De vulgari eloquentia/I. Buch – Erstes Kapitel

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Erstes Buch.




Erstes Kapitel.
Was die Volkssprache sei, und wie sie sich von der Grammatik unterscheide.


Da wir finden, daß Niemand vor uns die Lehre von der Volksberedsamkeit behandelt habe, und wir sehen, daß eine solche Beredsamkeit Allen durchaus nöthig sei, da ihr nicht blos Männer, sondern auch Frauen und kleine Kinder nachstreben, soweit die Natur es erlaubt, indem wir den Verstand Derer einigermaßen aufklären wollen, welche wie blind durch die Straßen wandeln, meistens das Hintere für das Vordere haltend, werden wir, mit vom Himmel günstig hauchendem Worte, der Rede der Völker zu nützen versuchen, nicht blos das Wasser unsers Geistes für einen solchen Trunk schöpfend, sondern durch Empfang oder Auswahl von Andern, das Bessere mischend, um daraus den süßesten Honigwassertrank bereiten zu können. Aber weil man nicht jede Lehre billigen, sondern seinen Gegenstand erschließen muß, damit man wisse, was es sei, womit er sich beschäftigt, sagen wir schnell aufmerkend, daß wir die Volkssprache diejenige nennen, an welche sich die Kinder durch ihre Umgebung [96] gewöhnen, sobald sie anfangen, die Stimmen zu unterscheiden, oder mit kürzerem Ausdruck, Volkssprache, behaupten wir, sei diejenige, welche wir ohne alle Regel der Amme nachahmend lernen. Wir haben sodann eine andere zweite Rede, welche die Römer Grammatik genannt haben. Diese zweite haben nun die Griechen und Andere, aber nicht Alle; zum Gebrauch derselben aber gelangen nur Wenige, weil wir nur in geraumer Zeit und durch anhaltenden Eifer Regeln und Lehre derselben fassen. Von diesen beiden ist die Volkssprache die edlere, theils, weil sie zuerst von dem menschlichen Geschlechte gebraucht wurde, theils, weil der ganze Erdkreis sich derselben erfreut, obgleich sie in verschiedene Ausdrücke und Wörter sich getheilt hat, theils weil sie uns natürlich ist, während jene vielmehr künstlich vorhanden ist; und von dieser edleren ist unsere Absicht zu handeln.