handlung übernehmen, „damit sie einander in die Hände arbeiten könnten“ – ein Beleg dafür, daß der Humor, welcher sich so reichlich auf unseren Künstler vererbte, im Hause des Vaters nicht zu den importirten Waaren gehörte. Karl S. genoß gleich den übrigen Geschwistern eine vorzügliche Erziehung, absolvirte das Gymnasium und trat dann als Lehrling in die unter Dr. Pettenkofer’s Direction florirende kgl. Hof- und Leib-Apotheke. Hier hantierte S. vier Jahre lang, führte den Stößel, drehte Pillen, strich Pflaster und schrieb die Signaturen auf Gläser und Schachteln; endlich freigesprochen conditionirte S. als „Subject“ in einer Apotheke zu Straubing und bezog darauf 1830 die Universität München, welche er nach zweijährigem fleißigen Studium mit der Note der Auszeichnung verließ. Die fröhliche Aussicht, als Provisor zu Zürich oder St. Gallen einzutreten, vereitelte 1833 eine schwere Krankheit, welche einen längeren Aufenthalt in dem am Fuße des Peißenbergs gelegenen Bade Sulz wünschenswerth machte. Der Zufall wollte, daß hier mehrere Künstler und Dilettanten zusammentrafen, und daß Dr. Zeuß, der Besitzer dieser Anstalt, selbst ein begeisterter Kunstfreund, allen seinen Gästen empfahl, nicht allein die schöne Natur zu genießen, sondern auch durch Zeichnungen in der Erinnerung festzuhalten. Dem Drängen des „Herbergvaters“ war nicht auszukommen und so mußte nicht allein Frl. Dietrich, die Vorsteherin des kgl. Erziehungs-Instituts für adelige Fräulein, und der damals schon bejahrte Akademiker und Chemie-Professor Dr. Joh. Nep. v. Fuchs tagtäglich zu neuen Aufnahmen schreiten, auch unser S. unterzog sich der Haussitte und brachte zur allgemeinen Heiterkeit als erste Leistung die wahrhafte Abbildung eines benachbarten – Kalkofens zur Ansicht dieser idyllischen Kunstenthusiasten. Den größten Einfluß aber auf S. und daß derselbe die Wege zur Kunst einschlug, gewann Christian Heinrich Hansonn, welcher sich gleichfalls aus einem anderen Lebensberuf zur Malerei durchgerungen hatte: er [227] war es, welcher die schlummernde Begabung erkannte und seinen Freund mit der Handhabung von Palette und Pinsel vertraut machte. Seinem Drängen gelang es endlich, daß S. das erste Bild, eine staffirte Landschaft, vom Stapel ließ (1836), welches im Kunstverein zu Hannover angekauft wurde. Damit war aber für S. die Ueberzeugung noch nicht gewonnen, daß er echten Künstlerberuf besitze; erst nach längerem Operiren wagte er sich 1837 mit seinem lustigen Genrestückchen „Der arme Poet“ in den Münchener Kunstverein, fand aber damit eine so abkühlende Aufnahme, daß S. für viele Jahrzehnte kein weiteres Bild – wenigstens nicht unter seinem wahren Namen – zur Ausstellung brachte. Der Stoff war freilich mehr als eigenthümlich geartet: der Maler schilderte seinen Helden als einen philisteriösen Pedanten und kläglichen Versifex, welcher mühsam an den dürren Fingern scandirend seine holperigen Rhythmen zu Papier bringt, in einem Mansarden-Zimmerchen sitzend auf seinem armseligen Strohlager, gegen den vom Dach durchsickernden Regen durch ein riesiges Parasol geschützt, klappernd vor Frost, da der mit den handschriftlichen Schätzen des Dichters bediente Blechofen seine wohlthuende Wirkung verweigert. Das Bild, welches 1840 auf der Kunstausstellung zu Halberstadt erschien (vgl. Kunstblatt 1840, S. 386) und dann erst nach dem Tode des Malers wieder zu München auftauchte, war braun und schwer in der Farbe, doch fest und sicher gezeichnet; es gab in unbewußter Ironie dafür Zeugniß, daß dem Maler die Ausübung seiner Kunst ebenso hart und sauer wurde, wie dem knuffigen Poetasten. Und doch enthielt das Opus schon ein Programm, dessen weitere Lösung freilich Niemand ahnte. Für München war nun der Name S. für mehrere Jahrzehnte ein unbekannter Begriff – obwohl der Maler unter fremdklingender Anonymität verkappt allerlei zur Ausstellung brachte. Auswärts aber gewann derselbe doch guten Klang. So erschien 1839 zu Karlsruhe ein „Eremit“, das Prototyp jener Specialität, mit welcher kurz vorher Schwind geglänzt hatte und S. in der Folge so erfreuliche Anerkennung gewann, dann ein mit einem drallen Bauernmädchen schäkernder „Mönch“ und allerlei Humoristisches, in welchem der jocose Grundzug des Künstlers mit philisteriöser Behaglichkeit und urkomischer Gemüthlichkeit offen zu Tage trat. Als weitere Proben mögen sein „Sonntagsjäger“ (1844) und „Wittwer“ (1845) gelten, welch’ Letzterer mit süßer Wehmuth die Silhouette seiner Höchstseligen an das Herz drückt und doch zugleich zweien leicht vorüberschwebenden Schönen nachäugelt. Einen willkommenen Tummelplatz gewann Spitzweg’s unversiegliche Laune, als der ihm durchaus congeniale Kaspar Braun im Verein mit Friedrich Schneider die wirklich weltbekannt gewordenen „Fliegenden Blätter“ begann (1844), wozu S., alsbald ein fleißiger Mitarbeiter, eine Anzahl urkomischer Einfälle, Charakterbilder und Caricaturen beisteuerte, welche sich durch ihren unverkennbaren Strich der Zeichnung und die Originalität des Einfalls aus den ersten fünfzehn Bänden leicht herausfinden lassen. Dazu gehören beispielsweise die „Große Oper“ (I, 40), der „Renegat“ (I, 47), die „Naturgeschichte“ in sieben Folgen, die projectirten Denkmäler für die Erfinder der Stiefelzieher (I, 88), des Fracks (I, 96) und des Rebus (I, 104), die köstlichen „Wachsfiguren“ (II, 74. 118), der Paukenschläger in „Mehul’s Jagdsymphonie“ (IV, 77), der Tenorist im „Belisario“ (IV, 158), der „Reissuppen-Effendi“ (VI, 85), die „Wachtstubenfliegen“ (VII, 56. 127. 134, theilweise auch in Nr. 34 und 264 der „Münchener Bilderbogen“), „Hugo der Katzensteiner“ (VIII, 61), der „Sommernachtstraum“ (XII, 120), und der „Stadttrommler“ (XII, 128) und viele andere Blüthen seiner scurrilen Unerschöpflichkeit, an welche indessen später der alternde und künstlerisch abgeklärte Mann nicht mehr erinnert werden wollte. Er betrachtete diese Thätigkeit, ebenso seine Beiträge zu Trautmann’s „Nürnberger Trichter“ als seine Sturm- und Drangperiode, aus welcher er sich, obwohl mit ungeschwächter Heiterkeit verfeinert, [228] glücklich zum feinfühligen Maler emporgearbeitet hatte, dessen überaus wohllautend gestimmte Farbe auf langen, schweren Wegen gefunden werden mußte. Hierzu hatte ihn das Vorbild des vielfach geistesverwandten Hermann Dyck und die Freundschaft mit Eduard Schleich gefördert, wozu auch Karl Rahl, welcher 1848 wie ein Komet am Münchener Kunsthimmel auf Gastrollen vorüberzog, unwillkürlich beitrug. Die theoretisirende Praktik des letzteren führte jedoch nicht weiter als daß S. vorübergehend in Burnet’s „Principien der Malerkunst“ sich vertiefte, nachdem er früher schon Italien besucht und mit Eduard Schleich eine Studienfahrt nach Paris, London und Antwerpen gewagt hatte (1851), auch copirte er einige Zeit, abermals in Schleich’s Begleitung, in der Gallerie zu Pommersfelden, wo ihn Berghem, Gonzales Coquez, Ostade und van der Poel vorübergehend interessirten. Der Hauptsache nach blieb S. durchweg Autodidakt, wobei er freilich aus den jeweiligen coloristischen Strömungen nach seinem Ermessen Nutzen zog und schließlich selbst noch durch Piloty’s Erscheinung unbewußt gefördert wurde. So bewahrte er seine unverminderte Originalität, Frische und Heiterkeit des Geistes und der Technik, selbst ein herzensguter, hartgesottener Junggeselle mit drolligen Wunderlichkeiten, welche in allen seinen Bildern mit wohlbewußter Naivetät unverkennbar durchschimmern. Seine im ältesten Stadttheile Münchens hochgelegene Wohnung mit dem krausen Atelier bot die Aussicht über Dächer, Giebel und Zinnen nach fernen Thürmen; das Innere bildete ein Aggregat von nüchterner Ungemüthlichkeit und überraschender Luxuslosigkeit, welche indessen seine unermüdlich spinnende Poesie zum trautesten Heim förderte. Hier saß er, obgleich lange nicht in so behaglicher Umgebung wie seine verknöcherten Anachoreten, Spießbürger, Invaliden und Bücherwürmer, selbst eine Incarnation aller vorgenannten Ingredientien. Da spann er sich ein, nur von wenigen, aber unverbrüchlich Getreuen besucht, unter welchen Fr. Pecht und Moriz v. Schwind in regelrechter Wiederkehr zusprachen; hier malte er hinter einem sehr bescheidenen Fenster bei halbem Nordlicht und nahm auch seine höchst einfache Mahlzeit an einem kaum drei Spannen breiten Tischchen ein, an welchem er Abends zu sitzen pflegte, meist allein, in ausgebreitete Lectüre vertieft, wobei z. B. Hegner’s „Molkenkur“ ihn ganz gefangen nahm und seine ungetheilte Bewunderung erregte. S. war ein ausgesprochener Charakterkopf mit stark hervorstechender Nase, worauf eine schwere silberne Brille mit scharfen Gläsern saß; das imposante Haupt mit den unendlich wohlwollenden Augen ruhte auf einer durch spitze Vatermörder erhöhten mächtigen Cravatte; der nur leise vorgesenkte Oberkörper ließ selbst bei dem Siebziger die Last der Jahre noch nicht errathen. Seine sehr langsame, umständliche, höchst trockene und doch von Geistesblitzen durchheiterte Redeweise war von einer beneidenswerthen Drastik begleitet, welche jede Persönlichkeit, von welcher gerade die Rede war, in überraschender Mimik unwillkürlich zur Darstellung brachte. Die Reihenfolge seiner Bilder, von denen er nach dem Wunsche seiner Besteller und Freunde viele aus der Erinnerung variirte, ist geradezu unabsehbar. Zu seinen ältesten Schöpfungen zählen die „Wäscherinnen“, darstellend eine dicke mit Aufhängen von Hemden beschäftigte Waschfrau; ihr gegenüber erblickt man nur die zierlichen Füßchen ihres Töchterleins unter einem riesigen, sonnenbeschienenen Leinlacken, auf welchem der weitere Schattenriß sichtbar wird, während ihr Köpfchen zum nicht geringen Entsetzen der Mutter eben in auffällige Annäherung mit den Lippen eines anderen, durch Raupenhelm und Schnurrbart kenntlichen Schattens kommt. Daran reihen sich der „Baumgarten“ (1843), der „Sonntagsjäger“ (1844), die „Einsiedler“ (1849 in Hannover), der „Unterricht im Freien“, die „Resultate des Unterrichts“ (1850), der „Polizeidiener“ und „Bücherwurm“ (1852), der „Federschneidende Schreiber“ (1854), die „Schulkinder“ (1859), die „Anachoreten“ (1860), der „Bibliothekar“ (1860), der [229] „Portraitmaler“ (1862), die „Dachauerinnen an der Waldkapelle“ (1862), der „Briefbote“ (1862), der „Postwagen“ (unter dem Titel „Einsteigen!“ radirt 1860 von C. Geyer als Gegenstück zu der „Platonischen Liebe“, gleichfalls gestochen von demselben Künstler), der „Schulmeister in Aengsten“ (Lithographie von J. Bergmann), „Wiedersehen alter Freunde“, der „Geolog“ (1864), der „Astrolog“, das „Spanische Ständchen“ (1865, in der Gallerie des Grafen Schack, reproducirt in Berggruen’s Ausgabe und als „Serenade“ in der großen Spitzweg-Mappe), die „Sennerinnen“ (Graf Schack), die „Scharwache“ und das deutsche „Ständchen“ (beide in Besitz der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich), die „Waldkapelle“, der „Aufgang zur Alpe“ u. s. w. Auf der Ausstellung zu Paris 1867 war S. mit einem „Spaziergang“, zwei Landschaften (eine im Besitz der Familie Bethmann zu Frankfurt), einem „Türkischen Kaffeehaus“ (Motiv aus Venedig, im Besitz des Grafen Schack), einer „Serenade aus dem Barbier von Sevilla“ und „Kinder in den Bergen“ (Wülker in Frankfurt) vertreten. In den beiden letzten Decennien seines Lebens entwickelte S. eine neue überraschende Thätigkeit: Mit unermüdlicher Frische und Heiterkeit schuf er eine Menge kleiner, in der Farbe höchst feingestimmter, äußerst zart empfundener, meist von einer höchst liebenswürdigen Behaglichkeit und leiser Humoristik angehauchter Bildchen, in welchen er mit beschaulicher Laune seine eigenen Erlebnisse poetisch gestaltete und seine keineswegs seltenen zärtlichen Regungen in köstlichen Idyllen ironisirte. Eine dieser Scenen zeigt den Maler, wie er als alter Knabe frühmorgens zum Fenster hinaus und über die Dächer hinweg voll Mitleid eine junge Nähterin sieht, welche die ganze Nacht durchgearbeitet und gar nicht bemerkt hat, wie es Tag geworden. Da ist ein alterthümlich befrackter Hagestolz, „der ewige Hochzeiter“, welcher einer am Marktbrunnen scheuernden jugendlichen Küchenfee feierlich wieder einmal einen Blumenstrauß überreicht, zum holdseligen Vergnügen der aus allen Fenstern lauernden Klatschschwestern. Dann treffen wir einen gelahrten Bücherwurm, der am fliegenden Laden eines Trödlers irgend einen alten Schmöcker entdeckte, während hoch über ihm auf einem waghalsigen Gerüste ein schnellmalender Fludribus das Giebelbild eines Hauses neu frescotirt. Ein schmales, überhöhtes Bildchen gewährt den knappen Einblick in ein enges Gäßchen, wo ein junges Liebespaar in glücklicher Vergessenheit vorüberstreicht an der Bude eines Antiquars, vor welcher unter anderem Urväterhausrath auch ein Gypsabguß der gerade dem Meere entsteigenden Aphrodite in eine leere Wiege blickt, neben welcher zärtliche Tauben schnäbeln. Das Gegenstück bilden drei entzückende Kinderchen, welche mit aufgehobenen Schürzen einen vorübersegelnden Storch um ein Brüderchen ansingen! Bei solchen Stoffen bekundete sich nun das weitere Talent des Künstlers allmählich immer glänzender, zu seinen Figuren ebenso originelle als passende Architekturen und Landschaften zu erfinden. „Gerade darin erwies sich seine echt künstlerische Begabung am auffallendsten: in dem ungeheuren Formengedächtniß, das ihm nicht nur eine wahrhaft unermeßliche Menge von komischen Figuren aller Art, wie er sie in seiner Jugend gesehen, aufzubehalten ermöglichte, sondern auch alle Details der grilligen und wunderlichen Baulichkeiten, wie man sie in den oberbaierischen und schwäbischen Landstädtchen findet.“ Diese minutiös durchgeführten Plätze, Gäßchen und Winkelchen, wie sie zu seinen Kleinstädtereien so einzig paßten, lieferte seine Phantasie mit derselben sicher treffenden Findigkeit, womit S. die reizendsten Landschaften componirte, ohne daß er jemals irgend eine seiner Naturstudien verwendet hätte. So schuf er lauschige Waldscenen voll erfrischender Einsamkeit, schwer wogende Saatfelder im mittägig lastenden Sonnenglast, gewaltige Bergthäler mit steilragenden Felswänden, unter welchen die menschliche Staffage der kleinen Mähderinnen beinahe verschwindet, phantastische Drachenhöhlen und die mit den seltsamsten Anachoreten besetzten Steinwüsteneien. [230] Auch allerlei Hexen-, Nymphen- und Zauberspuk, der einem in weltabgeschiedener Beschaulichkeit sich kasteienden Troglodyten zusetzt, floß ihm sozusagen aus der Feder, wobei doch wieder seine gemüthliche Ironie oder behagliche Philisterhaftigkeit dem Maler gerne die Hand führte, ebenso wie bei jenen Gestalten und Figuren aus verschollenen Tagen, diesen Blasen und Blüthen aus der „guten alten Zeit“, wobei die jetzt fast unmöglich adjustirten Bürger- und Stadt-Milizen, die Unheimliches witternden und auf Verdächtigkeiten ausziehenden Scharwachen, die ganze Winkelkrammische Soldateska, wie selbe auch Riehl in seiner Novellette „Burg Neideck“ abschildert, die obstrusen Gelehrten und Bibliothekare, die Bürgermeister und Rathsväter, kleine und hohe Beamte, Schulmeister und verlorene Vorposten mit und ohne Zopf, nebst ihren angebeteten Ehesponsen, mit täppischen Studenten, langhaarigen Malern und fahrenden Schauspielern das obligate Contingent von Spitzweg’s heiterer Muse bilden. In solch artistischem Aprilwetter seines Humors gänzlich absorbirt, arbeitete S. ebenso wie der ihm freilich völlig unbekannte aber unverkennbar congeniale spanische Maler Jimenez an seinen meist in kleinem Format gehaltenen Bildern zu seines eigenen Herzens Freude und Erquickung, er mußte sie malen, unbekümmert um die Oeffentlichkeit, vor welcher S. immerdar ein lächerliches Grauen verspürte, denn seinen Namen überhaupt in der Zeitung zu finden, sei es nun in gutem oder feindseligem Sinne, konnte ihm schlaflose Nächte bereiten! Ebenso wurde der sonst immer harmlose Maler sehr übellaunig und verdrießlich, wenn er seine Bilder verkaufen oder gar Geld dafür nehmen sollte, während er keinen Anstand nahm, selbe sehr bereitwillig und großmüthig zu verschenken. Vielfach ausgezeichnet als Mitglied verschiedener Akademien, unbehelligt von materiellen Sorgen, doch nur von Wenigen näher gekannt, von diesen aber geachtet und verehrt, arbeitete S. mit ungeschwächter Kraft, in unauslöschlicher Heiterkeit und geistiger Frische bis zu seinem nach kurzer Krankheit am 23. September 1885 erfolgten Ableben. Alsbald veranstalteten seine Freunde eine aus mehr denn zweihundert sorgsam vollendeten, theils im Staats- oder Privatbesitz befindlichen Bildern bestehende Ausstellung im Münchener Kunstverein, welche von da einen weiteren Triumphzug über Berlin, Köln, Dresden, Frankfurt, Leipzig, Prag, Stuttgart und Wien antrat und den Namen des Künstlers in den weitesten Kreisen zu den längst verdienten Ehren brachte. Eine Auswahl der hervorragendsten Gemälde des Meisters erschien dann als „Spitzweg-Mappe“ durch Albert’s Kupferdruck-Reproduction in zwölf Blättern, mit Vorwort von Fr. Pecht, herausgegeben von Eugen S. (im Verlag von Braun & Schneider, 1886, Gr.-Fol.), welcher eine „Neue Spitzweg-Mappe“, abermals mit zwölf weiteren Reproductionen in gleichem Verlag (1888, kl. 8°) folgte. Sein Porträt zeichnete Grützner und Sporrer, eine sehr ähnliche Büste modellirte Konrad Knoll. Außer einer umfassenden, feinen Bildung und ausgedehntem Wissen und einer weitläufigen Belesenheit besaß S. auch schöne Kenntnisse in der älteren Kunstgeschichte, deswegen rühmt ihn auch der wackere Nagler, da S. zu den Wenigen gehörte, welche das Riesenwerk der „Monogrammisten“[WS 1] (vgl. S. 16 der Vorrede zum ersten Bande, 1858) durch zuverlässige Notizen förderten.

Vgl. Hagen, Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert, 1857. – Münchener Propyläen 1869, S. 39. – Regnet, Münchener Künstler, 1871, II, 268–76 u. in Lützow’s Zeitschr. XXI, 77–82. – Gf. Schack, Meine Gemäldegallerie, 1881, S. 189–91. – Berggruen, Die graphischen Künste, 1883, V. Jahrg. – Fr. Pecht in Beil. 282 d. Allgem. Zeitung v. 11. Oct. 1885 u. dessen Geschichte der Münchener Kunst, 1888, S. 154. – Münchener Kunstvereins-Bericht für 1885, S. 69. – Rosenberg, Münchener Malerschule seit 1871, S. 6.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Im Original fehlt das schließende Anführungszeichen.