Ein Dichter „für Herz und Haus“

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Titel: Ein Dichter „für Herz und Haus“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 259–260
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[259] Ein Dichter „für Herz und Haus“. Wer kennt nicht den Herrn v. Miris der „Fliegenden Blätter“, den Sänger jener heiteren Lieder, die unter dem Titel „Von mir is’s“ gesammelt erschienen sind, den schalkhaften Verfasser der „Lustigen Naturgeschichte“ und der „Lustigen Botanik und Mineralogie“! Nur wenige aber werden wissen, daß hinter diesem Pseudonym und dem Humor, der unter solcher Flagge segelt, ein Dichter voll innigen Ernstes, voll ursprünglicher Poesie sich verbirgt – Franz Bonn, ein bayerischer Jurist, seit 1881 Präsident der Domänenkammer des Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg. Bonn hat sich seit langen Jahren – er ist am 30. Juli 1830 zu München geboren – mit Glück auch in der erzählenden und dramatischen Dichtung versucht, aber als Lyriker ist er erst in seinem letzten Werke (Regensburg, J. Habbel) hervorgetreten, indem er seine ernsten Gedichte zu einem Bande vereinigte, der die einfache bezeichnende Ueberschrift trägt: „Für Herz und Haus“. Es sind die alten vertrauten Stoffe deutscher Poesie, die er behandelt; Lenz und Liebe, Vaterland und eigenen Herd, Elternglück und Kindeslust besingt er in schlichtem Tone, in der ungekünstelten Sprache wirklichen dichterischen Empfindens, und überall tritt uns dabei jenes warmfühlende Herz entgegen, das der Verfasser schon früher, namentlich in seinen preisgekrönten „Goldenen Regeln und Sinnsprüchen für den Thierschutzverein“, gezeigt hat. Besonders das Kleine und Alltägliche ist es, was Bonn poetisch erfaßt und verklärt, an dem er sich als einen rechten Dichter „für Herz und Haus“ beweist. Als Probe möge hier das Gedicht „Der alte Regenschirm“ folgen:

Seht ihr den alten Mann dort langsam geh’n,
Den Regenschirm im Arm? – Ob hell und rein
Der blaue Himmel auch, voll Sonnenschein,
Ihr werdet niemals ohne Schirm ihn seh’n.

[260]

Und doch – wär’s schade, wenn den alten Flaus,
Den Filzhut, der von Alter grün und Staub,
Ein Regen träf’?! Doch fürchtet er’s. Ich glaub’,
Er ginge ohne Schirm nicht aus dem Haus.

Und ist’s ein Schirm, was er da traget, noch?
Ein alt Gestell, geflickt und halb zerfetzt
Hängt dran der Zeug, vom Tragen abgewetzt,
Fürwahr ein schlechter Schutz! ’s ist Loch an Loch!

Und doch, er trägt ihn stets. O wüßtet ihr,
Wie werth der alte Regenschirm ihm ist!
Ach, unter ihm hat er sein Lieb geküßt,
Es sind nun sicher fünfzig Jahre schier.

Wie oft schlich er, von diesem Schirm gedeckt,
Sich an ihr Haus, und mit ihr Hand in Hand,
Vom großen sichern Dache überspannt,
Hat Kuß und Glück er vor der Welt versteckt.

Er trug den Schirm an jenem Tag bei sich,
Da man begraben einst sein holdes Lieb.
Er stand ganz fern – verstohlen wie ein Dieb
Weint unter seinem Schirm er bitterlich.

Und vor der Welt hat ihn der Schirm verhüllt,
Wenn er in seines Lebens bitt’rer Noth
Sich oft gekauft für einen Kreuzer Brot,
Als Mittagsmahl, das kaum den Hunger stillt.

Es ist der Schirm sein Freund – sein bester Halt,
Der Einzige, der niemals ihn betrog,
Ihn nie verließ und niemals ihn belog –
Sie wurden beide miteinander alt.

Morsch das Gestell, schadhaft der Ueberzug!
Was kümmert beide Licht und Sonnenschein?!
Bald wird der Himmel wieder trübe sein,
Zum Regnen giebt’s – zum Weinen Grund genug!