Geschichte von Kloster Heilsbronn/Band 3 (Teil 1)

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[(I)]
Geschichte
von
Kloster Heilsbronn
von der Urzeit bis zur Neuzeit,
von
Georg Muck,
Pfarrer in Poppenreuth, vormals in Heilsbronn.


Dritter Band.



Nördlingen.
C. H. Beck’sche Buchhandlung.
1880.


[(II)]
1993


Verlag für Kunstreproduktionen

Christoph Schmidt


Nürnberger Straße 29

91413 Neustadt an der Aisch


ISBN 3-923006-91-8


Nachdruck der Ausgabe von 1880

mit einem Nachwort von

Gerhard Rechter


Druck:

Druckerei Scheffel + Verlag GmbH

Wendelstein


[1]
Achter Abschnitt.
Die fünf Titularäbte Limmer, Francisci, Wolschendorf, Wickner und Mehlführer.

Die Abschnitte I bis VII berichteten über das Entstehen, Bestehen, Vergehen und über die einzelnen Bestandtheile des Mönchsstaates, welcher schon lange vor seiner gänzlichen Auflösung von den Markgrafen völlig abhängig war und nach dem Tode des letzten Klosterabts i. J. 1578 dem Markgrafen Georg Friedrich ganz zufiel. Man beschloß nun, aus dem größten Theil des vormaligen Mönchsstaates einen eigenen Verwaltungs- und Gerichtsbezirk zu bilden und den Verwalter und den Richter, wie bisher, in Heilsbronn wohnen zu lassen. Weiter beschloß man, die Schopper’sche Schule fortbestehen zu lassen und zu erweitern, diese erweiterte Lehranstalt „Fürstenschule“ zu nennen und die Leitung derselben einem lutherischen Geistlichen zu übertragen, welcher gemeinschaftlich mit dem Verwalter und dem Richter auch alle übrigen heilsbronner Angelegenheiten besorgen und den Abtstitel führen sollte. So wurde es auch 50 Jahre lang gehalten, bis die Schule in Folge des 30jährigen Krieges auseinander ging, später zwar sich wieder sammelte, aber nicht mehr von Äbten geleitet wurde. Die während jener 50 Jahre fungirenden fünf Äbte werden hier als „Titularäbte“ bezeichnet, weil sie mit den obengenannten 35 Klosteräbten nichts als den Titel gemein hatten. Sie waren insgesammt lutherische Pfarrer in Ansbach, die wegen Kränklichkeit dort ihres Amtes nicht mehr warten konnten, vom Markgrafen einen Ruhegehalt und die Vergünstigung erhielten, mit ihrer Familie den Rest ihrer Tage [2] in Heilsbronn zu verleben. Ihre Funktionen daselbst bestanden lediglich darin, daß sie, wenn es ihre Kränklichkeit zuließ, bisweilen predigten, sich am Unterricht in der Fürstenschule betheiligten, diese beaufsichtigten und kollegialisch mit dem Verwalter und Richter an die Regierung berichteten. Die Regierung reskribirte unter der Adresse: „An Abt, Verwalter und Richter zu Heilsbronn.“ Die Titularäbte waren lediglich markgräfliche Beamte, ihre Wirksamkeit ziemlich bedeutungslos und völlig verschieden von der bedeutungsvollen Wirksamkeit der Klosteräbte. Hier einige biographische Notizen über dieselben.


1. Konrad Limmer,[1]

der erste Titularabt von 1579 bis 89, geboren 1522 in Neustadt an der Orla, war daselbst mehrere Jahre lang Schulrektor und lutherischer Pfarrer. Verwickelt in die dogmatischen Streitigkeiten der lutherischen Theologen in Sachsen, verließ er sein Vaterland und wurde Pfarrer in Ansbach, von wo aus er, 57 Jahre alt und kränkelnd, nach dem Tode des letzten Klosterabts und nach Auflösung des Klosters vom Markgrafen Georg Friedrich nach Heilsbronn als „Abt“ befördert wurde, wo ihn der Generalsuperintendent Francisci einsetzte. Er zog mit Frau und zwei erwachsenen Töchtern nicht in die neue Abtei (jetzt Schulgebäude), welche bereits markgräfliches Absteigquartier geworden war, sondern in die für ihn und seine Angehörigen zugerichtete alte Kornschreiberei, jetzt Haus Nr. 15. Seine Wohnung bestand in zwei Zimmern, zwei Kammern und einer Küche; seine Besoldung in 200 fl. baar. Eine seiner beiden Töchter heirathete den Doktor Juris Polland von Heidelberg, die andere den Magister und Hofprediger Pesser in Königsberg. Letzterer wurde vom Markgrafen, der sich als stellvertretender Regent des Herzogthums Preußen oft in Königsberg aufhielt, i. J. 1581 „zur Verrichtung einiger Sachen“ nach Onolzbach gesendet und nebst Frau von Klosterpferden nach Königsberg zurückgeführt. Limmer fand in Heilsbronn [3] nicht die gewünschte Ruhe. Zuerst beunruhigte ihn der Abt von Ebrach, welcher als Visitator des Klosters bisher bei jeder Abtswahl einen Gaul zum Geschenk erhalten hatte und nun gleichfalls beanspruchte. Daß es zur Zeit der Klosteräbte wirklich so gehalten wurde, ergab sich aus den Akten des Klosterarchivs; Statthalter und Räthe des in Königsberg weilenden Markgrafen dekretirten daher, dem Verlangen des Abts von Ebrach stattzugeben. Demzufolge wurde der beste reisige Gaul aus dem Marstall zu Heilsbronn mit schönem Sattel und Zeug an den ebrachischen Kastner Ral in Nürnberg ausgeliefert, jedoch mit dem Bemerken: „nicht aus Gerechtigkeit, sondern aus gutem Willen,“ wogegen aber der Abt von Ebrach in einem Notariatsinstrument sofort protestirte. Eine Korrespondenz anderer Art veranlaßte in den ersten Wochen nach Limmers Eintritt die Schopper’sche Schule und deren Visitation und Reform. Hierüber, so wie über die Fürstenschule, die gleich bei ihrer Gründung dem Abt Limmer viel Verdruß bereitete, wird im folgenden IX. Abschn. berichtet werden. Weit empfindlicher berührte ihn jedoch die von Jahr zu Jahr zunehmende Entsittlichung und der allgemein herrschende Nothstand, welcher im Todesjahr des letzten Klosterabts 1578 durch eine ergiebige Ernte noch einigermassen gelindert, aber in Folge einer unergiebigen Ernte i. J. 1579, da Limmer als Abt eintrat, außerordentlich gesteigert wurde. Über die deßfallsigen Verhandlungen und Maßnahmen ist in den Beitr. S. 192 bis 97 berichtet worden. Im zweiten Jahr nach seinem Amtsantritt berichtete Limmer gemeinschaftlich mit dem Verwalter und dem Richter am 1. Juni 1580 an die Regierungsräthe: „Es steht geschrieben: Wer seine Ohren verstopfet vor dem Schreien des Armen, dessen Schreien wird sich Gott auch nicht erbarmen. Euer Gnaden werden sich zu berichten wissen, welchergestalt wir vielmals berichtet haben, daß allgemein Klagen, Schreien und Weinen in dieser theuren Zeit und Hungersnoth bei den Unterthanen ist. Denn ihnen das Wildpret ihr Getreid verdirbt und sie durch Hagel und Ungewitter, durch Abgang von Pferden und Vieh, durch Brandschatzung und andere Auflagen dahin gekommen [4] und also verarmt sind, daß sie Getreid zu kaufen nicht vermögen. Ob nun wohl etlichermassen ihnen vom Kasten allhie aufgeholfen wurde, so ist ihnen damit doch nicht geholfen gewesen; daraus erfolgt, daß gesessene Bauersleute mit Weib, Kind und Gesind vor unser Kloster kommen und das Almosen suchen. Es haben diese Woche Bauern, die vom Kasten Getreid begehrt, sich mit bösen Worten hören lassen, als ich, Verwalter, mit gelinden Worten ihnen vermeldet, daß ich kein Getreid mehr abgeben könne: Weil man ihnen nicht helfen wolle und hätte Getreid, das sie bauen und der Herrschaft geben mußten, verkauft, während sie mit den Ihrigen Hunger leiden, des Tages hart arbeiten und des Nachts vor dem Wild wachen müßten: so wollten sie Maid und Knecht, Weib, Kind und Alles dem Kloster heimweisen. Also besorgen wir uns künftigen Aufruhrs. Als wir verschienenen Frühling auf fürstlichen Befehl hundert Simra Korn auf baar Geld gen Schwabach verkauft, aber nichts auf Anschlag den Bauern gegeben, da ließ sich ein deutschherrischer Unterthan ungescheut vernehmen: Wenn wir die 100 Sra. mit des Klosters Pferden gen Schwabach führen würden, so sei die Glocke schon gegossen und die Bauern würden das Getreid unsern Knechten mit Gewalt nehmen. Wie sollen wir uns nun verhalten? Sollen wir den noch geringen Vorrath den hungernden Bauern geben, oder vom Almosen abbrechen? Wir besorgen uns eines Einfalles oder Aufruhrs. Die Noth ist so groß, daß wir nicht mehr wissen, wo wir hinaus sollen.“ Zu diesem Elend kam 1584 im Orte Heilsbronn selbst die Pest, wie oben Abschn. VI, 21 berichtet wurde. Hungersnoth und Theuerung währten fort. 1586 berichtete Limmer mit seinen Kollegen: „In diesen theuern Jahren und großer Armuth der Unterthanen sind die Gülten bei dem heutigen Mißwachs unmöglich einzubringen. Überdies finden wir bei den Unterthanen so großen Ungehorsam und Halsstarrigkeit, dergleichen wir zuvor nicht begegnet. Die Unterthanen lassen der Herrschaft Güter ganz zu Grunde gehen, liegen täglich in den Wirthshäusern, fressen und saufen, bauen nichts im Feld, hilft weder Straf noch Vermahnung. Wissen uns nicht zu rathen und zu helfen.“

[5] Drei Jahre darnach kam über Limmer eine Trübsal anderer Art, veranlaßt durch ein Lehrbuch Melanchthon’s, welches (s. den folgenden Abschnitt) bei Errichtung der Fürstenschule eingeführt worden war, Jahrelang gebraucht wurde, nun aber wieder abgeschafft werden sollte, weil es einige nicht streng lutherische, sondern calvinistische Lehrsätze enthalte. Limmer und einige Andere, z. B. der Prediger Lei in Heilsbronn, erklärten sich für die Beibehaltung des Buches, sonach für die melanchthonisch-calvinistischen Lehrsätze. Man hielt für bedenklich, ihm ferner die Leitung der strenglutherischen Fürstenschule anzuvertrauen und beschloß, ihn zu quiesziren. Limmer trat im Herbst 1589 mit einem Ruhegehalt von 100 fl. jährlich in Quiescenz. Weiter wurde über ihn beschlossen, daß er noch während des Winters Heilsbronn verlassen sollte, um so mehr, da der strenglutherische Francisci zu seinem Nachfolger ernannt wurde und bald von Ansbach nach Heilsbronn übersiedeln sollte. Auf seine Bitte, ihn während des Winters noch in Heilsbronn zu lassen, berichteten Verwalter und Richter am 10. Febr. 1590 an den Markgrafen: „Nachdem E. F. Durchlaucht befohlen haben, dem gewesenen Prälaten, Herrn Limmer, anzuzeigen, die Abtei zu räumen und was er zu seinem Gebrauch gehabt, zu hinterlassen, ist er erbötig gewesen, was ihm an Hausrath, Kleidung etc. anvertraut worden, des Klosters Petschaftring und andere Stücke von sich zu geben, so hat er solches dem Verwalter eingeantwortet. Was aber das Räumen des Klosters anbelangt, hat er sich zum allerhöchsten beschwert, weil er ein alter schwacher Mann sei, dem bei diesem kalten Winter zu reisen und anjetzo das Kloster sobald zu räumen, unmöglich sei. Derwegen hat er gebeten, mit ihm noch eine Zeit lang Geduld zu tragen und ihm auf dem Siechhaus (jetzt Haus Nr. 40 bis 43), da vier Räumlein mit Stube und Kammer sind, seine Wohnung eine Zeit lang zu vergönnen, bis die Sommer- und Wettertage herbeikämen, da er mit besserer Gelegenheit reisen könnte, mit dem Erbieten, daß er einem künftigen Herrn Abt nicht beschwerlich sein, noch viel weniger in die Läng allhier verharren wolle. Dagegen haben wir ihm vermeldet, daß es nicht wohl [6] füglich sei, weil er seinen Ein- und Ausgang allernächst bei der Hofküche haben müßte, und daß es einem künftigen Prälaten nicht gelegen sein möchte, so nahe und unter Einem Dache nebeneinander zu wohnen. Wir haben ihm dagegen vorgeschlagen, in das Wirthshaus zu ziehen, oder in das schöne Häuslein (jetzt Hs. Nr. 26) auf dem Kirchhof, so vor Zeiten Meister Kaspar Balbirer inne gehabt, wenn es nicht dem deutschen Schulmeister eingeräumt wird. Dagegen zeigt er an, wie beschwerlich es ihm sei, in ein offenes Wirthshaus zu ziehen, er bitte um die Wohnung im Siechhaus oder im schönen Häuslein. Wir schlagen für ihn das Wirthshaus vor und bitten um Entscheidung.“ Limmer erhielt seine Wohnung im schönen Häuslein, starb darin nach zwei Jahren, 70 Jahre alt, und wurde in der Klosterkirche, der Grabstätte des letzten Klosterabts Wunder gegenüber, beerdigt. Seine Wittwe erhielt auf fürstlichen Befehl eine jährliche Pension von acht Gulden aus der Klosteramtskasse, zwei Simra Korn und Brennholz. Auf seinen Leichenstein schrieb man: Conradus situs est sub hoc sepulcro Limmerus. Novus ille primus abbas Christi, non Latii Baalis abbas. Vixit annos 70, obiit A. D. 1592. Der Prediger Lei (Abschn. VI, 21), welcher ihn beerdigte, schrieb Folgendes in die Pfarrmatrikel: „1592 den 19. Aug. ist in Christo selig entschlafen Herr Magister Conrad Limmer, der andere (erste) evangelische Abt des Closters allhier, ist bürtig gewesen aus Neustadt an der Orla im Abtsstand 10 Jahr, folgends als ein Privatperson noch bis ins dritte Jahr gelebt pie, tranquille et pacifice, tandem appoplexia correptua placidissime expiravit 70 Jahre, 5 Monate, 2 Tage alt. Cui pietatis et memoriae erga hosce epitaphicos feci versiculos:

Hic, Limmere pater, post ultima fata quiescis,
Cui data per vitae tempora nulla quies.
Tempera quae septem vicere decennia quinis
Mensibus, o vitae stamina longa brevis.
Te labor atque dolor, te vexavere tot annis
Curae multiplices et genus omne mali.

[7]

Nulla quies orbi est, felix cuicunque beata.
Contigit in coeli sede quiete frui.

Die ofterwähnten Kopisten von circa 1600 bemerkten bei der Mittheilung dieser Worte: Epitaphium in publica concione recitatum in exequiis Conradi Limmeri, abbatis hujus monasterii 35 (36) a magistro Conrado Leio, poeta laureato. Die Kopisten theilten ferner mit: zwei lateinische zehnzeilige Carmina ähnlichen Inhalts, dann Limmers tägliche, an seinen Heiland gerichtete Bitte um Erlösung aus seinen Erdenleiden durch den Tod. Das Gebet besteht aus zwölf gereimten Zeilen. Limmer erscheint durchweg als ein ehrenwerther, friedlicher, frommer Charakter. Die in Neustadt an der Orla und in Heilsbronn bei der Fürstenschule vorherrschende exklusiv–lutherische Richtung, mit welcher er sich nicht befreunden konnte, hatte an beiden Orten seine Amtsentlassung zur Folge.


2. Adam Francisci,[2]

der zweite Titularabt von 1590 bis 93, gleichfalls kein Franke, sondern ein Schlesier, geboren 1540, war der Sohn eines Wagners in Jägerndorf, einem Besitzthum der Markgrafen von Ansbach und von denselben oft besucht. Der Markgraf Georg Friedrich wurde während eines Besuches daselbst aufmerksam gemacht auf den talentvollen, strebsamen, aber armen Wagnerssohn und machte es diesem möglich, in Wittenberg seine unterbrochenen Studien fortzusetzen und zu vollenden, auch dort zu magistriren. Dort lebte und lehrte er, beaufsichtigte zugleich die dort studirenden Zöglinge aus der ansbacher Schule, bis ihm der Markgraf eine Pfarrstelle in Ansbach verlieh. Hier heirathete er i. J. 1574. Unter seinen Hochzeitsgästen war der letzte Klosterabt Wunder laut folgender Ausgabsposition in der Mönchsrechnung: „5 Gulden, so der Herr Abt auf Herrn Adams, Predigers zu Onolzbach, Hochzeit verehrt hat.“ Im Jahr darauf wurde er mit seinem älteren Kollegen Limmer (damals gleichfalls noch Pfarrer [8] in Ansbach) nach Heilsbronn kommittirt, um die Schopper’sche Schule zu visitiren. Späterhin wurde er Generalsuperintendent. Als solcher installirte er, wie vorhin erwähnt, seinen ehemaligen Kollegen Limmer, als ersten Titularabt in Heilsbronn. Im folgenden IX. Abschnitt werden wir sehen, daß und wie durch ihn die Fürstenschule eingerichtet wurde. Körperlich leidend wurde er vom Markgrafen zum Nachfolger des removirten Abts Limmer ernannt. Er zog im Juni 1590 in Heilsbronn ein, kränkelte fortwährend, starb schon nach drei Jahren und wurde in der Klosterkirche begraben. Die Schrift um seinen Leichenstein lautet: A. Chr. 1593, 4. Cal. Oct. obiit reverendus et clarissimus vir dominus Adamus Francisci, monasterii heilsbronnensis abbas 37, anno aetatis 54, gubernationis 4, cujus anima requiescat in pace. Auf einer Messingtafel in der Mitte des Steines standen die Worte:

Cui decus ingenii triplicisque scientia linguae
Et purae studium relligionis erat
Eloquio et claris cui par virtutibus alter
Vix fuit, hic tumulum praesul Adamus habet.

An der Wand hing des Abts Bildniß und eine bildliche Darstellung der göttlichen Gerechtigkeit und Erbarmung. Darunter standen die Worte: Klaglieder Jeremia 3, 22 und erklärende lateinische Verse, zehn Zeilen mit der Unterschrift: M. W. G. S., wahrscheinlich: Magister Wenzeslaus Gurkfelder. Hierauf in lateinischer Sprache ausführliche Nachricht über des Abts Geburt, Charakter, Gelehrsamkeit, Studien in Wittenberg, Übersiedelung nach Ansbach, Beförderung an die Stelle des Generalsuperintendenten Karg, Übersiedelung nach Heilsbronn, seine Verdienste um die durch ihn eingerichtete Fürstenschule, seine Krankheit, seinen Tod und schließlich die Angabe, daß seine Frau und seine Kinder ihm dieses Monument gewidmet haben. Dann folgt die Grabschrift seiner Frau, Margaretha, geborenen Schuhmann, die bei seinem Tode noch lebte, daher eine Lücke zur nachträglichen Einstellung ihres dereinstigen Todesjahres. Als solches wurde späterhin 1595 eingeschrieben. Die Wittwe erhielt, wie die Wittwe [9] Limmers, eine Pension aus der Klosteramtskasse. Der Prediger und Poeta laureatus Lei fügte der Inskription über Francisci’s Tod im Leichenregister einen lateinischen achtzehnzeiligen Panegirikus bei, den er bei der Gedächtnißrede rezitirt hatte. Daß bei der Beerdigung am 30. September das Geleit zahlreich war, erhellt aus folgenden Einträgen in der Klosteramtsrechnung: „19 fl. verausgabt im Steinhof für die schon Vormittags einberufenen 4 Geistlichen und 5 Beamten von Merkendorf, Waizendorf und Neuhof mit ihren Gegenschreibern und Dienern über Mittag, die Mahlzeit zu 5 Batzen, dazu 1 fl., 3 Ort, 9 dt. für 11 Maas Wein a 32 dl. Nachmittags kamen von Onolzbach Geistliche, Bürgermeister und andere Beamte, die Speisen und Wein im Steinhof erhielten; deßgleichen die Gäste im Haus der Wittwe.“ Eingedenk des nach Limmer’s Tod vom Abt zu Ebrach beanspruchten Gauls mußte man auch nach Francisci’s Tod eines gleichen Anspruchs gewärtig sein. Darauf deutet ein markgräflicher Erlaß d. d. Erlangen, 26. Okt. 1593, worin Verwalter und Richter in Heilsbronn aufgefordert werden, wachsam zu sein, da der Abt von Ebrach mit Reißigen, drei Kutschen und Mönchen durch Erlangen gekommen sei.


3. Bartholomäus Wolschendorf,

der dritte Titularabt von 1594 bis 1601, gleichfalls kein Franke, sondern, wie Limmer, aus Neustadt an der Orla, war erst Pfarrer in Ansbach, dann Dekan in Krailsheim, bis er vom Markgrafen zum Abt in Heilsbronn ernannt wurde. Zur Zeit seines Amtsantrittes bestand die Fürstenschule bereits zwölf Jahre lang. Daß in derselben der Geist des Friedens schon jetzt nicht waltete, daß unter den Professoren, Predigern und Beamten „viel Zank und Streit“ war, werden wir im IX. Abschnitt sehen. Leider sehen wir auch den Abt schon im Jahr nach seinem Amtsantritt unter den Zänkischen. Er stritt mit dem Prediger Dreßler über den Garten an der Prädikatur, welcher vormals halb dem Prediger, halb dem Abt zugewiesen war. Dem vorigen Prediger Lei war seine Hälfte abgerungen worden; der nunmehrige [10] Prediger suchte das Abgerungene wieder zu gewinnen, was ihm auch gelang; denn das Konsistorium verfügte, daß die eine Hälfte des Gartens der Prediger, die andere der Abt genießen sollte. Besonders Denkwürdiges ergab sich unter Wolschendorf und durch ihn nicht. Er starb nach siebenjähriger Amtsführung und wurde in der Klosterkirche neben Francisci „gegen die Sacristei zu“ begraben. Die Schrift auf seinem Grabstein lautete: Anno salutis 1601 die 17. Jul. obiit reverendus vir dom. Barthol. Wolschendorfius 37 (38) abbas heilsbronnensis monasterii anno aetatis 61, gubernationis 8, cujus anima requiescat in pace.


4. Abdias Wickner,

der vierte Titularabt von 1602 bis 1608, Rektorssohn aus Rothenburg an der Tauber, erzogen in Ansbach, studirte in Wittenberg, wurde Pfarrer in Kolmberg, Leutershausen, Konsistorialrath in Ansbach, dann Abt in Heilsbronn: ein recht kenntnißreicher Mann, daher sehr geschätzt, besonders vom Markgrafen Georg Friedrich, wie aus Folgendem erhellt:

Philipp Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog zu Bayern, lutherisch gesinnt, war bemüht, den katholisch gesinnten Herzog Maximilian von Bayern zu überzeugen, daß die lutherische Anschauung richtig, die katholische irrig sei. Er glaubte, seinen Zweck zu erreichen durch ein Religionsgespräch, bei welchem Theologen beider Konfessionen in Gegenwart Maximilians und Philipp Ludwig’s ihre oppositionellen Ansichten darlegen und darüber disputiren sollten. Die beiden Fürsten fanden sich mit großem Gefolge am 14. Nov. 1601 in Regensburg ein, ingleichen die beiderseits kommittirten Theologen. Maximilian hatte sich seine Disputatoren aus München und aus der Universität Ingolstadt erbeten, Philipp Ludwig die seinigen von Wittenberg und von lutherischen Fürsten, namentlich vom Markgrafen Georg Friedrich, und dieser kommittirte nach Regensburg seinen Konsistorialrath Wickner in Ansbach und den Pfarrer Lälius, gleichfalls in Ansbach, nachmals Gymnasialrektor in Heilsbronn. [11] Der Kampfplatz war das Rathhaus, wo man bis Ende Novembers täglich und meist sehr heftig disputirte über Schrift und Tradition, Kirche, Taufe und Glaube auch der Kinder, Unfehlbarkeit in Glaubenssachen schon der Hohenpriester im alten Testament, ob der Schächer am Kreuz ein Märtyrer war etc. Die Fürsten folgten mit gespannter Aufmerksamkeit den Disputationen und redeten auch bisweilen darein. Allein das gewünschte Ziel wurde nicht erreicht. Maximilian wurde für die lutherische Anschauung nicht gewonnen. Er rief zum Schluß der Verhandlungen, als während der dreizehnten Sitzung lutherischerseits behauptet wurde: der Papst sei der Antichrist. Wickner und Lälius berichteten während ihres vierzehntägigen Aufenthalts in Regensburg fleißig an ihren Markgrafen (s. Hocker, Sup. S. 195–208). Gleich nach seiner Rückkehr von Regensburg wurde Wickner Abt in Heilsbronn: ein angehender Vierziger, aber bereits kränklich. Er hielt am 14. Juni 1603 bei der Beerdigung seines Gönners, des Markgrafen Georg Friedrich, die Leichenpredigt, welche gedruckt wurde mit einem Bericht über das außerordentlich glänzende Leichenbegängniß, dem Hoch und Niedrig beiwohnte: Kurfürst Joachim von Brandenburg, dessen Brüder Christian und Joachim Ernst (Letzterer in Heilsbronn begraben), Grafen, Adelige, Abgeordnete aus allen Gauen, Fahnen- und Fackelträger etc. Die vorgetragenen Fahnen und Wappen sind in Heilsbronn meist noch vorhanden. Näheres über die Bestattung berichtet Hocker. (Antiq. S. 155–171.)

Wickner starb, erst 48 Jahre alt, am 15. Dez. 1608 und wurde in der Klosterkirche nahe bei der Kanzel neben dem 30. Abt Wirsing begraben. Sein Leichenstein[3] wurde beschriftet wie folgt:

Quem sincera Dei pandentem oracula. Georgi
Friderici coluit principis aula virum,
Quoque sed heu totos non septem Heilspronna per annos
Nostra salutares praesule fudit aquas,

[12]

Abdias jacet hic, qui vir? cui nostra tulerunt
Secula perpaucos arte fideque pares.

An der Wand neben der Sakristeithür hing Wickners Gedächtnißbild, die Verklärung Christi darstellend, darunter die Portraitbilder Wickners, seiner beiden Frauen und seiner Kinder. Ueber dem Bilde zehn lateinische Verszeilen, hinweisend auf die Verklärung Christi. Unter dem Bilde sieben lateinische Verszeilen zum Gedächtniß Wickners. Rechts von dem Bilde Lebenslauf in lateinischer Sprache, unter Hervorhebung seiner ausgezeichneten Eigenschaften. Links von dem Bilde die Namen seiner beiden Frauen: Elisabetha, geborene Kalteis, gestorben 1593, und die noch lebende: Justina, geborene Oberländer, Spitalmeisterstochter aus Ansbach; ferner, daß er 4 Söhne und 5 Töchter hatte. Dann folgen in deutscher Sprache zwanzig gereimte Zeilen, worin die Wittwe ausspricht, was der Verlebte ihr und ihren Kindern war. Die Wittwe kaufte ein Anwesen für 553 fl., verkaufte es aber gegen den Anfang des 30jährigen Krieges. Das ebenbeschriebene Gedächtnißbild war nach dem Dafürhalten und Geschmack eines der oftgedachten Kopisten „ein recht schönes“.


5. Johann Mehlführer,

der fünfte und letzte Titularabt, von 1611 bis 1631, der Sohn armer Eltern, geboren in Kulmbach 1570, studirte und magistrirte in Wittenberg, wurde, wie die früheren Titularäbte, Pfarrer in Ansbach, dann Generalsuperintendent daselbst, hierauf Abt in Heilsbronn, flüchtig mit dem ganzen Lehrer- und Schülerpersonal während des 30jährigen Krieges, endlich Stadtpfarrer in Ansbach, wo er 1640 starb. Er war, wie auch die Titularäbte vor ihm, sehr kenntnißreich und schrieb einige kleinere, besonders exegetische Schriften. Als Beweis seiner Sprachgewandtheit führt man an, daß er am 21. April 1628 beim Examen der Fürstenschule eine lateinische Rede memoriter recitirte. Diese Rede hatte zum Gegenstand den Bischof Otto von Bamberg, welcher vor 496 Jahren das Kloster gründete. Im Eingang heißt es: „Heute ist der Geburtstag unseres Klosters, der Tag seiner Weihe [13] (consecrationis, siquidem superstitiosorum rituum pontificium solemnitatem ita vocare liceat). Wir danken aber Gott nicht sowohl für die Stiftung des Klosters, als für dessen Reformation durch die gereinigte Religion vor 100 Jahren und für die Stiftung der Fürstenschule vor 46 Jahren. Dann folgt über Otto’s Leben keine historische Forschung, sondern nur eine Zusammenstellung der bereits bekannten theils wahren, theils irrigen Notizen über Otto’s Leben und Wirken und über die Gründung seines Klosters in Heilsbronn. Der Redner folgt meist dem Klosterbeschreiber Bruschius. Mehlführer wird im folgenden IX. Absch. wiederholt genannt werden. Keiner der Titularäbte weilte so lange wie er in Heilsbronn. Nach ihm wurde kein Abt mehr daselbst angestellt.




Neunter Abschnitt.
Die Fürstenschule,[4]
i. J. 1581 gegründet, i. J. 1631 zerstreut.
Die Prediger zu Heilsbronn
in dieser Periode, Nr. 12, 13 und 14.

Die Fürstenschule war keine neue Stiftung, sondern nur eine Fortsetzung und Erweiterung der vom 27. Abt Schopper gegründeten Schule, über welche oben bei den neun letzten Klosteräbten ausführlich berichtet worden ist. Auch wurde in der Fürstenschule keine neue Konfession eingeführt, da die Schopper’sche Schule bereits eine lutherische war. Georg Friedrich und seine Räthe gründeten die Fürstenschule in der besten Absicht. Sie sahen, – was auch wir in den vorigen Abschnitten gesehen haben – daß in ihrem Bereiche das religiös–sittliche Volksleben in allen Schichten auf einer sehr niedern Stufe stand und daß durch Leute, wie sie aus der Schopper’schen Schule hervorgingen, das Volk auf keine [14] höhere Stufe gehoben werden konnte. Sie beschlossen daher, ein besseres Institut zu gründen, in demselben religiös–sittliche Kirchen-, Schul- und Staatsdiener heranzubilden und durch deren Wirksamkeit das religiös–sittliche Volksleben zu verbessern. Leider entsprach aber der Erfolg, wie wir nachher sehen werden, den Erwartungen nicht. Schon vor dem Tode des letzten Klosterabts waren Georg Friedrich und seine Räthe bemüht, durch Verordnungen und Visitationen der Schopper’schen Schule einen besseren Geist einzuhauchen, jedoch vergebens. Sie projektirten daher eine bessere, umfassendere Lehranstalt und schritten auch sofort zur Ausführung, nachdem 1578 der letzte Klosterabt gestorben und das ganze Klostergut dem Markgrafen zugefallen war. Sie forderten zunächst (1579) gutachtlichen Bericht vom ersten Titularabt Limmer, und dieser beantragte in Gemeinschaft mit dem Verwalter und Richter: „daß man doch endlich die längst besprochene so nöthige Reform vornehmen und vorerst von den vorhandenen 31 Schülern die unfähigen entfernen möge.“ Der Markgraf, welcher damals als stellvertretender Regent im Herzogthum Preußen residirte, ließ seinen Generalsuperintendenten Francisci in Ansbach zu sich nach Königsberg kommen, um sich mit ihm zu besprechen. In Folge dieser Rücksprache erschien Francisci mit dem Statthalter Ernst von Krailsheim in Heilsbronn, beauftragt, im Verein mit dem Abt Limmer von den zur Fürstenschule ausersehenen Lokalitäten Einsicht zu nehmen und gutachtlich darüber zu berichten. Das Gutachten lautete: „Die Fürstenschule soll in das zweistöckige Schlafhaus, Dormitorium (s. Situationsplan) kommen. Darin sind 36 Zellen, in welchen vormals 72 Mönche, je 2 in einer Zelle, wohnten. Nach Wegnahme einiger Zwischenwände sollen aus diesen 36 Zellen 12 größere Kammern gebildet werden, jede mit 4 zweischläferigen Bettstellen, sonach für 96 Schüler. Da aber 100 Schüler untergebracht werden müssen, so soll für 4 eine dreizehnte Kammer neben dem Schlafhaus in der alten Communität zugerichtet werden. Im Schlafhaus wohnte sonst bei den 72 Mönchen der Prior; dessen Wohnung soll nun, zur Beaufsichtigung der Schüler, [15] der vierte Lehrer erhalten. Auch sollen noch zwei von den vier anzustellenden Lehrern ihre Wohnungen im Schlafhaus erhalten. Nur der Rektor soll auswärts wohnen. Für die vier Lehrer sind vier Lehrzimmer erforderlich, jedes 18 Fuß lang und 9 breit. Eines ist schon vorhanden, die sogenannte „Wärmstube“, das bisherige Lehrzimmer für die Schopperische Schule. Daran sollen sich die auf demselben Tabulat neuanzulegenden drei andern Lehrzimmer anschließen. Im Sommer sollen die 100 Schüler in ihren 13 Kammern, im Winter in den 4 Lehrzimmern arbeiten. Zur Ersparung von Kosten könnte jedem Schüler aufgegeben werden, sein Bettlein mitzubringen, dieses aber beim Austritt in der Anstalt zu belassen. Eine Speisstube ist neu zu bauen, am besten zu ebener Erde an das Schlafhaus anzubauen. Die bisherige Klosterküche ist für 100 Schüler zu klein, auch baufällig, sollte daher abgetragen und neu gebaut werden, gewölbt und mit der Speisstube durch einen Gang verbunden. Für kranke Schüler wäre die alte Kisterei (Wohnung des Kustos) einzurichten, die Stube und Kammer unten für den Knecht, welcher die Kranken pflegt, die Stube oben mit zwei Kammern für die Kranken. Das bisherige Badstüblein für die Schopperische Schule ist für 100 Schüler viel zu klein; für diese wäre die alte Badstube zu verwenden, darin vormals die Konventsherren ihr Bad gehabt.“ Abt, Verwalter und Richter erhielten den Befehl, Alles nach dieser Vorschrift zu vollziehen, und zwar noch vor Winters Anfang. Zugleich befahl die Regierung, die im Gasthaus (Burggrafenhaus) vorhandenen Betten für die Schule zu verwenden. Allein als man an’s Werk ging, ergab sich, daß der Generalsuperintendent und der Statthalter Zirkel und Maßstab nicht gebraucht hatten, daß die 36 kleinen Zellen zwar für 72 Mönche Raum boten, aber nicht für 100 Schüler mit ihren Koffern etc., daß die Lehrzimmer zu klein projektirt waren, daß von den vier Lehrern nur einer im Schlafhause untergebracht werden könne etc. Daher erneuerte Einsichtnahmen und Verhandlungen, bis man endlich definitiv beschloß, wie folgt: „Aus den 36 Mönchszellen sollen nicht 12, sondern 18 Kammern [16] gebildet werden, jede mit 2 zweischläfrigen Betten, sonach für 72 Schüler; 96 können darin nicht untergebracht werden. Um die noch übrigen 28 Schüler unterzubringen, muß das zweistöckige Schlafhaus ein drittes Stockwerk erhalten, in welchem 7 Kammern, jede mit 2 zweischläferigen Betten, sonach für 28 Schüler, anzubringen sind; dazu noch eine achte Kammer für den Fall, daß die Zahl der Zöglinge 100 übersteigen sollte. Die vier Lehrzimmer müssen viel größer werden, und zwar so lang, als das ganze Haus breit ist, daher quer durch das Haus von der östlichen bis zur westlichen Außenmauer, so daß sie ihr Licht von Osten und von Westen her erhalten. Da aber alsdann der von Süd nach Nord durch das Haus laufende Gang zu den Lehrzimmern gezogen wird, so muß außerhalb der Außenmauern ein Gang angebracht werden, von welchem aus man in die vier Lehrzimmer tritt. Als Unterlage für diesen Gang dienen die an der Außenmauer bereits vorhandenen Strebepfeiler. Die Eßstube soll zu ebener Erde angebracht werden unter den Lehrzimmern und wie diese quer durch das ganze Haus laufen. Von den vier Lehrern kann nur der vierte oder Kantor im Hause untergebracht werden. Die Betten im Gasthause können nicht in die Schule verbracht werden, da sie im Gasthause nöthig sind, besonders im Sommer für Maurer, Zimmerleute, Boten, Fuhrleute und reisige Knechte. Man könnte die Betten vielleicht am wohlfeilsten in Fürth und Zirndorf von Juden beziehen, die solche von nürnberger Bürgern in Versatz bekommen.“ Francisci’s Vorschlag: daß die Schüler ihre Betten mitbringen und in der Anstalt lassen sollten, war nicht im Sinne des Stiftungsbriefes, laut welchem vorzugsweise Schüler aus unbemittelten Familien aufgenommen werden sollten. Es wurden von Juden 37 zweischläferige Betten für 74 Schüler angekauft; die weiter erforderlichen 13 Betten für 26 Schüler waren bereits in der Schopper’schen Schule vorhanden. Die eben erwähnte Klosterküche ist theilweise noch vorhanden; sie bildet jetzt das Erdgeschoß des kleinen Hauses östlich vom Schlafhause. Nach Aufhebung der Schule ging die Küche ein und wurde verkauft. Der Käufer brach die noch theilweise [17] vorhandenen röhrenförmigen Räuchfänge ab und erbaute aus dem Deckgewölbe eine Wohnung. Nach Berichtigung des Bauplanes begannen die Bauveränderungen zwar noch im Herbst 1581, aber zu spät, so daß die Arbeit wegen eintretender Kälte bald eingestellt werden mußte. Während der langen Präliminarien im Laufe des Jahres erschien

der Stiftungsbrief,

datirt aus Königsberg, wo Georg Friedrich eben residirte. Der Brief lautet, jedoch nach Beseitigung der veralteten Orthographie, wie folgt: „Von Gottes Gnaden, Wir Georg Friedrich, Markgraf zu Brandenburg, in Preußen, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, auch in Schlesien zu Jägerndorf Herzog, Burggraf zu Nürnberg und Fürst zu Rügen, bekennen hiermit für Uns und Unser Erben, und nachkommende Herrschaft vor Jedermänniglich, hohen und niedern Standes, daß, nachdem Wir verschienener Zeit aus eigener Bewegnuß, in Betrachtung, was Wir von Amtswegen schuldig Gott dem Allmächtigen zu Ehren, zur Beförderung und Fortpflanzung reiner und unverfälschter Lehre göttlichen Wortes, auch guter nützlicher Künste und Sprachen, fürnehmlich aber gemeiner Jugend Unserer armen Unterthanen zum Besten, wie dann auch aus sonderlicher Neigung, daß Wir die vorigen Stiftungen wiederum ad pios usus anwenden wollen, eine christliche Particularschule in unserem Kloster Heilsbronn gestiftet und ausgerichtet, und aber solche Unsere Stiftung bis anher durch Unsere fürstliche Briefe nicht konfirmirt haben: Wir aus christlichem Gemüth nicht allein gedachte Unsere Stiftung zu konfirmiren, sondern auch mit reichlicherer und milderer Begnadigung zu vermehren und zu erhöhen Uns fürgenommen; als Wir dann auch vorige und jetzige Fundation unserer Schule in Heilsbronn mit diesem Unserem fürstlichen Briefe in der besten Weis und Form, als es am beständigsten geschehen sollte und könnte, erneuert, versichert und bekräftigt, auch folgenden Inhalts begnadigt haben wollen. 1. und Anfangs, damit solch Unsere Schule Gott zu Ehren und Unsern Landen zum Besten, auch Uns sammt dem ganzen churfürstlichen Haus Brandenburg zu ewigem Ruhm und [18] Gedächtniß so viel und beständiger bestehen bleibe, so wollen Wir von Unseres Klosters Einkünften anstatt der 72 Mönche, so zuvor in diesem Kloster erhalten und desselben Einkünfte unnützlich verzehrt und übel ausgebracht haben, die Zahl voriger Knaben und Schüler gnädig vermehren und forthin 100 Knaben Unsern Landen und Fürstenthum zum Besten im gedachten Unserem Kloster Heilsbronn nothdürftig unterhalten und versehen, auch diese Anordnung thun, damit die also in Gottes Wort und reiner Lehr des Evangelii, auch in Sprachen und freien Künsten unterwiesen und erzogen werden, auf daß Wir zu jeder Zeit, wo in Kirchen und Schulen Mangel an Leuten vorfiele, die Nothdurft an derselben ersetzen und einen Vorrath an gelehrten Leuten durch Gottes Gnad und Segen sammeln mögen. Auch daß die Zellen, so in diesem Kloster vorhanden, also zugerichtet werden, damit die Knaben nicht allein zur Beförderung ihrer Studien, sondern auch zu Erhaltung guter Disziplin und christlicher Zucht in einer gemeinen Habitation mögen behalten werden. 2. Dieweil auch bis anhero in mehrgedachter Unserer Schule große Unordnung fürgelaufen, indem daß darin allerlei Knaben, so an Alter, Ingeniis, Profectibus, Erudition einander ungleich gewesen, ohne Unterschied aufgenommen und bisweilen auch aus fremden Herrschaften eingeschoben worden, deren etliche so kindisch und unsauber, daß sie einer besondern Pfleg und Säuberung bedurft, etliche aber so grob und erwachsen gewesen, daß man sie in Studiis nirgends fortbringen können, daher die Unkosten bei dieser Schule allermeist unnützlich angewendet: daher erfordert die hohe Nothdurft, dies falls gebührlich Einsehen zu haben, daß dies Unser christlich Almosen wohl angelegt und davon fromme, geschickte, gelehrte und tügliche Leute mögen erzogen werden. Demnach so wollen Wir fortan, daß beim Kloster Heilsbronn allein die Landeskinder, so in Unsern Landen und Fürstenthum geboren und erzogen und ohne Mittel Uns unterthan sind, aufgenommen werden, welche ihres Alters jetzo Anfangs von 12 bis 16 Jahr ohngefährlich, auch eines guten und zum Studiren tüglich und fähigen Ingenii sein sollen. 3. Und weil Wir diese Schule den armen unvermöglichen [19] Unterthanen zum Besten gestiftet, damit tügliche Ingenia nicht durch ihrer Eltern Unvermögenheit vom Studiren mit Nachtheil der Kirchen abgehalten werden, so wollen Wir, daß fürnemlich armer, sowohl auch der Kirchen- und Schuldiener und um die Herrschaft wohlverdienter Leut Kinder, die entweder arm und unvermüglich, oder von Gott mit vielen Kindern begabt sind, in diese Unsere Schul angenommen werden sollen. Darneben Wir doch auch gnädig zulassen und verstatten wollen reichen vermüglichen Leuten von Adel oder von der Burgerschaft, ihre Kinder auf ihre Kosten in Unsere Schule zu schicken, doch daß ihre Kinder, andern Knaben gleich, den Legibus und Statutis schuldig und gebührlich Gehorsam leisten. Wollen Wir solches in der Herren Inspectorum und Consistorialen, als der Examinatorum, Discretion gestellt haben. 4. Weil Wir auch nicht für unziemlich halten, daß billig ein jeder für empfangene Wohlthat dankbar und hiedurch dem verbunden sein soll, von welchem er die Gutthaten empfangen hat: also wollen Wir, daß Alle, so in Unserer Schule erzogen werden, sich Uns und Unsern Erben und Nachkommen für andern Herren zu dienen, neben ihren Eltern, Vormündern und Blutsfreunden obligiren und verschreiben auf Maas und Weiß, wie die in Unserer Schulordnung inserirte Forma Obligationis ausweist. 5. Nachdem Wir Uns gnädigst versehen, daß solche Unsere christliche Anordnung mittelst göttlichen Segens, fleißiger Institution der Präceptoren und der Jugend angewendeten Fleiß das gewünschte End erreichen wird, daß Ingenia zu solchen Profecten kommen und so viel in Studiis profitiren werden, daß sie auf Universitäten zu verschicken die Nothdurft sein wird: als wollen Wir es hiemit auf solchen Fall folgender Gestalt gehalten haben: 6. Daß Unsere verordnete Examinatores dieselben für sich bescheiden, selbst auf die Prob stellen und examiniren sollen, und wofern die also qualificirt, auch des Alters befunden, daß sie in Kirchen- oder Schuldiensten zu gebrauchen sein möchten, die zu erledigten Diensten, Andere aber ihrem Gutdünken und der Jugend Geschick- und Tüglichleit nach auf Universitäten zu verschicken, deputiren. Und ob Wir wohl gnädig [20] gemeint, Unsere Stipendiaten fürnemlich ad Studium Theologiae zu halten, so haben Wir doch aus Erfahrung, daß bisweilen unter Unsern Stipendiaten solche Ingenia gefunden werden, die zu andern Facultäten, als zum Studio Juris und Medicinae nicht allein mehr Lust, sondern auch bessere Qualitäten und Dona haben, als zum Studio Theologiae: als wollen Wir gnädig gestatten, daß künftiger Zeit aus Unsern Stipendiaten, der Wir bisher 48 unterhalten, hinfüro aber zu diesen noch zween, und also 50 zu verlegen gnädig bedacht, sowohl auch aus den 100 Knaben dieser zu Heilsbronn aufgerichteten Schule und also von beeden Theilen, als unter den anderthalb Hunderten, 10 Knaben in Jurisprudentia und Medicina mit Unserem gnädigsten Vorwissen und der Examinatorum Gutbedünken verfahren mögen. Soviel auch die Medicos anbelangt, ist Unser Befehl, daß dieselben nicht allein in Medicina, qualis a Galeno et Hypocrate traditur, sondern auch des Theophrasti, sowohl auch studio chirurgiae sich üben sollen. 7. Und wo sich dann also aus Unserer Schule Heilsbronn etliche Knaben befinden würden, welche Profectus gethan, daraus zu hoffen, daß man sie künftiger Zeit in Kirchen, Regimenten und Schulen nützlich zu gebrauchen haben würde, damit solche Ingenia nicht versäumt, sondern hierzu gefördert werden: als wollen Wir gnädig bewilligt haben, daß zum Verlag auf den Universitäten solcher Ingenien von Unseres Klosters Einkünften jährlich über vorige nothwendige Unterhaltung nach Anzahl der Knaben, so über etliche Jahr angezogener Gestalt billig zu befördern, noch in die Eintausend Gulden auf dieselbe Zeit angewendet werden. So viel nun die Zeit des Verlags auf Universitäten, das Examen und Erlaubnuß solcher Knaben und dergleichen mehr anlangt, wollen wir es also damit gehalten haben, wie mit andern Unsern Stipendiaten derenthalben Verordnung beschehen. 8. Wie aber mit nothwendiger Unterhaltung, als Ausspeisung und Kleidung der Knaben, Austheilung der Klassen, und was ein jeder vor Lectiones zu lesen, Kirchenübung und nützlichen praeceptis moralibus soll gehalten werden, item was der Inspectoren, Prälaten, Rectoris und anderer Präceptoren, des [21] Verwalters u. d. g. mehr, Amt, Expedition und Gebühr in diesem allen, sonderlich aber in Anordnung guter Disciplin, soll von Unsertwegen Unser Statthalter und Räthe im Hause Onolzbach, oder wenn Wir mehr solches befehlen werden, mit Unsern Vorwissen und Willen Maas und Ordnung geben. Welche Ordnung Wir also unverbrüchlich wollen gehalten haben, solches hiemit ernstlich befehlend. Jedoch wollen Wir solches alles nach Gelegenheit der Zeit und Sachen zu ändern, zu mindern, zu mehren und wo es die Nothdurft erfordert, wohl gar auf andere Wege anzurichten, Uns ausdrücklich hiemit vorbehalten haben. Als Wir dann auch hiemit befehlen, daß in Aufnehmung, Abschaffung und Verschickung auf die Universitäten der Knaben, Bestellung und Erlaubniß der Präceptorum, und was dergleichen Veränderung anbelangt, in solchen und dergleichen allen nichts ohne Unser oder derjenigen, denen Wir solches befehlen werden, Vorwissen und Bewilligung fürgenommen, viel weniger ins Werk gestellt werden solle. Deß zu wahrer Urkund, mehrer Sicherheit und Haltung haben Wir Uns mit eigener Hand zu End unterschrieben, auch Unser groß fürstlich Insiegel an diesen unsern pergamenen Brief wissentlich hängen lassen. Gegeben zu Königsberg den 19. Julii fünfzehnhundert und in dem einundachzigsten Jahr.

Georgius Fridericus, 
Marchio Brandenb. et Dux Prussiae
manu pp. 

Diesen Stiftungsbrief sendeten die Räthe zu Onolzbach am 5. Dez. 1582, während der Markgraf noch in Königsberg weilte, nach Heilsbronn an Abt, Verwalter und Richter mit folgender Weisung: „Nachdem etc. Georg Friedrich vor seiner Reise außer Landes bewilligt und befohlen. in Heilsbronn eine fürnehmliche Schule zur Ehre Gottes, zur Förderung reiner, unverfälschter Lehr göttlichen Wortes, auch Förderung guter nützlicher Kunst und Sprache, sonderlich aber den armen Unterthanen ober- und unterhalb Gebirgs zum Besten zu bestellen und darauf eine Ordnung verfaßt und approbirt, wie es mit solcher Fürstenschule zu halten sei: als lassen wir euch dieselbe Ordnung, unter J. F. G. [22] Secretinsiegel verfertigt, hierbei zukommen zur genauen Befolgung, besonders für euch, Herr Abt, zu einem fleißigen Aufsehen. Zugleich fügen wir die gegen Schluß der Urkunde angedeutete Speiseordnung bei mit dem Auftrag, einen Ueberschlag zu fertigen über die anzuschaffenden Victualien.“

Es spricht aus obigem Stiftungsbriefe eine wohlthuende, väterliche Gesinnung. Georg Friedrich war überhaupt friedlich gesinnt. Gleichwohl regierte er nicht beglückend. Seine Leidenschaft für die Jagd brachte großes Elend über sein Volk. (Beitr. S. 184–190.) Besonders groß war dieses Elend im Jahr der Fürstenschulstiftung. Daher von allen Seiten der Ruf um Erbarmung. Die Klag- und Bittschriften der Klosterunterthanen wurden dem Markgrafen nach Königsberg nachgesendet. Dieser ließ hierauf unterm 30. August, sonach sechs Wochen nach der Ausfertigung des Stiftungsbriefes, von Königsberg aus durch seine Räthe in Onolzbach den klagenden Unterthanen eröffnen, daß der Wildstand gemindert werden solle. Demzufolge wurde auch noch im Herbst viel Wild, doch bei dem ungeheuren Wildstand immer nur wenig, niedergeschossen und den Unterthanen bekannt gemacht, daß sie zu Ansbach Rothwild um 5, Schwarzwild um 6 Pfennige das Pfund kaufen könnten. Zugleich fragten die Räthe bei Abt, Verwalter und Richter in Heilsbronn an: „Ob man nicht für die Schule, deren Eröffnung nicht mehr fern sei, Wildpret kaufen und einsalzen sollte?“ Die Antwort lautete: „Zum Wildpret braucht man mehr Zuthat von Gewürz, Wein etc., als zu dem gewöhnlichen Fleisch. Da aber dieses jetzt theuer ist, so kommt Wildpret doch vielleicht billiger. Gibt man wöchentlich einmal Wildpret und für jeden der 12 Tische 10 Pfund, so bedürfen wir auf ein Jahr über 62 Zentner, welche angeschafft werden wollen, halb Schwarz–, halb Rothwild.“

Im Laufe des Winters mußte noch gar Vieles, nicht bloß Wildpret, angeschafft und Wichtigeres vorbereitet werden, da die Fürstenschule am 5. April, als am Geburtstage des Markgrafen, eingeweiht werden sollte. Zum Rektor wurde der Dechant Franziskus Raphael von Feuchtwangen, zum Konrektor der Magister [23] Joh. Codomann von Kulmbach ernannt. Beide machten einen Flugbesuch in Heilsbronn zur Besichtigung der ihnen zugedachten Wohnungen, was lange Verhandlungen zur Folge hatte. Ihr Aufzug konnte aber erst drei Monate nach der Schuleinweihung erfolgen. Die zu spät begonnenen Bauarbeiten ruhten während des Winters. Im Laufe desselben mußten Abt, Verwalter und Richter auf Regierungsbefehl ein Verzeichniß über die in der Schopperischen Schule vorhandenen 31 Schüler fertigen und bei Jedem angeben, ob er auf fürstlichen Befehl, oder auf Empfehlung Anderer aufgenommen worden sei. Es ergab sich, daß die Schüler zur Hälfte nicht auf Befehl des Fürsten aufgenommen worden waren. Aus dem am 28. Jan. 1581 gelieferten Verzeichniß ergibt sich folgender Schülerstand: A. Auf fürstlichen Befehl Aufgenommene. 1. Joh. Hertweg, Sohn eines in Schauenstein verstorbenen Pfarrers, seit 1572 in der Schopperischen Schule. 2. Balth. Bernhold aus Gunzenhausen. 3 und 4. Die Gebrüder Georg und Hans Pfenning, Sekretärssöhne aus Ansbach. 5. J. Jak. von Vohnstein aus Krailsheim. 6. Augustin de Felici, der Wälsch. 7. Joach. Döner aus Ansbach. 8. Adam Hancke aus Jägerndorf. 9. Joh. Lang aus Walmersbach. 10. Barth. Hörauf aus Windsbach. 11. Raphael Schuler aus Ansbach. 12. J. Bapt. Weselius. 13. Nik. Weigel, Sohn eines in Ahausen verstorbenen Pfarrers. 14. Johann Hannekam aus Wassertrüdingen. 15. Mart. Dosch aus Weidenbach. B. Nicht auf fürstlichen Befehl, sondern vom vorigen Abt Wunder oder seither auf Fürschriften Aufgenommene: 16. Leonh. Hofmann aus Merkendorf. 17. J. Berth. Haß aus Heidenheim. 18. Joh. Link aus Weißenbronn. 19. Balth. Porphyrius, Predigerssohn aus Heilsbronn. 20. Steph. Körber, Sohn eines verstorbenen Pfarrers aus Weihenzell. 21. Otto Chph. Faber, Richterssohn aus Heilsbronn. 22. Mich. Preu, Schulmeisterssohn aus Heilsbronn. 23. And. Bordtner aus Amberg, durch Herrn Abt Wunder seliger eingenommen. 24. Wolf Melch. Stahel, Pflegerssohn aus Nördlingen, des verstorbenen Prälaten (Wunder) Taufpathe. 25. Wolf Braun aus Windsbach, Sohn eines dort verstorbenen [24] Pfarrers, des Herrn Abts seliger Tauftodt. 26. Jak. Weigenast, Wirthssohn aus Heilsbronn. 27. Absalon Mayr aus Wassertrüdingen. 28. Joh. Geißler aus Schalkhausen. 29. Dav. Hurtel aus Oestheim. 30. Reichhard Vogt, Kaplanssohn aus Weißenburg. 31. Stph. Brotwolf, Stadtschreiberssohn aus Merkendorf. Von diesen 31 Schülern wurden 12 (Nr. 1, 5, 6, 13, 17, 20, 22, 23, 25, 29, 30, 31) zum Übertritt in die Fürstenschule nicht qualificirt befunden und daher, mit Reisegeld versehen, in ihre Heimath zurückgeschickt; die übrigen 19 traten in die Fürstenschule über. Der Beschluß, diese am 43. Geburtstag des Markgrafen einzuweihen, stand unabänderlich fest. Der Vollzug am 5. April 1582 bestand darin, daß der Generalsuperintendent Francisci erst in der Klosterkirche über Psalm 8, 2 („Aus dem Munde etc.“) predigte und dann im Gymnasium eine lateinische Rede hielt. Auf die Einweihung konnte aber die Einberufung der Lehrer und Schüler und die Eröffnung der Schule nicht sofort erfolgen, da die erforderlichen Lokalitäten noch nicht hergestellt und viele andere Requisite noch nicht vorhanden waren. Dazu kamen Verzögerungen durch Augenscheine, Verhandlungen und Zerwürfnisse. Ein Paar Wochen nach der Einweihung wurde Francisci von den Räthen zur Einsichtnahme nach Heilsbronn kommittirt. Er berichtete über den Befund unerfreulich wie folgt: „Die vier Lehrzimmer sind noch nicht hergestellt; auch nicht die Zellen; noch weniger die 7 bis 8 Zellen in dem aufgesetzten dritten Stockwerk. Noch mangelt die innere Einrichtung: Fenster, Thüren, Schlösser, Möbel etc.“ Überdieß hatte man, der Vorschrift entgegen, die Kammern für die Schüler aus mehr als je zwei Mönchszellen gebildet. Abt, Verwalter und Richter erhielten daher einen Regierungsverweis mit dem Befehl, auf ihre Kosten die Zwischenwände nach Vorschrift versetzen zu lassen, was glücklicherweise ohne große Kosten geschehen konnte, da die Zwischenwände aus Brettern bestanden. Zur Zeit konnte man die Zellen oder Kammern noch ganz entbehren, da die Schüler vom Oberland und von Schlesien noch nicht eingetroffen waren. Die wenigen [25] bereits anwesenden Schüler wurden interimistisch „in der alten Communität nächst dem Schlafhaus untergebracht, worin man nichts anderes als Meßgewänder aufbewahrt.“ Die weiteren Bescheide ertheilte Francisci theils mündlich, theils schriftlich. Schriftlich theilte er mit die Speiseordnung, den Lektionsplan und die Vorschriften über das Verhalten der Schüler.


Die Speiseordnung

war folgenden Inhalts: „An jedem Tag zum Frühstück eine aufgeschnittene Suppe. Mittags täglich 1/2 Pfund Fleisch, dazu Gemüse, oder gerändelte Erbsen, oder Obst, oder Reis-, Hirse-, Haber-, Bier-, oder Gries- oder Daddelbrei (Heidel). Am Freitag Karpfen, am Samstag Stockfisch anstatt des Fleisches. Am Sonntag und Donnerstag Braten anstatt des trucken Fleisches. Jeden Abend Suppe oder Brei mit Fleisch, statt dessen am Freitag und Samstag Fisch. Brot zur Nothdurft. Ein Seidlein Bier Mittags, ein Seidlein des Abends. Was Einem nach der Mahlzeit von seinem Trank übrig bleibt, mag er mit sich nehmen und zum Vesper- oder Schlaftrunk gebrauchen, den übrigen Durst aber am Wasserbrunnen stillen. Am Freitag und Samstag, wenn Fisch gespeist wird, soll den Knaben neben dem Bier Mittags und Abends ein Trunk Wein gereicht werden, und zwar ein ansbacher Viertel Weines jedem der 10 Tische, von denen jeder mit 10 Knaben besetzt ist. An den etwa 20 Fest- und Feiertagen, so wie an den Kommunion- und Aderlaßtagen wird gleichfalls Wein gereicht. Der Küchenmeister soll die Knaben in Speis und Trank ohne billige Klage halten. Abt und Präceptoren sollen ein ernstes Einsehen haben, daß alles nach Vorschrift gereicht werde.“ Diese Speiseordnung wurde 1607, mit wenigen Abänderungen erneuert.


Der Lektionsplan

lautete wie folgt: „1. Für die erste (unterste) Klasse. Weil in dieser Fürstenschule keine Knaben angenommen werden, welche nicht Probe halten mit der vierten Klasse in den Partikularschulen, [26] sonderlich zu Onolzbach, so soll der Präceptor mit den erst eingenommenen Knaben zuvor Lutheri lateinischen Katechismus treiben, hernach grammatica latina, etymologia, syntax, epistolae Ciceronis, fabulae Aesopi, graeca declinatio nominum et conjugatio verborum. Sonntagsevangelien griechisch. Nomenclatura Hadriani Junii. Auswendiglernen aus Ciceronis Briefen. Quaestiones dialecticae et rhetoricae nach Lossius. Schöne Sprüche aus Ovid, Virgil, Tibull und andern Poeten. Gesang. 2. Für die zweite Klasse: Lutheri Katechismus griechisch. Die Symbole der alten rechtgläubigen Kirche lateinisch und griechisch. Lateinische Grammatik wie in der 5. Klasse der Partikularschulen. Terenz. Cicero’s Briefe. Griechische Grammatik von Crusius. Aesopus oder Camerarius. Das Sonntagsevangelium griechisch. Lateinische Prosodie. Elegia de ponto. Horaz Oden. Imitiren lateinischer Poeten. Quaestiones dialecticae et rhetoricae. Locos communes aufschreiben nebst Historien und Fabeln. 3. Für die dritte Klasse: Katechismus griechisch. Die Sonntagsevangelien und Episteln griechisch. Philippi griechische und lateinische Grammatik wie in der 6. Klasse der Partikulärschulen. Cicero de officiis, senectute et amicitia et orationes. Georgica und Aeneis Horaz Oden. Isokrates. Plutarch de educatione puerorum. Pythagoras aurea carmina. Hesiod. Dialektik. Rhetorik. Deklamationen und Disputationen. Arithmetik. 4. Für die vierte Klasse: Durch einen besondern Präceptor und Herrn Abt Anfang des Studiums der Theologie. Hebräische Grammatik. Kurze Psalmen. Sprüche Salomonis. Lutheri Katechismus hebräisch. Paulinische Briefe. Loci theologici. Philippi (Melanchthon’s) examen ordinandorum zur Vorbereitung auf das Schulhalten und Predigen.“ Das zuletzt genannte Buch von Melanchthon wurde bald wieder beseitigt, da man calvinistische Anklänge darin fand. An dessen Stelle trat ein anderes Buch, Margarita theologica, 1589 verfaßt von Francisci, vor der Einführung den onolzbachischen Dekanaten und einigen auswärtigen Theologen zur Begutachtung vorgelegt. Es wurde nach Einlauf und Benützung der Gutachten gedruckt und in Heilsbronn und in den [27] andern Schulen des Landes eingeführt. Unter denen, welche in dem Buche Melanchthons nichts Anstößiges fanden, waren der heilsbronnische Prediger Lei und der erste Titularabt Limmer (s. dort), welcher wegen seiner melanchthonisch–calvinistischen Richtung removirt wurde. Die Richtung der Fürstenschule war streng lutherisch. Um jedes fremde Element fernzuhalten, mußten alle Lehrer an dieser Schule die Formula concordiae unterschreiben. Diese Konkordienformel war ein 1580 in Sachsen verfaßtes, die spezifisch lutherischen Bekenntnißschriften enthaltendes Buch, durch welches man die in der lutherischen Kirche obwaltenden Streitigkeiten beseitigen, den strenglutherischen Lehrbegriff aufrecht erhalten und calvinistische Beimischung verhüten wollte.


Die Verhaltungsregeln

für die Schüler wurden i. J. 1655 nicht nur wiederholt, sondern auch erweitert und verschärft; sie werden im XI. Abschnitt mitgetheilt werden.

Abt, Verwalter und Richter wurden von der Regierung angewiesen, den ihnen gegebenen Vorschriften pünktlich nachzukommen, insonderheit einer Instruktion über die Einrichtung der Kirche, über Ceremonien und Gesänge. Sie berichteten in diesem Betreff an die Regierung: „Gern hätten wir alles ins Werk gerichtet, hätte nicht der Herr Prediger Porphyrius sich widersetzt.“ Besonders heftig stritt man über die Versetzung der Kanzel. Wie bei dieser Gelegenheit der Prediger und der Richter einander begegneten, ist II, 115 berichtet worden.

Endlich waren die erforderlichen Lokalitäten so weit hergestellt, daß man Lehrer und Zöglinge einberufen konnte. Die 100 Zöglinge, mit welchen die Fürstenschule eröffnet wurde, waren: 1. Balth. Bernhold aus Gunzenhausen, 1589 vorübergehend Lehrer in Heilsbronn an der Fürstenschule, aber removirt. Siehe hernach. 2. Joh. Pfenning aus Ansbach und 3. Georg Pfenning, Brüder, beide entwichen schon im folgenden Jahre. Siehe hernach. 4. Joachim Döner aus Ansbach. 5. Ad. Haneke aus Jägerndorf. 6. Joh. Lang aus Walmersbach. „Ist 1587 [28] abgesprungen.“ Siehe nachher. 7. Barth. Hörauf aus Windsbach. 8. Raphael Schuler aus Ansbach. 9. Joh. Bapt. Weselius aus Ansbach. 10. Mart. Dosch, Pfarrerssohn aus Weidenbach; 1585 wegen unheilbarer Krankheit ganz entlassen. 11. Leonh. Hofmann aus Merkendorf; später deutscher Schulmeister in Heilsbronn. 12. Joh. Link aus Weißenbronn, 1591 Kaplan in Roth. 13. Balth. Porphyrius, Predigerssohn aus Heilsbronn. 14. Otto Ch. Faber, Richterssohn aus Heilsbronn, 1593 Kaplan in Langenzenn. 15. Wolfg. Melch. Stahel, Pflegerssohn aus Nördlingen. 16. Melch. Braun aus Windsbach. 17. Jak. Weigenast, Wirthssohn aus Heilsbronn. 18. Absal. Mayr, Dekanssohn aus Wassertrüngen, 1592 Kaplan daselbst. 19. Joh. Geißler aus Schalkhausen: „ein armer Waise, um Gotteswillen; 1583 durchgegangen.“ Diese 19 Zöglinge waren, wie vorhin erwähnt, aus der Schopperischen Schule übergetreten und insgesammt, Nr. 5 ausgenommen, unterhalb Gebirgs beheimathet. Die nun noch zu nennenden 81 Zöglinge waren, dem Stiftungsbriefe gemäß, theilweise Oberländer. 20. Gg. Baldauf aus Kitzingen, 1590 Kaplan daselbst. 21. Bapt. Clemens aus Hof. 22. Barth. Eberhard aus Arzberg, 1591 mit 4 fl. Viaticum abgefertigt wegen Krankheit. 23. Leonh. Beck aus Gunzenhausen, 1587 wegen unheilbarer Krätze ganz entlassen. 24. Wilh. Beck aus Roth. 25. Bernb. Blank aus Kitzingen. 26. Albr. Braun aus Weimersheim. 27. Gg. Brombeer aus Kulmbach. 28. Hierony. Caspar aus Neustädle. 29. Andr. Christiani aus Jägerndorf, 1592 dort angestellt. 30. Gg. Conradi aus Mainbernheim. 31. Leonh. Kraus (Crusius) aus Schwabach, wegen Unzucht relegirt. 32. Thom. Dietrich aus Kirchenlamitz. 33. Mtth. Engelhard aus Schwabach, 1593 Kaplan in Kreglingen. 34. Joh. Erhard aus Hof. 35. Joh. Ernst aus Auernheim. 36. Joh. Evander aus Kirchenlamitz, 1590 mit 4 fl. Viaticum entlassen, da er wenig lernte und kränklich war. 37. Joh. Faber aus Oberferrieden. 38. Chph. Fasold aus Bayreuth. 39. Nik. Flessa aus Mönchberg. 40. Dav. Gerhard aus Wassertrüdingen. 41. Bened. Häfner aus Westheim bei Windsheim. 42. Joh. Hanekam [29] aus Ansbach. 43. Mart. Hegwein aus Gnodstadt. 44. Veit Hell aus Roth, 1592 Kaplan daselbst. 45. Mich. Helmprecht aus Gefrees, gestorben 1628 als Pfarrer. 46. Erh. Hering aus Naila, 1590 krank entlassen. 47. Joh. Herpeck aus Weißenstadt. 48. J. F. Hetzel aus Leutershausen. 49. Joh. Hofer aus Koburg. 50. Joh. Hohenstein aus Krailsheim, 1631 in Ansbach gestorben. 51. Nik. Holl aus Creußen. 52. Phil. Horn aus Krailsheim. 53. Joh. Horn aus Onolzheim, wurde Pfarrer in Dornhausen. 54. Pancr. Hübner aus Kitzingen. 55. Fr. Alex. Hufnagel. 56. Paul Jachstein aus Kreut. 57. Ul. Junius aus Schwabach. 58. Pet. Ernst Karstörfer aus Hof. 59. Joh. Koler aus Heidenheim; wegen unheilbarer Krätze ganz entlassen. 60. Gg. Körner aus Pegnitz. 61. Joh. Landes aus Kleinlangheim, 1591 Pfarrer in Kirchfarrnbach. 62. Gg. Leonhardi aus Feuchtwangen. 63. Wolfg. Loer aus Melkendorf. 64. Joh. Lösselsberger aus Neustadt, 1590 krank entlassen. 65. Joh. Löser aus Ansbach, gestorben als Pfarrer in Dornhausen. Ueber ihn wird nachher Weiteres berichtet werden. 66. Nik. Mayr aus Ansbach. 67. Joh. Müller aus Ansbach. 68. Osw. Münch aus Prichsenstadt, 1590 krank entlassen. 69. Joh. Netter aus Feuchtwangen, 1585 wegen unheilbarer Krankheit ganz entlassen. 70. Joh. Nuser aus Ansbach, 1590 krank in ein Bad. 71. Gg. Oesterreicher aus Willensheim. 72. Joh. Pfentner aus Wonsees. 73. Chph. Piger aus Kulmbach. 74. Joh. Rauscher aus Plofelden. 75. Joh. Reinmann aus Leobschütz in Schlesien. 76. Gg. Rigel aus Feuchtwangen. 77. Pet. Risch aus Langenzenn. 78. Chph. Rosenschon aus Kulmbach. 79. Mtth. Rumpfer aus Plech. 80. Fr. Schaller aus Krailsheim, 1599 Kaplan in Ansbach. 81. Hein. Schmid aus Kitzingen. 82. Zach. Schnabel aus Kulmbach. 83. Joh. Schneider aus Steinbach bei Kadolzburg, gestorben 1584. 84. Joh. Schnürlein aus Wassertrüdingen. 85. Joh. Schwab aus Uffenheim. 86. Nik. Senfft aus Kulmbach, 1601 Kaplan daselbst. 87. Wolfg. Silberhorn aus Weißenstadt, 1590 krank entlassen. 88. Joh. Solleder aus Kreglingen. 89. Gg. Speckner aus Creußen. 90. Leonh. Spengler [30] aus Wirsberg. 91. Tob. Stegmann aus Jägerndorf. 92. Pet. Stör aus Bretheim, 1583 entlaufen. 93. Fr. Taubmann aus Wonsees. Über ihn wird nachher Näheres berichtet werden. 94. Wolfg. Thumser aus Hof. 95. Rich. Voigt aus Weißenburg. 96. Gabr. Volland aus Schwabach. 97. Joh. Wagner aus Dachsbach. 98. Johann Widmann aus Kadolzburg. 99. Gg. Winter aus Wunsiedel. 100. Mich. Wolfart aus Neustadt.

Die vier Lehrer, mit welchen die vierklassige Fürstenschule eröffnet wurde, waren: 1. M. Franziskus Raphael, Rektor, poeta laureatus, geboren 1533 in Sachsen, Konrektor in Eisleben und Ansbach, dann Dechant in Feuchtwangen, 1582 Rektor in Heilsbronn, aber nur zwei Jahre lang, zuletzt Konsistorialrath in Ansbach. 2. M. Joh. Codomanus, Konrektor, geboren in Schauenstein, studirte in Wittenberg, wurde Rektor in Kulmbach, 1582 Konrektor in Heilsbronn, später Rektor daselbst, dann Konsistorialrath in Kulmbach. 3. M. Wenzeslaus Gurkfelder, geboren in Jägerndorf, von 1562 bis 68 Schüler in der vom Markgrafen Georg gegründeten Lateinschule in Ansbach, dann zehn Jahre lang Student in Wittenberg und im Genuß eines ansbacher Universitätsstipendiums, bis er 1579 abberufen und Schulmeister an der Schopper’schen Schule wurde, die er vier Jahre lang, bis 1582, leitete, aber nicht zu heben vermochte. Nachdem an deren Stelle die Fürstenschule getreten war, fungirte er an dieser sechs Jahre lang (bis 1588) als dritter Lehrer, Tertius, dann 13 Jahre lang als Konrektor, bis er 1601 Konsistorialsekretär in Ansbach wurde, wo er starb. Er war ein fleißiger Geschichtsforscher. Während seines 23jährigen Aufenthalts in Heilsbronn machte er die dort vorhandenen Grabmonumente und Archivalien zum besondern Gegenstand seiner Forschungen. Eine Frucht derselben war ein dem Markgrafen Georg Friedrich überreichter Stammbaum und die Ergänzung und Berichtigung einer von dem Doktor der Medizin Johann Moninger in Kulmbach gefertigten zollern–brandenburgischen Genealogie, welcher nach Gurkfelder’s Tod dessen Schwager, der Richter Keck in Heilsbronn, noch einige Bemerkungen beifügte. Was Gurkfelder über [31] die Genealogie der Herren von Eib schrieb, ist wiederholt veröffentlicht worden, z. B. von Hocker (Antiq. S. 215 f.) und neuerlich von Dr. Laurent im 34. Jahresb. des hist. V. von Mittelf. v. J. 1866, S. 63 f. Ohne Zweifel ist er auch der Verfasser eines Manuskripts mit dem Titel: Monumenta antiquitatis, quae in templo monasterii Heilsbronnensis passim obvia cernuntur. Das niemals gedruckte Manuskript ist vielleicht nicht mehr vorhanden; es wurde aber wiederholt abgeschrieben; der fleißigen Kopisten ist oben oft Erwähnung geschehen. Einer dieser Kopisten und Gurkfelders Schüler war der bei Nr. 65 im vorstehenden Schülerverzeichniß genannte J. Löser, den wir noch näher kennen lernen werden. 4. Arnold Wetzel, der unterste Lehrer, fungirte als solcher nicht lange und wurde Pfarrer in Sammenheim.

Raphael, der erste Rektor, kam schon nach zwei Jahren weg. Sein Nachfolger M. Joh. Hertel starb schon nach vierjähriger Amtsführung. Ihm folgte, wie schon erwähnt, Codomanus, welcher bis 1602 in Heilsbronn war. Diese drei Rektoren waren wohlgesinnte und gelehrte Männer. Gleichwohl wollte unter ihrer und des Abts Limmer Leitung die Anstalt nicht jugendlich frisch und fröhlich aufblühen und gedeihen. Es fehlte bei den Leitern Energie und Zusammensicht. Nach kaum einjährigem Bestehen der Anstalt berichteten die von Onolzbach zur Visitation und Herbstprüfung abgeordneten Kommissäre wie folgt: „Die Schuldiener verweigern die Leistung des ihnen vorgelegten Juraments. Der Koch kocht unsauber und oft Ungenießbares. Die Präceptoren klagen über ihren sauern Besoldungswein.“ Dazu kam manches Mißgeschick in der Schule selbst. Schon im zweiten Jahre ihres Bestehens entliefen die vier Schüler Georg und Johann Pfenning, Geißler und Stör (Nr. 2, 3, 19, 92), darunter drei aus der Schopper’schen Schule Übergetretene. Auf Regierungsbefehl wurden an ihrer Stelle vier andere Schüler aufgenommen. Georg Pfenning stellte sich wieder und es ergab sich, daß er, ein talentloser Knabe, mehr aus Unverstand entlaufen war. Man beschloß, ihn als Aufwärter beizubehalten, „damit [32] er sich nicht dem Papstthum und andern bösen Stücken zuwenden möge.“ Im zweiten Schuljahre zeigten der Abt Limmer und der Rektor Raphael beim Konsistorium an, daß der Gymnasiast Schneider (Nr. 83) am 17. Mai „unwissenderweise ohne besondere Wart und Pflege gestorben sei“, und erhielten darauf einen derben Verweis mit dem Beifügen: „daß es der Fürstenschule böse Nachreden bereiten müsse, den Knaben nicht besser beobachtet, in Todesnöthen ohne Trost und ohne Gottes Wort gelassen zu haben.“ Im dritten Schuljahr zeigte sich bei den drei Schülern Dosch, Beck und Netter (Nr. 10, 23, 69) eine ekelhafte Krankheit. Auf erstattete Anzeige wurde der Doktor Jos. Regulus nach Heilsbronn gesendet, welcher über den Befund berichtete: „Beck ist krätzig an Händen und Füssen, vermuthlich Folge von Erfrörung vor zwei Jahren und weil er noch jetzt sich nicht warm genug kleiden kann aus Armuth; ist heilbar bei besserer Verköstigung und Pflege. Dosch, schon ziemlich alt, ist heilbar bei besserer Speise und Trank. Netter litt schon daheim, sein Arzt meinte an morbus gallicus bedarf reinlicher Wäsche etc.“ Die Regierungsräthe gaben hierauf die erforderlichen Weisungen: „daß der Koch die Küche nicht seinem Küchenjungen überlassen soll etc.“ Dosch war unheilbar und mußte „wegen seines Aussatzes“ sofort aus der Schule entlassen werden; später auch die zwei andern, da sie gleichfalls unheilbar waren. Gleichzeitig wurde der Zögling Kraus (Nr. 31) vier Tage lang bei Wasser und Brot eingesperrt, dann für immer relegirt und sein Vater zur Vergütung des Aufwandes für Kost, Kleidung etc. aufgefordert. Der Bursche fungirte zuweilen als Schreiber beim Abt Limmer in dessen Wohnung, ließ sich aber mit der Magd des Hauses in ein schlechtes Verhältniß ein. Dem Abt wurde befohlen, künftig keine Gymnasiasten mehr als Schreiber zu gebrauchen. Das Verhalten der meisten Schüler war schon jetzt (1585) im dritten Jahre des Bestehens der Schule so anstößig, daß die Räthe nach abgehaltener Visitation in ihrem Bescheid Folgendes eröffnen und befehlen mußten: „Wir befinden, daß sich der Mehrtheil der Knaben eine Zeither gegen ihre Präceptores alles Ungehorsams befleißen. Solchem Muthwillen mit [33] Ernst zu begegnen, haben wir unsern Rath und Advocaten Zangmeister abgefertigt und ihm befohlen, den gedachten Knaben solchen Muthwillen zu verweisen. Ihr sollt mit Ernst daran sein, dergleichen Muthwillen zu strafen, oder im Fall es nicht fruchten sollte, die Sach an uns zu berichten. Die gegebene Schulordnung ist bisher schlecht gehandhabt worden. Jeder Diener des Klosters handelt seines Gefallens.“

In demselben dritten Schuljahr verordnete Georg Friedrich, wieder von Preußen aus, daß alljährlich 1000 Gulden aus dem Klosterfond für Universitätsstipendien gezahlt werden sollten, und zwar an 20 Studenten a 50 fl. Es war dieses das erste Jahr, in welchem Abiturienten der Fürstenschule eine Universität beziehen sollten, und zwar folgende sieben: Bernhold, Link, Porphirius, Landes, Schwab, Stegmann und Volland (Nr. 1, 12, 13, 61, 85, 91, 96). Nach des Markgrafen weiterer Verordnung mußte jeder Stipendiat und dessen Bürge einen Revers folgenden Inhalts ausstellen: „Ich ..... bekenne, nachdem der durchlauchtigste Fürst mich mit einem Stipendio bedacht, daß ich bei meinen christlichen Worten an Eidesstatt kraft dieses Briefes zugesagt habe, daß ich mich auf die Universität zu ..... zu dem Studio der heiligen Schrift begeben und demselben mit Eifer nachjagen, mich fromm halten, geziemende Kleidung gebrauchen, aller leichtfertigen ärgerlichen und köstlichen Kleidung enthalten will. Wenn ich dann zur Nothdurft der Kirche und Schule zu gebrauchen tauglich bin, so will ich schuldig sein, meinem gnädigen Fürsten und seinen Erben auf Erfordern gegen billige Besoldung zu dienen. Wo ich meinem Studio nicht mit Fleiß nachginge und mein Stipendium unnützlich verzehren, oder durch mein Verschulden der Herrschaft nicht dienen würde, so will ich alles, so von der Herrschaft auf mich gewendet, wieder erstatten. Und damit mein gnädiger Fürst meines Stipendii wieder habhaft werden kann, so hab ich den ..... (meinen Vater, Vetter, Schwager, ehrsamen Bürger etc.) zu selbstschuldigen Bürgen gesetzt. Und wir ..... bekennen, daß wir des ..... (unseres Sohnes, Vetters etc.) schuldige Bürgen worden sind bei Verpfändung [34] unserer Hab und Güter. Deß zu Urkund haben wir die Herren .... (Rathsbürger, Bürgermeister, Richter etc.) gebeten, daß sie ihre Insiegel fürgedruckt haben. Actum etc.“ Diesen Revers stellten sechs von den genannten Abiturienten aus; aber der siebente, Volland, konnte wegen Armuth keinen Bürgen stellen. Allein man erließ ihm, da man ihn für solid hielt, die Bürgschaftleistung und begnügte sich mit dem nur von ihm ausgestellten Revers, ließ ihn jedoch einen Eid schwören. Darauf sollte er im Herbst 1585 nach Wittenberg ziehen. Da aber die dortige Universität wegen der Pest aufgelöst war, so mußten alle sieben Abiturienten vorerst noch in Heilsbronn bleiben. In dieser Zwischenzeit kam Vollands liederliches Leben an den Tag. Er hatte sich einen Schlüssel verschafft, in mancher Nacht mit seinen Kommilitonen Julius und Oesterreicher (Nr. 57 und 71) im Wirthshause gezecht und die Magd des Küchenmeisters zu Fall gebracht und ihr versprochen, sie nach seiner Rückkehr von Wittenberg zu ehelichen. Er entzog sich der Bestrafung durch die Flucht, die Magd gleichfalls. Die weitläuftigen Verhandlungen über diese Sache zeugen von großer Fahrlässigkeit Seitens der Aufsichtsbehörden bei der Schule. Nach dem Aufhören der Pest in Wittenberg zogen die genannten sechs Abiturienten dahin mit noch fünf andern Zöglingen der Fürstenschule. Der Professor der Medizin Albert in Wittenberg wurde von den ansbacher Räthen ersucht, die Studien und Sitten der Stipendiaten zu überwachen und, wenn sie sich des Stipendiums unwürdig zeigen sollten, es anzuzeigen. Einer dieser Stipendiaten, Hübner (Nr. 54) starb zu Wittenberg im folgenden Jahr. Einer verlor das Stipendium „wegen Verbrechens“. In Heilsbronn ergab sich auch während der folgenden Jahre viel Unerfreuliches. Der Fürstenschüler Wiegelein, Baderssohn aus Ansbach, kam wegen Exzesse bei einer Tanzmusik im Wirthshause in’s Gefängniß. Bei dieser Gelegenheit berichtete der Verwalter an die Regierung: „Ich kann bei den Schülern im Trinken und Heimgehen nicht Ordnung halten und die bei Eröffnung der Schule gegebene Instruktion nicht durchführen, da die Herren Präceptores selbst darin nicht Maß [35] und Ordnung halten.“ In Gegenwart der Regierungsräthe wurde weitläuftig verhandelt über den verwaisten Joh. Lang (Nr. 6), welcher auf fürstlichen Befehl in die Schopperische Schule und 1582 in die Fürstenschule aufgenommen worden war. Die ihm vorgehaltenen Gravamina waren: „Hat sich die ganze Zeit, da er hier versiret, alles Muthwillens beflissen, alle Hundsecken gesucht und Bubenstücke verübt, stetig mit den Weibern Schande und Laster getrieben, auf einer Hochzeit in Weißenbronn den Knechten vorgetanzt und sich gegen die Weiber so üppig gehalten, daß die Knechte ihn wollten zum Haus hinaus schlagen; hat auch über seine Präceptores geschnalzt.“ Auf die Inquisition folgte Relegation und Beschlagnahme seines Vermögens zur Vergütung von 20 und 30 Gulden, welche in beiden Schulen auf ihn verwendet worden waren. Sein ehemaliger Mitschüler in beiden Schulen, Bernhold (Nr. 1), vorhin unter den ersten Abiturienten genannt, gab gleichfalls viel Ärgerniß. Nach Vollendung seiner Studien in Wittenberg wurde er 1589 bei der Fürstenschule angestellt, obgleich er schon früher übel beleumundet war. Bald nach seiner Anstellung kam er wegen heimlicher Ehe in Untersuchung „zwei Tage und Nächte lang in die Custodia, auch zur Warnung für die Alumnen,“ und dann durch Stellentausch nach Ansbach. 1592 wurden 10 Schüler „wegen harter ingenia“ ausgewiesen mit dem Regierungsbescheid: „sich keiner widerwärtigen Religion zuzuwenden.“

Aus den vorstehenden Aktenmittheilungen erhellt, daß viele der 100 Erstlinge in der Fürstenschule kein guter Geist beseelte. Sie waren Kinder ihrer Zeit, und daß in ihrer Zeit, im ganzen Reformationsjahrhundert, das Familienleben im Allgemeinen kein wohlgeordnetes war, haben wir im VI. Absch. gesehen. Die Zöglinge kamen nicht wohlgezogen in die Anstalt und blieben in derselben, was sie vorher waren. Das Zusammenleben in dergleichen Instituten wirkt nur selten sittlich bessernd, oft aber verschlimmernd ein, zumal wenn, wie bei der Fürstenschule, tüchtige Leitung fehlt, oder gar, wie in Heilsbronn, unter den Leitern selbst kein guter Geist herrscht, Zeuge folgender Aktenmittheilung: [36] Im zwölften Jahre des Bestehens der Fürstenschule wurde der bisherige Verwalter Faber quiescirt, an seine Stelle Heinold gesetzt und dessen Ernennung unt. 17. Mai 1594 von Georg Friedrich dem Titularabt Wolschendorf, dem Richter Keck und allen Klosterdienern eröffnet mit dem Beifügen: „Und dieweil auch unter den Dienern und andern Personen im Kloster bisher viel unnöthiger Streit, Gezänk und Widerwärtigkeit entstanden, dadurch wir bei unserer Rathsstube allhie mit solchen verdrießlichen und vergeblichen Händeln oftmals überlaufen und an andern nothwendigen Sachen verhindert werden: als ist hiermit unser ernstlicher Befehl, wollet die Verfügung thun, damit hinfüro dergleichen Gezänk und Widerwärtigkeit verbleiben möge; auch den Dienern und andern Klosterpersonen mit Ernst befehlen, dem neuen Verwalter besseren Gehorsam, als zuvor beschehen, zu leisten, wie denn gegen die Verbrecher ernste Straf vorgenommen werden soll.“ Was Georg Friedrich, laut Stiftungsbrief, Gutes wollte, kam meist nicht zum Vollzuge, da die rechten Vollzugsorgane fehlten. Doch ging es immer noch besser von 1582 bis 1603, so lang Georg Friedrich noch lebte. Nach seinem Tode erhielt jedes der beiden Fürstenthümer einen eigenen Regenten, während die Fürstenschule beiden Regenten untergeben war, zweien Herren dienen mußte, die nicht Hand in Hand miteinander gingen. Diese zweiköpfige Herrschaft brachte die Fürstenschule immer tiefer herab und führte schließlich zur Aufhebung derselben, wie im XI. Absch. berichtet werden wird.

Daß unter den 100 Erstlingen in der Fürstenschule auch gutgeartete waren, zeigen schon die einigen Namen im obigen Schülerverzeichniß beigeschriebenen kurzen Notizen. Die Abiturienten (vier ausgenommen) erhielten in Wittenberg 6 bis 9 Jahre lang jährlich 50 fl. Stipendium von Heilsbronn; Einige magistrirten und wurden dann in ihrer Heimath als Kirchen- oder Schuldiener angestellt. Über die Nachgenannten findet man in den heilsbronner Aufzeichnungen folgende Notizen:


Friedrich Taubmann

(Nr. 93) aus Wonsees. In einer „Taubmanniana“ betitelten [37] Schrift werden von ihm allerlei Schwänke erzählt. Die heilsbronner Aufschreibungen berichten nichts von seinen Schwänken, wohl aber, daß er bis in sein 17. Lebensjahr die Lateinschule in Kulmbach besuchte, mit seinem dortigen Rektor Codomannus, welcher Konrektor in Heilsbronn wurde, dahin übersiedelte, bis in sein 26. Lebensjahr als Fürstenschüler dort weilte und ein sehr gewandter Lateiner und Gelegenheitsdichter war. Während seines neunjährigen Aufenthalts in Heilsbronn dedizirte er hohen Häuptern (z. B. einem Pfalzgrafen) lateinische Gedichte und erhielt dafür den Titel eines gekrönten Dichters oder Poeta laureatus. Man denke dabei nicht an eine Dichterkrönung wie die Petrarka’s, 200 Jahre früher, auf dem Kapital zu Rom. Zu Taubmann’s Zeiten war der Krönungsakt ziemlich geräuschlos. Wir begegnen in Heilsbronn manchem gekrönten Dichter. Ein solcher war der heilsbronnische Rektor Raphael, der heilsbronnische Prediger Ley; ferner Sophonias Haselmüller, welcher bald nach Taubmann’s Austritt aus der Fürstenschule in diese eintrat und mehr als Taubmann zu Sehwänken geneigt war, zeuge seiner eigenhändigen Inskriptionen im Karzer, wo er im Nov. 1595 mit seinen Kommilitonen Seber, Pfister, Steub und Wolf wegen Trunkenheit und Exzesse eingesperrt war und humoristische lateinische Verse über sein Vergehen an die Thüren und Wände des Karzers schrieb. Nachdem Haselmüller in Wittenberg studirt und magistrirt hatte, wurde er dritter Lehrer in Heilsbronn an der Fürstenschule. Der Prediger, welcher ihn i. J. 1614 kopulirte, bemerkt im Trauungsregister ausdrücklich, daß er Poeta laureatus war. Taubmann erhielt 1590 auf fürstlichen Befehl 19 fl. aus der Klosteramtskasse zu einer zweimaligen Badekur und im folgenden Jahr 10 fl. für ein Carmen, verfaßt zum Gedächtniß der 1591 zu Heilsbronn beerdigten Markgräfin Emilie, Georg Friedrich’s Mutter. (Beitr. S. 207–9.) In demselben Jahr absolvirte Taubmann, 26 J. alt, in Heilsbronn, erhielt vom Markgrafen das heilsbronner Universitätsstipendium, stellte den obenerwähnten Revers aus, bezog die Universität in Frankfurt a. d. Oder, empfohlen an den dortigen Professor Cornero, vollendete [38] seine Studien in Wittenberg, wo er Professor wurde, die daselbst studirenden heilsbronner Fürstenschüler beaufsichtigte und ihnen die Stipendien auszahlte. Er starb in Sachsen, noch nicht 50 Jahre alt.


Johann Löser,

(Nr. 65) Schuhmacherssohn aus Ansbach, von 1582 bis 93 Fürstenschüler, dann neun Jahre lang Student in Wittenberg, wo er 1602 magistrirte. Zu seiner Promotion erhielt er von Heilsbronn aus zu den alljährlichen 50 fl. Stipendium noch 10 fl. Von Wittenberg zurückgekehrt, fungirte er sieben Jahre lang (in Pforzheim) als Schuldiener, dann als Pfarrer und Kapitelssenior in Dornhausen und starb daselbst i. J. 1635. Er ist einer von den oftzitirten Kopisten des ohne Zweifel von seinem Lehrer Gurkfelder verfaßten, soeben gedachten Manuskripts über Heilsbronn und die in der Kirche befindlichen Monumente. Seine schon vor 1593 geschriebene Kopie ist besonders genau und ausführlich, nicht in Oktav, sondern in Quart. Die Wappen und Gedenktafeln sind zwar nicht künstlerisch, aber sorgfältig nicht bloß abgezeichnet, sondern auch kolorirt. Das Manuskript enthält Folgendes: De aedificatione monasterii. Verzeichniß der Äbte und ihrer Epitaphien. Die Kaiserkapelle. Die Ritterkapelle mit ihren Monumenten. Das Kirchenschiff mit seinen Monumenten. Der östliche Chor. Die Heideckerkapelle. Die 28 (29) Altäre. Der alte Kreuzgang. Das Kapitol oder Kapitelshaus. Eine Tafel mit den Namen verstorbener Mönche und Äbte. Die 16 gemalten Fenster im neuen Kreuzgang. Ein Verzeichniß über alle Cisterzienserklöster. Wann Burggraf Friedrich (III.) zum Burggrafthum gekommen, was seine Nachkommen dazu gebracht haben und wie sie zur Mark Brandenburg gekommen sind. Brandenburg–zollerische Genealogie bis auf Georg Friedrich. Klöster im markgräflichen Territorium. Dieß enthielt das (Gurkfelderische) Original, sonach auch die Kopie. Allein Löser kam als Pfarrer von Dornhausen zuweilen, noch i. J. 1631, nach Heilsbronn, notirte sich manches, was während seines Aufenthalts daselbst in den Jahren 1583 ff. noch nicht geschehen und noch nicht vorhanden [39] war und fügte diese nachträglichen Aufzeichnungen seinem Manuskripte bei, theils am Anfang, theils am Ende. Voran stellte er eine Abbildung des 28(32)röhrigen Bleibrunnens (s. oben Bd. I beim 25. Abt Bamberger und Beitr. S. 26) mit der Beischrift:

Non est nobilior fons ullus Fonte salutis.
Nam fluit ex aliis lympha, sed hocce salus.
     Sebast. Stibar, pastor olim Reckingensis.

Dann folgt Seite 3–7: „Fons salutis, carmine heroico descriptus.“ Die Lobrede preist Heilsbronn, dessen Lage, Monumente etc., besonders aber den Stifter der Fürstenschule. Seite 8 kurzer Auszug aus Bruschius über das Leben des Klosterstifters Otto von Bamberg. Dann die vorhin angeführte, am 21. April 1628 vom 5. Titularabt Mehlführer gehaltene Schulrede. In einem Anhang zu seinem Manuskript theilt Löser eine vom ersten Rektor Raphael verfaßte Inschrift mit, welche nebst dem markgräflichen Wappen außen am Schulgebäude bei Gelegenheit der Schuleröffnung angebracht war und lautete:

Praebuit haec sacris habitanda palatia musis
Marchiaca princeps de stirpe Georgina ortus
Fridericus, qui dum fontanas purius undas
Ire facit, fonti dat nomina vera salutis.
Christe, fave coeptis, tua laus tua gloria sola
Queritur atque salus pretiosa sanguina parta.

„Welche Versus Seb. Stibarus, Pastor Roeckingensis, also verdeutschet:“

„Allhie Markgraf Görg Friederich
Die freien Künst gar väterlich
Erhält und fördert zu Gottes Ehr.
Den Brunnen des Heils und guter Lehr
Macht er fließend von reinem Wasser,
Von dem er hat sein Namen besser.
O Christe, dein Lob man suchen thut,
Und auch das Heil, das durch dein Blut
Der Mensch nun schon bekommen hat.

[40]

Zu diesem Werk dein göttlich Gnad,
Auch dein heiligen Geist verleih,
Daß es glücklich und nützlich sei.“

Ferner theilt Löser den Lektionsplan, die Speiseordnung und den Stiftungsbrief der Schule von 1581 mit. Dann folgen die Namen der mit oder bald nach Löser eingetretenen Schüler und die Namen der Rektoren und zwei Epigramme auf Georg Friedrich. Aus den Beischriften auf dem Einband des Manuskripts erhellt, daß dieses vormals Eigenthum der Mannheimer Bibliothek war.[5]

Löser nennt unter den bald nach ihm eingetretenen Mitschülern den Simon Mair von Gunzenhausen, bekannter unter dem Namen Marius. In Heilsbronn war es, wie obiger Lektionsplan zeigt, vorzugsweise auf philologische und theologische Studien abgesehen. Daher konnte Mair, ein ausgeprägtes mathematisches und astronomisches Talent, nicht lang dort weilen. Schon während seines Aufenthalts daselbst schrieb er eine Abhandlung über einen damals erschienenen Kometen und dedizirte sie dem Markgrafen Georg Friedrich. Bald darauf veröffentlichte er eine andere astronomische Schrift und erhielt zur Bestreitung der Druckkosten 30 fl. vom Markgrafen. Weitere Unterstützungen erhielt er von demselben zur Fortsetzung seiner Studien nicht in Wittenberg, wie seine meisten Kommilitonen, sondern in Königsberg. 1604 war sein Lehrer Galiläi in Padua, wohin ihm nicht 50 fl., wie den Studenten in Wittenberg, sondern 100 fl. aus dem heilsbronner Stipendienfond gesendet wurden. 1605 erhielt er dort 150 fl., „damit er sich auslösen und heraus reisen könne.“ 1606 erscheint er als Hofmathematicus in Ansbach beim Markgrafen Joachim Ernst, der ihn eben so hoch schätzte, wie Georg Friedrich. Er erhielt in diesem Jahre von Heilsbronn aus 150 Thaler, und so alljährlich eine Besoldung bis zu seinem 1625 erfolgten Tode. Seine Wittwe besaß in Schlauersbach ein Anwesen, verkaufte es [41] aber für 550 fl. Seine Schrift über die Jupitertrabanten betitelte er Sidera Brandenburgica. Außer ihm ging aus der Fürstenschule vom Jahre ihrer Eröffnung an bis zu ihrer Zerstreuung kein namhafter Mathematiker hervor. Doch wird von Einem berichtet, daß er mathematische Instrumente fertigte und vervollkommnete; er hieß Jak. Elrod, war aus Kulmbach, von 1623 bis 31 heilsbronnischer Stipendiat und wurde Pfarrer in Gefrees. Von allen Andern (über 300), welche in jenen 49 Jahren ihre Gymnasialbildung in Heilsbronn erhalten hatten, zeichnete sich keiner als Gelehrter aus. Erst am Ende jener Periode findet man in den Stipendiatenverzeichnissen drei in der Gelehrtenwelt bekannt gewordene Namen: Baldauf, Böckler und Frischmann. Joh. Baldauf aus Bayreuth studirte in Wittenberg, erhielt dort sein Stipendium noch i. J. 1632, dann aber nicht mehr, da in Heilsbronn nicht nur die Schule, sondern auch die Amtskasse völlig geleert und ohne Zufluß war. Er wurde Professor der hebräischen Sprache in Helmstädt, dann in Leipzig, zuletzt Generalsuperintendent in Hoya. Joh. Hein. Böckler aus Kronheim, ging nach Auflösung der Fürstenschule nach Straßburg, wurde daselbst Professor der Beredtsamkeit und in der Thomaskirche, wie sein dortiges Epitaph besagt, begraben. Joh. Frischmann aus Kulmbach verließ die Fürstenschule im Jahre vor ihrer Zerstreuung und wurde späterhin bei einer Gesandtschaft angestellt.

Es waltete, wie wir gesehen haben, in der Fürstenschule gleich von vornherein und während der ersten 31 Jahre kein guter Geist. Und doch war diese erste Zeit noch die bessere. Es wurde schlimmer nach dem Tode (1603) Georg Friedrich’s, welcher kinderlos starb. Seine Erben waren seine Vettern Joachim Ernst und Christian. Jener erhielt Ansbach, dieser Bayreuth. Heilsbronn blieb gemeinschaftlicher Besitz. Die dortigen Pfarrer, Gymnasiallehrer und weltlichen Beamten wurden alternirend ernannt. Onolzbach bevorzugte die von dort aus Ernannten; Bayreuth begünstigte seine Erwählten; die Folge davon war unaufhörlicher Hader. Alle Berichte, Bitten und Vorschläge mußten [42] an beide Regierungen gesondert eingereicht werden; die hierauf erfolgten Bescheide widersprachen einander sehr oft, worauf weitläuftige Verhandlungen und kleinliche Quälereien folgten, z. B. wenn man in Bayreuth gewahr wurde, daß die Zahl der onolzbachischen Alumnen um Einen größer war, als die der bayreuther, und umgekehrt. Jede Kleinigkeit führte zu Konflikten. Bei der Revision der Apothekerrechnungen von 1624 ergaben sich Unterschleife von Seite des Verwalters Müller; denn es fanden sich Ausgaben für nicht gelieferte Arzneien und Rezepte für gar nicht vorhandene Schüler. Die beiden Regierungen ergriffen einmüthig geeignete Maßregeln gegen die Wiederkehr von dergleichen Betrügereien, gingen aber sofort wieder auseinander, um sich gegenseitig zu chikaniren. Apotheken und Rezepte gaben dazu erwünschte Gelegenheit. Bayreuth befahl, daß Rezepte für einen oberländischen Alumnus nur bei dem aus Hof gebürtigen Apotheker Hochmuth, und nicht in der onolzbacher Hofapotheke gefertigt werden durften; Onolzbach verfügte in gleicher Weise zu Gunsten des Hofapothekers. Ähnlich wurde es noch nach hundert Jahren gehalten: die bayreuther Rezepte wurden in Neuhof, die onolzbacher in Heilsbronn gemacht, nachdem an beiden Orten Apotheken errichtet worden waren. 1622 reichte die ganze Schülergenossenschaft bei den in Heilsbronn tagenden Räthen eine Beschwerde gegen den ebengenannten Verwalter ein, welcher ihnen ihr Deputat nicht gebührlich und nicht rechtzeitig reiche. „Hat aber wenig gefruchtet und ist solche Procrastination nur noch mehr eingerissen.“ Die Beschwerdeführer erneuerten daher zwei Jahre darauf ihre Beschwerde, zugleich auch gegen die Frau Verwalterin, „welche ihren Fleiß in Besserung unserer Betten und anderem Gewand spart.“ In der Schule mußten nach wie vor dem Tode Georg Friedrichs stets Auswürflinge inquirirt und relegirt werden. 1613 befahl der Markgraf Joachim Ernst dem Amtmann und Bürgermeister in Gunzenhausen, den Vormund des Alumnus Lacher von dort anzuweisen, die auf diesen verwendeten 150 fl. zu vergüten, „da er solch sträfliche Händel begangen habe, daß er von dem Beneficio gänzlich abgeschafft werde.“ 1615 wurde [43] der Wirth in Weißenbronn um 10 fl. gestraft, „weil er Alumnos nächtlicherweil eingelassen habe.“ Gleichzeitig wurden acht Alumnen (Perca, Pirtsch, Körber, Crinesius, Vogtherr, Zink, Eck und Christel) zu Ruthenstreichen verurtheilt. Während der Untersuchungshaft im Gotzenloch oder weißen Thurm (1771 völlig niedergerissen) setzten sie ihre Exzesse fort, ließen sich vom Buben des Amtsknechts Karten, Licht und Geige bringen, schrieben durch den Badersjungen Brieflein an ihre Kameraden etc. Deßhalb vom Richter Keck verhört, lautete ihre Aussage: „Haben geschlafen, nicht gespielt, nicht gejauchzt. Licht haben wir nur gewünscht, um zu sehen, wie es im Thurm aussieht etc.“ Ihrer Bitte um Entlassung schrieb der Titularabt Mehlführer bei: „Sind alle acht schlechte Bursche, voll Trotz und Lüge, keiner Verzeihung würdig, sollen abgewiesen werden.“ Zwei andere Gleichgesinnte verfaßten im Gefängniß ein Gesuch um Erledigung mit dem Beifügen: „Von dieses Gefängnisses squalor liegen wir also darnieder, daß Abbruch von Gesundheit zu fürchten ist und es uns Sinne und Vernunft raubt. Auch sind wir vorige Nacht durch Ungetüm erschreckt und fast abkräftig worden.“

Der dreißigjährige Krieg machte sich in den ersten Jahren durch Theuerung und Mangel der Schule fühlbar. Die Haushaltung mußte beschränkt werden; die Schüler konnten nur über den andern Tag Fleisch erhalten. Im Mai 1631 lief die Schreckensbotschaft von der Zerstörung Magdeburgs ein. Tilly, bei Breitenfeld geschlagen, zog in die Taubergegend. Gustav Adolf folgte ihm, worauf Tilly die Taubergegend verließ und durch das Bibertthal gegen Nürnberg zog. Nach Heilsbronn kamen in den ersten Novembertagen nur einzelne streifende Reiter. Beim Herannahen des Heereszuges beschloß man, die Fürstenschule zu schließen. Die Schüler gingen zu den Ihrigen, der Abt und der Verwalter nach Ansbach, der Rektor, Konrektor, Tertius, Kantor, Küchenmeister und Andere nach Schwabach. Die am 3., 4., 5., 6., 8. und 9. November einziehenden Reitertruppen begegneten nicht dem geringsten Widerstand. Über diese sechs Tage wird im folgenden X. Abschnitt Näheres berichtet werden. Noch im [44] Laufe des November, nachdem Tilly’s Heer vorübergezogen war, kehrten die ebengenannten Flüchtlinge aus Ansbach und Schwabach nach Heilsbronn zurück und blieben daselbst bis zum Frühling des folgenden Jahres, um mit den beiden Regierungen zu berathen, was weiter zu thun sei. In Folge dieser Berathung wurde beschlossen, die Schule sofort wieder zu eröffnen. Besonders wünschte dieses der Markgraf Christian von Bayreuth. (Sein Bruder Joachim Ernst von Onolzbach war 1625 in Heilsbronn begraben worden.) Er resolvirte unter dem Datum: Kulmbach, 28. Apr. 1632: „Liebe Getreue. Euch ist bewußt, welchergestalt Heilsbronn von dem Tilly’schen Kriegsvolk ausgeplündert worden und daß die Präceptores und Alumnen an andere Orte sich eine Zeitlang begeben müssen und also das Schulwesen daselbst liegen geblieben, auch daß unsere Gefälle merklich verloren haben. Weil aber den beiden Fürstenthümern nicht wenig daran gelegen, daß das Kloster, als ein vornehmes Kleinod dieser Lande, wieder in Gang gerichtet werde, so haben wir dieses christliche Werk durch unsere Räthe und unsern Kreistag zu Nürnberg angreifen lassen unter Zuziehung des Abts, damit der Schule aufgeholfen und die Alumnen wieder zur Stelle gebracht werden. Wir haben daher resolvirt: 1. Die Professores sollen sich wieder einfinden und ihre vorige Besoldung erhalten, aber sich akkomodiren, wenn diese nicht pünktlich erfolgen kann. 2. Die Lehrerstelle von der zweiten Klasse soll nicht wieder besetzt werden, um die Besoldung zu ersparen. 3. Die Zahl der Alumnen soll auf 60 reduzirt werden. 4. Der Arzt soll keine so kostbaren Arzneien verschreiben, wenn wohlfeilere da sind. Alles dieses nur zum Versuch, längstens auf ein Jahr.“ Leider konnte, da die Geldmittel fehlten, nicht einmal der Versuch gemacht werden. Erst nach 24 Jahren war man im Stande, die Schule wieder zu eröffnen. Davon hernach im XI. Abschnitt. Hier nur noch einige Notizen über die 6 Rektoren und 3 Prediger, welche während der 49 Jahre von der Gründung der Fürstenschule an bis zu ihrer Zerstreuung in Heilsbronn angestellt waren.

[45]
Rektoren.

1. M. Franciscus Raphael, wie oben erwähnt, nur zwei Jahre lang, von 1582 bis 84, in Heilsbronn.

2. M. Johannes Hertelius, nur vier Jahre lang, 1584 bis 88, in Heilsbronn und dort begraben.

3. M. Johannes Codomannus, von 1588 bis 1602 in Heilsbronn, dann Superintendent in Kulmbach.

4. M. Laurentius Lälius, nur von 1602 bis 5 in Heilsbronn, dann Konsistorialrath in Ansbach, früher Kaplan daselbst und zu dem vorhin besprochenen Religionsgespräch nach Regensburg kommittirt.

5. M. Theodor Gramman, von 1606 bis 24 in Heilsbronn, dann Pfarrer in Kasendorf.

6. M. J. Nik. Schülein, von 1625 bis 31. Während der Antrittsrede bei seiner Einsetzung schlug der Blitz in das Kapitolium, doch ohne zu zünden. Man hielt das für ein schlimmes Omen. Nach der Zerstreuung der Schule wurde Schülein Dekan in Lehrberg, dann in Leutershausen, zuletzt in Schwabach. Er trieb auch fleißig Musik und Mathematik.


Prediger.

Über die elf Prediger, welche während des Reformationsjahrhunderts in Heilsbronn fungirten, ist im VI. Abschnitt berichtet worden. Auf den dort unter Nr. 11 genannten Magister Dreßler folgten in der gegenwärtigen Periode die drei Nachgenannten:

12. M. Simon Mencelius aus Hof, von Bayreuth aus ernannt, erst in Neustadt, dann von 1612 bis 19 in Heilsbronn und dort begraben.

13. M. Joh. Plaufelder aus Horschhausen bei Krailsheim, von Onolzbach ernannt, von 1589 an Alumnus in Heilsbronn, dann Stipendiat in Wittenberg, später Dechant in Lehrberg, von 1620 bis 26 in Heilsbronn und dort begraben.

14. M. Joh. Snoilshik, aus Laibach in Österreich, Alumnus in Heilsbronn, dann in Kulmbach angestellt, von 1626 bis [46] 35 Prediger in Heilsbronn, daselbst installirt von den kulmbacher und onolzbacher Konsistorialräthen. Er harrte aus in Heilsbronn bei den Einfällen der Tillyschen Reiter im November 1631 und blieb daselbst noch weitere vier Jahre, bis nach dem Versiechen aller Einnahmsquellen seine Besoldung fast auf Null reduzirt war. Dann stellte er beim Markgrafen in Bayreuth die Bitte: „auf ein Interim anderwärts einen Dienst suchen zu dürfen, bis in Heilsbronn wieder sicher wohnen wäre.“ Nach Gewährung seiner Bitte zog er mit seiner Frau erst nach Erfurt, dann nach Essen, wo er eine Anstellung fand und starb. Nach seinem Wegzug war Heilsbronn acht Jahre lang ohne Pfarrer, da keine Pfarrbesoldung ausgemittelt werden konnte; die Stelle mußte von den Pfarrern von Weißenbronn, Großhaslach und Bürglein pastorirt werden. Als nach acht Jahren wieder einige Aussicht war, einen Pfarrer wenigstens nothdürftig besolden zu können, da beantragte man von Bayreuth aus die Zurückberufung Snoilshik’s und forderte den Verwalter Krebs zur gutachtlichen Äußerung darüber auf. Krebs berichtete: „Snoilshik’s Wiederkunft ist nicht zu wünschen. Mit seiner Person wäre unsern kleinen Kindern, welche vor allen Dingen im Katechismo und andern nützlichen Künsten zu unterrichten sind, wenig gedient; denn, wie bewußt, ist er jederzeit des otii gewohnt gewesen und hat mit den Kirchen- und Schulverrichtungen geringen Nutzen bei seinen Auditoribus geschafft.“ Daß er aber gleichwohl für Heilsbronn auch von Nutzen war, beweist folgender Hergang: Die Kirche zu Heilsbronn besitzt einen schöngearbeiteten Abendmahlskelch nebst einer vergoldeten Kanne, auf deren Boden die Namen der Stifter (der Prediger Snoilshik, der Abt Mehlführer, der Rektor und Andere) mit Angabe ihrer Beiträge eingegraben sind. Nach den Tillyschen Einfällen waren diese Heiligengefäße verschwunden, man glaubte – gestolen; daß die Reiter zwei Kelche gestolen hatten, wußte man gewiß. 23 Jahre nach jenen Einfällen und 6 Jahre nach dem Friedensschluß erhielt der Sekretär Glaser in Bayreuth einen Brief aus Essen von Snoilshik, worin dieser schrieb: „Man möge die heilsbronner Abendmalsgefäße zu Nürnberg abfordern.“ [47] Bei der Abforderung ergab sich Folgendes: Snoilshik hatte die Gefäße nach Nürnberg gebracht, wo er sie durch einen Notar vor Zeugen inventarisiren ließ und die Weisung gab, daß die Gefäße nach Heilsbronn gehörig und nach dem Kriege wieder dahin auszuliefern seien. Der Markgraf beauftragte hierauf den Verwalter in Heilsbronn, die Gefäße in Nürnberg abzuholen und den Rückempfang zu bescheinen. Über die Wiederbesetzung der Pfarrstelle nach achtjähriger Vakanz und über die Wiedereröffnung der Fürstenschule nach vierundzwanzigjähriger Unterbrechung wird im XI. Absch. berichtet werden; zuvor aber über die bisher nur angedeuteten Erlebnisse in Heilsbronn während des 30jährigen Krieges.




Zehnter Abschnitt.
Heilsbronn im dreißigjährigen Kriege.

Böhmen, wo dieser verheerende Religionskrieg begann, jetzt fast ganz katholisch, war im 17. Jahrhundert vorwiegend protestantisch und, den geschlossenen Verträgen zufolge, jeder Protestant zur Übung seines Kultus berechtigt. Gleichwohl fanden die Protestanten nicht den nachgesuchten Schutz, als in Klostergrab eine von ihnen erbaute Kirche niedergerissen und in Braunau die freie Religionsübung ihnen gewehrt wurde. Sie griffen daher zu den Waffen, erklärten: der Kaiser Ferdinand II. sei nicht mehr ihr König, und wählten den protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum König von Böhmen. Dieß der Anfang des Krieges, von dessen Wehen Heilsbronn im ersten Kriegsjahre, 1618, noch nicht berührt wurde. Noch war der Kriegsschauplatz fern. Auch in den ersten Monaten des zweiten Kriegsjahres, 1619, sah Heilsbronn noch keine Truppenzüge, wohl aber protestantische Flüchtlinge, die wegen ihres Glaubens aus den Nachbarprovinzen vertrieben, in Heilsbronn Nachtlager und Zehrung erhielten, z. B. der Schulmeister Conrad aus Bohrbach, drei Flüchtlinge aus Donauwörth, der Schuldiener Bohrer aus der [48] Oberpfalz, der Pfarrer Fraisch aus Daswang im Amt Velburg; ein Schulmeister mit Weib und Kind aus Lindenau; ein Schulmeister aus Lauingen. Am 7. Juli erhielten Quartier und Zehrpfennig 100 Soldaten, die zum Fürsten Christian von Anhalt zogen und von demselben Patent (Verweis) erhalten hatten. Am 9. Juli und 2. August erhielten Quartier und Zehrpfennig 60 und 30 Soldaten nach Vorzeigung eines Patents vom Grafen Ernst von Mansfeld. Eben so 40 und 80 Soldaten (darunter Sergeant Fillio), welche vom Kurfürsten zu Heidelberg patentirt waren. Der Kurfürst Friedrich von der Pfalz, nunmehr erwählter König von Böhmen, kam aus seinem Zuge nach Prag gleichfalls nach Heilsbronn und hielt daselbst Mittag im Gasthause zum Steinhof. Fast gleichzeitig, am 25. und 26. April 1619, rastete in Heilsbronn (aber nicht im Steinhof, sondern in der neuen Abtei, damals markgräfliches Absteigquartier) Heinrich Wilhelm, Graf von Solms, welcher mit seinen Hauptleuten gen Böhmen zog, um den Protestanten beizustehen. Jedermann glaubte damals, daß der Krieg auf Böhmen beschränkt bleiben werde. So dachte wohl auch der Markgraf Joachim Ernst, als er im Dezember dieses Jahres observanzmäßig nach Heilsbronn kam, um im Wildpark nach Schweinen zu jagen. Gleichwohl hielt er es für rathsam, während des ganzen Sommers und Herbstes 109 Mann von seinen Truppen nach Heilsbronn zu verlegen, „um Tag und Nacht Wache zu halten wegen des vorüberziehenden Kriegsvolks“. Der Mann erhielt täglich 30 Pfennige aus der Klosteramtskasse. Noch waren die Vorüberziehenden lauter befreundete; allein auch gegen diese bedurfte es des Schutzes, z. B. gegen die Truppen des Grafen von Mansfeld, von deren Gewaltthaten auch in befreundeten Landen im VII. Absch. hier und da berichtet wurde. Friedrich von der Pfalz war schon im folgenden Jahre, in Folge der verlorenen Schlacht am weißen Berg, nicht mehr böhmischer König und kehrte nach Heidelberg zurück. Die heilsbronner Auszeichnungen melden nicht, daß er auf der Flucht Heilsbronn berührt habe. Wohl aber melden sie, daß zwei Jahre darauf, 1622, „die alte Kurfürstin Wittwe von Heidelberg [49] in Weißenbronn gewesen sei, wo ihr die onolzbachischen Hofdiener die Aufwartung machten und sie dann nach Kadolzburg geleiteten.“ Bei dieser Gelegenheit wurden im Wirthshause zu Weißenbronn 8 fl. verzehrt, 1 Eimer Wein, 2 Eimer Bier und aus der Klosterbäckerei von Heilsbronn 40 Laib Brot dahin geschafft. 1620 kamen keine streitende Parteien bis Heilsbronn. Doch wurden heilsbronner Knechten, welche Wein von Kitzingen nach Heilsbronn führten, von umstreifenden Reitern 11 fl. auf der Straße geraubt. Für den Fall eines Überfalles wurden die Speicher des heilsbronner Hofes in Nürnberg zugerichtet und auf ein Jahr fünf andere Getreideböden und ein Gewölbe zur Ausnahme von Vorräthen gemiethet. Es wurden auch bald Vorräthe dahin geschafft, da bayerische Kriegsvölker durch das Bibertthal zogen und 10 Tage lang in Großhabersdorf, Roßstall, Schwaikhausen und Ammerndorf lagen. Dahin, und zwar an den Obrist Kratz und den Obristlieutenant Erbitt, mußten von Heilsbronn aus 3 Sra. Waizen, 26 Sra. Korn, 85 Sra. Haber, Bier, 21/2 Fuder Wein und 128 fl. baar geliefert werden. Im Okt. 1621 streifte Kriegsvolk unter Obristlieutenant Dietrich Othmar von Ehewitz plündernd bis nach Großhaslach (s. dort). Auch Mansfeldische Truppen durchzogen die Gegend. Eine der ersten im Amtsbezirk vorgekommenen Gewaltthaten wurde in folgender Weise verübt, aber auch sofort bestraft:

Am 13. Dez. 1621 stieg zu Turndorf bei Weihenzell im Hofe des Sim. Meyer ein Reiter ab, eilte stracks in die Stube, setzte der Bäuerin das Gewehr auf die Brust und verlangte Geld. Die zu Hilfe gekommenen Nachbarn übermannten den Reiter, welcher nun gute Worte gab, Wein verlangte und erhielt, dann aber sich wieder gar unzüchtig und ungestümm erwies, das Weib und die Magd herumriß, dem Bauer den Bart ausraufte, worauf die herbeigeeilten Nachbarn ihn niederwarfen, wehrlos machten, dann auf sein Pferd setzten und fortzureiten hießen mit dem Bedeuten: seine Wehr und Pistol würden sie nach Heilsbronn bringen, wo er sie des andern Tages abholen könne. Darauf ritt er zwar zum Dorf hinaus, kehrte aber zurück, trotzig und [50] vermessen wie zuvor, worauf die Leute ihn todt schlugen und sofort im Holz einscharrten, aber seine Habe (Pferd, Reitschwert, zwei Pistole, grauen Hut und Mantel, ein Beutelein mit zwei Thalern und zwei Gulden kleines Geld) nach Heilsbronn brachten und aussagten: Der Reiter wollte nicht angeben, ob er dem Mansfelder, oder dem Bayerfürsten, oder unserem Herrn Markgrafen gedient; er sagte nur: er sei ein Soldat für sich. Seine Sprache war nicht hieländisch. Der Richter Keck gebot den Anzeigern, von dem Vorfall kein Geschrei zu machen und erbat sich vom Markgrafen Verhaltungsbefehl. Dieser lautete: „Der Soldat hat seinen Tod selbst muthwillig verursacht; so mag er es ihm also haben, wir wissen kein Anderes zu verordnen. Das Pferd ist in unsern Marstall hieher zu liefern, Wehr und Geld an unsern Kastner, bis sich Jemand darum angeben wird.“

Während alle heilsbronnische Ämter (s. Absch. VII.) schon in den ersten Kriegsjahren, auch ohne blutige Schlachten, schwer heimgesucht wurden, blieb der Ort Heilsbronn selbst noch Jahre lang verschont von Gewaltthat und Plünderung, da der Markgraf fortfuhr, Sauvegardisten entweder von seiner eigenen Mannschaft, oder andere, die er von feindlichen oder befreundeten Befehlshabern erbeten hatte, nach Heilsbronn zu verlegen. Dieser Schutz mußte immer sehr theuer, durch Lieferungen nach allen Seiten hin, erkauft werden. Beim Herannahen von Truppen schloß man das Thor, ließ nur die Befehlshaber ein, fand sich mit ihnen ab durch Geld- und Proviantlieferungen, worauf sie dann mit ihren Truppen weiter zogen. Neben diesen unfreiwilligen Opfern brachte Heilsbronn in dieser ersten Kriegsperiode auch viele freiwillige Opfer durch fortwährende, stets sich mehrende Almosen, gereicht an protestantische Flüchtlinge. Ihre Zahl war, wie vorhin berichtet wurde, in den ersten Kriegsjahren noch klein; späterhin aber kamen sie in Schaaren nach Heilsbronn, Adelige und Bürgerliche, besonders aber Kirchen- und Schuldiener. Jeder Passant erhielt Nachtlager, Verköstigung und als Zehrpfennig 1/2 bis 2 Ort. Beispielsweise folge hier ein Auszug aus dem Almosenverzeichniß von 1630 mit Angabe [51] der Provinzen und Orte, wo die Empfänger vertrieben worden waren.

Böhmen. Von dorther kamen in diesem Jahre über hundert Vertriebene aus den nachgenannten Orten: Limbach, Frauenreuth, Mingeisdorf, Niedernsek bei Eger, Mies (Pfarrer Conciger), Schönau (der Pfarrer mit Frau und drei Töchtern), Stornau (Pfarrer Zenkler und sein Kaplan Meyer), Langenfeld in der Niederlausitz (Pfarrer Engelstein und sein Diakonus Hagamon), Ebelsbach (M. Roth und der Schuldiener Götz), Ilmhaimb (M. Joh. Crusius und der Diakonus Joachim Crusius); Pfarrer aus Schlackenwalde, Lesta, Slawenitz, Plobatz, Skscheyma, Sparitz, Krautz, Zschrnoschin, Mitzla, Lomschütz, Nort, Salinz, Malor, Hastorwitz, Colmon, Glimmershausen, Schwanberg, Heiligen–Creuz, Bollschütz, Clösterlein und aus anderen böhmisch oder deutsch klingenden Orten. Oberpfalz. Von dorther kamen in diesem Jahre fast ebenso viele Vertriebene, wie aus Böhmen, namentlich aus den nachgenannten Orten: Floß (Diakonus Harrer), Neumarkt (die drei Pfarrer und Diakonen Seidmann, Hegenwald, Gottfried), Haag (Pfarrer und Rektor Höpfel), Soltendorf (Pfarrer Rüger), Vohenstrauß (zwei Schuldiener), Crommenab (Pfarrer Hertel), Sulzbach, Neustadt an der Waldnab, Weilbach, Cham, Illschwang, Steinbach, Freihungen, Erbendorf, Kohlberg, Schönbrunn, Schönthal, Hambach, Bernstein, Kemnath, Parkstein, Wildenstein, Rabenstein und andere. Dazu Flüchtlinge aus Reinsdorf, Gutterbach, Mörschdorf, Niederstetten, bei Neuburg an der Donau gelegen. Unter den Flüchtligen aus Mähren nennt das Verzeichniß folgende: Pfarrer Tob. Holecius und Schuldiener Jonas Holecius aus Lassan. Pfarrer und sein Schuldiener aus Banditz, Beide 28 Jahre allda gewesen. Pfarrer aus Radenz und Renitzhausen. Die beiden Pfarrer und Magistri Vogelmeyer und Hubertus und der Schuldiener Vogelmeyer. Flüchtlinge aus Schlesien waren: Michlorscius aus Jörgenburg. Pfarrer Pleyleysen aus Dornstadt mit Weib und drei Kindern. Magister Reichard aus Langenberg und sein Diakonus Rochius. Pfarrer und Schuldiener aus Neunkirchen, Landshut, Weisbach und Sternbergthal. [52] Aus Österreich, Steiermark und Kärnthen kamen Flüchtlinge von Rackersperg (Schuldiener Christoph), Sewenstein (Pfarrer Schlechter mit fünf kleinen Kindern), Sozenberg, Baden, Altenstadt, Erzrind, Böllersdorf, Linz, Purach, Beuerbach, Frankenfels, Wels, Ottenschlag, Reudaw und Klagenfurt. Aus der Rheinpfalz kamen Flüchtlinge von Merkhessen und Althausen im Westrich, von Wohneck, Langenkandel, Arbing und Oppenheim. Aus Baden kamen Flüchtlinge von Heiterbach, Kiperna, Mündingen, Oberbach und Mausbach. Orte in Schwaben: Wemding, Kaufbeuern, Steinbach bei Hohenlohe–Langenburg. Orte im Elsaß: Berga, Colmar, Buchbronn, Graysping bei Straßburg. Orte in Hessen: Lauterbach bei Fulda (Pfarrer Agricola). Orte in Bündten: Graben (Magister Lang), Gamba, Alern. Orte in Franken: Schwebheim (Pfarrer unter dem von Bibra), Uettingen, Wielandsheim (Wittwe des Magisters Striegler). Einige der genannten Personen kommen im nächsten Jahre wieder unter den Passanten vor. Die genannten Ortsnamen sind großentheils nicht korrekt im Almosenverzeichniß eingetragen.

Das waren die Erlebnisse im Orte Heilsbronn selbst während der zwölf ersten Kriegsjahre. Noch war es dort nicht, wie bereits ringsum in den Dörfern, zu Gewaltthaten und Plünderungen gekommen. Schlimmer wurde es von 1631 an. Man hielt es für eine schlimme Vorbedeutung, als am 6. Mai in Folge eines Wolkenbruches der Badweiher überströmte. Das Wasser drang in die Stallungen, beschädigte den untern Malzboden, wobei 4 Sra. Malz und 6 Eimer Bier zu Grunde gingen: kein geringer Verlust in jener Zeit der Noth. Am 15. August fuhr der Abt Mehlführer zur Beerdigung des Doktors Hohenstein. Auf dem Wege überfielen ihn Kroaten, raubten eines seiner Pferde und ließen ihm ein schlechteres zurück. Im Oktober waren noch gegen hundert Fürstenschüler sammt ihren Lehrern anwesend. Allein die Verköstigung derselben und die Abreichung der Besoldungen wurde immer schwerer, zuletzt unmöglich, so daß nichts erübrigte, als auseinander zu gehen.

Wenige Tage vor der Trennung fand eine diplomatische [53] Verhandlung in Heilsbronn statt, veranlaßt durch den König Gustav Adolf, welcher bei seinem Erscheinen in Franken nach Nürnberg, Ansbach und Bayreuth die Aufforderung ergehen ließ, sich zu erklären, ob man für oder gegen ihn sei. Demzufolge erging von Ansbach aus eine Einladung zur Rücksprache an Nürnberg und Bayreuth. Von den drei Orten erschienen Abgeordnete in Heilsbronn und das Resultat der Besprechung war, die Sache des Königs durch Geldsubsidien zu unterstützen.

Inzwischen nahete Tilly, worauf man beschloß, die Schule bis auf Weiteres zu schließen. Die meisten Gymnasiasten feierten am 28. Oktober gemeinschaftlich das heilige Abendmahl und gingen dann in ihre Heimath. Nur wenige blieben, z. B. Nik. Schaller aus Gnodstadt, von dessen Mißhandlung durch die Tilly’schen Reiter nachher die Rede sein wird, dann noch drei, deren Eltern in Heilsbronn wohnten. „Am 3. November, als Herr General Graf Tilly nach Onolzbach kam, sind acht Klosterpferde, als sie entreiten wollten, von der kaiserlichen Armee weggenommen worden.“ Tilly kam auf seinem Zuge von Onolzbach nach Nürnberg nicht nach Heilsbronn, wohl aber seine streifenden Reiter. Vom Beginn des Krieges an war man in Onolzbach darauf bedacht, von Freunden und Feinden Salvaguardia für Heilsbronn zu erbitten. Ein Gleiches auch jetzt zu thun, wurde von den Bediensteten in Heilsbronn angerathen; leider wurde aber der Rath nicht befolgt. Bei einer Garnison von sieben markgräflichen Musketieren war keine Aussicht auf Schutz und Gegenwehr. Dazu machte sich der Verwalter Müller in der Nacht davon, ohne die geringste Anordnung getroffen zu haben. Seinem Beispiel folgten viele Familien. Von den Beamten blieb nur der Richter Ayrer an Ort und Stelle. Nach Schwabach flohen 70 Personen, darunter der Rektor Schülein, der Konrektor Knigge, der dritte Lehrer Lohr, der Kantor Zimmetshäuser und der Kornschreiber Stünzel. Andere flohen nach Ansbach, darunter der Abt Mehlführer und der ebengenannte Verwalter Müller. So fanden denn die einfallenden Rotten nicht den geringsten Widerstand. Es geschahen sieben Einfälle an den sieben aufeinanderfolgenden Tagen [54] vom 3. bis 9. November. Am zehnten schickten die Entflohenen von Schwabach aus des Nachts Kundschafter nach Heilsbronn, welche nach Schwabach rapportirten: „Alle Vorräthe in Heilsbronn sind aufgefretzt oder weggeführt worden. Was man nicht wegführen konnte, ist ausgestreut, viel Schreinwerk zerschlagen, doch das Volk nicht mehr so stark umher, daher Hoffnung, daß der größte Haufe vorüber sei.“ Daher beschlossen etliche der Entflohenen, ehestens in’s Kloster zurückzukehren, um zu sehen, wie Eines und Anderes reparirt werden könne. Zuvor aber theilten sie, noch von Schwabach aus, der Markgräfin und deren Bruder mit, was sie über die Vorgänge in Heilsbronn von den Kundschaftern vernommen, aber nicht selbst mitangesehen hatten. Der Bericht war nach Wülzburg gerichtet, wohin sich die Markgräfin Sophia (Wittwe des 1625 in Heilsbronn begrabenen Markgrafen Joachim Ernst) und ihr Bruder Graf Friedrich von Solms, Vormund ihres Sohnes, geflüchtet hatten. Der Bericht lautete: „Donnerstag den 3. Nov. Nachmittags ein Uhr kamen drei Truppen Reiter vor das Kloster, nahmen es ein, zogen den Richter Ayrer bis aufs Hemd aus, verjagten die Andern, erbrachen die Kirche, nahmen vom fürstlichen Monument das Regiment, Sporen und Degen und führten dann alle Klosterpferde und die vorhandenen Bauernpferde weg. Freitag den 4. November kamen Andere, raubten zwei Kelche aus der Kirche; die Abtei und andere Häuser wurden mit Aushauen der Thüren und Behälter jämmerlich angerichtet. Samstag den 5. Nov. haben sie das Grab vom Markgrafen Joachim Ernst geöffnet, den zinnernen Sarg mit Beilen aufgehauen, vom Leichnam den Ring und andern fürstlichen Ornat abgezogen und den Leichnam unverwahrt liegen gelassen. In des Markgrafen Alberti (soll heißen: Georg Friedrichs) Sarg haben sie zwar ein Loch gehauen, doch nicht gar eröffnet. Sonntag den 6. Nov. wollten 18 Reiter, welche im Kloster übernachtet hatten, auch das Grab Georg Friedrichs eröffnen, mußten aber davon abstehen, da es wohl verwahrt war. Sie drohten aber, es am folgenden Tag vollenden zu wollen, und thaten es auch. Denn Montag den 7. Nov. kam ein starker [55] Trupp Reiter mit dem vormals im Kloster gewesenen einäugigen Küchenjungen Mich. Neu, eilten in die Kirche, erbrachen mit Hebeisen das mit Quadern wohlverwahrte Grab, beraubten den Leichnam aller Kleinodien. Den Dolch brachte der Küchenjunge in des Klosterbecken Wohnung, welcher ihm vorstellte: er werde übel weg, wohl gar in das Gefängniß kommen; worauf er den Dolch dem Becken zur Verwahrung gab. Dieser händigte den Dolch dem Amtmann Veit Stieber in Schwabach ein. Dinstag den 8. Nov. kamen 24 Reiter, dabei, wie auch sonst fast allezeit, einer im sammtrothen Rock, erbrachen die herrschaftlichen und andere Keller, führten den Wein theils weg, theils ließen sie in die Erde laufen, was ihnen nicht geschmeckt. Dann steckten sie das Bräuhaus in Brand und warteten vor dem Thor so lang, bis das Feuer angehen würde. Allein es brannte nur der Malzboden und der Hopfenlasten ab; die nahe Kirche und das Schulgebäude blieben unversehrt. Mittwoch den 9. Nov. kamen 800 Dragoner, trieben alles Vieh im Kloster und im Viehhof zusammen, stachen nieder, was ihnen beliebte, führten weg, was noch in unterschiedlichen Kellern übrig war, zerschnitten in der Kornschreiberei und Registratur alle Akten und Register und zerstreuten sie.“ Dieß der Inhalt des Berichts der Flüchtlinge von Schwabach aus an die verwittwete Markgräfin von Onolzbach.

Ein zweiter Bericht, welchen Hocker (Ant. S. 172 f.) mittheilt, wurde an den Markgrafen Christian in Kulmbach erstattet d. d. Onolzbach, 24. Nov. 1631. Berichtsteller sind die obengenannten Flüchtlinge: Verwalter Müller und Kornschreiber Stünzel, welche gleichfalls nicht als Augenzeugen berichten. Ihr Bericht stimmt mit dem soeben mitgetheilten vielfach nicht überein, sowohl bezüglich der Tage, als auch bezüglich der Vorgänge. Der Verwalter malt sichtbar mit grelleren Farben, um beim Markgrafen seine Flucht zu entschuldigen und nicht den Vorwurf hören zu müssen: warum er nicht, wie der Richter, an Ort und Stelle geblieben sei und keine Anordnung getroffen habe. Sein Bericht beginnt mit den Worten: „Wir berichten gehorsamlich, daß den 1. Nov. der Herr Abt auf eingeholten Rath und Befehl der [56] Regierung zu Onolzbach den coetum scholasticum dimittirt und daß sich jedweder Scholar, so gut er könne, salviren solle. Den 2. und 3. haben sich auch die Herren Geistlichen theils nach Nürnberg, theils nach Schwabach, ich der Verwalter aber meines Leibes Unpäßlichkeit beförderst der großen Gefahr willen, welche die räuberischen Plünderer mir, wie theils fürstlichen Amtsdienern beschehen, mit gefänglicher Wegführung und unmenschlicher Drangsal und mehr denn türkischer Ranzion unfehlbar angefügt haben möchten, anhero nach Anspach begeben und besorgenden Unglück, weil man in Erfahrung gebracht, daß aller Orten die Geistlichen und Amtsdiener sehr übel traktirt worden, entwichen.“ Dann wird berichtet, wie die Parteien einfielen, Haber, Malz, Gerste, etwas Korn, auch Wein, Bier, Brot, Fleisch und Anderes auf drei Karren wegführten und einen Scholaren, Nik. Schaller (er wurde vorhin genannt), ergriffen und von ihm begehrten, Anzeige zu thun, wo der Eingang zu Georg Friedrichs Gruft sei. „Weil er aber dessen keine Wissenschaft gehabt oder Anzeige thun können, ist er von den tyrannischen Leuten mit einem Lunten an das Eisengitter gehenkt worden, aber der Lunten zerrissen und er ihnen entgangen und sich nach Schwabach begeben und dann nach Wülzburg geschickt, der fürstlichen Frau Wittib den Verlauf zu berichten. Auch ist von solchen Leuten an J. F. G. Frau Mutter (Emilie) Begräbnuß, solches zu eröffnen, Hand angelegt, aber wieder abgewichen worden. Aller Vorrath, bis auf 70 bis 80 Simra Korn nebst dem Rindvieh, ist geraubt.“ Unter den geraubten Gegenständen war vermuthlich auch der bleierne 32röhrige Brunnen, über welchen oben Bd. I. beim 25. Abt Bamberger ausführlich berichtet worden ist. Daß die Tilly’schen Reiter die Eingänge zu den Grüften nicht fanden, ist selbstverständlich, da diese Eingänge von Oben nicht sichtbar waren. Sollte in einer der beiden Hauptgrüfte eine Leiche beigesetzt werden, so mußte man erst die Pflasterung an der Südseite aufbrechen, das Erdreich aufgraben bis zur Sohle der Gruft, an deren West- oder Südseite sich die Öffnung befand, durch welche der Sarg eingeschoben wurde. Nach der Beerdigung wurde das Erdreich [57] wieder eingeschüttet und überpflastert. Der Treppeneingang in die erste Gruft und der Durchgang von dieser in die zweite wurde erst neuerlich i. J. 1853 angebracht. Da die Reiter den Eingang in die Gruft nicht fanden, so erbrachen sie mit einem Brecheisen die östliche Wand des auf dem Grabgewölbe stehenden hohlen Sarkophags, auf welchem die Statue des Burggrafen Friedrich V. († 1398) liegt, schlugen dann ein Loch in das Grabgewölbe und gelangten so zum Sarg Georg Friedrich’s und zu ihrer Beute. Auf demselben Wege gelangte auch der Schreiber dieses in Begleitung Anderer bei den Aufgrabungen i. J. 1853 in die Gruft, in welcher die von den Reitern eingeschlagenen Gewölbsteine noch lagen. Die von den Reitern zerfetzten Papiere in der Kornschreiberei enthielten nichts Werthvolles. Archiv und Bibliothek blieben unberührt. Die werthvollen Urkunden, Saal- und Lagerbücher waren nach Nürnberg und Ansbach geschafft worden. Außer dem Malz- und Hopfenboden mit 44 Sra. Gerste und 18 Sra. Hopfen wurde während des ganzen Krieges nichts in Heilsbronn ein Raub der Flammen. Die größeren Getreide- und Weinvorräthe waren vor den Überfällen nach Nürnberg gebracht worden. Der ganze Weinvorrath, welchen die Reiter vorfanden, bestand in fünf Fudern. Die von ihnen vorgefundenen und geraubten Thiere waren: 8 Kälber, 6 Schweine, mehrere Zentner Fische, die sich in den benachbarten Gruben und Weihern fanden, und 29 Gänse, „so gekauft worden das Stück zu 1 Ort für absonderliche Personen, für die Schüler und die Spitäler auf die Martinsnacht zu verspeisen; sind aber von den Tillyschen Reitern verspeist worden.“ Der Schutt von der Brandstätte wurde sogleich weggeräumt, der stehengebliebene Giebel abgetragen. Die Bruchstücke des Sarkophags von Joachim Ernst wurden in die Heideckerkapelle geschafft und erst i. J. 1712 wieder an ihren Standort gebracht, wo sie noch stehen. Nach dem Abzuge der Tilly’schen Reiter kehrten die Flüchtlinge von Nürnberg, Schwabach und Ansbach nach Heilsbronn zurück. Abt, Rektor und Konrektor verweilten daselbst noch fünf Monate lang zur Berathung über das Sein oder Nichtsein der Fürstenschule, [58] deren sofortige Wiedereröffnung zwar gewünscht, aber nicht vollzogen wurde, da alle Subsistenzmittel für Lehrer und Schüler fehlten. Nach dem ebenerwähnten Verlust der acht Klosterpferde war während des Winters von 1631 auf 32 kein Pferd mehr in Heilsbronn. Erst im folgenden Jahre konnte man wieder sieben Pferde für 425 fl. kaufen. In demselben Jahre berichtete der Verwalter: „Die Unterthanen des Amts Bonhof restiren an Getreidegült 3387 fl. An solchem Ausstand haben sie, so vom Kriegsvolk ausgeplündert, gemartert, versagt worden, einigen Heller oder Pfennig nicht zahlen können.“ Darauf spezifizirt er den Ausstand von jedem Restanten. Abt, Prediger, Verwalter, Richter und die vier Professoren erhielten nur die halbe Besoldung, die Stipendiaten gar nichts, die Markgräfin Wittwe von ihrem Wittum zu 2760 fl. gleichfalls nichts.

1632 war Nürnberg in Gefahr, verwüstet zu werden, wie Magdeburg. Gustav Adolf kam der Stadt zu Hilfe. Er zog von Würzburg aus nicht über Heilsbronn, sondern, wie Tilly, durch das Bibertthal. Monate lang war der Hauptkriegsschauplatz bei Nürnberg, Fürth und Zirndorf. Was während dieser Schreckenzeit die Umgegend von Heilsbronn von Gustav Adolfs und von Wallensteins Truppen zu leiden hatte, ist Absch. VII, A. bei den einzelnen Ortschaften berichtet worden. Heilsbronn selbst wurde weniger heimgesucht, da der Ort fortwährend „lebendige Salvaguardia“ von Gustav Adolf erhielt, die während der beständigen Truppenzüge zwar den Ort gegen Gewaltthat und Plünderung schützte, aber außerhalb der Klostermauern keinen Schutz gewähren konnte. „Kurz vor der Ernte ist alles Getreide auf dem Felde durch das kaiserliche und schwedische Feldlager bei Nürnberg abgefretzt und verderbt worden, daß nichts einzuernten gewesen.“ Eben so wurde im folgenden Jahre 1633 das Getreide auf dem Felde verschleift und verderbt. Dennoch erntete man einiges von dem ausgefallenen Getreide, z. B. vom Klosterfelde hinter dem Schießhaus 25 Schober, aus welchen 16 Sra. Korn und 1 Sra. Waizen gedroschen wurden. Das Heu konnte eingeheimst werden, aber nicht das Grummet „vor Feindsgefahr“. [59] Der Zehnte im Amt Bonhof wurde zwar für 218 Sra. verliehen, „ist aber wegen des Lagers vor Nürnberg nicht einzuheimsen gewesen, ist alles auf dem Feld zu Schanden worden.“ Bei dem Mangel an Vieh wurden die zwei Hirten, die zwei Viehmägde, der Stallknecht etc. entbehrlich und daher entlassen. Nach allen Seiten hin mußte geliefert werden, zunächst an die durch Heilsbronn selbst ziehenden Truppen, z. B. am 13. März 1633 „an das durchgezogene Kriegsvolk 291 fl., darunter 2 fl. an sechs Musketiere und einen Offizier, so auf des Herrn General Herzog Bernhard’s von Weimar Befehl anstatt einer Salvaguardia so lang im Kloster blieben, bis die Armee bei demselben vorbei kommen.“

Am 21. Dezember desselben Jahres übernachtete der Herzog Bernhard von Weimar beim Richter Ayrer, welcher darüber Folgendes berichtete: „General–Feldmarschall, Herzog Bernhard von Weimar, Johann Philipp Graf, Graf von Scharpenstein und Obrist Lessel sind unvermuthet mit einem Regiment zu Fuß und 137 Pferden hieher gekommen. Die Mannschaft wurde zum Theil nach Weißenbronn verlegt. Die drei Kommandanten logirten in meinem Logiament, doch jeder absonderlich in seinem Gemach. Was ihnen Abends und Morgens von mir vorgesetzt worden, damit haben sie vorlieb genommen und für guten Willen gedankt. Aber ihre im Wirthshaus und hin und wieder im Kloster gespeisten etliche 30 Offiziere und ihre Diener haben dem Wein und Bier ziemlich zugesprochen. Ich kann mit Wahrheit sagen, daß nicht einem einzigen Menschen im Kloster Schaden von ihnen zugefügt worden ist. Des folgenden Tages sind sie in aller Stille nach eingenommenem Frühstück ihres Weges gereist. Dieselben haben Abends und Morgens in Summa elf Gulden verzehrt. An einer langen Tafel haben sich 10 Personen befunden, nämlich: Herr Feldmarschall, Herr Obrist Lessel, zwei Rittmeister, Herr Hofprediger, zwei Kapitäne, ein Stallmeistcr, der Sekretär und der Hofmeister. Für jede Person 5 Batzen, thut 3 Gulden 5 Batzen. Die haben sämmtlich zur Abendmahlzeit nur zehn Maas Wein, so ich vom Wirth holen lassen, ausgetrunken. [60] Hingegen habe ich in des Obristen Stube 10 Maas Wein geben müssen für die Offiziere und Korporale, so ab und zu gegangen. Mehr hab ich in meiner mittleren Wohnstube gespeist Herrn Feldmarschalls Feldscherer, Leibjungen und vier gemeine Diener, für jede Person 3 Batzen, thut 1 fl., 1/2 Ort 19 dl. Für 5 Laib Brot, jeden zu 5 Pfund, den Laib zu 3 Batzen. Wegen des Frühstücks, da abermalen die Tafel vollkommen besetzt und zum Abzug etwas besser tractirt worden, 4 fl. Beim Frühstück sind 12 Maas Wein vom Wirth geholt, was nicht ausgetrunken, in die Flaschen gefüllt worden.“ Das waren die Vorgänge beim Jahresausgang. Wie es in und um Heilsbronn im Januar und Juni desselben Jahres 1633 aussah, erhellt aus folgenden Aufzeichnungen. Der Verwalter Müller berichtete im Januar an die Regierung: „Das Kloster gerieth vor zwei Jahren durch den Krieg in totalen Ruin, davon bis dato noch kein Aufhören. In den zwei Jahren 1631 und 32 sind im Amt Bonhof 2300 fl. im Rest geblieben. Der Kornschreiber und die drei Vögte zu Neuhof, Merkendorf und Waizendorf sind gestorben und ihre Dienste noch unbesetzt. Die Handlöhne etc. in diesen Ämtern sind rückständig und durch Bitten und Drohen kein Pfennig zu erheben. Während dieser Trubeln ergaben sich bloß im Amt Bonhof 170 Todesfälle, von welchen kein Handlohn zu erheben ist und über 1000 fl. restiren. So übel steht es mit den Geldgefällen. Nicht besser steht es mit den Getreidgefällen. Auf dem Kasten ist nicht ein Simra vorhanden, nicht einmal so viel, um den Ärmsten und Nothdürftigsten das verdiente tägliche Brot zu geben. Auf den Böden der Unterthanen mag noch etwas Weniges sein; es kann aber nicht zum Markt gebracht werden aus Mangel an Fuhrwerk. Die Felder konnten im vorigen Herbst nicht mehr bebaut werden und ungewiß ist, ob sie im künftigen Frühling bestellt werden können. Ich wüßte mir nicht zwanzig Thaler aus Getreide aufzubringen.“ Unter den „Nothdürftigsten, welchen man das verdiente tägliche Brot nicht geben konnte,“ war der Prediger Snoilshik, welcher daher wegziehen mußte, worauf seine Stelle acht Jahre lang nicht [61] wieder besetzt werden konnte. Ende Juni desselben Jahres 1633 machte Wrangel Anstalt, Lichtenau zu blockiren, wozu ihm, laut Regierungsbefehl, von den Unterthanen in den Ämtern Bonhof, Neuhof und Merkendorf wöchentliche Kontributionen geliefert werden sollten. In einer eingereichten Vorstellung erklärten die Unterthanen: „Wir können das Verlangte unmöglich leisten nach gänzlicher Aushungerung, täglichen Schanzarbeiten, Fuhren, Durchzügen und oftmaligen Plünderungen. Viele unserer Dörfer sind niedergebrannt, viele Inwohner weg und dem Almosen nachgezogen. Viele unserer Felder liegen öde. Viel Getreide ist auf dem Halm ausgefallen, da wir es nicht haben einernten können. Wir haben lange Zeit unsere Häuser und Dörfer ganz verlassen müssen.“

1634 starb der oftgenannte Richter Ayrer. Sein Nachfolger G. F. Förster fungirte zugleich als Verwalter, da der bisherige Verwalter Müller austrat. Förster’s amtliche Berichte über die Zustände in Heilsbronn von 1634 an lauten ebenso trostlos, wie die seines Amtsvorgängers. „Seit 1632 restiren 4449 fl. Getreideschuld. Diese, wie auch andere Schuldigkeiten, bleiben in Ausstand, weil die Unterthanen meist gestorben und verdorben. Die im Amt Merkendorf geschütteten wenigen Metzen Getreide mußten, aus Mangel an Pferden, durch Träger nach Heilsbronn gebracht werden. Feldmarschall Eros ist zu Schwabach; sein Volk verbrannte 17 Gebäu im Amt Bonhof. Die Croaten sind in Mkt. Erlbach, Neuhof und Wilhermsdorf eingefallen; die Inwohner haben sich nach Onolzbach salvirt. Die Zehnten in Triesdorf, Merkendorf etc. wurden zwar um 60 Sra. verliehen, wurde aber nur wenig davon genossen wegen des Einfalles der Schweden und andern Volks. An Zehnten, Gülten und Hofbau erhielt man 1634 im Amt Bonhof nichts. Doch liegen in Nürnberg noch 3000 Simra. Die ganze Einnahme der Amtskasse bestand in 371 fl.“

1635 noch immer keine Einnahme von Getreiderückständen, Wiesennutzungen etc. Die Wiesen bei Münchzell blieben ungemäht. Doch wurden einige Handlöhne eingenommen, so daß der Verwalter [62] und Kornschreiber unter Eskorte 60 fl. Witthum an die nach Nürnberg geflüchtete Markgräfin Sophia liefern konnten. In Schwabach lag Oberst Schlez mit polnischem Volk, welches einige Lieferungen erhielt, acht Tage lang in Heilsbronn lag und daselbst ein Provianthaus hatte. Im Oktober kam der Kommissär Beuerlein dahin und besichtigte die dortigen Gebäulichkeiten zur Aufnahme von Polakken, welche dahin verlegt werden sollten. Bei Bestellung der Herbstsaat mußten die Arbeiter mit Pulver, Blei und Lunten convoyirt werden. Im April 1636 wurde der Meßner Iring nach Nürnberg gesendet, um für 21/2 Ort einen Abendmahlskelch zu kaufen. Bisher mußten die Kommunikanten aus einem Glas gespeist werden. In Schwabach lag der Hauptmann Bobo mit einem Theil des Mertzischen Regiments, in Heilsbronn ein Korporal mit Mannschaft als Schußwache. Unter Eskorte derselben zog man nach Merkendorf, um die dortigen Weiher zu fischen. Eskorte war nöthig, da verlautete: der Hauptmann Makler in Gunzenhausen beabsichtige, den zum Fischen requirirten Frohnbauern die Pferde wegzunehmen. Auch heuer mußte unter Eskorte gesäet, das Saatgetreide von Nürnberg nach Heilsbronn gebracht werden und zwar, wegen Unsicherheit, bei Nacht. Kürzer oder länger quartierten in Heilsbronn am 19. Mai Rittmeister Graf von Buchheim mit 60 Pferden, Oberst von Strahlsoldo, am 3. Okt. Frau Obristin Ludwig mit 50 Kroaten vom Tragonischen Regiment; im Dezember Picolominisches Volk, welches trotz Salvaguardia allerlei verwüstete. An die vorüberziehende Buttlerische Armee mußte geliefert werden. Die Wiesen bei Heilsbronn und Münchzell sind auch heuer wieder ungemäht geblieben. Der Zehnte von Großhaslach ertrug nur 2 Metz Korn. Im Allgemeinen war das Jahr 1636 schlimmer als das Vorjahr. Ähnlich war der Stand der Dinge i. J. 1637. Laut Mandat des Königs Ferdinand III. vom 10. Januar 1637 sollte das so schwer heimgesuchte Fürstenthum Ansbach lediglich dem Brinkschen Korps als Sammelplatz dienen, von andern Einquartierungen und Kriegsbeschwerungen aber befreit bleiben. Gleichwohl wurde im Frühling Weißenbronn von Picolominischen [63] Truppen, Großhaslach von bayerischen Reitern geplündert. In Roth lagen Sperreuth’sche Reiter, von welchen Heilsbronn eine Schutzwache erhielt. Diese bewirkte doch so viel, daß der kaiserliche Hauptmann Grätz mit 500 Mann vom Preun’schen Regiment zwar vor dem Orte mit Wein und Brot gespeist, aber nicht eingelassen wurde. Ebenso noch anderes Volk. Dagegen respektirte eine Kompagnie Reiter des Johann de Werth die Schutzwache nicht, drang in Heilsbronn ein, verwüstete allerlei, fand aber nur einige Metzen Korn und Haber. Alle Transporte mußten, wie im Vorjahr, eskortirt werden. Von 996 Simra Herrengült gingen doch 43 Sra. ein und die Felder beim Schießhaus, bei den Nußbäumen und im Mittelfeld ertrugen 40 Sra. Korn, so daß man wieder fünf Pferde für 262 fl. kaufen konnte. Während der letzten Zeit waren in Heilsbronn keine Pferde mehr vorhanden. Trotz des gedachten königlichen Mandats ergaben sich 1633 im Amte Bonhof fortwährend Einquartierungen, Durchzüge, Plünderungen und Verwüstungen. Die markgräfliche Regierung drang beim Kreistage auf Schadenersatz und forderte daher den Klosterverwalter auf, die erlittenen Verluste zu verzeichnen. Das Verzeichniß wies für den Zeitraum vom 1. Januar bis 17. November in Ammerndorf, Weißenbronn, Bonhof, Aich, Petersaurach, Ketteldorf, Höfstetten, Neuhöflein, Großhaslach, Gleizendorf und Bürglein einen Verlust von 4545 fl. nach. Sogar aus dem Lager vor Nördlingen waren kaiserliche Reiter verheerend bis in die genannten Orte gekommen und dadurch die Feldarbeiten acht Wochen lang unterbrochen. Das eingeheimste Getreide brachte man nach Nürnberg und dreimal im Laufe des Jahres Pferde und Anderes nach Lichtenau in Sicherheit. Während des Vorüberzuges des Copponischen und Lembgauischen Regiments lagen in Heilsbronn zum Schutz 30 Musketiere, 4 Offiziere und der Kommissär Schenk.

Das Jahr 1639 war reich an Drangsalen. Im ganzen Fürstenthum hatten kaiserliche Truppen ihre Standquartiere. Allen wurde in einer kaiserlichen Verpflegungsordonnanz strenge Mannszucht eingeschärft. Gleichwohl kamen die gröbsten Exzesse vor, [64] besonders durch Gonzago’sche Truppen verübt, so daß der kaiserliche Kriegsrath d. d. Wertheim, 25. April, ein geschärftes Mandat erlassen mußte und der kaiserliche Oberkommissär Fues nach Ansbach zur Markgräfin gesendet wurde, „die Insolentien der kaiserlichen Truppen zu erforschen.“ In Heilsbronn lagen Don Hannibal Gonzago’sche Reiter vom Januar bis 26. März. Im Mai herrschte allgemeiner Schrecken, da es hieß: die kaiserliche Hauptarmee werde sich um Nürnberg sammeln. Die Amtsunterthanen beschlossen einmüthig, nicht, wie im Vorjahr, in Lichtenau Schutz zu suchen, sondern mit Weib, Kind, Gesinde und Vieh nach Heilsbronn zu fliehen und daselbst das vorüberziehende Ungewitter abzuwarten. Der Verwalter erbat sich Salvaguardia vom Nikolaischen Regimente in Schwabach und 10 Musketiere von der Markgräfin, so daß man dreißig Schußfertige hatte. Durch diese Vorkehrungen wurde der Ort mit den vielen Eingeflüchteten während der zunächst folgenden vielen Durchzüge und Einquartierungen gegen Gewaltthat geschützt. Beispielsweise hier einige Notizen über die Erlebnisse und Opfer während der Tage vom 14. Mai bis 8. Juni: „Herrn General Picolomini’s Leibcompagnie, so mit hundert Pferden zu Mittag im Kloster logirt. Waiblerische Reiter, 15 Mann, mit einem Hauptmann. Wein, Bier und Brot einem Rittmeister mit etlichen Musketiren vom blauen Regiment. Futter und Mahl hinausgeschafft für 21 Reiter, so vor das Kloster gekommen und hinein begehrt. 334 fl. Sold aus drei Monate gezahlt an einen Korporal mit drei Kürassieren Salvaguardia vom Gonzagischen Regiment.“ Während dieser Vorgänge im Frühling 1639 trat der junge Markgraf Albrecht, aus der Vormundschaft entlassen, die Regierung an, weshalb oberländische Räthe nach Onolzbach kamen. Während ihrer Anwesenheit daselbst starb in Nürnberg Georg Friedrich’s Wittwe, Sophia, welche sich dahin geflüchtet hatte. Die in Onolzbach versammelten Räthe begaben sich zum Leichenbegängniß nach Nürnberg. Sie hielten auf dem Wege dahin Mittag beim Verwalter in Heilsbronn, welcher aus der Klosteramtskasse die Reisekosten bestritt. Die Leiche der Markgräfin wurde in der [65] St. Lorenzkirche beigesetzt. Nach den beschriebenen Durchzügen im Mai und Juni trat in Heilsbronn einige Ruhe ein, so daß daselbst, nach dem Regierungsantritt des jungen Markgrafen, die Erbhuldigung stattfinden konnte. Die dazu erforderlichen 132 Thaler wurden durch Umlagen im Amtsbezirke aufgebracht. Nach kurzer Ruhe kam neue Unruhe durch Picolomini’s Heer, welches gegen Nürnberg zog und den Markgrafen veranlaßte, nach Heilsbronn zu notifiziren: „man möge auf der Hut sein, das Vieh sichern, aber Proviant bereit halten.“ Am 11. November ging der Markgraf selbst in Picolomini’s Hauptquartier nach Habersdorf. Während er daselbst unterhandelte und für seine Unterthanen um Schonung bat, zog unerwartet Oberst Gonzagi mit tausend Pferden in Heilsbronn ein, über deren Verhalten der Richter Zimmetshäuser berichtete: „Zwar sind in des Verwalters und in meinem Hause die vier Wohnstuben noch unversehrt, aber sonst in den Gebäuden die Öfen zerschlagen, die Betten ausgeleert, in der Registratur und Abtei die Schlösser abgeschlagen, die Gartenzäune eingerissen und verbrannt. In die unteren Zimmer der Abtei und in die Registratur haben sie Pferde gestellt, Getreidegarben den Pferden untergestreut oder Strohbetten daraus gemacht. Und das Alles ohne Respekt gegen ihren Obrist und Kapitän, die mit bloßen Degen solches zu verwehren meinten. Ob es ihnen damit Ernst gewesen, oder nur simulirt, lassen wir dahin gestellt sein. Dergleichen Verwüstung ist seit acht Jahren nicht mehr vorgegangen. Die verderbten Garben werden wir fleißig sammeln und ausdreschen lassen; gibt vielleicht noch 3 bis 4 Sra. Glücklicherweise ist ebensoviel in Nürnberg salvirt. Es sind uns noch 22 Sra. geblieben.“ Der Markgraf, welcher während seines Aufenthalts im Hauptquartier zu Habersdorf von der Verwüstung in Heilsbronn keine Ahnung hatte, kam am Abend des verhängnißvollen Tages nach Heilsbronn, um daselbst zu übernachten, gleichfalls nicht ahnend, daß ihm dort, wohl zum ersten Mal in seinem Leben, eine harte Bank als Nachtlager beschieden war. Der Richter berichtete darüber: „Seine Durchlaucht ist Abends 7 Uhr hier angekommen, begleitet von einem Trompeter [66] des Generals Picolomini. Der Obristlieutenant ist dem Fürsten mit Unterthänigkeit entgegen gekommen und hat ihn zur Tafel geführt. Ward der Abend mit Gesundheittrinken beschlossen, wobei die Trompeter und Heerpauker sich hören ließen. Seine Durchlaucht mußten das Nachtlager auf harter Bank nehmen. Am folgenden Morgen, den 12. November, erfolgte der Abmarsch, Seine Durchlaucht aber blieb, bis Alle abgezogen waren. Weil man aber Nachricht hatte, daß am Abend desselbigen Tages Infanterie und Artillerie in’s Kloster kommen werde, so gingen mit dem Fürsten nach Onolzbach wir des Klosters Inwohner und die eingeflüchteten Unterthanen mit Vieh, Pferden und Allem, was fortzubringen war. Zwei Regimenter zu Fuß und Artillerie mit hundert Wagen kamen wirklich des Abends, hausten noch ärger als die tausend Reiter Tags zuvor, erbrachen alle Zimmer und Böden und streuten 20 Schober Getreide den Pferden unter. Diesen Truppen folgten am 18. November Andere, welche 12 Fuder Heu, 9 Fuder Grommet und 48 Schober Stroh verfütterten und verdarben. Seine Durchlaucht befahlen am 16. Dezember, die noch übrigen 25 Simra Korn und das Vieh, bis die Truppen vorüber seien, nach Lichtenau zu flüchten, indeß das Kloster, so viel möglich, zu verwahren und etliche kernhafte Personen darin zu lassen, die sich mit Armuth und Abwesenheit der Leute bestmöglich entschuldigen und nächst Gott dem Feuer wehren sollen.“ Man erbat sich vom General–Wachtmeister, Freiherrn von Bornival zu Lichtenau, Salvaguardia. Der Oberstlieutenant, „welcher dem Fürsten mit Unterthänigkeit entgegen gekommen war und ihn zur Tafel geführt hatte“, bat um die Erlaubniß, zwei von den noch vorhandenen vier Klosterpferden eintauschen zu dürfen. Selbstverständlich gewährte der Markgraf die Bitte. Die eingetauschten zwei Pferde starben bald; eines von den noch übrigen anderen Pferden wurde beim Pflügen geraubt; das einzige noch verbleibende wurde blind; man kaufte daher zum Ziehen vier Ochsen, das Paar für 60 bis 72 fl.

Vom März bis Mai 1640 quartierten in Heilsbronn vorübergehend ein Hauptmann vom Waiblischen Reiterregiment, ein [67] Obristwachtmeister vom Picolomini’schen Leibregiment, Obristlieutenant Adolf von Pleyken mit ihren Mannschaften. Ein Rittmeister wurde mit seiner Kompagnie vor dem Thore gespeist und getränkt, aber nicht eingelassen. Ein Altwentischer Korporal, welcher mit drei Reitern zum Schutz des Ortes einquartiert war, erhielt 220 fl. Ende Oktober und Anfang November waren dort Truppen mit Bagage und Bock’sche Reiter einquartiert, die Offiziere beim Verwalter und Richter. Dazwischen waren auch quartierlose Wochen, so daß der Markgraf mit zwei Vettern, Prinzen von Anhalt nebst Komitat, am 22. und 23. Sept. auf der Reise nach und von Nürnberg ungestört in Heilsbronn Mittag halten konnte. Eingedenk der Verluste im Vorjahr schaffte man heuer nach der Ernte alles Getreide nach Nürnberg. Gleichwohl fehlte es an Ort und Stelle nicht an Proviant, da in Heilsbronn 60 Klosterunterthanen mit Vieh und Futter überwinterten, um beides vor den streifenden Parteien zu sichern; denn Raub und Gewaltthat waren ringsum fortwährend an der Tagesordnung, da kaiserliche Truppen abermals ihre Winterquartiere im Fürstenthum hatten. Den 60 eingeflohenen Familien ließ der Markgraf Wohlverhalten, Achtsamkeit auf Feuer und Licht und Verträglichkeit mit den Soldaten nachdrücklichst einschärfen.

Im Frühling 1641 Erneuerung der Durchzüge, daher Weisung von der Regierung an Verwalter und Richter, wachsam zu sein, Verweis, daß sie das Kloster im Stich gelassen hätten und Aufforderung, die neuerlichen Kriegsschäden zu verzeichnen zur Vorlage beim dießjährigen Kreistage in Bamberg, bei dem sich Abgeordnete von Bamberg, Würzburg, Onolzbach, Kulmbach, Schillingsfürst, Kastell, Limburg, Wertheim und allen fränkischen Reichsstädten einfanden. Am 14. April lagen in Heilsbronn kaiserliche Packknechte mit Graf Glens Bagagewägen und thaten mancherlei Schaden. Auch schwedische, Panierische Reiter kamen, von der Oberpfalz her streifend, an das Kloster, haben herein begehrt, wurden aber nicht eingelassen, sondern vor dem Thor abgespeist mit Bier, 130 Karpfen etc. Der Sommer ging leidlich vorüber. Am 27. Nov. und 2. Dez. mittagte in Heilsbronn der [68] Markgraf Christian von Bayreuth mit Gefolg auf seiner Reise nach und von Onolzbach, wo die Hochzeit des jungen Markgrafen Albrecht gefeiert wurde.

Im Frühling 1642, wie im Vorjahr, Erneuerung der Durchzüge und der Aufforderung zur Wachsamkeit. In Ammerndorf und Großhaslach wurden Gewaltthaten verübt, in Höfstetten, Betzmannsdorf und Weißenbronn elf Pferde beim Pflügen geraubt. Viele Familien der Umgegend flüchteten sich wieder mit ihrer Habe nach Heilsbronn. An die Stelle des energielosen Verwalters Förster trat der tüchtigere Benedikt Krebs, welcher rechtzeitig für Schutzwachen sorgte, zu deren Zahlung auch die Eingeflüchteten anhielt, das Rechnungswesen ordnete und manche seit Jahren versiechte Einnahmsquelle wieder in den Fluß brachte. Daher konnten heuer 140 fl. Universitätsstipendien gezahlt und die Pfarrstelle, nach achtjähriger Vakanz, wieder besetzt werden. Der zum Prediger ernannte Magister Anton Knoll, bisher Diakonus in Ansbach, mußte mit den Seinigen, wegen der streifenden Parteien, von zehn Musketieren nach Heilsbronn eskortirt werden. Er erhielt als Besoldung 100 fl. baar, 1 Sra. Waizen, 5 Sra. Korn, 2 Sra. Gerste, 2 Sra. Haber, 2 Mtz. Erbsen, Hirse und Dattel (Heidel) und den Genuß vom Abtsgarten. Die Zahl der Einlagerer (darunter am 18. Juni ein Rittmeister mit seinen Offizieren von des Erzherzogs Wilhelm Leopold Leibregiment) war im Frühling und Sommer nicht groß; dagegen mußte oft da und dorthin geliefert werden. In Folge der Ankündigung des Durchzuges der Armee des Grafen von Hazfeld im Spätherbst wurden die Beamten in Heilsbronn von Ansbach aus angewiesen, sich selbst zu rathen, jedoch das Kloster nicht leer zu lassen. Daß Hazfeld bei seinem Durchmarsch strenge Mannszucht einschärfte, erhellt aus folgender Ordonnanz: „Ich muß mit Befremden wahrnehmen, daß des Herrn Obristlieutenants unterhabende Reiter nicht allein mit Ausreiten, sondern auch darin exorbitiren, indem sie ein Mehreres, als ihnen vermöge meiner letzten Ordinanz vermacht worden, aus den Quartieren erfordern und den Hausleuten abdringen. Ich erinnere den Herrn Obristlieutenant [69] ernstlich, den Seinigen zu befehlen, daß ein jeder sich mit dem, was ihm durch gemeldte Ordinanz vermacht ist, contentiren lasse, auch sonst Ihr fürstlich Gnaden von Onolzbach oder den Ihrigen zu klagen keine Ursach gebe, im widrigen Fall der Herr Obristlieutenant es schwer zu verantworten haben würde. Signatum Haltenbergstetten, den 15. Dez. 1642. Der röm. kaiserl. Majestät Geheimer- und Kriegsrath, Generalfeldmarschall und Obrister von Hazfeldt.“ Drei Tage nach diesem Erlaß rückte Hazfeld mit seinem Generalstab und 300 Reitern in Heilsbronn ein, verweilte jedoch nicht lang, da nach einem vom Kaiser bestätigten Vertrag im Fürstenthum Onolzbach nur bayerische Truppen kantoniren sollten, nicht aber kaiserliche. Gleichwohl quartierten sich im Frühling 1643 hazfeldisch, d. h. kaiserliche Truppen in dem heilsbronnischen Dorfe Ammerndorf (s. dort) ein, welche überdieß die von Hazfeld eingeschärfte Mannszucht nicht hielten. Der Markgraf und der Verwalter protestirten dagegen und drangen auf Schadenersatz. Auch in den ruhigsten Monaten des Jahres 1643 herrschte allenthalben Unsicherheit. Der Verwalter konnte daher nur unter Eskorte seinen Amtsbezirk bereisen. Er ritt von Ort zu Ort und verzeichnete die verödeten und die wieder bebauten Güter, um die Gefälle von denselben wenigstens theilweise wieder in den Fluß zu bringen. Sein Befund in der nächsten Umgebung von Heilsbronn war folgender: In Aich lagen noch öde 7 Güter (8 waren bebaut); in Petersaurach 21 (16 waren bebaut); in Bürglein 3; in Geichsenhof alles öde; in Großhaslach 13 öde; in Ketteldorf eines; in Reuth alle Güter öde, bis auf eines; in Weißenbronn 7 öde; in Weiterndorf 8 öde und nur 2 bebaut.

1644 mußten wegen Unsicherheit zur Zeit der Aussaat von Haber und Gerste Unterthanen als Convoi zum Schuh der Säenden aufgeboten werden. In Heilsbronn wurden keine Truppen eingelassen; doch erhielten vorüberziehende Proviant, wenn sie Patent und Paß vorzeigen konnten. Der Ort diente wieder mehreren Eingeflüchteten als Asyl. Die Klosterfelder und Gefälle ertrugen doch so viel, daß aus verkauftem Getreide 675 fl. gelöst [70] wurden. Man war daher im Stande, von den seit Jahren rückständigen Besoldungen doch einen, wenn auch nur kleinen Theil nachzuzahlen, z. B. 83 fl. anstatt 317 fl. an die Wittwe des Abts, 30 fl. anstatt 197 fl. an den gewesenen Rektor. Bei Gelegenheit der Truppenbewegungen im Herbst des Jahres erließen der bayerische und der kaiserliche Feldmarschall scharfe Mandate zum Schutz des Fürstenthums. In dem einen hieß es: „Der röm. kaiserl. Majestät, auch kurfürstl. Durchlaucht von Bayern Generalfeldmarschall Franz von Mercy füge hiemit männiglichen zu vernehmen, daß ich die Markgrafschaft Anspach sammt ihren Städten, Schlössern, Dorfschaften, Höfen, Mühlen, Fischwassern etc. neben deren Beamten und Unterthanen mit allen Mobilien und Immobilien in Schutz aufgenommen habe. Werden demnach alle meinem Kommando untergebenen Offiziere und Soldaten ernstlich befehligt, daß sie die Markgrafschaft sammt dero Beamten und Unterthanen (die in Kraft dieses bevollmächtigt werden, da eine Partei diese meine schriftliche Salva Quardi nicht respektiren würde, die Thäter bei den Köpfen zu nehmen und solches zur Generalität berichten, alsdann die Thäter gebührend gestraft werden sollen) neben allen Pertinentien von aller eigenmächtigen Einquartierung, Plünderung, Brandschatzung gänzlich unmolestirt lassen sollen, sondern solche defendiren, dann die Übertreter an Leib und Leben sollen gestraft werden. Signatum, Hauptquartier Neckers Ulm, den 7. Sept. 1644. Franz von Mercy.“ Tags darauf erging aus demselben Hauptquartier folgender Befehl des kaiserlichen Feldmarschalls Hazfeld: „Demnach in der röm. kaiserl. Majestät absonderlichen Schutz und Salva Quardi das ganze Fürstenthum Anspach sammt allen Zubehörungen etc. aufgenommen, als werden alle meinem Commando Untergebene ernstlich befehligt, gedachtes Fürstenthum mit eigenthätigen Einquartierungen, Plünderungen, Geldpressuren und dergleichen nicht zuzusetzen, sondern vielmehr zu schützen etc. bei Vermeidung ihrer kaiserl. Majestät schwerer Ungnade und ernster Bestrafung. Neckers Ulm, 8. Sept. 1644. Melchior von Hazfeld.“ Hazfeld war, wie vorhin berichtet, über Heilsbronn nach Böhmen gezogen, aber nun wieder [71] zurückgekehrt, um sich mit Mercy zu vereinigen: daher das gemeinschaftliche Hauptquartier der beiden Feldmarschälle in Nekarsulm. Ihre beiden Mandate kommunizirte der Markgraf dem Verwalter Krebs und dem Richter Zimmetshäuser mit folgender Instruktion: „Welche Salvaguardia wir haben auswirken lassen, sagt beiliegender Abdruck, dessen ihr euch bei dieser Unsicherheit gegen die streifenden Parteien zu bedienen habt. Wenn ihr von jemand mit Raub angegriffen werden solltet, habt ihr wo möglich der Thäter euch zu bemächtigen, oder, wo dieß nicht in’s Werk zu richten, Gewalt mit Gewalt abzutreiben und euch, so gut ihr könnt, zu schützen.“ Im Dezember quartierten sich 60 Reiter in Bonhof und Bürglein ein. Der Verwalter begab sich dahin und zeigte die erhaltene Instruktion vor, worauf die Reiter sich bereit erklärten, am folgenden Morgen weiter zu ziehen, um sich mit dem Obrist Don Maradas in Roßstall zu vereinigen.

Von dem Anerbieten einer „lebendigen Salva Quardi“ machte Heilsbronn im folgenden Jahre 1645 wiederholt Gebrauch; denn das Jahr war abermals sehr drangsalsvoll, weniger für den Ort selbst, als für viele Ortschaften in den heilsbronnischen Ämtern, namentlich für Ammerndorf, Neuhof, Merkendorf, Waizendorf und Nördlingen, wie im VII. Abschn. berichtet wurde. Im April zogen Freund und Feind, Bayern, Kaiserliche, Schweden, Hessen, Weimaraner und Franzosen im südlichen Theil des Fürstenthums verheerend gegeneinander, wenig achtend auf schriftliche und lebendige Salvaguardia. Der Verwalter bat, falls er weichen müßte, für sich und die Seinigen um Aufnahme in Lichtenau, was ihm auch vom dortigen Pfleger Imhof zugesagt wurde. Allein man zog es vor, die vielen Eingeflüchteten in Heilsbronn zu belassen, da aus dem bayerischen Hauptquartier zu Feuchtwangen, wo Jean de Werth lag, zwei Reiter vom Leibregiment als Schutzwache eintrafen. Am 6. Mai Abends kamen die Oberstin Spork und die Rittmeister Egerding und Keller mit 60 Pferden vor das Kloster und begehrten Einlaß. Der Verwalter rief zu ihnen hinaus: „Die Frau mit den zwei Rittmeistern wollen wir einlassen und beherbergen, wenn die Reiter sich zurückziehen und [72] anderwärts Quartier nehmen.“ Da man darauf nicht einging, so blieb das Thor verschlossen und die Abgewiesenen quartirten sich in Weißenbronn ein, nachdem einer der Rittmeister dem Verwalter zugerufen hatte: „Des Markgrafen Beamte sind alle Schelme! Jedem, den wir aus dem Kloster treffen, werden wir Nase und Ohren abschneiden und uns durch Sengen und Brennen an des Markgrafen Land revanchiren.“ Im Juli wurde Rothenburg von den Franzosen und Weimaranern genommen und die darin liegende bayerische Mannschaft gefangen. Von dortaus erließ der Herzog von Enghien, auf Bitten des Markgrafen, ein Mandat, ganz im Sinne der vorhin mitgetheilten Mandate Mercy’s und Hazseld’s. Darin hieß es: „Le duc d’Anguien, prince de sang, pair de France, à tous gouverneurs, colonels, chefs etc. de l’armée du Roi salut. Nous ordonnons à ceux sur qui nostre pouvoir s’étend, de ne faire aucunes courses, ni enlèves de denrées, bestiaux dans les villes et bourgs appartenants à Mons. le Marquis d’Ansbac, que nous avons pris avec ses sujets en sauve-garde. En cas de contravention nous ferons punir les coupables. Fait au camp de Rotenbourg le 17. Juillet 1645.“ Eine von dem Notair pub1ic Absalon Mayer beglaubigte Abschrift wurde nach Heilsbronn mitgetheilt. Allein man schenkte dort den Zusicherungen des Schutzes so wenig Glauben, daß bei der Nachricht: die französische Armee sei von Rothenburg her im Anzug, die meisten Bewohner Heilsbronn’s, wo eben keine Schutzwache war, nach Nürnberg, Schwabach und Lichtenau flohen, der Richter Zimmetshäuser nach Nürnberg. Der Verwalter Krebs fragte in Onolzbach an: ob er in Heilsbronn bleiben, oder mit dem wenigen noch vorhandenen Vieh sich auch salviren solle? Glücklicherweise kam man dießmal mit dem Schrecken davon, da die Franzosen von Rothenburg aus, nachdem sie in Uffenheim barbarisch gehaust hatten, nach Mergentheim gezogen waren, um dem von den Bayern zurückgedrängten schwedischen General Rosen zu Hilfe zu kommen. Über die Drangsale im heilsbronner Amt Nördlingen in Folge der Schlacht von Allerheim am 24. Juli ist oben bei [73] Nördlingen berichtet worden. Am 20. August erhielt der Verwalter folgende Nachricht: „Dinkelsbühl hat sich der französischen Armee auf Discretion ergeben. Ihr F. Durchlaucht (Markgraf Albrecht) sind Sonntags früh daselbst bei dem Herzog von Anguien gewesen, dero Land zu recommandiren, haben aber denselben gar unpäßlich angetroffen, deßwegen sich nicht lang bei I. F. D. aufgehalten. Montag ist der Aufbruch erfolgt, bei welchem etliche des Rathes gefangen mitgeführt und die Stadt mit 250 gesunden und 150 beschädigten Soldaten besetzt gelassen worden. Der Marsch soll nach Heilbronn gehen.“ In Folge dieser Verlegung des Kriegsschauplatzes nach Schwaben beschränkten sich die Drangsale Heilsbronns im August und September auf Lieferungen an streifende Parteien. Aber schon im Oktober nahete die Kriegsfurie wieder: über Herrieden, Arberg und Ornbau her das Holsteinische und Ebersteinische Regiment. „Das ganze Amt in seiner Armuthei ist wieder in’s Kloster geflüchtet.“ Daher Anfrage: „Ob man nicht wieder salva guardia dahin verlegen wolle?“ Dinkelsbühl und Rothenburg wurden abermals blockirt. Was dabei die heilsbronnischen Ämter litten, ist oben bei Neuhof und Waizendorf berichtet worden. Am 6. November berichtete der Verwalter an den Markgrafen in Kulmbach: „Das Kloster und die incorporirten Vogteien haben im Laufe dieses Sommers Hartes erlitten. Die Armeen haben zweimal ihre Lager im Fürstenthum aufgeschlagen, die Franzosen zu Rothenburg, die Bayern zu Feuchtwangen. Während des ersten bayerischen Lagers zu Feuchtwangen wurde das Amt Waizendorf so ausgesaugt und spolirt, daß fast Niemand das Geringste erhalten hat. Bei dem zweiten Lager, 14 Tage lang, wurde vollends Alles aufgezehrt. Als nun beide Armeen sich von Feuchtwangen und Rothenburg weg in’s Ries gezogen zu der Schlacht bei Allerheim, da ging im Pflegamt Nördlingen Zehnt und Gült völlig zu Grund. Erzherzog Leopold Wilhelm nahm mit tausend Pferden sein Hauptquartier in Neuhof, dann in Ammerndorf; von den Fouragirern ist das ganze Amt durchkrochen und was man von Vieh, Getreide und Futter gefunden, weggeführt worden. [74] Im Kloster selbst bin ich mit den Unterthanen, wiewohl nicht ohne Anstoß, durch Gottes Schutz erhalten worden, sonst hätte es wieder seinen Garaus bekommen, wie (1632) bei dem Lager vor Nürnberg. Wegen der Unsicherheit im ganzen Sommer ist an vielen Orten gar nichts oder nur wenig gebaut worden. Doch habe ich einige Gefälle zusammengebracht und nach Nürnberg geschafft.“ Die letzte Proviantlieferung in der Neige des Jahres erhielten vom Kloster hundert Reiter, in Weißenbronn einquartiert, vom Regiment des Herzogs Ulrich von Würtemberg und befehligt von einem Rittmeister Namens Sausewind.

Den im Winter 1646 heranziehenden Truppen wurde durch Schutzwachen der Einlaß verwehrt, jedoch Proviant geliefert: am 10. Januar dem Oberstwachtmeister Johann Fabric und anderen Offizieren des Generalwachtmeisters Grayling, welche mit einem ganzen Regiment drei Tage lang in Petersaurach und Weißenbronn lagen; am 22. Jan. den Obersten Königseck und Torepp, „die mit fünf Regimentern hier beim Kloster Rendevous gehalten und ein Frühstück begehrt.“ Am 1. Febr. zog das Jung–Kolbische Regiment vorüber. Am 20. Juni wurden 80 Reiter vom Müßling-Markowitzischen Regiment vor dem Kloster mit Proviant versehen. Deßgleichen am 22. der Rittmeister Joh. Adam Weyhel von und zu Ettenkhofen, welcher mit einer Kompagnie in Weißenbronn übernachtete. Die Frühlingssaat mußte wieder unter Convoi bestellt werden. Während des ganzen Frühlings wurde in der Umgegend, z. B. in Roßstall und Ammerndorf, von Schnapphähnen geraubt und geplündert. Nach Kloster Sulz hatten sich 60 Familien aus der dortigen Gegend geflüchtet, darunter 40 Bauern mit guten Musketen. Da erschienen am 11. Juni vor Tages Anbruch vor dem Orte 50 Reiter mit einem Trompeter. 25 Mann legten vier Leitern an und stiegen ein, schreiend und schießend. Der dortige Klosterverwalter setzte sich mit einigen Bauern zur Wehr. Als aber zwei seiner Mitstreiter von Schüssen getroffen wurden, stieg er mit Einigen auf den vier angelegten Leitern hinaus und floh in den nahen Wald. Die Eingedrungenen hieben das Thor aus und ließen ihre Kameraden ein, welche auf [75] die Leute losschlugen, damit sie ihnen angeben sollten, wo der Verwalter stecke. Dieser erhob in seinem Versteck draußen im Walde mit seinen Begleitern ein solches Geschrei, daß die Plünderer erschracken und schleunig abzogen, jedoch mit einer Beute von 200 fl. baar und Anderem. Ohne Zweifel waren unter den Plünderern Ortskundige. Der Markgraf ließ den Hergang nach Heilsbronn notifiziren mit dem Bedeuten an den Verwalter Krebs, eintretendenfalls sich besser zu wehren, als der Verwalter in Sulz. Krebs berichtete unt. 25. Juli an die Regierung: „Der Schaden durch die Läger vor Feuchtwangen und Rothenburg im vorigen Jahr wäre noch in etwas zu verschmerzen gewesen, wenn nicht hernach bei der Kampirung bei Aschaffenburg die kaiserlichen und bayerischen Reiter zu Hunderten heraufgegangen wären und dasjenige an Vieh, Pferden und Anderem, was erstmals mit Mühe erhalten worden war, geraubt hätten. Überdieß hat das Hagelwetter im Amte Neuhof, dem besten zum Kloster gehörigen Amte, solchen Schaden gethan, daß die armen Unterthanen nicht einmal den Samen wieder erlangen können. Das Kloster ist mit seinen Vogteien in solche Armuth gesunken, daß ich nicht sehe, wie die dem Kloster zugewiesenen Ausgaben, besonders der polnische Wechsel (es handelte sich um eine Zahlung von 720 fl. nach Warschau in Folge eines wegen der Erbfolge gehaltenen Kongresses) abgeführt werden können, zumal bei gegenwärtiger Einnahme wegen Wohlfeilheit und geringen Vertreibung des Getreides, als der besten Intrade des Klosters. Dazu kommt jetzt noch die große Gefahr wegen der herannahenden schwedischen Armee mit ihren Aliirten, also daß wir allem Anschein nach nichts als gänzlichen Ruin zu erwarten haben, wenn Gott nicht hilft.“ Was Krebs befürchtete, trat leider ein. Die Schweden kamen unter Wrangel von Hall und Krailsheim her und hatten bereits Eschenbach geplündert und den dortigen Vogt nebst zwei Rathsbürgern weggeführt. Bei ihrem Anzuge flüchteten wieder viele Amtseingesessene mit ihrer Habe nach Heilsbronn und glaubten sich dort geborgen, da Wrangel durch seinen Stallmeister Johann von Ramin bereits eine Schutzwache, die am 25. August in [76] Heilsbronn eintreffen werde, zugesagt hatte. Tags zuvor ritt der Verwalter Krebs nach Ansbach zu einer Berathung über die zu ergreifenden Maßnahmen. Während der Verhandlung in der Rathsstube erhielt er durch einen Eilboten einen Brief von seinem Schreiber Stigler mit folgender Nachricht: „Am heutigen Feiertag (Bartholomäi) unter der Predigt kam von Nürnberg her ein schwedischer Obristlieutenant mit einigen Rittmeistern und 400 Reitern vor das Thor und verlangten Einlaß. Als man nicht darauf einging, stiegen sie über die Mauer, öffneten das Thor und plünderten, die Offiziere die Pferde in den Ställen, die Soldaten Anderes. Nachdem sie sieben Pferde und zwei Fohlen und Anderes geraubt hatten, gingen sie zu ihrer Armee nach Krailsheim, wohin sie den Getreidemesser mitschleppten. Die Eingeflüchteten salvirten sich nach Lichtenau und andern Orten, da sie sich hier in Heilsbronn nicht sicher sahen.“ Daß die Plünderer von Nürnberg her gekommen waren und nicht von Krailsheim her, wo Wrangel stand, hatte seinen Grund in folgendem Hergang: Melchior Degen, ein schwedischer Kaufmann, wurde aus dem Wrangel’schen Lager bei Krailsheim mit verschiedenen Waaren nach Nürnberg gesendet. Seine Eskorte waren jene 400 Reiter, welche von Nürnberg nach Krailsheim zurückkehrend in der beschriebenen Weise zu Heilsbronn einsprachen. Die verheißene Wrangel’sche Schutzwache traf zwar ein, aber erst nach dem Überfall. Sie blieb drei Monate lang, während welcher Zeit die heranziehenden schwedischen Truppen nicht eingelassen, jedoch vor dem Thore mit Proviant versehen wurden, z. B. am 30. Sept. zwei Hauptleute mit ihrer Mannschaft vom Korps des in Dinkelsbühl kommandirenden Obersten Bilau und am 3. Okt. der schwedische Oberst Keller. Dieser hatte mit 2000 Pferden den ebengenannten Kaufmann Degen sammt bei sich gehabter Munition und Anderem von Nürnberg zurückeskortirt und hielt nun vor dem Kloster Mittag, „dazu er für sich Essen und Wein, für seine Soldaten Bier, Brot, Haber und Heu mit großer Importunität erfordert.“ Am 24. Okt. erhielten Frühstück vor dem Thore der schwedische Assistenzrath Alexander Escen, der [77] Generalmajor Beyhel, der Oberst Tanneberger und andere hohe Offiziere sammt 500 Pferden. Ein Waarenzug ging, von Musketiren eskortirt, nach Nürnberg, wurde aber eine Beute der streifenden Schweden, welche die Musketire und andere Begleiter theils verwundeten, theils tödteten und die sämmtlichen Waaren, bei drei Tonnen Goldes an Werth, raubten. Am 9. Nov. wurden bei Dietenhofen sechs Pferde und Anderes von vier Reitern geraubt. Der deutschherrische Richter zu Dietenhofen und Konsorten holten die vier Reiter in der Mühle zu Mkt. Triebendorf ein, verfolgten sie weiter über Betzendorf, Bürglein und Münchzell, erschlugen sie und verscharrten sie auf dem Kappelberg im Walde Lindach. Der Kommandant der Reiter erhielt Kunde von dem Vorfall und erpreßte als Satisfaktion vom Landkommenthur von Grafeneck in Ellingen 325 Thaler. Angeblich waren bei der Verfolgung und Tödtung auch heilsbronnische Unterthanen betheiligt; daher forderte der Komthur den Verwalter Krebs auf, die ihm abgepreßten 325 Thlr. theilweise zu ersetzen und dieß um so mehr, da er, der Verwalter, die Unterthanen anreize, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Der Verwalter wies die Forderung und die Beschuldigung in derben Worten zurück.

1647 im Januar kamen von der Donau her Kaiserliche und Bayern unter Graf Gallas und Jean de Werth. Weißenburg wurde belagert. Die Belagerer fouragirten plündernd bis nach Roth und Merkendorf. Jean de Werth zog bald darauf mit 6000 Pferden weiter gegen den bei Mergentheim stehenden Königsmark. Einer seiner Rittmeister kam aus diesem Zuge am 7. Februar mit 800 Pferden vor Heilsbronn, mußte aber, da er nicht eingelassen wurde, in Weißenbronn quartieren, wohin man ihm Proviant schickte. Drei Wochen darauf kam vom Bodensee her, nachdem dort Alles ausgezehrt war, Wrangel, welcher aus seinem Hauptquartier Thalmessingen dem schwedischen Obrist Kommandanten Wank in Dinkelsbühl folgende Weisung gab: „Ich bin am 26. Febr. von Bregenz aufgebrochen und bin heute (4. März) glücklich hieher gekommen. Ich befürchte, es möchten die Parteien der üblen Gewohnheit nach sich von ihren Regimentern [78] abstehlen und was sie auf dem platten Land ertappen, wegnehmen. Also wolle der Herr Obrist, um diesem vorzubauen, lebendige Salvaguardien an die zu seiner Quarnison assignirten Örter auslegen, damit sie selbige vor streifenden Parteien conserviren mögen. Was der Herr Obrister von des Feindes Contenance und sonst vernimmt, wolle er mir advisiren. Womit verbleibe des Herrn Obristen dienstwilliger G. Wrangel. Thalmessingen, 4. März 1647.“ In Folge dieses Erlasses machte die Regierung zu Onolzbach unt. 11. März bekannt: „Jedem Ort, der sich mit einer Salvaguardia aufzuhalten getraut, bleibt freigestellt, solche bei dem Obristen Wank abzuholen.“ Heilsbronn und Neuhof erhielten eine Schutzwache. Am 24. März war Wrangel mit Frau und Tochter in Nördlingen. Der Markgraf von Ansbach begab sich zu ihm und erhielt die besten Versprechungen. Gleichwohl hausten Wrangels Truppen, wie die kaiserlichen und bayerischen, Ende April und Anfang Mai in und um Mkt. Erlbach, Langenzenn und besonders in der Weise, daß sie das Vieh auf dem Felde raubten und gegen 6 bis 10 Thaler Lösegeld zurückgaben. Wrangels Kriegskommissäre Jordan, Klein und Rossengerst forderten in Schwabach und Ansbach unerschwingliche Lieferungen; Heilsbronn sollte mehr Getreide liefern, als das Klosteramt im ganzen Jahr einnahm. Jedoch ermäßigten die Kommissäre ihre Forderung nach Empfang eines Küchenpräsents von 2 Kälbern, 6 Lämmern, 11/2 Zentnern Schmalz, 12 Hühnern, 100 Eiern, 30 Fischen, 7 Säcken Mehl und 6 Säcken Haber. Der Markgraf mußte aus Wrangels Geheiß binnen 14 Tagen 14,000 Thaler, 200 Säcke Mehl, 100 Säcke Haber und 24 Rinder liefern und erhielt dagegen von Wrangel mündlich und schriftlich das Versprechen: „er werde nach dem Empfang dieser Lieferungen seine Völker sofort aus dem Fürstenthum delogiren.“ Die Völker wurden zwar aus ihren bisherigen Cantonements delogirt, sie quartierten sich aber in Uffenheim, Kreglingen, Mainbernheim, Segnitz, Kastell, Prichsenstadt etc. ein. Im Sommer und Herbst kamen kaiserliche Parteien, am 25. Juli 40 Reiter von Weißenburg her, wurden aber vor dem Thor abgefüttert. Am [79] 12. Septbr. übernachtete Joachim Dieter, ein schwedischer Kommissär, welcher mit fürstlichem Befehl von Ansbach nach Heilsbronn gewiesen worden war, um, wegen der großen Unsicherheit, mit einem verlässigen Boten versehen zu werden. Über die großen Drangsale in den heilsbronnischen Ämtern Randersacker und Nördlingen am Anfang und Ende des Jahres, dort durch die Schweden, hier durch die Kaiserlichen, ist oben berichtet worden.

Auch das letzte Kriegsjahr 1648 war für Heilsbronn und seine Vogteien sehr verhängnißvoll. Über die Drangsale in Merkendorf durch die kaiserliche Garnison von Wülzburg im Januar und über die Einäscherung des Städtchens am 12. März durch die Schweden wurde oben berichtet. Beim Vorüberzug der aus Hessen zurückkehrenden bayerischen Armee (6. bis 24. Febr.) wurde Heilsbronn zwar nicht bequartirt, aber durch Lieferungen sehr in Anspruch genommen. Schon vom 1. Januar an mußte das Klosteramt täglich 100 Pfund Brot, 100 Pfund Fleisch, 200 Maas Bier etc. liefern. Pferde und Rindvieh schaffte man nach Lichtenau. Den vorübergezogenen Bayern folgte im März die Armee Wrangels. Die von seinem Leibregiment erbetenen vier Sauvegardisten wurden nach Heilsbronn, Neuhof, Bonhof und Kadolzburg verlegt. Der Verwalter Krebs erhielt von Onolzbach aus durch den Kammerjunker Veit Julius von Lichtenstein den Auftrag, für die Zusendung der vier Schutzwächter das übliche Küchenpräsent von Bier, Haber oder Vieh in das Wrangel’sche Hauptquartier nach Ikelheim zu senden. Da aber der Transport dahin durch die von Roth aus streifenden Gutschnitzischen Kroaten und bayerischen Parteien gefährdet war, so sandte man an Wrangel anstatt der Naturalien 30 Thaler, welche Joh. Richter, Wrangels Hofmeister, in Empfang nahm. Wrangel zog von Ikelheim aus nach Ansbach, ruinirte am 9. März Leutershausen, kam am 12. nach Feuchtwangen, von da nach Wassertrüdingen und hatte am 14. sein Hauptquartier in Oettingen, von wo aus er die gedachten vier Sauvegardisten (Dragoner) heimberief. Seine Abberufungsordre fiel den streifenden Kaiserlichen in die Hände, wurde erbrochen, aber den Überbringern zurückgegeben und kam so nach [80] Heilsbronn. Zehn Tage nach der Abberufung wurden die von Lichtenau wieder nach Heilsbronn zurückgebrachten vier Ochsen beim Dungführen von drei schwedischen Reitern geraubt, aber durch nachgesendete Musketire den Räubern wieder abgejagt. Am 23. März lag der schwedische General Banner in dem heilsbronnischen Schlößchen Waizendorf, was dieses gegen Verwüstung schützte, während in diesen Tagen Dürrwang und Wittelshofen von den Schweden, Feuchtwangen und Herrieden von Türenne’s Truppen geplündert wurden. Anfangs April war Heilsbronn ohne Schutzwache; man salvirte daher das Vieh, zwei Kühe ausgenommen, nach Ansbach. Am 4. April erfolgte ein Überfall von einem schwedischen Korps, welches von Nürnberg nach Hall zog. Die Plünderer drangen durch das den Fluß sperrende Gitter bei der Mühle ein, rissen den Mühlschutz aus, um das Flußbett möglichst trocken zu legen und zogen auf diesem Wege ab mit ihrem Raube, darunter die zwei Kühe und 21 Gulden, welche sie vom Prediger Knoll erpreßt hatten. Der Verwalter Krebs war eben abwesend. Erst zwei Jahre nach dem Kriege war die erschöpfte Amtskasse im Stande, dem Prediger die geraubten 21 fl. zu ersetzen; dazu erhielt dieser 7 fl. und 2 Sra. Getreide als Ersatz für andere bei der Plünderung erlittene Verluste. In Folge dieses Überfalles baten Verwalter und Gemeinde den Markgrafen, wieder eine Schutzwache für Heilsbronn zu erwirken; sie erhielten aber am 15. Mai zur Antwort: „Bei jetzigem Stand der Sachen müsse Jeder, so gut er könne, sich mit den Seinigen an einen sichern Ort salviren; doch solle man das Kloster nicht ganz leer lassen, sondern es sollten etwa ein Thorwart und etliche Unterthanen, die nicht viel zu verlieren hätten, bleiben, um bei etwaiger Einquartierung auf das Feuer Acht zu haben.“ Glücklicherweise waren diese Maßnahmen nicht nöthig, da während des Sommers und Herbstes in Heilsbronn zwar fortwährend Kontributionen, aber keine Vergewaltigungen vorkamen. Der Ort zählte im September nur fünfzehn kontributionspflichtige Familienväter: 1 Wirth, 1 Weber, 1 Gärtner, 1 Metzger, 1 Schneider, 1 Krämer, 1 Schuster, 1 Getreidemesser, 1 Müller, 1 Bader, 1 Büttner, [81] ein Hirt und noch drei, deren Gewerbe im Ausschlagsregister nicht angegeben ist. Im Oktober plünderten Türenne’s Truppen Feuchtwangen. Am 25. Okt. erhielt der Verwalter wieder durch Lichtenstein’s Vermittelung für Heilsbronn, Bonhof, Neuhof und Wilhermsdorf vier Sauvegardisten von Wrangel’s Leibregiment, darunter zwei unberitten mit dem Auftrag, beide wieder beritten zu machen. Am 27. quartierte Türenne in der Brunst, dann in Herrieden; Wrangel am 28. in Ornbau. „Beide haben sich gestern in Ornbau miteinander lustig gemacht, wie man Lösung der Stück genugsam hören können.“ Es kam in diesem Monat zum Waffenstillstand, welchem der Friede folgte. Da aber die Schweden noch geraume Zeit in der Gegend blieben, so kam es in Heilsbronn vorerst noch zu keinem Frieden. Deß zum Beweis folgender Hergang im Friedensmonat: Anfangs des Jahres lag in Heilsbronn als Sauvegardist ein schwedischer Reiter vom Görgischen Regiment Namens Hans Reinhard. Dieser sollte beim Abzug seines Regiments mitziehen, wurde aber zurückgehalten, angeblich vom Richter Faber und vom Prediger Knoll, welche mit ihm zechten. Inzwischen kamen feindliche Truppen und raubten ihm sein Pferd und Anderes. Er mußte nun wieder equipirt werden mit einem Aufwand von 70 fl. Dieser Betrag sollte durch Umlage gedeckt werden; allein die Unterthanen gingen nicht darauf ein, „da der Reiter ohne ihre Schuld und Einwilligung aufgehalten worden und so um seine Habe gekommen sei, und zwar durch Schuld des Richters und des Predigers, die ihn mit dem Trunk so lang aufgehalten hätten, bis die Kaiserlichen gekommen seien.“ Der neuequipirte Reiter begab sich über Neuhof nach Windsheim zum Regiment des Oberstlieutenants Küchenmeister, welcher ihn, auf sein Verlangen, einige Tage darauf mit durchziehenden Königsmarkischen Truppen an sein Regiment zurückschickte. Da aber der Reiter bei seinem Regiment nicht eintraf, so schrieb sein Rittmeister J. Andreß, sonst Langnau genannt, aus Altenmuhr unt. 12. Okt. an den Richter Faber: „Mein Reiter, den ich vor etlichen Monaten als Salvaguardia in Heilsbronn gelassen, ist noch nicht zurück. Ich fordere entweder diesen, oder [82] hundert Dukaten. Stellt mich der Herr Richter nicht binnen 24 Stunden zufrieden, so will ich mich an dem Kloster und dessen Dörfern dreifach bezahlt machen und ein Dorf wegbrennen. Hätte nicht vermeint, daß der Herr Richter Dank mit Undank lohnen werde.“ Der Richter Faber konnte nicht antworten, da er inzwischen wegen Defraudation kassirt worden war und des Landes verwiesen werden sollte. Es antwortete daher der Verwalter Krebs unter Beifügung eines Attests, worin Küchenmeister bezeugte, daß der Reiter zu ihm nach Windsheim gekommen und mit Königsmarkischen Truppen zu seinem Regiment abgefertigt worden sei. Allein der Rittmeister ließ sich damit nicht beschwichtigen. Von Altenmuhr nach Ornbau verlegt, kam er am 15. Okt. mit 60 Reitern vor das heilsbronner Schlößlein Waizendorf und erklärte dem dortigen Vogt G. F. Förster: „Er habe in Heilsbronn eine Salvaguardia verloren und verlange dafür 100 Dukaten; würden diese ihm nicht gezahlt, so werde er den Weiler mit dem Schlößlein wegbrennen.“ Zugleich hinterließ er für den Verwalter Krebs einen Vries, worin er zwar den Empfang des Küchenmeister’schen Attests bescheinigte, aber auf seiner Forderung beharrte, da der Reiter nicht angekommen sei. Krebs berichtete darüber an den Markgrafen und erhielt die Weisung: „um das angedrohte Unglück zu verhüten, sich bestmöglich mit dem Rittmeister abzufinden, den Hergang aber der Generalität anzuzeigen.“ Langnau nahm anstatt der 100 Dukaten 72 Gulden an, welche aus der Amtskasse gezahlt wurden. Auch die 70 fl. zur Equipirung des Reiters übernahm die Amtskasse.

Der Friede war geschlossen, aber auch im folgenden Jahre 1649 das Land nicht frei von fremden Truppen. In Neumarkt lagerte „der schwedische Generalissimus, Herr Pfalzgraf fürstliche Durchlaucht.“ Der Markgraf Albrecht verhandelte mit ihm am 27. März, 19. April, 8. und 14. Mai und mittagte auf seinen Reisen nach Neumarkt viermal in Heilsbronn. Das Friedensdankfest wurde in Heilsbronn am 11. August 1650 gefeiert und dabei jedes Kind mit einer Denkmünze beschenkt, welche der Markgraf hatte prägen lassen. Die Amtskasse zahlte dafür [83] 6 fl. 16 kr. In diesem Jahr der Friedensfeier tagten vom 25. Febr. bis 8. April in Heilsbronn ober- und unterländische Regierungsräthe, um Einsicht zu nehmen von dem materiellen Verderben, welches der Krieg über Heilsbronn und dessen Ämter gebracht hatte, und um zu erwägen, was zu thun sei, die tiefen Wunden zu heilen und die versiegten Einnahmsquellen wieder in den Fluß zu bringen. Bei Besichtigung der Ortschaften im Amte Bonhof ergab sich Folgendes: Gänzlich niedergebrannt und noch in Asche liegend fand man Geichsenhof, Mosbach, Reuth, Schwaikhausen, Suddersdorf, Turndorf, Volkersgau, Watzendorf, Wattenbach und Ziegendorf. In folgenden Orten waren nur einige Höfe niedergebrannt: in Bonhof 5, in Bürglein 3, in Gottmannsdorf 4, in Kleinhaslach die meisten, in Großhaslach 2, in Rohr die meisten, in Petersaurach 5, in Neuhöflein 1. Die übrigen Ortschaften hatten durch Feuer gar nicht gelitten; gleichwohl verödeten und verfielen manche derselben, z. B. der Berghof, in Betzendorf von 7 Höfen 6 („braucht gänzliches Aufbauen, da ganz öde und eingefallen“), in Gleizendorf alle 6 Höfe, in Haag von 6 Höfen 5 („fast Alles auf dem Einfall“), in Hörleinsdorf Alles öde, in Mausendorf 4 Höfe eingefallen, in Reutersaich Alles öde; eben so in Steinhof, Trachenhöfstett, Mkt. Triebendorf (die Mühle ausgenommen), Schlauersbach, Weißmannsdorf, Wernsbach, Wickleskreuth, Wollersdorf und alle acht Bauernhöfe in Weiterndorf. Bewohnt blieben dagegen während des ganzen Krieges Aich, Ammerndorf, Bonhof, Bürglein, Göddeldorf, Großhaslach, Höfstetten, Ketteldorf, Neuhöflein, Petersaurach und Weißenbronn. Allein auch in diesen Orten verfielen einige zwar nicht niedergebrannte, aber unbewohnte Höfe, z. B. in Bonhof 5, in Bürglein 7, in Großhaslach 7, in Ketteldorf 4, in Petersaurach 10 und in Weißenbronn 18. Es ergab sich bei dieser Erhebung i. J. 1650, daß im Amte Bonhof 278 Güter (134 größere Bauernhöfe und 144 kleinere Anwesen) öde, unbebaut, ohne Besitzer, der Herrschaft heimgefallen, aber für dieselbe ohne jeglichen Ertrag waren. Heilsbronn selbst hatte, wie oben berichtet wurde, nur den Malz- und Hopfenboden durch Feuer [84] verloren. Es bot aber gleichwohl i. J. 1650 das Bild des Verfalles in Folge der wiederholten Gewaltthaten durch das Kriegsvolk und des beständigen Andranges der Umwohnenden, welche mit ihrer Habe dahin flohen und in den vormaligen Mönchs- und Gymnasiastenzellen, in der alten Abtei, im Burggrafenhause, im Spital und in anderen Räumen beherbergt wurden. So geriethen Wohnungen, Stallungen, Utensilien etc. durch den steten Gebrauch in Verfall, da wegen Mangels der Mittel nichts in Bau und Besserung erhalten werden konnte. Das Schwabachflüßchen konnte Jahre lang nicht gefegt werden, so daß die Mühle den Dienst versagte.

Vor Allem sollten nun die der Herrschaft heimgefallenen 278 Höfe an den Mann gebracht werden, um wieder eine Rente für das Staatsärar zu erzielen. Allein die Ausführung war außerordentlich schwer. Die wenigen noch lebenden und die Relikten der verstorbenen Besitzer waren nicht geneigt, ein Gut zu übernehmen, da sie voraussahen, die ihnen auferlegten Anfangs zwar sehr geringen, aber allmälich größeren Gülten unmöglich entrichten zu können. Selbst dann, wenn man gar keinen Kaufschilling, sondern nur ein mäßiges Handlohn forderte, fanden sich oft keine Übernehmer. Die großen Güter waren am Schwersten anzubringen, wegen der darauf ruhenden schweren Lasten, welche schon zur Klosterzeit schwer waren, aber zur Zeit der Markgrafen noch viel schwerer wurden. Der einsichtsvolle Verwalter Krebs und seine gleichgesinnten Rechnungsrevisoren riethen den Markgrafen und ihren Räthen, die vor dem Kriege üblichen Lasten den Bauern nicht wieder aufzulegen und nicht wieder mit der vormaligen Härte einzuschreiten. In ihren Berichten hieß es u. A.: „Die Leute wollen lieber kleine Güter bauen, als so schwer belastete große Höfe kaufen. Wird die unerschwingliche Gült nicht ermäßigt, so finden große Höfe keine Käufer und die Zimmer fallen vollends ein zum großen Schaden des Ärars. Zu der Mönche Zeiten hatten die Unterthanen weit größere Freiheiten, keine Frohnen und Dienste, auch keine Steuer, außer der Türkensteuer. Nachgehends wurden aber diese Lasten und Steuern ihnen aufgebürdet, [85] und wenn sie diese nicht leisteten, so wurden sie oft gestöckt und geblöckt, daß ihnen oftmals die Kleider am Leib verfault. Schon vor dem Krieg geriethen die meisten Besitzer der großen Höfe wegen der Lasten und Frohndienste in Schulden und gingen zu Grund. Das Alles ist den Leuten noch im Gedächtniß und schreckt sie ab vom Kaufen. Dazu traut, glaubt, borgt fast Niemand mehr. Um die Leute wieder anzulocken, sollten alle Lasten erleichtert und auf ein Jahr ganz erlassen werden. Dann würde die Herrschaft doch wieder etwas erhalten, während sie jetzt von manchen Höfen gar nichts erhält. Die während des Krieges aufgelaufenen Renten sollten ganz niedergeschlagen werden. Geschieht das nicht, so wird das Amt vollends zu Grund gehen und anstatt Gült, Steuer, Frohn und Dienst untaugliches Reißholz und Tannenzapfen erhalten. Schiffleute werfen lieber köstliche Waaren aus, als daß sie zu Grund sinken wollen. Das starke Spannen bricht den Bogen. Besser einen Schein haben, als stockblind sein.“ Nothgedrungen mußte man auf diese Vorschläge eingehen. Gleichwohl lagen nach Jahrzehnten noch große Güter öde und fanden weder Pächter noch Käufer, so daß sie zerschlagen und in kleineren Parzellen an den Mann gebracht werden mußten. Unter den Ortschaften, welche zwar durch Feuer gar nicht gelitten hatten, aber demungeachtet verödeten, war Gleizendorf. Die dortigen sechs Bauerngüter lagen über 62 Jahre lang öde und flogen mit Wald an, so daß das Klosteramt, dem diese Güter heimgefallen waren, i. J. 1694 daselbst 608 Klafter weiches Holz schlagen ließ. Das Eingehen auf die gemachten Vorschläge hatte den gewünschten Erfolg: die versiegten Quellen begannen wieder zu fließen, so daß die Amtskasse schon im fünften Jahre nach dem Kriege an jedes der beiden Fürstenhäuser wieder eine Summe abzuliefern im Stande war, was seit vielen Jahren nicht mehr geschehen konnte. In demselben Jahr wurde die Kirchenuhr nach jahrelangem Stillstand wieder in den Gang gesetzt und das nach Onolzbach salvirte Archiv wieder an Ort und Stelle gebracht. Die Bibliothek war an Ort und Stelle geblieben und wurde von den Soldaten nicht berührt. 1654 wurden [86] 348 fl. verausgabt für Utensilien, 34 Betten, Leinwand, Reparatur der Schülerzellen und der Rektorswohnung, da im folgenden Jahre die Fürstenschule wieder eröffnet werden sollte und auch eröffnet wurde, wie im folgenden Abschnitt berichtet werden wird.

Wie traurig die Verhältnisse noch im 16. Jahre nach der Friedensfeier waren, ergab sich bei der Anwesenheit der beiderseitigen fürstlichen Räthe in Heilsbronn i. J. 1666. Alle Gültpflichtigen des Amts Bonhof wurden vorgerufen und über ihre Gültrückstände befragt. Alle waren ihrer Rückstände geständig, erklärten aber: „Seit vier Jahren haben wir meist Mißwachs, dazu Mancher durch die Seuche einen Verlust von 10 bis 20 Stück Vieh gehabt. Von unseren Gütern konnten wir wegen des darauf gewachsenen Holzes nur die Hälfte urbar machen. Dazu der Wildschaden. Die Natur selbst zeigt, es sei nicht mehr so viel Segen in der Erde, wie ehedem. Wir leiden Hunger und Kummer, können uns nicht mehr kleiden und können keine Dienstboten halten. Unsere erwachsenen Kinder gehen davon und wollen die elterlichen Güter nicht übernehmen, weil sie bei den vorhandenen Gültresten doch nichts davon erwarten können. Wir bitten daher um Erlassung der Reste und Ermäßigung der Gülten überhaupt, oder, wenn uns dieses nicht gestattet werden will, um Entlassung von unsern großen Gülthöfen.“ So flehten sie insgesammt unter Thränen. Die Räthe überzeugten sich von der Wahrheit dieser Angaben, sprachen beweglich den Leuten Muth zu und erhielten auch sogleich einen sprechenden Beleg für die Richtigkeit obiger Aussagen, indem ihnen folgendes Faktum zur Entscheidung vorgelegt wurde: Hofmockel in Ketteldorf und sein Weib waren alt und kinderlos vor Kurzem gestorben, 84 Morgen wohlbestelltes und besamtes Feld, 3 Pferde, 7 Stück Rindvieh, Bauernzeug und Mobilien hinterlassend. Gleichwohl erklärten die Erben, das Anwesen nicht übernehmen zu wollen, worauf das Gut von Amtswegen feilgeboten wurde. Wochenlang meldete sich kein Kaufliebhaber, bis endlich Hans Meier bei den in Heilsbronn versammelten Räthen erschien und sich bereit erklärte, das Anwesen unter folgenden Bedingungen zu kaufen: 80 fl. Kaufschilling, [87] aber in langen Fristen zahlbar; anstatt der bisherigen 7 Sra. 31/2 Mtz. Korn und 6 Sra. Haber künftig und für ewige Zeiten nur 4 Sra. Korn und 2 Mtz. Haber jährlich. Die Räthe legten dieses Angebot den beiden Markgrafen zur Beschlußfassung vor.

So viel über das materielle Verderben, welches der 30jährige Krieg über Heilsbronn und seine Vogteien gebracht hat. Es soll nun noch berichtet werden, wie der Krieg auf das religiös–sittliche Volksleben eingewirkt hat. Den Mittheilungen im VI. Absch. zufolge wurde das religiös–sittliche Volksleben auf dem ganzen Klostergebiete durch die Reformation nicht besser. Hat nun vielleicht die Kriegsnoth beten gelehrt und die Herzen belehrt? Leider nicht, trotz aller Aufforderungen der Obrigkeit, auf das furchtbare Strafgericht zu achten und Buße zu thun. Die im Vorstehenden mitgetheilten Vorgänge und Verhandlungen zeigen, daß das Volksleben während des Krieges irreligiös und unsittlich blieb, wie es vorher war. Die im VII. Absch. mitgetheilten Berichte über die einzelnen Ortschaften zeigen, daß inmitten der allgemeinen Trübsal bei dem Volke nur selten herzliches Erbarmen und aufopfernde Liebe, oft aber Zwietracht und Herzenshärtigkeit gefunden wurde. Exzesse kamen seltener vor, da, besonders von 1632 an, der Tod einen großen Theil der Bevölkerung, darunter auch viele Exzedenten, wegraffte. Bei den Gerichten kamen Exzesse selten zur Anzeige und Verhandlung, da Jahre lang die Gesetze schwiegen und Gerichtssitzungen nicht gehalten wurden. Exzesse in Folge von Genußsucht kamen nicht leicht vor, da bei dem allgemeinen Elend an Befriedigung der Genußsucht kaum mehr gedacht wurde. In den Taxregistern findet sich daher in den Jahren der schwersten Kriegsdrangsale bei dem Einnahmstitel „An Buß und Frevel“ kein Eintrag. Allein schon vom letzten Kriegsjahre an bekunden die Einträge unter diesem Titel, daß Obrigkeit und Unterthanen durch den Krieg nicht belehrt, nicht bekehrt worden waren, daß die früher üblichen Quälereien und Exzesse fortgesetzt wurden. Im Jahre des Friedensschlusses heißt es: „5 fl. Strafe von zwei heilsbronnischen Unterthanen, welche wider Verbot zu Bürglein im [88] nürnbergischen Wirthshause an der Kirchweih gezecht.“ Aehnlich im folgenden Jahre. J. J. 1650: „2 fl. Strafe vom Schäfer in Ketteldorf, weil er, wider Verbot, seinen Hund ohngeprügelt gelassen. 1 fl. 12 kr. von Werleins Sohn und Knecht, weil sie am Friedensdankfest ein Fuder Getreide abgeladen. 48 kr. von Zöllners Weib, so am bemeldten Fest früh vor der Kirche ausgebuttert.“ Im Jahre nach dem Friedensdankfest gingen 38 fl. ein von „Strafen wegen Schlägereien, Körperverletzungen, Injurien etc. in den Wirthshäusern, auf den Gassen und Feldern.“ Ähnlich in den nächstfolgenden Jahren, z. B.: „3 fl. vom Wirth Hager in Bürglein, der in Anwesenheit vieler Hochzeitgäste dem Herrn Pfarrer Wattenbach unnütze Reden gegeben und eine Kanne mit Fluchen vor die Füße geworfen. 5 fl. von der Wirthin in Haslach und deßgleichen von Hegerndorfer in Ammerndorf, weil sie, wider Verbot, ihr Bier von Bruckberg und nicht von Klosterbrauereien bezogen. 3 fl. vom Bräumeister Agricola, der bei öffentlicher Zech alle Leute im Kloster Schelme und Diebe gescholten. Der Hirt in Weiterndorf wird bestraft, weil er gesagt: er wolle lieber des Teufels als lutherisch sein.“ Vögte in den heilsbronner Ämtern Neuhof, Nördlingen und Randersacker erwiesen sich während des Krieges als nachlässig und pflichtvergessen, schalteten unumschränkt, defraudirten und erlaubten sich Erpressungen im eigenen Interesse. Die Regierungen von Onolzbach und Bayreuth nahmen schon im Jahr der Friedensfeier ihre nur durch den Krieg zurückgedrängten Konflikte und Quälereien wieder auf. Was Onolzbach dem Klosterverwalter auftrug, wurde in Bayreuth kassirt, und umgekehrt. Das Verwalteramt erhielt 1653 von Onolzbach aus den Auftrag, 36 Thaler für die Fertigung des Inventars nach dem Tode der verwittweten Markgräfin Sophia zu zahlen. Sofort wurde dem Verwalter von Bayreuth aus Folgendes insinnirt: „Von Gottes Gnaden Christian Markgraf etc. Dergleichen einseitige Assignationes sind schnurstracks gegen die aufgerichteten Recesse. Was du von dergleichen ohne unsern gleichmäßigen Befehl zahlest, das erfordern wir von dir und halten uns an dein Vermögen und an deine Bürgen. Die [89] 36 Thaler sind aus der Massa zu zahlen.“ Wenn Onolzbach in der Rechnung den Titel „Wildbahn“ einstellte, so verweigerte Bayreuth die Unterschrift der Rechnung. 1652 ließ Onolzbach eine Broschüre über die heilsbronnischen Besitzungen in Kitzingen auf Rechnung der Klosteramtskasse drucken. Sofort erhielt der Verwalter von Bayreuth an die Weisung: „Da wir kein Exemplar erhalten haben, so wollest du berichten, ob und wie viel du vorgeschossen und wie viel Exemplare gedruckt worden sind.“ Die Beamten in Kadolzburg und Heilsbronn fuhren gleich nach dem Kriege fort, einander zu befehden, wie zuvor. Auch im Orte Heilsbronn selbst brachte die Kriegsnoth keinen Frieden. Der Richter Faber wurde, wie schon erwähnt, im letzten Kriegsjahr kassirt. Wie der Prediger Knoll und der Verwalter Krebs zu einander standen, erhellt aus folgendem Bescheid des Regierungsraths Eyermann vom Mai 1647: „Ich habe die neue Streitigkeit sehr ungern vernommen und wünsche, daß Herr Prediger sich mit dem Verwalter aufs Beste betrüge; denn bei solchem widersinnigen Leben ist schlechte Kurzweil.“ Noch weit schlimmer wurde es, nachdem fünf Jahre nach dem Kriege die Fürstenschule wieder eröffnet und in Folge dessen die Beamtenzahl vermehrt worden war. Rephun, welcher nach dem Tode des Verwalters Krebs an dessen Stelle trat, lebte in steter Feindschaft mit dem Richter. Unter den neuangestellten Gymnasiallehrern – sämmtlich Geistliche – war gleichfalls keine Harmonie. Daher sahen sich die ober- und unterländischen Räthe veranlaßt, gemeinschaftlich (während sie sonst gewöhnlich nicht einhellig waren) zu verfügen, wie folgt: „Was ist doch Ursach, daß täglich so viel Supplicationen und Beschwerden der Bedienten und Unterthanen eingereicht werden? Meistentheils daher, daß zwischen den geist- und weltlichen Bedienten, großen und kleinen, keine Einigkeit ist, die Amtsverrichtungen viel Jahr verschoben werden, das Übel nicht gestraft, den Bedrängten keine Amtshilfe ertheilt wird, sie vielmehr von einem Tag zum andern hin und her gesprengt werden. Dieses Unheil darf keineswegs länger geduldet werden. Als wird ihnen insgesammt bessere Einigkeit anbefohlen, in specie dem Verwalter [90] und Richter ordentliche Verhörtage, wöchentliche Zusammenkünfte zu halten und die Frevel in rechter Zeit zu büßen.“ Weiter wurde verfügt, was schon längst hätte geschehen sollen, den Verwalter Rephun in Untersuchung zu ziehen, „nachdem Klag und Beschwerden fast von männiglich wider ihn vorgefallen.“ Das Resultat der Untersuchung war Amtsentsetzung: „hat böse, confus, unverantwortlich, dem Kloster zu großem Schaden amtirt, die Relikten des Verwalters Krebs vervortheilt; auf sein Vermögen ist Arrest zu schlagen.“ Zugleich ergaben sich Unterschleife beim Kornschreiber Leuchsner. Gleichzeitig wurde auch der heilsbronnische Pfleger Dietrich in Nördlingen seines Amtes entsetzt. Er entfloh, stellte sich aber wieder und wurde der Gnade der beiden Fürsten empfohlen. Gleichzeitig wurde auch der Vogt Lips in Randersacker wegen Kassedefekt removirt; jedoch versprach sein Sohn, Vogt in Ipsheim, den Ausfall zu decken. Besser hatte der Vogt Schenk in Neuhof während seiner 26jährigen Amtsführung fungirt. Stör, Nachfolger des abgesetzten Verwalters Rephun und wie dieser in stetem Hader mit dem Richter und vielen Andern in Heilsbronn, war schon im zweiten Jahr seiner Amtsführung (1666) so gravirt, daß der Markgraf Albrecht von Ansbach dem Markgrafen Christian Ernst von Bayreuth die Frage vorlegte: „Ob nicht dem Verwalter um seiner gegen die Unterthanen verübten harten Tractamente und um der von ihm und seinem Scribenten übermäßig eingezogenen Amtsgebühren willen ein ernstlicher Verweis intimitirt werden möchte?“ Die Antwort lautete bejahend und die beiden Markgrafen intimitirten dem Verwalter und seinem Schreiber: „sich hinfüro glimpflicher gegen die Unterthanen zu bezeigen und sie nicht wieder mit übermäßigen Amtsaccidenzien zu beschweren.“

Gleich nach dem westphälischen Friedensschluß wurde in Heilsbronn der durch den Krieg unterbrochene Jagdverkehr wieder eröffnet. Der Markgraf Albrecht weilte daselbst meist 10 Tage lang im Jahr auf der Hasen- und Schweinshatz, Hirschfaist und Hahnenfalz. Der folgende Abschnitt wird zeigen, daß das Verhalten der Fürstenschuljugend nach dem Kriege noch unreligiöser, [91] und ungesitteter war, als vor dem Kriege. Im Großen und Ganzen hatte der Krieg bei allen Volksklassen keinen mildernden, sondern einen verwildernden Einfluß. Regierungsmandate sollten der gesteigerten religiös–sittlichen Verwilderung Einhalt thun. In diesen Mandaten (von 1690 an) hieß es: „Nachdem man jelänger jemehr wahrgenommen, weßgestalten das Christenthum auch in diesem Fürstenthum, wie an andern Orten sehr kaltsinnig und laulich zu werden beginnt, sonderlich das Fluchen und Schwören, Entheiligung des Sabbaths, unfleißiger Besuch des Gottesdienstes, zumal der Betstunden und Christenlehren oder Katechismusunterweisung bei Alt und Jung, dann auch Ungehorsam und Untreue gegen Vater und Mutter, Herren und Frauen und die Obrigkeit, Huren und üppiges Leben, Stehlen, Vervortheilen und Betrügen mit andern Sünden von Tag zu Tag anwachsen: so werden die Geistlichen des Fürstenthums erinnert, ihre Beichtkinder von der Kanzel und im Beichtstuhle und bei sonstigen Gelegenheiten fleißig zu ermahnen, den Gottesdienst fleißig zu besuchen, vornehmlich die Christenlehren, welche öfters den Alten nöthiger sind als den Jungen, die Kinder fleißig zur Schule und Kirche anzuhalten. An Sonn- und Festtagen keine Märkte, Spielleute, kein Karten–, Kugel- und Würfelspiel und andere Spiele noch andere Gott mißfällige Lustbarkeiten und Üppigkeiten, wodurch zum Schwelgen, Raufen, Balgen, Zanken und unzüchtigem Leben Anlaß gegeben wird, bei Strafe von 3 bis 10 Reichsthalern oder Leibesbußen. Auch bei Hecken- und Zapfenwirthen keine Gäste setzen während des Gottesdienstes bei Verlust der Schenkgerechtigkeit. Erst nach dem Gottesdienst darf ausgeschenkt werden. Den Beamten wird aufgegeben, an den Sonn- und Festtagen alle Wirthshäuser fleißig zu visitiren und darin betretene Personen zu arretiren.“ Diese Mandate mußten von den Kanzeln abgelesen werden, dazu noch eine weitläuftige Verordnung, Ehebruch, Hurerei und Rockenstuben betreffend. In einem an die Geistlichkeit gerichteten Ausschreiben hieß es: „Absonderlich soll (bei den Diöcesansynoden) die Kapitelsmahlzeit eingestellt werden, bei welcher, dem Vernehmen nach, bisher einige Kapitulares [92] schändlich sich zu bezechen gewohnt sind. Es ist auch vorgekommen, daß einige Kapitulares, unter dem Prätext einer societatis literariae, sich des übermäßigen Trinkens, Spielens und Durchhechelns der sie nichts angehenden Leute befleißen, und daß Andere die Kranken nicht besuchen, wenn man ihnen dafür nicht eine Gabe offerirt.“




Elfter Abschnitt.
Die Fürstenschule,
i. J. 1655 wieder eröffnet, i. J. 1736 aufgehoben
und nach Ansbach und Bayreuth verlegt.
Die Prediger in Heilsbronn
in dieser Periode, Nr. 15 bis 21.

Die Wiedereröffnung der Fürstenschule wurde schon während des 30jährigen Krieges (s. oben Abschn. X) projektirt, aber wegen gänzlicher Mittellosigkeit erst im 7. Jahre nach dem Friedensschluß vollzogen. Anstatt der früheren vier Lehrer konnten nur zwei angestellt und besoldet, anstatt der früheren 100 Schüler nur 48 aufgenommen werden; weiter reichten die vorhandenen Mittel nicht. 1654 wurden für Lehrer, Schüler und das weiter erforderliche Personal die nöthigen Räumlichkeiten hergestellt und die nöthigen Furnituren angeschafft. Nach 24jähriger Unterbrechung wurde die Schule am 30. Januar 1655 durch die von beiden Markgrafen kommittirten Räthe wieder eröffnet. Der bayreuthische Regierungsdirektor Georg Rittershausen erinnerte in seiner im Kapitol gehaltenen, später im Druck erschienenen lateinischen Introduktionsrede an das, was Heilsbronn während des Krieges erlitten (tamen bona pars bibliothecae vel in repositoriis immota remansit, vel alio transferri potuit, et sarta tecta servata). Dann folgt eine Aufforderung, Gott zu danken, der dennoch gnädig gewaltet und eine völlige Zerstörung abgewendet habe, so daß nun die Schule wieder eröffnet werden [93] könne. Groß seien die Verdienste Schopper’s um Wissenschaft und Religion gewesen, aber weit größer noch die der brandenburgischen Fürsten, zumal der jetzt lebenden. In der darauf folgenden Apotheose sind die Charaktere der Fürsten nicht immer wahrheitsgetreu gezeichnet. Dasselbe gilt von einem Anhang, in welchem Rittershausen von den in Heilsbronn begrabenen oder portraitirten Burggrafen, Kurfürsten und Markgrafen handelt und die Inschriften auf ihren Grabdenkmalen oder Bildern bespricht. Besonders verbreitet er sich über den Markgrafen Albrecht Alcibiades, dessen Leben (vita heroica et principe christiano digna, cuivis exoptanda) und Tod unter Mittheilung des Berichts, welchen der Pfarrer Heerbrand in Pfortsheim über die letzten Lebensmomente des Markgrafen gab (s. Hocker, Ant. S. 13). Rittershausen vertheidigt diesen gegen die schweren Beschuldigungen seiner Feinde und beruft sich dabei auf das günstige Zeugniß des Doktors L. Fuchs, welcher den Markgrafen, 17 Jahre alt, ärztlich behandelt hatte und ihm späterhin ein medizinisches Buch dedizirte. Fuchs rühmt die Hochherzigkeit des Kurfürsten Albrecht Achilles, der Markgrafen Friedrich und Kasimir, und dann besonders des jungen Albrecht Alcibiades humanitas, lenitas et mansuetudo, wegen welcher Tugenden er als Knabe allgemein geliebt worden sei. Er preist seine von dem gelehrten Ch. Pistorius ihm eingeflößte Frömmigkeit und versichert: Albrecht sei versöhnlich, fern von Grausamkeit und Tyrannei gewesen, habe große Fortschritte im Lernen gemacht und würde noch größere gemacht haben, wenn er nicht zwei gelehrte Lehrer durch den Tod verloren hätte. (S. Beitr. S. 149–172.)

Mehlführer, der letzte Titularabt, war 1640 während des Krieges in Ansbach gestorben. Die Abtsstelle wurde wegen Mittellosigkeit nicht mehr besetzt. Leiter der Fürstenschule sollte künftig der Rektor sein, vorerst der Konrektor, da wegen Mittellosigkeit ein Rektor noch nicht angestellt werden konnte. Eine Rektorsbesoldung wurde erst nach vier Jahren ausgemittelt. Bis dahin fungirten an der Schule nur zwei Lehrer: M. Mart. Clem. Coeler, als Konrektor, und M. J. Ad. Faber als Kollaborator [94] und Kantor. Die untersten Schüler informirte der in Heilsbronn bereits anwesende deutsche Schulmeister Ch. Clemm. 1659 war die Rektorsbesoldung (180 fl.) regulirt; der bisherige Konrektor Coeler wurde Rektor, der bisherige Kantor Faber wurde Konrektor, das Kantorat erhielt Erh. Precht aus Krailsheim. Die 48 Zöglinge, mit welchen die Schule eröffnet wurde, waren folgende: A. In der Oberklasse: 1. Schuster, Mtth. aus Ansbach. 2. Börner, Friedr. von Bayreuth; trat aus. 3. Coeler, Ph. Albi von Krailsheim. 4. Hofmann, Gg. Hein. von Hof. 5. Beer, Ph. Ch. von Krailsheim. 6. Schreiber, Wil. And. von Bayreuth; trat aus. 7. Weinrich, J. B. aus Krailsheim. 8. Schaumann, Lor. von Bayreuth. 9. Krug, Hein. von Kulmbach. 10. Barthelmes, J. Kasp. von Krailsheim. 11. Metzger, Dan. von Kulmbach. 12. Weiß, J. Wil. von Krailsheim. 13. Hornberger, Kon. Hein. von Krailsheim. 14. Kopp, J. von Kulmbach. 15. Dietrich, Lor. L. von Mainbernheim. 16. Goldner, Ant. Ad. von Hof. 17. Frieß, G. Chph. von Uffenheim; 1659 relegirt. 18. Halbmayer, J. von Mainbernheim. B. In der Mittelklasse: 19. Schweigherr, J. Ch. von Ansbach. 20. Krauß, A. Mth. von Kulmbach. 21. Krehe, Nik. F. von Uffenheim. 22. Mayer, J. Jak. von Bayreuth; trat aus. 23. Kolb, J. Fr. von Langenzenn; relegirt. 24. Engelmann, J. G. von Bayreuth. 25. Müller, Mich. von Schwabach. 26. Ellrot, J. Fried. von Wunsiedel; trat aus. 27. Wunderer, J. Ch. von Ansbach. 28. Neumann, J. G. von Hof. 29. Rabus, J. L. von Schwabach. 30. Rößler, Ad. von Wunsiedel. 31. Pfeiffer, J. G. von Ansbach. 32. Burger, G. von Hof. 33. Albinus, J. Tob. von Kulmbach; trat aus. 34. Oertel, J. Ksp. von Hohenberg. 35. Meykönig, Pet. von Feuchtwangen. 36. Brunnrath, Joh. von Wunsiedel. 37. Schwab, Mich. von Ansbach; relegirt. 38. Heidenreich, G. A. von Uffenheim. 39. Codmann, J. G. von Himmelkron. 40. Weber, J. Wolf. von Hof. C. In der Unterklasse: 41. Georgi, J. Seb. von Feuchtwangen. 42. Ernst, Euch. von Gunzenhausen; trat aus. 43. Gößwein, J. A. von Neustadt. 44. Schöner, Ph. Ch. von Ursheim. [95] 45. Eglof, J. von Geyern; relegirt. 46. Gretschmann, Dan. von Kulmbach. 47. Müller, G. von Neustadt. 48. Widmann, J. von Neustadt. Diese 48 Neulinge erhielten bei ihrem Eintritt die Weisung, genau zu befolgen, was den 100 Erstlingen bei der Schulgründung i. J. 1582 eingeschärft worden war. Jene sehr detaillirten


Verhaltungsregeln

waren in lateinischer und deutscher Sprache verabfaßt und gaben in vier Kapiteln folgende Vorschriften: Cap. I. De Pietate, von der Gottesfurcht. Vor Allem sollen die Zöglinge Gott fürchten und nach Gottes Geboten leben; den Namen Gottes nicht mißbrauchen durch Fluchen, Schwören etc.; des Morgens und Abends mit Andacht für eigene und gemeine Noth beten; Aberglauben, falsche Religion, Fabelwerk (futiles nugas de Deo et cultibus divinis) fliehen; des Sonnabends zur Vesper und an Sonn- und Feiertagen rechtzeitig zur Kirche kommen und stille sein, ordentlich je zwei und zwei ohne Getümmel ein- und ausgehen, die Predigt andächtig und ohne Plaudern hören, nachschreiben oder die vornehmsten Punkte daraus merken; vor und nach Tisch, des Morgens und des Nachts soll Einer, den die Ordnung trifft, das Gebet laut sprechen, dem die Anderen mit dem Herzen folgen sollen; den Chor in der Kirche an jedem Tage besuchen und dabei mit Singen, Lesen und Beten Gott mit rechter Andacht dienen; zum Abendmahl sich fleißig halten und sich also halten, daß sie es würdig empfangen. Cap. II. De Studiis. Sie sollen daheim ihre Lektionen fleißig lernen, pünktlich in den Auditorien erscheinen, sich ruhig verhalten, die Studien mit Gebet anfangen, die Präceptores ehren, nicht schwätzen, malen etc., Bücher, Federn etc. stets bei der Hand haben, nicht in die Bücher zwischen die Zeilen schreiben, beim Hersagen nicht in’s Buch sehen und nicht einblasen, fleißig repetiren, die Specimina selbst machen, der Zierlichkeit im Reden sich befleißigen, jeden Tag etwas komponiren und auswendig lernen, ohne Erlaubniß nicht spazieren gehen, spielen, fremde Leute, Mahlzeiten, Hochzeiten oder Tänze besuchen, bei längerem Verzug glaubwürdige [96] Scheine mitbringen, beim Abgang von der Schule von den Präceptoren ehrlichen Abschied nehmen und für empfangene Wohlthat danken. Cap. III. De Moribus. Sie sollen sich guter Sitten befleißigen, die Präceptoren als ihre Väter ehren und ihnen gehorchen, ihre Mitschüler nicht beleidigen, nicht hadern, raufen, balgen, verwunden; Streitigkeiten vor den Rektor bringen, rechtzeitig aufstehen, die Betten sauber zusammenthun, sich waschen, kämmen und die Ohren reinigen; Kleider sauber halten, gefärbte und prächtige Kleider nicht tragen, sondern schlechte, ehrliche Schultracht; die Zellen sauber halten, die Zelleninspektoren nicht schmähen, nicht in andere Zellen schleichen; nichts Unsauberes zum Fenster hinausschütten; keine Dolche noch Degen tragen, sintemal die martialischen Waffen sich übel zum Schulmantel schicken; nicht mit Karten und Würfeln spielen; die Wände nicht bemakeln; ihren Obern auf dem Wege Reverenz erzeigen; nicht zu den Weibspersonen im Kloster gehen; sich nicht in heimliche Ehegelübde einlassen; kein brennendes Licht in der Zelle haben; beim Schlafengehen gedenken, was sie am Tage geredet, gethan, gelernt und morgen zu thun haben. Das Contubernium soll zur bestimmten Zeit auf- und zugesperrt werden. Die Ein- und Ausgehenden soll der Janitor aufzeichnen. Wer diese Statute freventlich übertritt, hat Relegation zu erwarten. Cap. IV. Leges Mensae communis. Der gute Tisch soll die Alumnen reizen, sich der Gottesfurcht und Wissenschaft zu befleißigen. Aus jedem Tisch sind Einige zu wählen, die mit dem Inspektor Ordnung halten. Jeder soll an seinem Platz mit aufgerichtetem Leibe sitzen, über Tisch züchtig sein, nicht geizig fressen noch sich voll saufen, auch nicht die Knochen, wie die Hunde, mit den Zähnen zernagen; sie sollen einander nicht zutrinken, nicht einander die Speisen vom Mund reißen, Tischtücher, Tische, Kannen etc. nicht zerschneiden, während des Bibellesens bei Tisch nicht schreien und pochen, sondern dem Lektor andächtig zuhören; nichts vom Tisch wegtragen, nicht in die Küche gehen; die Aufträger sollen ohne Geräusch auf- und abtragen.“ Jeder Eintretende mußte sich durch Revers verpflichten, dieß Alles zu befolgen.

[97] Gleichwohl herrschte schon von vornherein, von 1582 bis 1631, im Allgemeinen kein guter Geist in der Fürstenschule, wie im IX. Absch. berichtet wurde. Noch weit schlimmer wurde es von 1655 an: die Jugend erwies sich im Allgemeinen nach dem Kriege noch weit zügelloser, als zuvor, trotz der neuredigirten Schulordnung. Schon in den ersten drei Jahren nach Wiedereröffnung der Schule mußten von den 48 Neuaufgenommenen die unter Nr. 17, 23, 37, 45 genannten Zöglinge wegen Unzucht relegirt werden, in den ersten fünf Jahren sieben. Sechs traten aus wegen anderer Ursachen. Die Untersuchungsakten zeigen, daß nicht nur die vier relegirten Fornikanten, sondern auch andere ihrer Mitschüler desselben Lasters schuldig waren; daß alle Zöglinge das sittenlose Treiben ihrer Mitschüler kannten, aber dazu schwiegen; daß die Malefikanten an Eidesstatt betheuerten, mit der Dirne nichts zu thun gehabt zu haben. Letztere entwich und gebahr in Neuses bei Ammerndorf, was der dortige Pfarrer Otho dem Richter Eyermann in Heilsbronn anzeigte. Auch während der folgenden Jahre kamen Relegationen wegen Unzucht und Ehebruch mehrmals vor, weßhalb die Herren Präceptores, wegen schlechter Inspektion, scharfe Rügen von den Regierungen erhielten. Weitere Verhandlungen betrafen den Schüler J. L. Würflein aus Wunsiedel, welcher Hemden, Betttücher, Mantel und Hut an eine liederliche Taglöhnersfamilie verkaufte, aber wegen seiner Jugend auf Fürbitte seines Vaters nicht relegirt wurde. Die Taglöhnersfamilie wurde an Geld gestraft und ausgewiesen. Der Kantor Goldner überreichte eine Beschwerde „über die Alumnos, welche wie die Nachtraben umschwärmten, ihm Obst und Bier raubten und sein Haus zu erbrechen trachteten.“ Hierauf befahl das Konsistorium Bayreuth: „bessere Aufsicht zu halten; die oberen Alumni, welche die Aufsicht führten, sollten diejenigen anzeigen, welche sich Nachts nicht in ihren Zellen befänden; die Übertreter sollten am Leib bestraft, relegirt und die auf sie gewendeten Kosten von den Bürgen erhoben werden.“ Der bayreuther Generalsuperintendent Kasp. von Lilien referirte 1666, im elften Jahr nach Wiedereröffnung der Schule: „Nachdem ich von beiden [98] Herren Markgrafen abgeordnet worden bin wegen höchstnöthiger Eräusser- und Verbesserung des in ziemlicher Abnahme sich befindenden Gymnasii in Heilsbronn, so referire ich: Man hat bisher vielfältig gefunden, wie in dem Gymnasio eine Zeit her gar schlechter Nutz bei der Jugend geschafft worden, so daß ohne Verzug Verbesserung anzustellen ist, damit das Studium sincerae pietatis mit allem Fleiß traktirt und das bisher fast ganz und gar negligirte Studium vitae introduzirt werde. Es ist daher gute Inspektion sowohl auf die Docentes als Discentes zu haben. Es wäre vielleicht gut, die Abtsstelle wieder mit einem wohlqualifizirten Subjekt zu besetzen, oder dem künftigen, dießmal von Bayreuth zu ernennenden Prediger diese Inspektion auszutragen. Ferner sind, wenn auch nicht halbjährliche, doch jährliche Visitationen sehr nöthig.“ Diesem Antrage entsprechend wurde zwar die Abtsstelle nicht wieder besetzt, aber der neuernannte Prediger Gottf. Händel nächst dem Rektor zum Professor und Inspektor ernannt und öftere Visitation angeordnet. Gleichwohl nahm die Zuchtlosigkeit von Jahr zu Jahr mehr überhand, wie der nunmehrige Inspektor Händel selbst berichtete in einem „gehorsamen wohlgemeinten Memorial, das Gymnasium zu Heilsbronn betr. vom 15. Februar 1671,“ sonach im 16. Jahre nach der Wiedereröffnung. Händel berichtete: „1. Ist die Bosheit der Alumnorum gleich Anfangs meiner Hieherkunft (1670) so übermächtig befunden worden, daß solche zu allen Bubereien dergestalt sich verbunden und annoch sich verbunden halten, daß in Begehung Raubens und Stehlens bei nächtlicher Weil, Aussteigens, Tumultuirens, Fluchens, Schwörens, Gotteslästerns, Vollsaufens und Spielens alles offenbar ist. Sie gestehen das Geringste nicht, beantworten mit Lachen oder leichtsinnigem Widersprechen das ihnen Vorgehaltene, verschwören durchgehends sich zusammen, führen einerlei Rede, also daß der Kleinste redet wie der Größte. Wissend, daß man den ganzen Coetum nicht leicht zugleich bestrafen kann, werden sie in ihrem Muthwillen desto mehr bestärkt und trotzig, häufen Leichtfertigkeit auf Leichtfertigkeit, zumal da von den Herren Präzeptoren keine exemplarische und sattsame [99] Strafe gegen sie beschieht, als welche Präzeptores sich entschuldigen, daß sie es nicht thun dürfen, indem man ihnen nie Schutz gehalten, die bösen Buben wider sie allezeit obgesiegt und ihnen Verweis zugekommen, daß sie diese Gesellen nicht recht traktirt hätten. 2. Die bei Wiedereinführung der Schule i. J. 1655 publizirten Schulgesetze sind bisher nicht observirt, auch kein Zwang ergriffen worden, sie zu observiren. 3. Die Lektionen werden nicht eingehalten. 4. Der Ferien sind zu viel. 5. Wird zu viel untereinander traktirt. 6. Die Musik ist völlig ins Abnehmen gerathen, daß man fast kein einziges Stück mehr recht singen kann. 7. Die Knaben kommen gar zu unwissend hieher. 11. Im Collegio will Einer da, der Andere dort hinaus, Einer so viel sein als der Andere, daher kann hier nichts recht Ordentliches sein. Es ist hier kein Respekt, kein Vertrauen, keine Eintracht. 16. Es ist mit den Alumnis so weit gekommen, daß sie, was ihre Präzeptores sie heißen, am wenigsten thun, gleich Alle davon laufen wollen, daß die Präzeptores sie noch um Gotteswillen bitten müssen, allhie zu beharren. Sie expostuliren, trotzen, pochen. Sie sind Herren, die Präzeptores müssen fast nichts sein, sonderlich, da sie wissen, daß sie, wenn die Präzeptores schriftlich wider sie geklagt, meistentheils recht, die Präzeptores unrecht gehabt haben. Wie es so weit gekommen, weiß ich nicht. Und ist eben die Summa: ein gänzlich verdorbenes Gymnasium. Wird dem durch eine Generalvisitation nicht geholfen und Alles aufs Neue in die alte Fundation und Ordnung de pietate, doctrina et cultura morum eingerichtet, so werden die aufgewendeten schweren Kosten ihren Zweck, als zur Ehre Gottes und christlichen Wesens Besten nimmermehr erreichen. Diese christlich gemeinten Erinnerungspunkte habe ich von Amts- und Gewissenswegen zu Papier gebracht, um solche bei künftiger Visitation einzuliefern oder einigen Kulmbachischen Räthen, so hieher kommen, zur Betrachtung zu übergeben. Geschrieben in Heilsbronn, den 15. Febr. 1671. Händel.“

Dem vom Prediger Händel gestellten Antrage wurde sofort entsprochen: die beiden Fürstenhäuser beschlossen eine Visitation. [100] Es erschienen bei derselben im April 1671 kulmbachischerseits der Generalsuperintendent von Lilien und der Justizrath Gabr. Luther, onolzbachischerseits die Räthe Benz und Hammerschmit. In dem dabei aufgerichteten Rezeß hieß es: „Nachdem viele Beschwerden eingelangt wegen des Schulwesens zu Heilsbronn, zumal wegen der von den Alumnis verübten Exorbitancien, haben sich die Unterfertigten dahin verglichen: 1. Die Alumni werden ermahnt, nach der Fundation und den Rezessen zu leben. 2. Zur Abwendung der Beschwerungen sind die besten Mittel Visitationen, welche also, wie sonst, alljährlich im Mai gehalten werden sollen, wenn die beiderseitigen Räthe ohnehin wegen der Rechnung hieher kommen. 3. Der Prediger und der Rektor sollen gemeinschaftlich die Inspektion haben. 4. Aufsicht auf die deutsche Schule und die Bibliothek führt allein der Prediger Händel. 6. Die Inspektion beim Essen haben Prediger, Rektor, Konrektor und Kantor wechselsweise einen Tag um den andern, auch über die Zellen, Truhen und Betten. 8. Die deutsche Schule wird einem Alumnus übertragen, welcher nicht mehr Locat, sondern Collaborator heißen und von beiden Häusern wechselsweise gewählt werden soll. 10. Prediger und Präceptoren, welche eine Zeit her mißhellig waren, sollen sich vertragen. 11. Den Alumnis sollen ihre bisherigen Exzesse, Leichtfertigkeit, Pasquillmachen, Gotteslästerung, Fluchen, nächtliches Ausstreunen, Einsteigen in die Gärten etc. ernstlich vorgehalten werden bei Androhung der Entziehung des Benefiziums, des Ersatzes der sumtuum und der Relegation ohne Hoffnung auf Anstellung. 12. Die Schulgesetze sollen alle Vierteljahre vorgelesen, halbjährlich die Censuren über jeden Schüler an die Konsistorien eingeliefert werden etc.“ Diese Anordnungen waren recht gut gemeint; allein es fehlte die Durchführung. Daher die sehr richtige Fragstellung des damaligen Verwalters Stör: „Wie, wenn das im obigen Rezeß Verordnete nicht geschieht? wer wird die Mängel bei den Konsistorien anzeigen?“ Daß der Rezeß den gewünschten Erfolg nicht hatte, ergab sich drei Jahre darauf, als dieselben Räthe (nur an Luther’s Stelle der Rath Hofmann) wieder visitirten und das alte Thun [101] und Treiben vorfanden. In ihrem Bescheid vom 6. Mai 1674 hieß es: „1. Trotz dem Rezeß von 1671 sind die Schulgesetze nicht vierteljährlich verlesen worden; noch weniger haben die Alumni denselben Folge geleistet. Es wird daher die Vorlesung neu eingeschärft. 2. Die Präceptores haben dennoch Lectiones ausgesetzt, ohne Anzeige beim Prediger und Rektor. 3. Die angeordnete halbjährliche Einsendung der Censuren ist unterblieben; wird neu eingeschärft. 4. Die 1671 gerügten Mißhelligkeiten zwischen Prediger und Präzeptoren sind glücklicherweise unterblieben. 6. Die angeordnete Inspektion beim Essen etc. ist vielfach unterblieben; wird abermals eingeschärft. 8. Die vorgeschriebene Kleiderordnung ist nicht eingehalten worden; denn die Alumni, mit den ihnen gegebenen Kleidern nicht zufrieden, haben sich nach französischer Mode mit bunten Bändern behängt, gelbe lederne Hosen und Strümpfe, weiße und gefärbte hohe Schuhe getragen, was bei Strafe der Entziehung des Benefiziums aufs Neue verboten wird. 10. Bei den Alumnis ist wenig Pietät; sie plaudern unter der Predigt, daß es der Prediger auf der Kanzel hört; unter dem Morgengebet unternimmt der Eine dieß, der Andere das; ein solcher soll mit dem Karzer bestraft werden. 13. Die Einwohner sollen den Alumnis keinen Unterschleif geben. Letztere sollen im Sommer um 9 Uhr, im Winter um 6 im Kloster sein; wo nicht, so sollen sie aufgegriffen und bestraft werden.“

Der Prediger Händel wurde nach vierjährigem Aufenthalt in Heilsbronn Generalsuperintendent in Ansbach und somit in den Stand gesetzt, das von ihm, wie vorhin berichtet, unt. 15. Febr. 1671 vorgeschlagene Heilmittel, die Visitation, recht in Anwendung zu bringen. Demungeachtet erfolgte keine Heilung; ja es wurde schlimmer als zuvor, schon dadurch, daß Onolzbach und Bayreuth bei der Visitation nicht Hand in Hand gingen. Onolzbach befahl, halbjährlich zu visitiren, was auch geschah, aber ohne Rücksichtnahme auf Bayreuth. Kaum erhielt man hier Nachricht von der ersten abgehaltenen Visitation, als das Konsistorium Bayreuth, von Lilien an der Spitze, den Verwalter in Heilsbronn aufforderte, [102] zu berichten: „wer die Visitation angeordnet, wer sie vollzogen und was dabei geschehen?“ Der Verwalter berichtete hierauf nach Bayreuth: „Die Visitation wurde von Onolzbach angeordnet, vom 23. bis 28. Juni 1683 vom Generalsuperintendenten Händel, Konsistorialrath Bentz und Sekretär Kohl abgehalten; dieselben examinirten aber nur die onolzbachischen Fürstenschüler. Auch wurde ein Gottesdienst gehalten. Die Visitatoren logirten im Verwaltershaus und erhielten von den Alumnis eine Nachtmusik. Die Zehrungskosten wird Onolzbach allein zu tragen haben. Die Visitationen sind höchst nöthig, und zwar gemeinschaftlich, damit die täglich accrescirenden Schülerexzesse und bösen Unordnungen abgestellt werden. Die Visitation schloß aber fast mit einem Unglück, indem bei der Rückfahrt eine Achse brach, der Sekretär Kohl eine Zeit lang bewußtlos lag und Herr Bentz auf Herrn Generalsuperintendenten zu liegen kam.“ Auch in den folgenden Jahren visitirte Händel nur die onolzbachischen Schüler, wodurch immer aufs Neue Öl ins Feuer gegossen wurde. Die Ueberhandnahme der Zuchtlosigkeit hatte auch darin ihren Grund, daß oberländische Wüstlinge, deren Bestrafung Onolzbach beantragte, in Bayreuth Schutz fanden. Einer dieser Wüstlinge, J. K. Pertsch aus Münchberg, von Onolzbach aus zur Relegation verurtheilt, floh zu seinem Bruder nach Wunsiedel und brachte es durch Protektion seines Vetters, des Generalsuperintendenten von Lilien zu Bayreuth, dahin, daß die Relegation vorerst unterblieb; aber im Jahr darauf wurde sie, wegen gehäufter Exzesse, dennoch vollzogen. Der Verwalter Jung berichtete darüber im Jan. 1677: „Je und je kommen unter den hiesigen Alumnis böse Gesellen und grobe Exzesse vor, und will dem Ansehen nach noch weiter einreißen. Denn im vorigen Jahr sind Schradin und Rosch relegirt worden, wobei auch Pertsch schon betheiligt und der Relegation nahe war, aber pardonnirt wurde um vornehmer Freunde Fürbitte willen. Er wurde dadurch nicht besser und setzte seine Debauchen fort. Allein man glaubt in Bayreuth dem Pertsch mehr als mir, dem Prediger und den Professoren. Man ist dort uns Unterländern insgemein gehässig.“ 1678 wurde der Alumnus [103] Sal. Rummel, Pfarrerssohn aus Ipsheim, relegirt wegen Schwängerung und entfloh mit der Dirne. 1679 wurde Geld- und Thurmstrafe über den Wirth Oswald verhängt, weil er, wider Verbot, den Schülern Wein und Bier gereicht. 1681 wurde G. H. Graff aus Baiersdorf relegirt wegen grober Mißhandlung eines Mitschülers. In der Rechnung von 1672 bei dem Titel „Bierausgaben“ lautet der Vortrag: „Am 20. Oktober Nachts sind die Alumni in den Keller gebrochen, haben nicht allein ein volles Faß, 1 Eimer und 32 Maas haltend, hinaus und auf das Gymnasium praktizirt, sondern auch noch 40 Maas aus einem andern Faß genommen sammt 12 Maas Branntwein; hernach aber, weil es lautbar worden, in der Nacht das Faß voll wiederum durch die Kirche in den Kreuzgang geliefert, die 40 Maas Bier aber sammt dem Branntwein verzehrt, daher hier in Ausgab gebracht.“ In den Rechnungen von 1674 und 76 heißt es: „In Anwesenheit fürstlicher Herrschaften sind von den Alumnis aus dem Schulkeller durch gewaltsamlich Einbrechen 24 Maas entwendet worden. Der Thorwart Link ist um 5 fl. gestraft worden, weil er, wider oftmaligen Verbot, die Schüler, in specie den Schradin, zu seiner Stieftochter einschliesen lassen.“ In den Jahren 1679 und 80 fand sich Niemand mehr für den Nachtwächterdienst, so nöthig er auch war, wegen der Alumnorum nächtlichen Muthwillens.

Nach diesem Einblick in das wüste Schülerleben fragen wir billig: War unter den Professoren keiner geeignet, die Schule zu beleben, zu heben und dem zügellosen Treiben der Jugend Einhalt zu thun? Die betrübende Antwort lautet: Keiner der bisher, auch keiner der späterhin bis an das Ende des Jahrhunderts fungirenden Professoren. Sie waren zwar meist gelehrte und wohlgesinnte Männer, aber insgesammt ohne pädagogischen Takt, einige selbst nicht wohlgezogen. Man suchte dadurch zu helfen, daß man den Prediger ihnen an die Seite oder über sie setzte; allein dadurch wurde es nicht besser. Sie waren insgesammt heilsbronnische Stipendiaten, welche von der Universität, wo sie gewöhnlich auch magistrirten, heimberufen, sofort an der [104] Fürstenschule als Professoren angestellt wurden, unerfahren in’s Amt traten und nicht geeigenschaftet waren, die wieder eröffnete Schule zu beleben und zu leiten. Dieß galt schon von den bereits genannten drei Professoren Coeler, Faber und Precht, mit welchen die Schule eröffnet wurde. M. Martin Clemens Coeler, Dekanssohn aus Krailsheim, konnte seine Gymnasialbildung nicht in Heilsbronn erhalten, da während seiner Jünglingsjahre die Fürstenschule geschlossen war. Er besuchte daher die Lateinschule zu Ansbach, bezog aber daselbst ein heilsbronner Trivial–(Gymnasial–)Stipendium. Von 1632 bis 42 konnte, wegen gänzlicher Verarmung, gar kein Stipendium gezahlt werden. 1642 wurden, laut beiderseitigem Regierungsbeschluß, wieder 6 Trivial- und 2 Universitätsstipendien ermittelt. Eines der letzteren erhielt Coeler, als er, 20 Jahre alt, die Universität Wittenberg bezog. Nachdem er dort studirt und magistrirt hatte, wurde er, 26 Jahre alt, 1655 heimberufen zur Übernahme des Rektorats an der Fürstenschule. Vorläufig fungirte er aber unter dem Titel Konrektor bis zur Ermittelung einer Rektoratsbesoldung. Erst nach vier Jahren konnte er als Rektor eintreten. Nach zwanzigjähriger Führung des Rektorats erhielt er die Predigerstelle zu Heilsbronn und starb 1691. Siehe seinen Grabstein bei Nr. 91. M. Joh. Ad. Faber, aus Münchberg, erhielt als Lateinschüler in Hof das heilsbronner Trivialstipendium (30 fl.) und das akademische (50 fl.) in Wittenberg, wo er, wie Coeler, magistrirte und gleichzeitig abberufen wurde, um die zweite Professur in Heilsbronn zu übernehmen. Allein er zog schon nach vier Jahren weg, nachdem er dort nicht mit Allen friedlich gelebt hatte, insonderheit nicht mit dem Prediger Schöderlein, welcher beim Eintrag seines Namens im Kommunikantenregister beischrieb: „meus adversarius.M. Erhard Brecht, der dritte Professor und Kantor, nach Faber’s Austritt zweiter Professor oder Konrektor, gleichfalls ein heilsbronnischer Stipendiat, erst Pfarrer in Tiernspach, bis er nach Heilsbronn kam, seine Übersiedelung dahin bitter bereuend, laut folgender Äußerung: „Hätte mit auf meiner Pfarrei der Amtsschreiber nicht so gar wehe gethan, so hätte ich [105] nimmermehr eine Mutation im Sinne gehabt. Mir, wie meinen Kollegen, wird Gemüse, Hirse, Heidel, Habermehl, Bier etc. nicht richtig geliefert, bitte daher um Vergütung für den Fall, daß ich nach Gottes und der beiderseitigen durchlauchtigsten Fürsten gnädigem Willen wider Verhoffen noch länger an diesem mühseligen Kantorat hangen bleiben soll.“ Sein Pensum war allerdings mühselig, da er neben seiner Funktion als Gymnasiallehrer und Kantor auch die deutsche Schule und die Meßnerei zu besorgen hatte. Seine Lage verbesserte sich, da er vorrückte und Konrektor wurde. Als solcher starb er 1675 nach zwanzigjähriger Amtsführung in Heilsbronn. Nach ihm wurde J. Stübner Konrektor, über den nachher Mehreres berichtet werden wird. Kantor oder Tertius wurde M. Ant. Ad. Goldner aus Hof, von 1655 bis 59 Fürstenschüler in Heilsbronn, dann Student und Magister in Tübingen, dann gleichfalls heimberufen nach Heilsbronn, wo er 12 Jahre lang fungirte, bis er die Pfarrstelle in Goldkronach erhielt. Er sehnte sich weg von Heilsbronn und der rohen Fürstenschuljugend laut seiner oben angeführten „Beschwerde über die Alumnos, welche wie Nachtraben umschwärmten, ihm Obst und Bier stahlen und sein Haus zu erbrechen trachteten.“ Nach ihm wurde J. Lor. Beyer Konrektor, wie die bisher Genannten ein heilsbronner Stipendiat, von der Universität heimberufen und an der Schule angestellt, aber bald darauf abgesetzt wegen grober Exzesse: Trunksucht, Raufhändel, Mißhandlung seiner Schwiegermutter und seiner Frau, welche auf Scheidung drang. Nach seiner Kassation wurde er aus Heilsbronn verwiesen. Nach Coeler’s Beförderung zur Predigerstelle erhielt Krebs das Rektorat, nach Brecht’s Tod Stübner das Konrektorat, beide ebenfalls von der Universität heimberufene heilsbronner Stipendiaten, kenntnißreich, aber ebensowenig wie ihre Vorgänger qualifizirt, der Schule einen besseren Geist einzuhauchen. M. J. Friedr. Krebs, 1651 in Bayreuth geboren, studirte und magistrirte in Jena, wurde 24 Jahre alt heimgerufen zur Übernahme des Rektorats, 17 Jahre darauf Prediger in Heilsbronn, wo er 1721 starb. Siehe seinen Grabstein. M. Joh. Stübner, geboren 1649, war, wie [106] er selbst berichtet, der Enkel eines Protestanten in Leobschütz in Schlesien, welcher 1622, wie viele Andere, um des Glaubens willen von dort vertrieben, in den beiden Fürstenthümern ein Asyl fand. David Stübner, Joh. Stübner’s Vater, war während des 30jährigen Krieges Pfarrer in Urfersheim und Schwebheim. Unser Joh. Stübner trat laut Regierungsentschließung d. d. Bayreuth 1663 als Zögling in Heilsbronn ein, studirte in Tübingen, wo er das heilsbronnische Stipendium vier Jahre lang bezog und magistrirte, worauf man ihn, 26 Jahre alt, 1675 heimberief und an der Fürstenschule als Konrektor anstellte. 1692 wurde er nach Krebsens Beförderung Rektor, 1700 abgesetzt, dann Pfarrer in Goldkronach, wo er starb.

Am 5. April 1682, da Krebs noch Rektor, Stübner noch Konrektor war, wurde die Sekularfeier zur Erinnerung an die Eröffnung der Fürstenschule vor hundert Jahren begangen. Dem Einladungsprogramm zufolge wurde es dabei gehalten, wie folgt: Predigt; 6 Alumnen hielten Reden, und zwar Sylvester Schmidt (nachmals Rektor) lateinisch in Versen über den Einfluß der Klöster auf die Wissenschaften; J. Phil. Coeler lateinisch in Prosa über Georg Friedrich; J. Achat. Coeler französisch über den Markgrafen Christian; J. Lor. Samstag griechisch über Joachim Ernst; G. F. Hamberger italienisch über Albrecht, den Restaurator der Fürstenschule i. J. 1655; J. Kraus deutsch über Johann Friedrich; K. F. Beck hebräisch, ein Dankgebet. Zwei von diesen Alumnen perorirten französisch und italienisch; denn seit vier Jahren wurde auch in diesen Sprachen Unterricht ertheilt. Da aber die Theilnahme daran nicht obligatorisch war, so benützten nur Wenige die dargebotene Gelegenheit. Der erste Sprachmeister hieß Mich. Stephani, welcher freie Wohnung, Verköstigung wie ein Alumnus, täglich eine Maas Bier, jährlich 25 Pfund Lichter etc. erhielt, aber keine Baarbesoldung. Er war unverheirathet, ging durch, kam aber nach vier Jahren wieder, blieb noch eine Zeitlang, worauf der Markgraf Georg Friedrich unterm 5. Nov. 1696 dekretirte: „die vakante Sprachmeisterstelle dem refugirten Franzosen de Vallone zu übertragen und zu [107] seinem löblichen Vorhaben in Ergreifung der alleinseligmachenden evangelisch-lutherischen Religion behilflich zu sein.“ De Vallone machte sich schon nach zwei Jahren davon. Seine Stelle erhielt Louis Paques, gleichfalls ein in Folge der Aufhebung des Edikts von Nantes aus Frankreich vertriebener Protestant. Schon nach einem Jahre machte er sich heimlich davon. Er und sein Vorgänger verstanden nicht deutsch; die wenigen Alumnen, welche französisch trieben, lernten nichts. Der folgende Sprachmeister d’Orcinval, verheirathet, verließ Heilsbronn nach vier Jahren und zog nach Berlin. Sein Nachfolger Ravanel, ein vertriebener verheiratheter Edelmann aus Languedoc, war erst Sprachmeister in Schwabach, dann in Heilsbronn, wo er auf vieles Bitten eine kleine Addition zu seiner kärglichen Besoldung erhielt, 1719 starb, eine Wittwe mit acht unversorgten Kindern hinterlassend. Sein Nachfolger war J. St. Dümas.

Unter den Sprechern bei der gedachten Sekularfeier war auch Stübner, damals noch Konrektor. Schon als Fürstenschüler fertigte er „eine deutsche Ovation in Versen auf den Geburtstag des Herrn Markgrafen von Bayreuth“. Verse anderer Art brachten ihn nebst Anderen seiner Mitschüler in Untersuchungshaft auf dem weißen Thurm. Es handelte sich um die Ermittelung der Verfertiger eines Pasquills. Bei der Sekularfeier rezitirte er ein Gedicht; darin hieß es u. A. nach einer Aufforderung an Himmel und Erde, Gott zu preisen:

„Denn heute dieser Tag ist hundertmal vergangen,
Seit der hochselige Markgraf Görg Friederich,
Dem ganzen Land zu Gut, nach allem Wunsch-Verlangen,
Die liebe Fürstenschul zum Denkmal stiftet sich.“

Nach einer überschwänglichen Lobrede auf die Fürsten und die Fürstenschule heißt es weiter:

„Geh ferner auf den Saal, betrachte jene Zellen!
Schau, wie so mancher Kopf guckt durch die Thür herfür!
Das sind die Pallas-Söhn, die hier an meinen Quellen
Stets werden kunstgetränkt, dem Vaterland zur Zier.
Hieher, wer Gottesfurcht und Künste will erlernen!

[108]

Hieher, wer Weisheit ehrt und fremde Sprachen liebt!
Hieher nur, wer sich will vom Pöbelstaub entfernen!
Hieher, wer seine Zeit dem Tugendruhm ergibt!
Daß wir jetzo nicht mehr sitzen an der falschen Lehre Pfützen,
Sondern durch des Geistes Saft, Gott recht glauben, selig lehren,
Christlich leben, nützlich hören: das ist, Höchster, deine Kraft.
Liebe Schul, leb mit den Deinen ohne Unglück, ohne Weinen.
Pflanze fort die reine Lehr. Heg die Künste, lehr die Sprachen,
Daß man überall mög sagen: Heilsbronn fördert Gottes Ehr.
Himmel, dieses Wünschen höre! Meine Bitte mir gewähre:
Oeffne deine Gnadenhänd! Gottes Güte dich bewahre
Noch viel Hundert solche Jahre! Heilsbronn blühe sonder End!“

Stübner veröffentlichte dieses Gedicht nebst einer historischen Beigabe unter folgendem Titel: „Das altberühmt Kloster Heilsbroun sammt dessen edelsten Kleinod und besten Landesschatz, der löblichen Fürstenschul, auf hochgebietenden Befehl mit poetischer Feder entworfen bei desselbigen Schuljubiläo, auch 1682 den 5. April bei dessen solenner Feier im Kapitolio öffentlich vorgestellt, anjetzo aber mit einem historischen Anhang, des Klosters und der Fürstenschule Ursprung, Aufnahme, Zustand und Bediente betreffend, vermehrt und erklärt, auch der werthen Posterität zu Lieb aus heiliger Gemüthsneigung gegen das liebe Kloster zum Druck ausgefertigt von M. Joh. Stübner, Konrektor, 1690.“ Zugleich gibt der Verfasser eine Selbstbiographie, worin er u. A. sagt: „Liebes Kloster! So verdanke ich dir, daß kein verwerflicher Erdenklump aus mir geworden ist. Bis daher noch mit Kräften ausgerüstet, das Werk des Herrn bei der lieben Landesjugend freudig zu treiben an diesem heilsamen Musenbronnen, wo Gott mir die reine Kunst- und Tugendquelle eingeflößt hat, kann ich dir seit 15 Jahren die erwiesene Treue an deinen lieben Schoßkindern erwidern. Du, allwissender Gott, hast zu meinem Pflanzen und Begießen dein Gedeihen gegeben, daß mit Hilfe meiner lieben Kollegen diese Schul mit solchen Subjektis ist angebaut worden, die dereinst mit Nutzen dem Vaterland dienen werden. Du hast mich wider des Satans Tücke, wider manches [109] Verleumders Haß und Neid beschützt, daß ich den Neid verlachen kann. Erhalte mich durch deinen heiligen Geist, daß ich das Amt meines Heilands führe mit sanftmüthigem Geist, die zarten Herzen zu bessern, allem ärgerlichen Wesen herzhaft zu widerstehen und mit einer solchen Lebensart der lieben Jugend vorzuleuchten, damit ich mit all meinen Discipulis vor dem Thron des Lammes mit Freuden stehen könne. Du aber, liebes Kloster, nimm hin dieses mein Dankmal. Gebe der Höchste, daß, sofern nicht inzwischen der Garaus mit der ganzen Welt erfolgt, über hundert Jahre du dein zweites Jubiläum mit weit größerer Freude feiern könnest. Meine Seele, ja meine Gebeine, die derweilen längst vermodert sind, sollen sich inniglich darüber freuen, bis uns der jüngste Tag wird vor Gott versammeln. Was für Ehre wird es dann sein, wenn so viel gottesfürchtige Theologi, so viel christliche Juristen und andere in der Welt nützlich gewesene gelehrte Leute auftreten und rühmen werden, was unsere Fürsten an unsere liebe Fürstenschul gewendet. Indessen widme ich mich Euch, Ihr hochfürstlichen Seelen, Ihr Räthe, Präzeptoren, Kollegä, Studirende und dem ganzen lieben Kloster zum unverweltlichen Andenken und versichere, daß, solang ich Athem habe, ich mich befleißigen werde, zu verbleiben der treue Soterocrener.“ Über die Anfechtungen, welche Stübner (der „Soterocrener“, d. h. Heilsbronner) hier kurz andeutet, Mehreres hernach. Er hatte derselben viele schon als Konrektor, mehrere noch als Rektor; die letzte war seine Kassation. Was er im Vorstehenden über sich und über die Fürstenschule Rühmliches schrieb, steht vielfach nicht im Einklang mit dem, was im Folgenden über ihn und seine Schule aus den Alten mitgetheilt werden wird. Die Schulverhältnisse wurden während seiner langen Amtsführung und großentheils durch sein Verschulden höchst traurig.

In dem „historischen Anhang“, welchen Stübner seinem Buche beigefügt hat, berichtete er über Heilsbronns Ur- und Klostergeschichte, aber meist Unwahres, da er, unbekannt mit den Urkunden, nur nach Hörensagen berichtete und Anderen Irriges nachschrieb. Hier eine Probe seiner leichtfertigen Berichterstattung: [110] „Diese Gegend war um das 10. Jahrhundert meist mit Wald und nur mit wenig Bauernhütten angebaut, so um den dazumal sogenannten Hagelsbronnen standen. Nachdem aber die Grafen von Abenberg, durch die anmuthigen Waldungen und Wiesen angereizt, sich mehrmalen mit Lustjagden daherum ergötzten, haben sie ein Landgut oder Jagdhaus dahin gelegt, um des Ortes Anmuthigkeit und frischer Brunnenquellen willen, aber Hagel in Heil und den hartklingenden Hagelsbronnen in den lieblich lautenden Heilsbronnen verwandelt. Andere wollen, daß solcher Name erst dann dem Kloster zugewachsen sei, nachdem die Mönche diesem Bronnen eine gewisse Heilungskraft beigelegt. Weil aber der Stifter diesen Ort schon ausdrücklich Heilsbronn nennt, also kann der letzteren Meinung nicht wohl Beifall gegeben werden. Die Anmuthigkeit dieser Gegend war so groß, daß Otto, Graf Berthold von Andech’s Sohn, solches Landgut gekauft und zu einem Mönchssitz gewidmet hat. Zum ersten Abt wurde Grafen Konrad’s von Abenberg Bruder Rapotho erwählt. Die Kaiser haben dieses Kloster an die Burggrafen und deren Nachkommen überlassen. Die Herren Burggrafen haben dessen herrliche Kirche zu ihrem Erbbegräbniß gewidmet, auch die Herren Markgrafen, darunter zwei Kurfürsten, Friedrich I. und Albrecht Achilles, so daß es mit allem Recht an das Haus Brandenburg gekommen ist, zumal es vorhin in dero Territorio gelegen gewesen. Der Glaubensheld Georg der Fromme wollte, nachdem durch Luther die Sonne ausgezogen, dessen Lehre allgemein in seinen Landen eingeführt wissen, und auch unser Abt Schopper hat die päpstlichen Irrthümer erkannt und mit Hilfe Georgs, dem er sich unterworfen, eine gute Schule hier angeordnet, welche 1582 am 5. April als ein Gymnasium illustre eingeführt worden ist. Was für fruchtbare Bäume an diesem Brunnen gewachsen, will zu Vermeidung eitlen Ruhmes vorbeigehen.“ Dann folgen die Namen der Äbte (der 33. Abt Schörner wird „Pfarrer zu Mönchberg“ genannt), Prediger, Rektoren und Professoren, die Statuten für die Fürstenschüler und das tägliche Gebet im Kirchenchor. Der Legenden von der heiligen Stilla und von einem Ritter, welcher in der [111] Urzeit Heilung an der Heilquelle fand, gedenkt Stübner selbstverständlich nicht, da diese Dichtungen zu seiner Zeit in Heilsbronn noch nicht bekannt waren und erst im 18. Jahrhundert vom Nonnenkloster Marienburg aus dort importirt wurden.

Durch die Sekularfeier am 5. April 1682 wurde nichts besser. Der Richter Appold berichtete im Sekularjahr an die Regierung: „Es ist bekannt, daß eine Zeither das Laster des Diebstahls unter den Schülern sehr gemein geworden. Deßhalb kam H. P. Wolf, Bürgermeisterssohn aus Bayreuth, der stetig Geld zum Spielen, Trinken und Kleidern gehabt, ins Schülergefängniß, durchbrach aber die Mauer mit einem Instrument und entlief. Nächtlicher Skandal zwischen des Verwalters Schreiber und dem Alumnus Gunkel. Der Alumnus von Eib, Sohn des Alb. Lud. von Eib, Oberamtmannes von Wassertrüdingen, entritt dem Bäcker Käser ein Pferd. Die Metzgerin ist mit dem unterländischen Alumnus Meyer in Verdacht der Fornikation und beide in die Inquisition in das Fraischamt Windsbach kommen.“ Es folgten Untersuchungen und Strafen, aber keine Früchte der Besserung. Es blieb bei Regierungsbescheiden und fruchtlosen Weisungen. 1690 beschwerten sich 14 Alumnen bei der Regierung über den Koch Lieb und den Küchenmeister Weber „wegen schändlicher Kost“, worauf die Regierung einen Koch nach Heilsbronn sandte, welcher vier Wochen lang in Gegenwart von zwei Alumnen kochen mußte. Jedesmal wurde darüber ein Protokoll aufgenommen, von den ältesten Alumnen unterzeichnet und allwöchentlich über den Befund nach Onolzbach berichtet. Koch und Küchenmeister wurden removirt.

Die Zustände in der Schule waren beklagenswerth schon während der ersten zwanzig Jahre nach ihrer Wiedereröffnung; aber noch weit beklagenswerther waren sie während der darauffolgenden 25 Jahre, besonders zur Zeit des Rektors Stübner und durch ihn. Noch als Konrektor kaufte er einen freien Platz nicht weit von der Mühle, baute darauf sein Wohnhaus, jetzt Hs. Nr. 22, und bezog von demselben durch Aufnahme von Gymnasiasten eine gute Rente. Neben diesem Gewinn brachte [112] ihm das Haus auch unsäglichen Verdruß. Er hatte es kaum ein Jahr lang bewohnt, als er sich beim Konsistorium beschwerte „wegen roher Beschimpfung und wegen Beschmierung seines Hauses mit Koth durch die Gymnasiasten Volz, Keppel und Ch. Ernst von Machwitz.“ 1690 züchtigte er (damals noch Konrektor) einen demnächst absolvirenden oberländischen Alumnus, J. A. Köhler, mit dem Stock. Die verwittwete Mutter klagte beim Konsistorium in Bayreuth, „damit ihr Sohn nicht als Krüppel aus dem Kloster komme.“ Darauf reskribirte das Konsistorium an Prediger, Rektor und Verwalter: „Derjenige, den diese Klage angeht, möge seinen Exzeß erkennen und sich dergleichen nicht mehr zu Schulden kommen lassen, damit er sich nicht ein empfindliches Ressentiment über den Hals ziehe. Es langt uns glaublich an, daß ihr, die Präzeptores, die Stipendiaten nicht modice diszipliniren lasset. Also werdet ihr angewiesen, die Jugend mit Vernunft zu regieren und dabei keine Passion zu adhibiren. Dem Köhler habt ihr ein Thema zu geben, daß er dasselbe elaborire, publice deklamire und zugleich dem Gymnasio vale sage. Er soll von Perzipirung des beneficii nicht ausgeschlossen werden.“ So verfügte das Konsistorium, ohne den Konrektor Stübner erst gehört zu haben. Dieser wußte wohl, daß bei dem Handel sein Todfeind, der Verwalter Bachmann, die Hand im Spiele hatte; er schrieb daher an diesen: „Nicht aus passionirtem Gemüthe habe ich den Köhler gezüchtigt, sondern, wie auch Andere, wegen grober nächtlicher Exzesse, Vollsaufens und Widerspännstigkeit. So habe ich immer, wenn ich an meinen Inspektionstagen die Thäter über der That angetroffen, gestraft, werde auch nicht müde werden, Stab und Ruthe zu appliziren. Meine Verleumder werde ich injuriarum belangen und beim Konsistorium darauf dringen, meine Verleumder kund zu geben. Ich verlange, daß diese meine Erklärung den Akten über die Dimission des Köhler beigelegt werde.“ Der Delinquent bezog bald darauf die Universität.

Stübner wurde 1692 Rektor und fungirte als solcher acht Jahre lang, – wohl die trübste Periode in der Fürstenschulgeschichte. [113] Die beiden Fürstenhäuser fortwährend widereinander; die Gymnasiasten ausschweifender als je; das Verhältniß zwischen dem Rektor und dem Verwalter höchst gemein, Jeder suchte dem Andern die Grube zu graben, bis sie schließlich Beide in dieselbe stürzten und Beide kassirt wurden. Der Eine nahm Gymnasiasten, oft gerade die verworfensten, in Schutz, um dem Andern zu schaden, während Dieser die Ortseinwohner gegen Jenen aufwiegelte. Im Anfang des Jahres, in welchem Stübner Rektor wurde, dekretirte die Regierung zu Onolzbach: „J. J. Hauck, Pfarrerssohn von Petersaurach, ist, wegen Schwängerung, zu relegiren und des Landes zu verweisen; der Vater hat die auf seinen Sohn verwendeten Kosten zu restituiren.“ In zwei Regierungserlassen desselben Jahres heißt es: „Nachdem vorgekommen, daß die Schüler fast täglich sich häufig im Wirthshause einfinden, lang in die Nacht hinein trinken und schwärmen und die Reisenden inkommodiren, so wird dem Verwalter Bachmann befohlen, dem Wirth bei Strafe zu gebieten, daß er die Schüler Nachts, außer den Posttagen, gar nicht im Wirthshaus leiden, an den Posttagen aber dieselben, sobald sie ihre Verrichtungen bei der Post abgelegt, fortschaffen soll. Auch haben die Präzeptores das nächtliche Ausstreunen nicht zu verstatten. Nachdem der Regierung vorgekommen, daß sich die Scholaren dergestalt undisziplinirt erweisen, daß sie sich im Kloster mit Degen sehen lassen, spazieren reiten, sich die Post in das Kloster herein blasen lassen und andere Ungebühr vollführen, so sollen Prediger, Verwalter, Rektor und Präzeptores einschreiten, strafen, berichten, bessere Disziplin halten, zur Gottesfurcht anweisen und nicht den Zaum zu aller Bosheit lassen.“ Im Herbst desselben Jahres berichtet der Verwalter Bachmann nach Onolzbach: „Der Alumnus G. S. Kestner, Pfarrerssohn von Vach, und A. Held, Kastnerssohn aus Kunreuth, Kostgänger beim Rektor, haben den Kirchner Dill mit Schlägen traktirt, weßhalb dieser beim Amt klagte. Ich verlangte vom Rektor Auslieferung der Thäter, aber vergebens. Da ließ ich das Klosterthor und das Viehhofthürlein schließen und besetzen, auch den Eingang vom Gymnasium besetzen und [114] ging mit dem Amtsknecht und einigen bewaffneten Bürgern auf das Gymnasium, von da in die Kirche, wo der Rektor sich mit seinen Kollegen über die Sache besprach. Der Prediger Krebs entschied, den Kestner, welcher keine Rücksicht verdiene, auszuliefern. Inzwischen ließ sich Kestner an einer Stange aus einem Fenster des Gymnasiums herab und echappirte über die Klostermauer. Als es inzwischen zwei Uhr schlug, gingen etliche Alumnen an uns vorbei in den Chor, wo sie täglich ein Lied singen, ein Kapitel aus der Bibel und ein Gebet lesen. Nachher ging aber Keiner auf’s Gymnasium zurück, sondern Alle mit Degen, Stangen, Prügeln und Besen vor des Kirchners Haus, ihn und sein Weib schmähend und ihm ankündigend, daß ihm kein Fenster ganz bleiben sollte. Sie erklärten, das Gymnasium nicht mehr betreten zu wollen, worauf der Prediger ihnen erklärte: „man werde sie nicht eher zum Essen zulassen, bis sie parirten,“ worauf sie zu pariren versprachen. So steht es mit der Schuldisziplin, fürstlichen Dekrets vom 12. August ungeachtet, nach wie vor ganz zerrüttet. Die Bürger finden beim Rektor keinen Schutz gegen die Schüler. Es ist nicht zu beschreiben, was für Laster vornämlich von des Rektors Hausburschen vorgehen; denn man s. v. huret, bubet, rauft und schlägt, spielt, doppelt, frißt, sauft, flucht und schwört, raubt, stielt, schreit, tobt und manchmal ein so wüstes Wesen vollführt, als wenn alle Furien aus der Hölle allda zusammen gekommen wären. In den Gärten und Feldern ist nichts sicher; nur in des Rektors Garten wird nichts verderbt und entwendet. Wenn dann die Bürger beim Amt Hilfe suchen, wird ihnen von den Verbrechern Nachts mit mörderischen Prügeln aufgepaßt. Das haben wir Ew. Gnaden berichten wollen, da das sonst weitberühmte Gymnasium ganz deteriorirt wird. Bitten daher, daß Alles auf den Grund untersucht und Abstellung verordnet werde. 1. Sept. 1692, Verwalter und Gegenschreiber.“ An demselben Tage reichte der Rektor Stübner einen Bericht in Onolzbach ein, worin er den Handel zu seinen Gunsten und recht gravirend für den Verwalter darstellte, und zwar in folgender Weise: „Der Verwalter zog mit vier Musketiren und dem [115] Amtsknecht auf’s Gymnasium, den Kestner zu arretiren und rief: Wie euer Hirte, so ist auch die Herde! Darauf schlug er den Alumnus Schenk mit seinem Stock über den Kopf, daß diesem das Blut herablief. Dann kam er zu mir und meinen Kollegen in die Kirche, hieß mich einen Mameluken, beschuldigte mich, als hänge ich den bösen Buben an, mein Haus sei werth, daß man es schleife. Sein Gegenschreiber stimmte ihm bei. Darauf ging er wieder auf’s Gymnasium, fand aber dort den Kestner nicht. Satan opponirt meinem Amt, aber ich will ihm auf den Kopf treten. Gott wird meinen und der lieben Schule Feinden den Zügel nicht weiter lassen. Laut der Schulfundation dürfen zwar die Beamten die auf der Gasse Delinquirenden verhaften, müssen aber dieselben an uns abliefern, worauf wir dann an’s Konsistorium zu berichten haben. Ich verlasse mich auf Gott und die Entscheidung des fürstlichen Rathskollegiums. Bitte um Verhaltungsbefehl, den Verwalter zur Verantwortung zu ziehen und die Sache des Kestner zu untersuchen. Stübner.“ Dieser Bericht wurde von den Räthen dem Verwalter zur Äußerung zugeschlossen, worauf sich dieser dahin äußerte: „Die meisten Exzesse kommen aus dem Rektorshause, in welchem in die 28 Scholaren wohnen und ihm 600 fl. eintragen. Dort herrschen alle Laster, so daß nur noch das Morden fehlt. Vor einem Jahr vergrub die Magd des Rektors, von einem seiner Kostgänger geschwängert, das Kind, so sie geboren, unter die Späne, welches aber von dem Hahn hervorgekratzt und von mir nach Onolzbach geschickt wurde, wohin die Magd sich verdingt hat. Der Kostgänger machte sich aus dem Staub, wurde relegirt und des Landes verwiesen. Der Rektor hat die That selbst bestätigt und bemerkt, daß die Mißhandlung von der hohen Obrigkeit genugsam bestraft worden sei. Der Rektor ist in Lastern erstickt, schlägt die Schüler blutig, hilft den Schlechten über, z. B. dem Kestner, Schenk und Schlammersdorf und seinen eigenen Söhnen. Sein Wesen ist Hochmuth, Lüge, Falschheit, Schein von Pietät, Bosheit, unersättlicher Geiz. Er wickelt seine Praktiken ein in lauter Contestationen von Gottes Beistand; er contracarirt dem Prediger Krebs in Allem.“ [116] Auf diese beiderseits galligen Ergießungen resolvirte die Regierung: „Kestner ist zu relegiren vor dem ganzen Coetus und in eurer Aller Beisein unter Vermahnung der Alumnen. Der Prediger Krebs, Rektor Stübner, Konrektor Schülein und der Verwalter Bachmann werden zu einem besseren Comportement ermahnt. Die bisher so vielfältigen Exzesse der Schüler sind abzustellen, die Verbrecher ohne Connivenz zu strafen und Anzeige zu erstatten.“ Gleich in den ersten Tagen nach dieser Resolution wurden in drei Nächten dem Meßner die Fenster eingeworfen. Der Meßner klagt beim Verwalteramt und bezeichnet als Anstifter des Rektors mittleren Sohn, welcher bei allen schlimmen Händeln der Anführer sei. „Auch dem Bader seien dieser Tage vom Schlammersdorf die Fenster eingeworfen worden; die Thäter seien Alle in des Rektors Haus gelaufen. Auch erbrachen die Bursche die Thür, so bei der alten Orgel in die Kirche führt, erbrachen das Gehäus der Uhr, ließen diese laufen und verdarben sie. Dazwischen verfolgten Grafenreuth, Schenk und Lettenmeier die Handwerksburschen, welche die Hüte nicht abzogen, mit Degen und hundsfotteten sie.“ Fortsetzung der Exzesse im zweiten Amtsjahre des Rektors Stübner; daher unt. 6. Sept. 1693 folgender Konsistorialerlaß: „Nachdem man mit besonderem Mißfallen vernehmen müssen, wasgestalten zwei von hiesigen onolzbachischen Alumnis: J. B. Spieß und J. C. Schumm und die zwei oberländischen Reizenstein und Dietrich, nächtlicherweil aus dem Contubernium heimlich gestiegen, ins Wirthshaus gegangen, allda sich betrunken, der Wirthin böse Reden gegeben und sonst noch mehr höchststrafbare Exzesse begangen, überdieß auch von einigen Scholaren ein leichtfertiges Pasquill gemacht worden ist, wovon, wie verlautet, der Rektor und Konrektor Nachricht erlangt und unverantwortlich dazu geschwiegen, insonderheit aber die in des Rektors neuem Haus befindlichen Domestici die meiste Bosheit verüben und Andere verführen sollen: als wird dem Prediger, Rektor, Verwalter und übrigen Kollegen befohlen, eifrige Inquisition zu halten und zu berichten.“ Leider konstatirte die Inquisition die Wahrheit aller dieser Angaben. Das nächtliche Aus- und [117] Wiedereinsteigen geschah beim Sekret des Gymnasiums. Es erfolgten Relegationen etc., aber unmittelbar darauf schlugen Held und Konsorten bei einer Hochzeit dem Wirthe die Fenster ein und warfen der Badersmagd ein Loch in den Kopf. Kollisionen und Quälereien veranlaßten auch die Gratuiten oder Supernumerarien. Man fing nämlich um diese Zeit an, außer den circa 50 Alumnen noch einige arme Schüler aufzunehmen, besonders des Orgelspiels kundige, deren Verköstigung aber nicht direkt aus der Amtskasse bestritten und in derselben nicht verrechnet werden sollte. Sie mußten, was bisher die jüngsten Alumnen zu besorgen hatten, die Speisen aus der Küche holen und auf die zehn Eßtische tragen, wofür ihnen jeder Tischgenosse von seiner Portion etwas abgab. Dieser neue Brauch führte bald zu Quälereien unter den Schülern, indem die Gratuiten das Geschäft des Auftragens wieder den jüngeren Alumnen aufbürdeten und diese, wenn sie sich deß weigerten, mißhandelten. Der neue Brauch führte auch zu steten Kollisionen zwischen Onolzbach und Bayreuth und zwischen dem Rektor und Verwalter. War die Zahl der unterländischen Gratuiten um ein Paar größer als die der oberländischen, so drang Bayreuth auf Gleichstellung oder Ersatz für den Mehrbezug an Viktualien und forderte Bericht, einmal vom Rektor und Verwalter gemeinschaftlich; statt dessen berichtete Jeder für sich, um sich wieder in observanzmäßiger galliger Weise aussprechen zu können. Bachmann bemerkte in seinem Bericht: „Stübner sucht dabei nur seinen eigenen Nutzen. Der Konrektor Schülein ist weder kalt noch warm. Möge dieses die geringste Unordnung sein. In den letzten Nächten haben die Scholaren vor meinem Haus gejauchzt, schandbare Lieder gesungen, so daß zu besorgen ist, es möchte noch größeres Unglück entstehen, als das neulich mit dem L. L. Dietrich. Beim Rektor ist keine Hilfe zu hoffen, es mögen die Befehle so scharf sein als sie wollen.“

In seinem dritten Rektoratsjahre, 1695, schrieb Stübner an den Verwalter, um ihn zum Einschreiten gegen Exzedenten zu veranlassen: „Beim hiesigen Wirthshaus habe ich observirt, daß man das Bier fässer- und humpenweis auf das Contubernium [118] abfolgen läßt. Am Sonntag Nachts haben Etliche in Bonhof getanzt und gezecht und Steinhofer seinen Mantel im Stich gelassen. An demselbigen Sonntag unter der Frühpredigt haben K. H. Hornberger und L. Rößler beim neuen Becken gesessen und Brantwein getrunken. Gestern waren Nachts 9 Uhr Reuter, Rößler und Lockel auf dem Contubernio nicht anzutreffen. Döhmel hat sich dergestalt in Brantwein besoffen, daß man ihn eine Stunde lang für todt gehalten.“ Als besonders bösartig wird J. A. Held aus Kunreuth von Stübner bezeichnet. Die Zuchtlosigkeit der Schüler war in diesem Jahre entsetzlich; Verwalter und Rektor fortwährend Todfeinde; der Prediger hielt es mit Jenem, der Konrektor und der Kantor mit Diesem; dazu Zwietracht unter den Schülern selbst. Am 25. April, Geburtstag des Markgrafen von Ansbach, erhielten die Schüler ihren observanzmäßigen Eimer Bier in der Eßstube. Dabei gab es Reibereien und blutige Köpfe. Hauptsächlich betheiligten sich an der Schlägerei Betz, Schreiber und der Sohn des Rektors. Die Räthe in Bayreuth erhielten Kunde davon und reskribirten an den Verwalter und Prediger u. A.: „Als habt ihr die Präceptores, jedoch nicht den Rektor, an euch zu ziehen und mit ihnen den Handel zu untersuchen.“ Wegen einiger den Rektor gravirenden Ausdrücke im Untersuchungsprotokoll verweigerten der Konrektor und der Kantor die Mitunterschrift; nur der Prediger und der Verwalter unterschrieben. Das Konsistorium verfügte hierauf, den Betz zu entlassen, nachdem sein Vater um die Entlassung gebeten und er sich vieler groben Exzesse schuldig gemacht habe, auch jüngst wieder eines nächtlichen Diebstahls. Im August desselben Jahres lief Rosa, Pfarrerssohn aus Breitenau, Gratuit, „ein simpler einfältiger Tropf“, erst 3/4 Jahre auf der Schule, mit einem Werber davon, um Soldat zu werden, wurde aber vom Verwalter bei Katterbach eingeholt und zurückgebracht. Rosa, sonst nicht bösartig, sagte schreckliche Dinge aus, z. B.: „Zeit meines Hierseins bin ich von Alumnen drangsalirt worden, besonders von Langenauer, Reizenstein, Spieß, Fleischer, Betz und Schreiber; ich wollte nur darum von hier wegkommen. Döhmel, [119] Betz, Rößler und Andere hatten gleichfalls Lust, fortzugehen. Einst kugelten wir in der alten Komödie unter dem Saal; da lief des Bräumeisters Bock über die Bahn. Reizenstein tödtete den Bock mit der Kegelkugel, verbarg ihn in seiner Schlafzelle unter dem Stroh, bis die anderen Bursche sich verlaufen hatten, trug dann den Bock auf den Kirchthurm, wo er tranchirt und vertheilt wurde. Das Fleisch wurde vom alten (abgesetzten) Koch gebraten. Der Kirchner Dill, welcher um alles wußte, erhielt den Kopf, das Häutlein und die Eingeweide und verwischte das Blut auf dem Kirchthurm. Reizenstein stahl Bücher, indem er sie aus der Bibliothek mit einem Haken an einer Stange durch ein Fenster hinauszog, indeß Göhring Observanz hielt. Kestner und Reizenstein stahlen dem Wirth Nachts ein halbes Kalb. Reizenstein besaß selbstgemachte Dietriche. Mit seinen Spießgesellen Held, Schreiber, Steinhofer, Göhring, Betz, Rößler, Fleischer, beiden Schaller, Lockel, Döhmel, Esper, Nandwig, Weber, Winter und Lieb stahl er Obst, brach dem Forstmeister in den Keller und stahl Bier und Käse. In des Rektors Klasse haben sie Steine ausgehoben und eine Kloake gemacht, vor die Klassen hofirt und in die Betten ihrer Kameraden. Wenn sie bis nach Mitternacht gesoffen und das Bier nicht haben trinken können, haben sie ihren Urin darein gemengt, die Kleinen aus dem Schlaf gejagt und solche Unreinigkeit zu saufen genöthigt, und so diese es nicht saufen wollten, haben sie es über den Leib und in ihr Bett gegossen. Das haben sie mir selbst und all den Kleinen gethan. Sie haben neuerlich eine völlige Kompagnie der Liederlichkeit unter sich aufgerichtet, mit der Schreiners- und der Küchenmeisterstochter und der Magd des Meßners und des Kochs Freundschaft aufgerichtet. Göhring warf mir, dem Aufträger des Essens, den Kalbsbraten an den Kopf, weil es kein Nierenbraten, sondern nur ein Schlägel gewesen. Sie riefen oft: Wer heute seine Lektion kann, der ist ein Hundsfott! Eine Unzucht des Held, Betz und Göhrung in ihren Zellen habe ich und Döhmel mitangesehen, schäme mich aber, es anzusagen.“ Diese skandalöse Vernehmung schickte der Verwalter nach Bayreuth mit folgendem Beibericht: „Hier ein [120] Beweis, wie die Disziplin immer schlechter wird. Die grausamsten Laster gehen auf der Schul im Schwang, daß man solches unmöglich beschreiben kann. Kein Wunder, wenn Gott eine grausame Strafe über solch Lasterleben ergehen ließe. Es kann nichts anderes als der gänzliche Ruin des Gymnasii erfolgen. Die Exzedenten wurden mit Rosa konfrontirt und konnten ihre Exzesse nicht leugnen. Zur Salvirung meines Gewissens habe ich nicht umhin gekonnt, solches E. G. zu hinterbringen.“ In gleichem Sinne berichtete der Verwalter drei Tage darauf nach Onolzbach. Die beiden Regierungen verfügten hierauf: „Wir haben eine gemeinschaftliche Visitation beschlossen; bis dahin ist der Sache Anstand zu geben. Vorläufig aber haben der Prediger, Rektor und die übrigen Präceptores ihrerseits zu berichten über das den Räthen zu Ohren gekommene gräuliche Leben der Alumnen, namentlich darüber, daß sie einander ihre Effekten verderben und entwenden, daß die Großen den Kleinen allen Tort zufügen, die Großen sich oft besaufen, die Kleinen zum Trinken ihres Urins nöthigen, sich frech gegen ihre Vorgesetzten aufführen, einander verwunden, so daß Mord und Todtschlag daraus folgen wird; warum man nicht dergleichen bei den Räthen angezeigt und warum man bisher so sträflich und unverantwortlich bei so teuflicher Bosheit nachgesehen hat.“ Mag auch Bachmann nach seiner Gewohnheit die Farben etwas grell aufgetragen haben, so ergibt sich am Ende doch, daß er wahrheitsgetreu die Zustände der Schule als grauenvoll dargestellt hat. Denn auch sein Todfeind Stübner schrieb unt. 18. Dez. 1695 in dem von den Räthen verlangten Berichte über die Schulzustände an das Konsistorium wie folgt: „Nachdem man ohne unser, der Kollegen, Vorwissen den Scholaren Bier verabfolgt so viel sie verlangen, so ist des Säufens kein Ende. Die Mäntel werden versetzt, die Bücher verkauft, die Teller und Kannen verschmelzt und alles durch die Gurgel gejagt. Hernach erfolgt aus solchem Schwelgen Schlägerei, Dieberei und heimliche Buhlerei und viel ander unordentlich Ding mehr. Die jungen Leute trinken sich ungesund. Der gute Geist Gottes wird verjagt, die Studia werden nachlässig [121] traktirt. Kommt dazu, daß sich dieß Kloster meistentheils mit sehr nothdürftigen Inwohnern anfüllt, welche bald da bald dort einen Mantel, ein Hemd, ein Kleid an sich handeln und es hernach verleugnen. Da das Kloster noch nicht also angefüllt und noch ein Monasterium verum war, konnte die Disziplin viel bequemer geführt werden, als jetzo, da sich Jedermann von diesen jungen Leuten Pfeifen schneiden will. Wären Neid, Verleumdung und Ohrenbläserei nicht so tief allhie eingewurzelt, so stünde es auch besser um die Schule.“

Die verheißene gemeinschaftliche Visitation kam wegen der steten Zwietracht zwischen Onolzbach und Bayreuth in diesem Jahr noch nicht zu Stande; daher wurde das wüste Treiben fortgesetzt. Der Verwalter berichtete im Dez. 1695 nach Bayreuth: „Zweifelsledig hat Herr Rektor schon berichtet, wie vor vier Wochen Rößler, Schreiber, Betz und Lockel wegen zweier dem Wirth entwendeten Ferkel ausgetreten und angeblich Dragoner geworden sind. Die Inwohner sind nicht mehr in ihren Häusern sicher. Dietrich, Pfarrerssohn von Sachsen, und sein Mitschüler Weber sind in Untersuchung wegen Weißzeug, beim Schuster Müller aus dem Schrank gestohlen, während die Frau in der Betstunde war. Am Katharinentage tanzten und tranken beim Döninger die Scholaren Wild, Schreiber, Betz, Neudorf, Reuter, Schumm, Fleischer, Kuhn, Feuerlen und Schülein bis früh 5 Uhr.“ Am 6. Febr. 1696 befahlen die Räthe, den Rößler von Kirchenlamitz und den Loekel von Bayreuth zu relegiren und die auf sie verwendeten Kosten von den Vätern zu erheben, z. B. 37 fl. dem Hofmusikus Lockel in Bayreuth an seiner Besoldung abzuziehen. Im Oktober attakirten Dietrich und Konsorten den Amtsschreiber Wolf Nachts 11 Uhr auf dem Marktplatz mit Säbeln. Der dazugekommene Amtsknecht verwundete mit einem Pistol den Dietrich gefährlich. In Folge dessen wurde von Bayreuth aus verfügt: „Demnach vorgekommen, daß sich die Scholaren unterstehen, Säbel zu kaufen und Vornehmens sind, auch mit Schießgewehr sich zu versehen und damit gewisse Personen unter hochsträflichen Verschwörungen gefährlich zu traktiren drohen, so befehlen wir euch, [122] dem Verwalter, Rektor und Präzeptoren, den Schülern anzudeuten, im Kloster und dessen Grenzen kein Gewehr zu führen, ausgenommen auf einer Reise, bei Vermeidung von Leibesstrafe. Bis zu seiner Abreise hat Einer seinen Degen dem Rektor zu übergeben, ebenso nach seiner Rückkehr.“ Die verheißene gemeinschaftliche Visitation kam vorerst nicht zu Stande. Nur dann und wann traf ein bayreuther Rath mit einem onolzbacher in Heilsbronn zusammen, um eine Untersuchung zu pflegen. So kamen am 10. April 1696 zwei Räthe nach Heilsbronn, beschieden in das Wirthshaus den Prediger, Konrektor, Kantor und Gegenschreiber und verpflichteten sie durch einen Eid, die in Betreff des Verwalters und des Rektors, welche nicht vorgeladen waren, ihnen vorgelegten Fragen zu beantworten. Es handelte sich um den Gymnasiasten Freiding, welchen der Verwalter bestraft, der Rektor aber beschützt hatte. Die beiden Kommissäre gaben dem Verwalter Recht, verurtheilten den Rektor in die Kosten und kündigten an, daß andere Kommissäre zur Untersuchung anderer Exzesse kommen würden. Die Todfeindschaft zwischen Verwalter und Rektor dauerte fort. Stübner schrieb an die Regierung: „Bachmann ist eine gottlose Seele, ärger als der Teufel; aus seiner fluchenden, todten und stinkenden Seele können nur solche vergiftete Haß- und Rachebrocken gegen mich herauskommen.“ Bachmann schrieb an die Regierung: „Stübner ist ein verboster Mann, unter dessen Patrocinio die himmelschreiendsten Scelera begangen werden; er ist ein perfekter Advokat aller bösen Buben.“ Dazwischen verklagte der Kantor den Rektor beim Konsistorium, weil er die Schüler gegen ihn aufgereizt. In seinem Verantwortungsschreiben bezeichnet der Rektor den Kantor als einen groben Mann, der seine Schüler schimpfe und prügle.

In den Jahren 1698 und 99 waren die Zustände, wo möglich, noch schlimmer als zuvor: Zuchtlosigkeit unter den Scholaren, Hader unter den Lehrern und Beamten und, mehr als je, Zwiespalt zwischen Bayreuth und Onolzbach. Durch die im Gymnasialgebäude herrschende maßlose Rohheit wurden mehrere Eltern veranlaßt, zu bitten: ihre Söhne in Privathäusern unterbringen [123] zu dürfen. Onolzbach und Bayreuth gingen gerne darauf ein, weil dadurch die Amtskasse Licht und Holz ersparte. Diese Praxis wurde bald allgemein, so daß um diese Zeit fast alle Zellen unbewohnt waren. Nur zur Essenszeit versammelten sich alle Gymnasiasten im Contubernium. Im April 1698 wohnten dort nur noch sechs: Esper, Nantwig, Esenbeck, Hornberger, Kuhn und Meyer. Alle sechs waren Exzedenten der schlimmsten Art, vom Rektor gehaßt und von ihm zur Strafe im Gymnasium zu wohnen verurtheilt; vom Verwalter dagegen geschützt und in dem Verlangen, gleichfalls auswärts wohnen zu dürfen, unterstützt. Ein von ihnen deßhalb eingereichtes Gesuch wurde vom Konsistorium dem Rektor zur Begutachtung zugeschlossen. Das Gutachten ging dahin: die sechs Petenten abschlägig zu bescheiden. Der Verwalter, gleichfalls zum Gutachten aufgefordert, berichtete im entgegengesetzten Sinne: „Was Anderen gestattet wird, sollte man auch diesen gestatten. Das Wohnen in Privathäusern ist wohlfeiler für die Herrschaft; denn das Wohnen der Sechse auf dem Contubernio fordert denselben Aufwand von Holz und Licht, als wenn alle 50 dort wohnen. Dort sind Alle sich selbst überlassen und ohne Inspektion, während in Privathäusern bessere Inspektion ist. Nur der boshafte, zanksüchtige, ehr- und geldgeizige Rektor will es nicht leiden.“ Die sechs Petenten quartierten sich beim Postbäcker und beim Gegenschreiber ein, so daß in diesem Jahre das Contubernium ganz unbewohnt war. Nach allgemeiner Übersiedelung in Privathäuser blieb das Thun und Treiben der Schüler zügellos wie zuvor. Der arretirte Tumultuant Weber schoß aus dem Fenster seines Gefängnisses. Am Weiterndorfer Brücklein Schlägerei zwischen Scholaren und Bauernknechten. An den Sonntagen Jubilate und Cantate tanzten die sieben Scholaren Lang etc. im Wirthshause zu Heilsbronn bis Nachts zwei Uhr mit des Rektors Kostjungfer, des Küchenmeisters Tochter und des Rektors und des Kastenmessers Mägden. Zur Verhandlung über diesen Exzeß lud der Verwalter die sämmtlichen Lehrer ein, welche sich auch einfanden, nur der Rektor nicht, welcher sagen ließ: „er habe auf dem Amthause nichts zu thun.“ [124] Bei der Vernehmung und Verhandlung ergab sich, daß bei der Sache des Rektors Haus besonders gravirt, daß des Rektors „Kostjungfer“ Nachts durchs Fenster aus- und eingestiegen war, wobei die Scholaren ihr die Leiter hielten. Unter den Vernommenen war des Kastenmessers Sohn, welcher mit der Harfe zum Tanz aufgespielt hatte.

Gegen Ende des Jahres 1698 befürchtete der Rektor einen mörderischen Überfall und berichtete daher an das Konsistorium: „Über Kuhn wird wegen seiner Hurerei beim Fraischamt Windsbach verhandelt. Dieses, so wie seine anderen groben Laster sind der ganzen Schuljugend höchst anstößig. Er ist deßhalb flüchtig geworden, aber wiedergekommen und wollte um drei Uhr in die Klaß gehen; so auch ich, als mich Jemand warnte, da Kuhn nichts Gutes im Schild führe. Schon früher hat er geäußert, mir vor seinem Abschied noch Eins zu versetzen. Dazu ist die übrige böse Rotte ebenfalls schwierig gegen mich. Ich bitte um schleunige Hilfe zur Abwendung eines großen Unfalles und um Schutz gegen dergleichen Bösewichte. Vor wenigen Jahren schon haben einige Unglücksvögel kurze Gewehre gegen mich getragen und einst um Mitternacht in meiner Studirstube mich überfallen wollen; aber mein Hündlein spürte sie noch zu rechter Zeit, wodurch ich erwachte. Ich habe um so mehr zu befürchten, weil ich hier von aller Hilfe verlassen bin. Ich flehe also nochmals um Schutz gegen diese Rotte, absonderlich gegen den frevelhaften Kuhn.“ Vier Tage darauf schrieb der Rektor an den Markgrafen selbst: „An E. F. D. Consistorium habe ich mehrmals berichtet, welche Exorbitantien einige Scholaren dieses Jahr herein verübt haben. Dieweil aber bis daher diesem Unheil nicht gesteuert worden, so hat die Bosheit dergestalt überhandgenommen, daß fast kein Laster ist, welches diese Leute nicht ausüben. Diese Woche haben sie mit nicht allein im Stall ein Schwein mit dem Degen erstochen, sondern ich werde auch berichtet, welchergestalt Kuhn einen starkgeladenen Puffer stets bei sich trägt, um mir, wenn ich in die Lektion gehe, das Licht auszublasen. Bitte daher E. F. D. mich zu sekundiren, daß solch greulich Vorhaben durch [125] diese des Mords- und Hurengerichts Instrumenta nicht ins Werk gerichtet werde.“ Umgehend erhielt der Verwalter aus der markgräflichen Kanzlei Befehl, den Kuhn zu vernehmen. Dieser stellte alles in Abrede, was ihm wegen Schwängerung und Mordversuch zur Last gelegt wurde; dagegen behauptete er: „der Rektor habe gar wenig Lectiones gehalten, und wenn des Nachmittags, so sei er mehrmals voll hinein gekommen und habe allerhand närrische Possen vorgebracht.“ Der Verwalter schützte zwar den Angeschuldigten, konnte ihn aber nicht retten. Kuhn und Weinsperger, Pfarrerssohn aus Ellrichshausen, wurden wegen Schwängerung zweier Dirnen relegirt; bald darauf auch Seyffert und Bachmann wegen Fornikation. Der Verwalter, des Letztgenannten Vetter und Beschützer, fand bald Gelegenheit, sich an dem Rektor zu rächen. Der Alumnus Falkner aus Lauf, Kostgänger beim Rektor und von ihm begünstigt, wurde beim Verwalter wegen Fornikation verklagt, worauf der Verwalter mit zwei Amtsknechten und bewaffneten Bürgern vor das Gymnasium zog und die Herausgabe des Verklagten forderte. Dieser entwischte aber und begab sich zu seinem Bruder, dem Doktor Falkner in Nürnberg, welcher sich an den Markgrafen in Bayreuth wendete mit der Bitte, seinen Bruder gegen den Verwalter zu schützen. Darauf schrieb Christian Ernst von Bayreuth unt. 12. April 1699 an Georg Friedrich von Onolzbach: „Vielgeliebter Herr Vetter und Sohn. E. E. belieben aus der Anlage zu ersehen, was der Doktor Falkner wider den Verwalter Bachmann für Beschwerung führt. Da nun dessen Bruder des angeschuldigten Fornikationsdelicti nicht schuldig, sondern dasselbe auf einen Andern gebracht worden ist, mithin es das Ansehen hat, daß der Verwalter sich an dem jungen Falkner reiben und dadurch auch seine Passion gegen den Rektor ausüben will: also sind wir von E. L. versichert, daß sie an des Verwalters Verfahren kein Wohlgefallen haben und es ihm nachdrücklich untersagen werden, damit er den jungen Falkner künftig außer Sorgen lasse, dem wir bereits ein Protectorium aushändigen lassen. E. E. dienstwilliger Vetter und Vater Christian Ernst.“ Im Juli d. Js. wurden dem Kantor M. Wetzel zweimal die Fenster eingeworfen, [126] dem Gegenschreiber 5 Schinken und 10 Speckseiten vermittelst eines Hakens aus dem Keller gestohlen. Onolzbach befahl strenge Untersuchung. Ein halbes Jahr lang wurde darüber verhandelt. Aus der vom Verwalter, Prediger und dem Lehrerpersonal gemeinschaftlich gepflogenen Verhandlung ergab sich folgendes Resultat: Der That verdächtig waren Weber, Dietrich und Seyffert; als Mitwisser wurden bezeichnet Wokurka und Schwalb. Die beiden Letztgenannten erschienen auf Vorladung nicht, da sie Oberländer seien; zugleich beriefen sie sich auf das vorhin besprochene, dem Falkner ertheilte Protektorium. Sie leisteten erst Folge, nachdem von Onolzbach her ein fulminanter Befehl ergangen war, sie durch Musketire zu zwingen. Die Erstgenannten bedrohten ihre jüngeren Mitschüler mit Schlägen, wenn sie die Wahrheit reden würden, und schlugen sie, nachdem sie die Wahrheit geredet hatten. Die drei Diebe leugneten dreist; allein durch Zeugen wurde Folgendes konstatirt: „Die Diebe stiegen noch in derselben Nacht über die Klostermauer, zündeten beim mittleren Weiher bei Weißenbronn ein Feuer an, kochten und verzehrten einen Theil der Schinken.“ Die nach Onolzbach eingesendeten Verhandlungen waren allseitig unterschrieben worden, nur nicht vom Rektor, „weil Weber gar zu schwarz geschildert sei.“ In Onolzbach wurde erkannt wie folgt: „Weber, Dietrich und Seyffert, des Diebstahls und anderer Exzesse überführt, sind zu relegiren; ihre Eltern haben die auf sie verwendeten Kosten zu ersetzen und das Fleisch zu vergüten. Die Mitwisser sind zu verwarnen. Der Rektor erhält einen ernstlichen Verweis, weil er einen besondern Bericht eingegeben, um dem Weber durchzuhelfen. Wir erwarten, daß er, Stübner, sich besser als bisher in zur Untersuchung gekommenen Fällen aufführe, seinem Amt fleißiger vorstehe und bessere Disziplin halte.“ Die drei Relegirten entwichen schon vor der Publikation. Allein nach drei Wochen kam Seyffert zurück, trat, den Degen an der Seite, in die Eßstube und verlangte seine Portion. Der Verwalter berichtete nach Onolzbach und erhielt die Weisung, den Seyffert fortzuschaffen. Es stellte sich heraus, daß dieser solchen Trotz nicht aus eigenem Antrieb geübt hatte, [127] sondern auf Anstiften des Rektors und der Räthe in Bayreuth, welche hier eine erwünschte Gelegenheit fanden, sich an Onolzbach und an dem Verwalter zu reiben und den Relegirten veranlaßten, beim Markgrafen in Bayreuth eine Beschwerde- und Bittschrift folgenden Inhalts einzureichen: „Wegen unbegründeter Beschuldigung, ohne Fug und Recht mußte ich von meinen Antagonisten Schaden leiden und wurde des Beneficii in Heilsbronn beraubt, welches doch allein von E. F. D. Huld dependirt etc.“ Die Räthe von Bayreuth schickten dieses Schriftstück nach Onolzbach mit dem Beifügen: „Seyfert ist des beschuldigten Diebstahls nicht rechtsbeständig überwiesen. Was zu seiner Defension gedient, ist aus dem Protokoll weggelassen, die Untersuchung, wider alle Observanz, auf dem Amthause gepflogen, mit dem dießseitigen Consistorio dieses Stipendiaten halben nicht kommunizirt, die Relegation praecipitanter verhängt, ihm das Beneficium, so ihm das Haus Onolzbach nicht conferirt hat, genommen worden. Also können wir nicht sehen, mit was Fug und Recht diese Relegation erkannt werden möge, wohin das passionirte Verfahren des Verwalters zu excusiren sei. Unser gnädigster Fürst hat daher hohe Ursache, diese unstatthafte Relegation zu kassiren und den Seyfert de novo zu introduziren. Bayreuth, 7. Nov. 1699. Kanzler und Geheimräthe: Freiherr von Reichenbach etc.“ Der Verwalter, von Onolzbach aus zur Äußerung hierüber aufgefordert, antwortete: „Seyfert ist des Diebstahls rechtsbeständig überwiesen. Wir haben ganz auf Befehl von Onolzbach so gehandelt. Aus dem Protokoll ist nichts weggelassen, was zu seiner Entschuldigung gedient hätte. Wäre etwas zu seiner Entschuldigung beizubringen gewesen, so hätte es der Rektor gewiß beigebracht. Die Verhandlung wurde auf dem Amthause vorgenommen auf ausdrücklichen Befehl von Onolzbach; so geschah es auch sonst. Der Vorwurf wegen Nichtkommunikation mit Bayreuth und einseitig von Onolzbach verfügter Relegation berührt mich nicht, sondern die Räthe in Onolzbach. Seyfert fand gewissenlose Assistenten, die nach Bayreuth berichteten, ohne Zweifel der Rektor, dieser böse Mann, der durch Intriguen den Weber, wiewohl vergeblich, durchzubringen [128] gesucht und nun auch den Seyfert durchbringen will. Er sucht die beiden Häuser zu meliren. In seinem Hause werden alle Laster gelernt und getrieben.“ Noch nach Jahren haderten Bayreuth und Onolzbach miteinander wegen dieser Relegation. Nachdem Seyfert Heilsbronn verlassen hatte, verlangte Bayreuth für ihn Viatikum und Stipendium, allein Onolzbach verbot dem Verwalter die Zahlung. Der Verwalter schickte dieses Verbot nach Bayreuth und erhielt zur Antwort: „Ihr seid einer Herrschaft wie der andern verpflichtet. Wir lehren uns an das onolzbachische Kammerdekret gar nicht. Anstatt schuldiger Parition habt ihr euch an die fürstliche Kammer zu Onolzbach gehängt und bei derselben ein Dekret extrahirt, mittelst dessen ihr von der Zahlung des Seyfertischen Viatici befreit zu sein vermeint. Nachdem uns aber nicht gelegen sein will, uns mit dem naheverwandten Haus Onolzbach zu meliren, als ist unser nochmaliger ernstlicher Befehl, ohne fernere Tergiversation zu zahlen.“ Diesem Befehl folgte Androhung der Exekution, dann ein Wartbote, worauf der Verwalter Zahlung leistete. Seyfert bezog die Universität, erhielt ein Stipendium und magistrirte. Bayreuth schickte um diese Zeit nicht mehr seine 25 Gymnasiasten vollzählig nach Heilsbronn, sondern nur 15 bis 18, ließ die übrigen anderwärts unterrichten, verlangte aber für jeden derselben jährlich 40 fl. von Heilsbronn, was stete Monitorien und Wartboten zur Folge hatte, da Onolzbach dem Verwalter befahl, die von Bayreuth verlangten Zahlungen nicht zu leisten. Da auch Onolzbach anfing, seine Gymnasiasten anderwärts unterrichten zu lassen, so sank um diese Zeit die Zahl der Schüler in Heilsbronn unter 40 herab. 1698 war der Schülerstand folgender: 22 Unterländer und 15 Oberländer, zusammen 37, von welchen 12, sonach der dritte Theil, an die Fraischgerichte abgeliefert werden mußten, da ihre Rente krimineller Natur waren.

Das letzte Jahr des Jahrhunderts war auch das letzte Jahr der Amtsführung des Rektors Stübner. Kurz vor dessen Kassation berichtete der Verwalter nach Ansbach: „Es hat sich seit acht Tagen zweimal Folgendes ergeben: Das erste Mal haben [129] hiesige Scholaren den auf die Universität gehenden Nantwig begleitet, sich als Husaren zu Pferd gesetzt, in Petersaurach Üppigkeit getrieben. Abends im hiesigen Wirthshaus Fenster eingeschlagen und Tische zerhauen. Das zweite Mal, letzten Sonntag, sind sie abermals ins Wirthshaus mit Säbeln, Ballaschen und Hirschfängern gekommen, haben bis Mitternacht getrunken, Tische und Bänke in kleine Stücke zerhauen. Das liederliche Leben ist dergestalt eingerissen, daß zu großem Unglück Anleitung gegeben wird. Ja voriger Nacht ist das Grab der Kurfürstin Anna (auch der Markgräfin Emilie) erbrochen und der zinnerne Sarg beim Kopf abgehauen worden, vermuthlich um Schmuck an Hals und Händen zu erlangen. (Beitr. S. 209.) Es ist alles durchsucht worden, weil man einen Strumpf über dem Kopf liegend gefunden. Ob aber etwas entwendet wurde und wer die Thäter sind, wissen wir nicht.“ In Folge dieser Anzeige kamen onolzbachische Untersuchungskommissäre, welche zugleich die unter Stübner herrschende, immer zunehmende Zuchtlosigkeit ins Auge faßten. Stübner wurde kassirt. Der Markgraf von Ansbach hatte ihn angestellt und hielt sich daher für berechtigt, ihn, ohne vorgängiges Benehmen mit Bayreuth, zu kassiren, wie früher den Kantor Bayer. Georg Friedrich von Onolzbach verfügte unterm 20. März 1700: „Nachdem uns aus den Inquisitionsprotokollen referirt worden, wasgestalten der Rektor Stübner seinem Amt nicht wie sichs gebührt obgelegen, sondern eine solche Conduite, wodurch das Gymnasium in Desordre verfallen, sich zu Schulden kommen lassen: als befehlen wir, daß er seines Rektorats hiermit entlassen und kassirt sein soll, welchen Befehl ihr ihm anzudeuten habt. Auch habt ihr selbigen die Unkosten für die angeordneten Kommissionen bezahlen zu lassen. Ihr habt davon an unsern Herrn Vetter, Markgraf zu Bayreuth Liebden. Notifikation zu thun, damit nach einem andern tauglichen Subjekt getrachtet werde.“ Stübner, welchem diese Entschließung durch den Prediger Krebs eingehändigt wurde, schrieb an den Markgrafen in Ansbach: „Die erste Kommission untersuchte mein Einschreiten mit Waffen. Allein von aller Amtshilfe verlassen, blieb mir nichts übrig, als Gewalt [130] mit Gewalt zu vertreiben, da gewisse Discipuli Nachts, als Bauern verkleidet, in dem Meinigen mich infestirten. Ich entblößte den Degen, weil der eine verkleidete Bauer mir zuerst mit dem Degen auf den Leib ging. Wäre die Visitation gemeinschaftlich gewesen, so würde meine Unschuld an den Tag gekommen sein. Die zweite und dritte Kommission inquirirte mich wegen Mißbrauch von Aktenstücken in Lehenssachen und wegen meiner Korrespondenz deßhalb mit Bayreuth, was aber auf heimlichen falschen Anklagen beruht. Ich mußte mich nothgedrunge zu Ihre Durchlaucht nach Bayreuth retiriren, da ich in Onolzbach keine Hilfe fand. Dazu verurtheilt man mich in die Kosten: eine himmelschreiende Sünde. Meine Kassation ist schon Strafe genug nach sauerer Arbeit 24 Jahre lang. Wenn ich die ganze Sache liquidiren und dociren dürfte, so würde Jedermann erkennen, daß die lautere Unschuld auf meiner Seite ist. Ich habe es inzwischen in Bayreuth gethan und hoffe, man wird von dortaus mein Glück zu testituiren geneigt sein. Auch muß ich mit Entsetzen vernehmen, daß alle Exzesse in allen Klassen und die Erbrechung des Grabes mit imputirt werden will.“ Nach Einhändigung des Kassationsdekrets durch den Prediger wurde Stübner, wie der Verwalter berichtet, nicht traurig; vielmehr erklärte er vergnügt: „er danke Gott, nun des beschwerlichen Amtes los zu sein und könne als ein wohlbegüterter Mann sich ohne Herrendienst wohl nähren.“ Der Markgraf von Bayreuth schrieb an den Markgrafen von Ansbach: „Die Sache hätte nicht einseitig, sondern gemeinschaftlich untersucht werden sollen, dann hätte Stübners Innozenz an den Tag kommen und er bei seinem Officio belassen werden können; seine Kassation sollte daher suspendirt werden.“ Die Antwort des Markgrafen von Ansbach lautete: „Stübner hat sich solche Exzesse zu Schulden kommen lassen, welche malefizisch zu traktiren gewesen wären. Dazu wurde er seinen Discipulis zu einem Ludibrium, so daß seine Disziplin ganz zerfiel. Auch that er noch viele andere unverantwortliche Dinge und trat unserem fürstlichen Respekt zu nahe, weßwegen er confessus und convictus von uns zur Strafe kassirt worden. E. Liebden werden es daher nicht [131] ungünstig nehmen, wenn wir bei der Kassation beharren.“ Stübner blieb noch ein Jahr lang in seinem Hause zu Heilsbronn, bis ihm der Markgraf von Bayreuth die Pfarrstelle in Goldkronach verlieh. Die durch ihn veranlaßten Untersuchungskosten (207 fl.) sollte er zahlen, wenn er dereinst sein Haus in Heilsbronn verkaufen werde. Die Wahl seines Nachfolgers stand, dem üblichen Turnus zufolge, Bayreuth zu.

M. Sylv. Hein. Schmidt, Stübners Nachfolger, gleichfalls heilsbronnischer Stipendiat, dann Konrektor in Kulmbach, hierauf Rektor in Heilsbronn, trat mit den besten Vorsätzen ein. Am 26. Dez. 1700 reichte er, gemeinschaftlich mit seinen Kollegen, bei den beiden Konsistorien folgenden Bericht und Besserungsvorschlag ein: „Durch den Rektor Stübner ist durch übelgeführte Disziplin das Gymnasium in Grund verdorben. Die heilsamen Leges der Schule sind sehr schlecht beobachtet worden, daher man, da nun das Rektorat neu besetzt worden, eifrigst bedacht ist, diesem Unheil abzuhelfen. Ungeachtet oftmaliger Bestrafungen haben sich Viele erst spät, wenn schon einiger Gesang und Lektion vorbei gewesen, eingefunden, die Erwachsenen ohne Gesangbücher, welche dann nicht mitsingen, sondern mit faulen und wilden Geberden und Plaudern Andere in der Gemeinde ärgern; oder sie nehmen den Kleinen ihre Gesangbücher und bedrohen sie, wenn sie sich deßhalb beklagen würden. Sie schämen sich der Gesangbücher. An Sonn- und Feiertagen lassen sich Unterschiedliche mit dickeingepudertem Kopf, Ohrengehängen und anderen Eitelkeiten sehen, daß Niemand sie ohne Ärgerniß ansehen kann. Die Leges verbieten spitzige Hüte, unförmliche Hauben, lange Überschläge mit offenen Hälsen, bunte oder ausgefüllte große Hosen, lichtfarbe Strümpfe und andere höfische Kleider; die Leges gebieten, sich an der ehrlichen Schülertracht begnügen zu lassen, was aber die Wenigsten thun. Dem entgegen geschieht es oft, daß die Haube grün, der Rock weiß, das Kamisol gelb, die Hosen scheckig, die Strümpfe roth, der Mantel blau und also die Person in so viel Farben, als Stücke, gekleidet ist. Es haben sogar bei den Scholaren die Perüken, Ohrengehänge etc. gemein zu werden [132] angefangen, so daß Viele keine Gnadenschüler, sondern wohlbestellte politische Bediente repräsentiren. Dabei haben die Eltern viel Schuld, welche einwenden: die Welt sei jetzo geändert, ein junger Mensch müsse sauber und nett dahergehen. Alle Alumnen sollten auf dem Contubernio beisammen wohnen, was seit vielen Jahren nicht geschehen, da Jeder nach eigenem Gefallen bald auf das Contubernium, bald wieder herunter gegangen ist. Durch Inspektion bei Tag und Nacht ist zu verhüten, daß nicht die Kleinen von den Großen übel traktirt werden. Lex 30 befiehlt, sich nicht zu Weibspersonen zu halten. Allein dawider sind in Kurzem verschiedene grobe Delicti ausgebrochen, so daß man der überhandnehmenden Büberei nicht steuern kann, was aber desto nothwendiger ist, weil dermalen viel freches Weibervolk sich hier befindet. Dazu werden die Scholaren von unterschiedlichen Inwohnern geheimst zu Karteln, Schmäusen etc. Diejenigen, welche Fähigkeit und Lust zum Studiren haben, haben bisher den kleinsten Theil ausgemacht. Viele sind im Jahr mehr daheim als im Kloster, und die Studia sind ihnen eine Last. Die meisten Exzesse rühren her von der Schwelgerei theils im Wirthshaus, wo sie übermäßig saufen, theils wenn Novicii ankommen, welchen sie Einstände extorquiren, acht Gulden und mehr. Dazu kommen Saufereien auf den Dörfern. Das Collegium ist nicht sufficient, dergleichen Gesäuf abzustellen, so daß eine höhere Autorität unumgänglich wird. Eine Emendation wird bei der rohen Jugend nicht erfolgen, wenn nicht das Amt von Neuem angewiesen wird, wie es die Disciplin bei der unbändigen Jugend manuteniren helfen soll.“ Hierauf erfolgten fulminante Reskripte des Inhalts: „Der neue Rektor wird sonderlich auf die unverantwortlich erlegene Disciplin bei dem in sehr üblen Ruf gefallenen Gymnasio sehen. Wir vernehmen, wasmassen die Alumni weder in studiis noch moribus sich der Gebühr nach aufführen, sondern sich im Wirthshaus und anderswo Excesse zu Schulden kommen lassen, obgleich von euch, dem Prediger und Präceptoribus, geschärfte Censuren vorgenommen worden sind. Ihr habt nun allen Schülern zu injungiren, daß Jeder sich eines christlichen Lebens befleißige, den [133] Präceptoribus gehorche, verdächtigt Zusammenkünfte meide, bei Strafe des Carcers. Dem Furtenbach, Weiß, Zinn und Schäfer ist anzudeuten, daß, wenn sie ihre incorrigiblen mores und studia nicht bessern, sie die beneficia verlieren. Bub ist durch sondern Verweis zur Besserung seiner morum anzunehmen und über den Effect zu berichten.“ Inmitten aller Reskripte und Berichte ergaben sich unter dem neuen Rektor die alten Exzesse, z. B. fortgesetzte schamlose Unzucht, daher Relegation des W. Pertsch, Sohn eines geachteten Vaters, des Superintendenten J. G. Pertsch in Wunsiedel. Der unterländische Alumnus Döderlein erstach in der Christnacht mit dem Messer seinen Mitschüler Förster.[6] Unter den nunmehrigen Leitern der Schule war mehr Zusammensicht, als unter den früheren; zwischen den beiden Regierungen aber die alte Zwietracht. Bat der Verwalter bei der Regierung in Onolzbach um eine Kommission zur Untersuchung von Exzessen, so erhielt er aus Bayreuth einen Verweis und den Befehl, in der Sache nicht einseitig zu verfahren. Im Spätherbst 1708 berichtete er an beide Regierungen: „Bei der hiesigen Schuljugend liegt alle gute Ordnung über einem Haufen. Obwohl man von Amtswegen mit den Schulkollegen in vielfältiger Kommunikation steht, so ist doch keine Remedur zu hoffen, wenn nicht beide Häuser zu einer endlichen Schulvisitation sich resolviren. Man ist des Nachts in den Häusern nicht mehr sicher. Die Rektoristen Häffelein, Herold, die beiden Bauriedel und Donner verfügten sich am Montag statt in die Klasse – nach Weißenbronn auf die Kirchweih, trafen dort die hiesigen Handwerksgesellen, denen sie schon geraume Zeit nachgegangen, tanzten mit bloßen Degen und gespannten Pistolen, fingen Schlägerei an, wobei es viele Verwundungen gab und ein Daumen entzweigehauen wurde. Die Untersuchung führt das Fraischamt Windsbach. Der Kantor Pöschel hat schlechte Autorität, da er schon von den jungen Leuten mit s. v. Hundsfott traktirt worden.“ Häffelein, der Sohn eines Bereiters, und Donner, der Sohn einer Wittwe, wurden [134] relegirt. 1709 berichtete der Verwalter: „Solch liederliches Leben kann keinen guten Ausgang nehmen. Viele Eltern werden noch darüber seufzen. Die vorige Woche hat man das Haus angezündet. Wenn es in der Nacht geschehen wäre, so würde man die alte Laterne in Rauch haben aufgehen sehen. Enfin, ich mag nicht schreiben, wie es zugeht. Die Kinder auf der Gasse reden von der Prostitution. Ich eröffne dieses als ein treuer Diener. Die Scholaren sind Nachts, statt im Contubernio, bis 12 und 1 Uhr in des Herrn Küchenmeisters Jung Haus, spielen und tanzen mit der Frau. Ich habe es dem Herrn Prediger und Präceptoribus eröffnet, worauf es etwas besser wurde. Die Herren Geistlichen haben an die Eltern geschrieben und eine Änderung verlangt.“ Dagegen äußerte sich der Küchenmeister in seinem von der Regierung verlangten Rechtfertigungsbericht wie folgt über den Verwalter: „Dieser heilsbronnische, von Hochmuth aufgeblasene und fast zerberstende Despot, welcher vorgibt, daß auch der Prediger bei ihm das Forum erkennen müsse, hängt das Amt an den Nagel, überläßt es den Schreibern und kutschirt draußen herum.“ Dieser Küchenmeister veranlaßte weitläuftige Verhandlungen, welche gleichfalls einen recht betrübenden Einblick in das damalige Thun und Treiben in Heilsbronn gewähren. Zunächst handelte sich’s um den Rang, und die Regierung entschied, daß dem Küchenmeister der Rang vor dem Kollaborator und dem Sprachmeister gebühre. Vergebens stellte der Kollaborator vor: „Der Vorrang gebührt mir, habe ihn von jeher gehabt, auch mein Antecessor. Schon die Äquität gebietet, daß ein Literatus und Philosophiae Magister einem Illiterato vorgehe. Dazu lebt dieser mit Hoch und Niedrig in Zank und Streit, geht selten zum Abendmahl, und wenn er es thut, so beunruhigt er dabei andere fromme Christen.“ Die Regierung verlangte darüber Bericht vom Prediger Krebs, und dieser berichtete gegen den Küchenmeister. Gleichwohl entschied die Regierung für denselben. Das gegenseitige Verklagen dauerte fort, auch unter Betheiligung der Frauen, die zum Ärgerniß der Gemeinde am Altar und bei einer Taufprozession einander zurückstießen. Inzwischen lief bei der [135] Regierung Beschwerde der Gymnasiasten gegen den Küchenmeister ein. In der Beschwerdeschrift hieß es: „Der Metzger liefert dem Küchenmeister krankes Vieh, der Braumeister verdorbenes Bier, und so schon zwei Jahre her. Unsere Herren Präceptores haben es zwar untersagt, aber es wurde nicht besser, sondern schlimmer.“ Der Küchenmeister, welchem die Beschwerde zur Äußerung mitgetheilt wurde, erklärte: „Das sind Satansränke der Gymnasiasten, welche bei Nacht aus dem Gymnasio steigen und die Nacht hindurch Sünde treiben. Man frage den Konrektor. Das ist bloß Verhetzung durch den boshaften Koch und sein Weib. Die kleinen Alumni haben mitunterschrieben, um nicht von den großen viehisch tractirt zu werden.“ Dieser an den Markgrafen gerichteten Replik fügte der Küchenmeister eine sechs Bogen lange Aufzählung der seit einem Jahre vorgekommenen lasterhaften Gymnasiastenexzesse bei. Die Regierung schickte eine Untersuchungskommission. Küchenmeister und Metzger wurden entlassen, der Braumeister verwarnt. Die Untersuchungskosten mußten Gymnasiasten, Küchenmeister, Koch, Metzger und Braumeister zahlen.

Als nach zwanzigjähriger Amtsführung des Rektors Schmidt nirgends Besserung eintrat, erging am 2. Jan. 1711 vom Markgrafen Wilhelm Friedrich folgender Erlaß an den Prediger, Rektor, Konrektor und Verwalter: „Aus den vielen bisher vorgekommenen Exzessen, wovon ihr, die geistlichen Inspectores, weder an uns noch an unsere Rathsstube das Geringste nicht habt gelangen lassen, noch selbst etwas zu untersuchen begehrt, ist sonnenklar abzunehmen, daß bei der euch anvertrauten Schuljugend überaus schlechte Disziplin gehalten, allen Untugenden derselben nachgesehen und durch eine ungezähmte Licenz selbe auf das Äußerste verderbt, mithin gutentheils durch euer Verschulden ein so herrliches Beneficium unverantwortlich abutirt wird. Wir bezeugen hierüber unser äußerstes Mißfallen. Bei der hiernächst vorsichgehenden Generalvisitation wird sich ergeben, an wem die Schuld haftet, daß bisher so gar schlechte Aufsicht und Disziplin gehalten worden. Wir befehlen euch sammt und sonders, daran zu sein, daß allen Exzessen durch fleißige Inspektion und scharfe [136] Disziplin vorgebogen, insonderheit die Jugend zu fleißiger Besuchung des Gottesdienstes und Gebrauch des h. Abendmahles angewiesen und gute Zucht erhalten werde.“ Einige Wochen darauf befahl die Regierung, das Tragen von Gewehren zu verbieten, auch den Handwerksburschen im Orte. Die verheißene Generalvisitation kam 1711 nicht zu Stande; Alles reduzirte sich wieder auf fruchtlose Korrespondenzen zwischen den beiden Häusern und Erlasse nach Heilsbronn. Der Verwalter erhielt einen scharfen Verweis wegen seines Verhaltens bei Schlägereien zwischen Scholaren und Handwerksburschen und wegen seiner Querelen mit dem Prediger, Rektor und den Präzeptoren. Er kam noch vor Jahresschluß in Untersuchung, nach Ansbach in Arrest, worauf seine Kassation folgte. Seine Stelle blieb Jahre lang unbesetzt und wurde durch Urban Zindel verwest, da die beiden Häuser über die Gebietsabtheilung miteinander verhandelten. Mittlerweile dauerten die Exzesse fort, daher fortwährende Untersuchungskommissionen, z. B. 1716 und 17 Inquisitionen gegen die Scholaren von Tanner, von Rothschütz, Wörner, Hartmann, von Reibnitz, Dietlein, Pöhlmann, von Resondi, von Nachtrab und Andere wegen Verwundungen mit Degen. Einige der Delinquenten saßen Monate lang in Untersuchungshaft im obern und untern Wachhause, Einige entwischten. Der Amtsverweser Zindel berichtete über den kassirten Verwalter Bachmann: „Hat vor seiner Abkunft nach Onolzbach und daselbst angegangenem Arrest die austräglichsten Geldgefälle an sich gezogen, der Schulden gar zu viele hinterlassen. Das Amt wird Jahre zu seiner Erholung nöthig haben und hat keinen Kredit mehr, so daß ihm (dem Amt) Niemand mehr Darlehen machen will.“

In Folge der ebengedachten Gebietsabtheilung von 1719 kamen viele Ortschaften des ehemaligen Mönchsstaates in der Nähe von Heilsbronn an Bayreuth; Heilsbronn selbst aber blieb theilweise gemeinschaftlich und daher nach wie vor der Zankapfel. Lediglich onolzbachisch wurde: 1. Die Pfarrstelle mit der Bestimmung: „Onolzbach hat künftig allein die Stelle zu besetzen.“ 2. Die (1771 abgetragene) Katharinenkirche, als künftige Pfarrkirche, [137] in welcher Onolzbach allein den Gottesdienst auf eigene Kosten anzuordnen hat. In derselben haben die Inwohner die sacra zu suchen; doch bleibt ihnen unverwehrt, zu Gebet und Predigt in die Klosterkirche zu kommen. 3. Der Ort Heilsbronn selbst mit Ausnahme dessen, was dort gemeinschaftlich bleiben soll. Und gemeinschaftlich soll bleiben: a. die Fürstenschule mit Personal und Gebäuden; b. die Wohnungen des Predigers und aller Bediensteten; c. die Jurisdiktion über die Fürstenschüler; d. das Schulgebäude sammt Küche, Keller und Utensilien; e. die Klosterkirche; f. der Kirchhof daran; g. die Bibliothek und Registratur; h. der heilsbronner Hof in Nürnberg; i. Randersacker. In der Klosterkirche hat der Pfarrer als gemeinschaftlicher Klosterprediger den Präzeptoren, Gymnasiasten und Schulbedienten zu predigen, Betstunde zu halten und für beide Herrschaften zu beten. Die Präsentation der Stipendiaten steht, wie bisher, den beiden Konsistorien zu. Klag- und Schuldsachen eines Gymnasiasten behandelt der Rektor, und wenn er Bedenken hat, so berichte er an dasjenige Konsistorium, welches den Gymnasiasten präsentirt hat. Fornikationen oberländischer Gymnasiasten behandelt das zunächst gelegene bayreuthische Amt (Neuhof). Bei Fällen der niedern Gerichtsbarkeit strafen die von beiden Häusern aufgestellten Beamten, Vergehungen gegen die Disziplin die Präzeptoren. Die Jurisdiktion quoad criminalia steht Onolzbach zu.

Durch die Gebietsabtheilung von 1719 wurde die Zwietracht der Fürstenhäuser nicht beseitigt, der trostlose Zustand der Fürstenschule nicht besser, ja Manches wurde noch schlimmer in Folge der Abtheilung, was sich schon im nächsten Jahre nach derselben herausstellte. Der neben dem Verwalterverweser angestellte Adjunkt Mich. Beer berichtete am 17. März 1720 nach Onolzbach: „Seit 10 bis 15 Jahren haben die beiderseitigen Alumni so viel Exzesse mit Saufen ganze Tage und Nächte, Spielen, Fluchen und Schlagen verübt, daß verschiedene Kommissionen zu deren Untersuchung hieher abgeordnet worden sind. Die jungen Leute sind in ein so liederliches Leben verfallen, daß die mehresten heimlich echappiren, viele aber, weil sie den [138] studiis gar schlecht obgelegen, von den Universitäten weg in den Krieg sich begeben, oder andere schändliche Lebensarten angenommen. Zur Abstellung dieses Unwesens kommunizirten Rektor Schmidt, Konrektor Pöschel und Magister Oeder mit mir, und wir kamen überein, dem Bräuer und der Wirthin und dem Thorwart bei 10 Thaler Strafe zu verbieten, den Stipendiaten Bier oder Anderes abzureichen, was der Rektor dem Coetus eröffnete. Dem zuwider forderten die drei bayreuther Alumni Memminger, Schneider und Neuper beim Bräuer Bier, und als sie keines erhielten, griff Memminger nach dem Degen. Da holte der Bräuer mich, und ich kam mit dem Amtknecht und zehn Bürgern, nahm ihm den Degen ab und arretirte ihn. Schneider und Neuper echappirten und gingen zum bayreuthischen Oberamstmann von Korff nach Neuhof. Dieser, hatten sie gesagt, habe befohlen, daß man ihnen Bier geben solle. Es war eben Markt in Neuhof und einige heilsbronner Handelsleute dort. Da ließ der Oberamtmann ihre Waaren in Beschlag nehmen und will sie nicht eher zurückgeben, als bis Memminger seines Arrests entlassen sei. Ich bitte nun um Verhaltungsbefehl und zugleich zur Abstellung der vielen Excesse der ganz außer aller Ordnung lebenden Schuljugend, in specie der bayreuther bösen Buben, ein Kommando von 20 bis 30 Mann regulirter Soldaten hieher abzuordnen, welche unter beiden Thoren die Wache versehen und das verruchte Volk in Gehorsam bringen. Die Bürger – mehrentheils liederliche versoffene Tropfen und zum Arretiren untüchtige Leute, die im Wachhaus den Stipendiaten allen Muthwillen gestatten – mögen zur Strafe für die Soldaten Quartier schaffen. Sonst möchte Mord und Todschlag entstehen.“ Der nachgesuchte Verhaltungsbefehl lautete: „Memminger ist auf Angeloben des Wiederstellens und ruhigen Verhaltens freizulassen, an den Kastner Heim in Neuhof protestando zu schreiben und von ihm die Auslieferung der Waaren der heilsbronner Bürger und künftig bessere Nachbarschaft zu verlangen, wegen des Verfahrens des Oberamtmanns von Korff höheren Ortes Beschwerde einzureichen.“ Der Kastner Heim [139] erklärte sich willfährig, rechtfertigte aber das Verfahren des Oberamtmannes von Korff, da Heilsbronn, dem neulichen Rezeß entgegen, dem Herrn von Korff keine Notifikation gemacht und ihn nicht zur Untersuchung beigezogen habe, weßhalb er zu Repressalien veranlaßt worden sei. Wenige Wochen nach diesen Vorgängen zeigte Beer die Alumnen Ulmer, Crailsheim, Frobenius und Burkhard wegen Schlägerei auf dem Keller an mit dem Beifügen: „Fast alle Demuth und Gottesfurcht ist ausgetilgt; man sehe die Verhandlungen über Fornikation seit 8 Jahren.“ Auf diese Anzeige erging ein scharfes Reskript von Onolzbach an die Präzeptores mit der Aufforderung, sich zu verantworten. Rektor, Konrektor und Kantor erklärten in ihrem Verantwortungsschreiben: „Hochwürdige Herren Patroni! Dero etc. haben durch ein ernsthaftes Reskript uns zu erkennen gegeben, daß die Alumni mit täglichem Schwelgen, Vagiren, Beleidigen der onolzbachischen Beamten und andere ärgerliche Bezeigungen dero großes Mißvergnügen erweckt. Wir haben viel Mühe angewendet, dieses abzustellen und in Bayreuth und Onolzbach inständigst um Securs angehalten, sind aber nicht mit Nachdruck secundirt worden. Man könnte in folgender Gestalt den Mißbräuchen begegnen: Die Eltern sollten ihren Söhnen kein Geld geben. Nicht die Scholaren, sondern deren Eltern sollten das Geld für Kleider in Empfang nehmen. Einschreiten gegen Erpressungen von Noviciis. Verbot an Wirthe. Bei Hochzeiten und Leichen sollte man das Singen dem Collaborator mit seinen deutschen Schülern übertragen, nicht mehr den Scholaren, welche sich dabei Exzesse erlauben und die Leute prellen. Keine Dienstleistungen mehr im Contubernio durch Mägde. Man verbiete den Inwohnern, den Scholaren Wohnung und Kost zu geben. Die Scholaren sollten nach dem Abendgebet zu Bett gehen, kein Feuer unterhalten dürfen; an die Rauchfänge sollten Schlösser gelegt werden. Außer den gewöhnlichen Vicarien sollten in jeder Klasse noch zwei Seniores angestellt werden. Weniger Vakanzen. Man sollte nur einen Eingang offen lassen, damit kein Schüler ohne unser Wissen ausgehen kann. Man gebe dem hiesigen Beamten Vollmacht, [140] das vagirende, mit Degen hinauslaufende Volk zu hindern; die Thorwache und alle Inwohner sollten angehalten werden, die Herumschweifenden zu desarmiren und einzuliefern etc. Wir haben solche Exorbitantien durch unsere Schuldisziplin nicht abstellen können. Dero etc. wollen doch selbsten einmal Disziplin führen, nicht nur durch Reskripte und Bedrohungen, welche bisher von bösen Buben nur wenig considerirt worden, sondern durch Execution dessen, was angedroht worden, damit ein boshaftiger junger Mensch Devotion gegen Gott und die Serenissimos und Vorgesetzte lerne.“ Diese gleichzeitig nach Ansbach und Bayreuth eingereichte Erklärung kam zurück an den Adjunkten Beer zur gutachtlichen Äußerung. Beer äußerte sich beistimmend, verlangte aber noch schärfere Strafen und fügte bei: „Die hiesige Schuljugend ist fast mehr den vitiis als den studiis ergeben. Die Pfarrerssöhne Meyer aus Frauenaurach und Schumm aus Wiesenbach, ruchlose Bursche, hatten Schlägerei mit Soldaten und dem Bräuknecht. Es geschehen Diebstähle von diesen jungen Leuten, die ganze Nächte im Kloster herumschwärmen.“ Die beiden Konsistorien korrespondirten nun miteinander und kamen überein: „der fast gänzlich verfallenen Disciplin aufzuhelfen.“ Sie schickten Untersuchungskommissäre und dekretirten auf deren Referat wie folgt: „Wir haben durch Abschickung einer Kommission vernommen, was für ein rohes und sündliches Leben fast durchgehends in unserem Markt und Kloster geführt wird. Als befehlen wir, das Aussteigen mit Relegation zu bestrafen etc. Münzmeyer, Vogtherr, Meyer und Hahn, die sich durch Entheiligung des Sabbaths am Pfingsttag sehr versündigt, habt ihr künftigen Sonntag zum Tisch des Herrn zu lassen, bei der Absolution ihre Sünden vorzuhalten, auch solche pro concione, jedoch nur in terminis genaralibus melden zu lassen etc.“ Das Fraischamt verurtheilte die Delinquenten zu viertägiger Thurmstrafe bei Wasser und Brot.

Der neuernannte Verwalter Rosa gerieth gleich bei seinem Eintritt in Konflikt mit den Professoren, nach deren Ansicht er bei Gelegenheit einer Schlägerei die Scholaren zu hart, die Handwerksburschen [141] zu gelind bestraft hatte. Der Verwalter und der Adjunkt bemerkten in einem von der Regierung hierüber verlangten Bericht: „Wir werden jederzeit in Schulsachen thun, was unsere Amtspflicht ist. Es steht aber zu besorgen, daß, wenn man zwischen den Schulkollegen und dem Amt keine genaue Harmonie beobachtet, vielmehr dem Amt contradicirt und die ganz verwilderten Scholaren in ihrer boshaften Aufführung nicht gehörig bestraft, mithin denselben Polster untergelegt werden, der heilsame Zweck nicht zu erlangen sein dürfte.“

Am 21. Aug. 1721 starb Krebs, nachdem er 46 Jahre lang in Heilsbronn gewirkt hatte, erst als Rektor, dann als Prediger. Im folgte 1722 als Prediger Ludw. Hocker, über dessen Verdienste in den Beitr. ausführlich berichtet worden ist. Auch unter seiner Mitleitung blieb die Schule verwildert wie zuvor. Er überzeugte sich bald von der Erfolglosigkeit der ihm zu Gebot stehenden Schulstrafen und nahm, wie Alle vor ihm, seine Zuflucht zu Anzeigen und Nothrufen. Im Verein mit seinen drei Kollegen zeigte er dem Verwalter Rosa und dem Adjunkten Beer an: „Der Kantorswittwe wurden die Fenster eingeworfen. Der Verdacht ruht auf einigen Schülern, die nach dem Abendgottesdienst im Wirthshaus zu Weißenbronn Fische aßen, Wein tranken, zwar um acht Uhr bei der Inspektion anwesend waren, aber dann in der Nacht ausstiegen, in der Stube der abgeschiedenen Lieutenantin Lubetich aus Hof mit deren Sohn und einem Zimmergesellen Bier tranken. Dabei ergab sich, daß die Wirthe nicht ablassen, zu verbotenen Zeiten Trunk abzugeben und daß Frau Lubetich Unterschleif gewährt.“ Frau Lubetich wurde angewiesen, mit Sohn und Tochter Heilsbronn zu verlassen, „da sie und ihre Tochter nichts tauge und die Schüler verführe, namentlich den Reinert.“ Der an die Stelle des verstorbenen Verwalters Rosa gekommene Verwalter Bernhold (Mitschöpfer des Heilbrunnens, lt. Beitr. S. 28 bis 30) berichtete 1724 an die Markgrafen: „Ich habe die kurze Zeit meines Hierseins schon Verschiedenes von der Bosheit der Schuljugend erfahren müssen. Der Meister von allen Exzessen ist Beyerlein, der von groben [142] Lastern Profession macht. Bitte, dergleichen in Lastern versoffene Leute zu strafen und zu entfernen.“ Beyerlein, Pfarrerssohn aus Ursheim, wurde wegen Nothzucht relegirt. Bernhold und Beer erhielten von Ansbach folgende Weisung: „Nachdem man wahrgenommen, was von der studirenden Jugend in Heilsbronn für ein gottloses Leben geführt wird, als ergeht zum Verwalteramt der Befehl, dergleichen sündhaftes Leben abzustellen und weiter darüber zu berichten.“ Der weitere Bericht lautete: „Bei diesem ganzen Coetu ist wenig oder wohl gar keine Gottesfurcht zu spüren, keine Ehrbarkeit, Mäßigkeit, Respekt gegen Obrigkeit und Präzeptoren, mehrentheils Gelächter über ihre Übertretungen und beim Ablesen von den Legibus, Fluchen, Saufen, Hoffahrt in Kleidern, bordirte Hüte, Perücken, weiße Mäntel, Haarzöpfe etc. Sie verkaufen das ihnen von der Herrschaft gegebene Tuch und verthun das Geld. Beim Essen, wobei unter Inspektion eines Präzeptors in der Bibel gelesen wird, werfen sie einander mit Brot, schlagen und raufen, welches sie auch öfter in der Kirche gethan. Sie malen und schreiben die schändlichsten Figuren und Worte aller Orten in der Kirche, versetzen und verkaufen Bücher, Kleider und Betten in loco oder auf den Dörfern, achten die Schulstrafen für nichts. Die Besseren werden gleich bei der Hieherkunft zur Hartnäckigkeit verleitet. Es ist auch die Harmonie der Präzeptoren ziemlich schlecht. Der Prediger Hocker bezeigt zwar viel Eifer, wie auch der Rektor Schmidt noch viel Autorität hat. Hingegen ist die Autorität beim Konrektor und Kantor desto schlechter. Die Musik liegt sehr darnieder.“ In gleichem Sinne berichtete Hocker an die Regierung: „Loder, Beck und Arzberger, onolzbachische Beneficiarii, sind nach Distrahirung ihrer Sachen ausgetreten. Wir wissen mit aller möglichen Aufsicht und Korrektion das Spielen und Saufen nicht zu verhüten. Unsere gewöhnlichen Schulstrafen wollen kaum mehr zureichen. Wir bitten daher um ein bedrohliches Monitorium gegen das Spielen, Trinken, Veralienirung der Bücher, rüdes Traktament gegen die Unteren. etc.“ Den Einen und Andern der Wüstlinge nahm Hocker zu sich in das Haus, z. B. auf Bitten des Vaters den Doktorssohn [143] Keck aus Bayreuth, aber ohne Erfolg. Bayreuth fuhr fort, seine Wüstlinge in Schutz zu nehmen, während Onolzbach sie bestrafen wollte. Dazwischen erhielt Hocker von Eltern Briefe voll Klagen über den Kantor Pöschel, der seine Schüler mörderisch prügelte. 1727 war der Stand der Schule wie folgt: Nur 12 Schüler wohnten im Gymnasium, 4 bei Hocker, die übrigen bei andern Lehrern oder in Bürgerhäusern. Bernhold und Beer berichteten: „Es fehlt fast mehr an den Docentibus als an den Discentibus. Der Rektor ist ein alter Mann, dem das bei dieser rohen Jugend nöthige Visitiren bei Tag und Nacht zu beschwerlich sein will. Bei einer Visitation des Abends acht Uhr fanden sich auf dem Contubernio anstatt 12 nur 2 beim Gebet, denn 10 waren im Bräuhaus und machten Skandal. Der Konrektor und der Kantor wollen das Visitiren nicht besorgen, weil es ihrem Karakter und ihrer Kommodität nachtheilig sei. Diese Beiden haben einander durch die härtesten Injurien prostituirt, gebrauchen unverantwortliche Passiones bei der Information, Parteilichkeit gegen Arme, welche bei ihnen keine Privatstunden nehmen, haben allen Respekt verloren. Der Wohlstand der Schule ist schwerlich zu hoffen, als bis nach dem Willen Gottes und beiderseits hochfürstlicher Häuser gemeinschaftlich näherer Einsicht eine Änderung mit diesen beiden Collegis getroffen und an deren Stelle andere Subjekte bestellt werden.“ Allein es geschah in den nächstfolgenden vier Jahren nichts, als daß die beiden Konsistorien reskribirten: „Nachdem der Konrektor Pöschel und sein Tochtermann, Kantor Haberstumpf, beständig in Haß und Feindschaft leben, also werden sie erinnert, sich besser zu betragen; wo nicht, so wird mit Beiden eine Änderung vorgenommen werden.“

Inzwischen dauerte die Zuchtlosigkeit fort. Drei Jahre später berichteten Bernhold und Beer: „Zufolge der geschärften Verordnungen hat man öfters um der meist boshaften Scholaren willen nächtlich patrouillirt und selbige theils gütlich zum Heimgehen gemahnt, oder zu Arrest gebracht, oder mit dem Karzer bestraft. Es ist aber mit solch bösen Buben dahin gediehen, daß sie ihre Präzeptores gar nicht achten, auf der Gasse entsetzlich [144] fluchen, wie bei ganzen Armeen nicht erhört, und Zoten treiben. So wieder in voriger Nacht, als ich selbst mit dem Amtknecht herum ging, auf dem Contubernio keinen einzigen fand, aber bei dem Rosaischen Haus einen Complot von 20, die ich zum Heimgehen ermahnt. Die Meisten antworteten: „Donner und Wetter soll drein schlagen, alle Teufel sie holen, so ließen sie sich nicht einschränken!“ Ich ließ den Prediger Hocker und bewaffnete Bürger rufen. Es waren meist besoffene böse bayreuther Buben, die bereits Zaunstükel vom Rosaischen Garten gerissen hatten. Endlich brachten wir sie aufs Contubernium. Ich schlage vor, die Relegation wenigstens anzudrohen, da sonst Niemand mehr auf der Gasse sicher ist.“ Auf die Rückseite des Konzepts schrieb Bernhold: „Haben mich und Herrn Prediger cujonirt, brüllen Nachts wie das Vieh, tanzen in Bonhof, Oertel aus dem Bayreuthischen wegen Schwängerung relegirt.“ Monate vergingen, bis sich die beiden Konsistorien wegen Absendung einer Untersuchungskommission einigten. Die Räthe Schwarz und Cleminius inquirirten vom Januar bis März 1731, nachdem ihnen Hocker und Bernhold ein Promemoria über den kläglichen Stand der Schule eingehändigt hatten. Unter Bezugnahme auf die oben besprochenen Schulgesetze bemerkte Hocker in seinem Promemoria: „Jedes dieser Gesetze wird schändlich übertreten. Schwören und Fluchen ist unter den kleinen und großen Alumnen so gemein wie bei Soldaten. Das Abendmahl wird selten gehalten, ohne daß ein Unfug vorkommt. Von langen Jahren her werden alle Bosheiten geheim gehalten oder einstimmig geleugnet. Die Kleineren werden von den Größeren brutal traktirt, wagen daher nicht zu klagen. Ihre Kleider verkaufen und verludern sie. Seit dem letzten Tumult sind ihnen ihre Degen abgefordert worden; sie wissen aber dergleichen bei der Bürgerschaft zu verstecken. Seit langen Jahren ist Saufsucht unter ihnen. Aus der Inkarzerirung macht sich mancher böse Bube noch eine Ehre. Die Baculirung coram coetu hat die gehoffte Emendation nicht nach sich gezogen.“ Bernhold bestätigt und vervollständigt dieses Sündenregister in seinem Promemoria und bemerkt: „Diese unzähligen Verbrechen [145] sind anders nicht zu emendiren, als durch Bestellung von solchen Präzeptoren, welche mehr Autorität gewinnen.“ Während der ersten Anwesenheit der genannten Untersuchungskommissäre erschien ein „schändliches pasquillantisches Lied, welches von den Schülern im Wirthshause abgesungen wurde,“ und die abermalige Abordnung der beiden Kommissäre veranlaßte. Der Kommissär Schwarz sagte u. A. in seiner Relation: „Bei der ersten Kommission ergab sich, daß Aufsicht und Zucht fehlt, massen der Prediger Hocker an den Sonntagen sich der Inspektion gänzlich entzieht, der Rektor wegen Apoplexie den Schülern nicht nachsehen kann, der Konrektor und Kantor sich durch ihre Conduite verächtlich gemacht haben. Ich habe die Schüler versammelt und ihnen die Gebote über die Sonntagsfeier, auch Taulerei Bedenken vorgehalten, und wie unverantwortlich es sei, das Benefizium für Arme so zu mißbrauchen. Aber statt der versprochenen Besserung sind von einigen Alumnen obscöne Lieder im Posthause und in den Klassen gesungen und vier derselben nach Onolzbach geschickt worden, wo man für nöthig fand, auf die Autores zu inquiriren; wir konnten aber diese nicht offenbar machen.“ Die beiden Regierungen erklärten, daß eine totale Änderung bei der Schule nöthig sei, und verurtheilten die Tumultuanten zur Zahlung von 142 fl. Untersuchungskosten. Die Haupttumultuanten waren Pöhlmann, Rößler, Seyfert, Schülin, Hofmann, Schifferer, Herrgott, Held, Pertsch, Vogtherr, Bart, Oertel, Osterwald, Pühl, Otto, Maler, Sehner und Döbler. Ueber zwei derselben, Oertel und Sehner, verhandelte und erkannte das Fraischgericht Windsbach wegen Schwängerung. Sehner, Dekanssohn aus Langenzenn, entfloh. Die Strafe der Geschwängerten (Schulpachterstochter), welche bereits ein Kind von einem Alumnus hatte, bestand darin, daß sie 6 fl. an die Herrschaft und 7 fl. Sporteln zahlen mußte. Die zweimalige Untersuchung hatte nicht den gewünschten Erfolg. Der Verwalter Bernhold starb noch in diesem Jahre. Sein Nachfolger Kern berichtete i. J. 1733: „Es ist am Trinitatisfest auf Anstiften einiger Scholaren, welche sich bekanntlich mehr mit Brutalisiren und Saufen als Studiren distinguiren, über die [146] Handwerksbursche eine völlige Jurisdiktion behaupten und sie als Sklaven und Leibeigene mit Schlägen und Injurien angehen, wieder Schlägerei vorgefallen und die Scholaren mit blutigen Köpfen abgefertigt worden. Die sechs Tumultuanten haben sich nicht gescheut, während der Untersuchung auf das Amthaus, wo die Untersuchung geführt wurde, heimlich eine Stütze Bier praktiziren zu lassen, um im Saufen nicht aus der Gewohnheit zu kommen.“

In dieser Weise dauerten die Exzesse noch drei Jahre lang, bis zur Schulaufhebung fort. Im Aufhebungsjahre verhandelte das Fraischamt Windsbach noch über zwei Schwängerungsfälle. Des Kollaborators Magd hatte bereits zwei Kinder und gebahr nun das dritte, erzeugt mit dem Alumnus Brendel, Kriegskommissärssohn aus Bayreuth. Das Erkenntniß ex consilio aulico lautete: „Die Magd ist aus dem Fürstenthum zu schaffen und wegen der Kindesalimentation an den Brendel zu verweisen.“ Der andere, gleichfalls in Windsbach verhandelte Fall betraf die Metzgerstochter und den Alumnus Rauh, Amtmannssohn aus Frauenaurach. Mit Bedauern liest man in den Gymnasialakten folgende Notiz aus den vier letzten Jahren vor der Schulaufhebung über einen Mann, den wir bisher als achtungswerth kennen gelernt haben: „Der alte Rektor Schmidt schrieb ein anzügliches Carmen auf den verstorbenen Verwalter Bernhold.“ Die Regierung verurtheilte ihn deßhalb zu einer Strafe von 30 Thalern mit dem Bemerken: „Der Rektor Schmidt bezeigt eine seinem Alter ganz unverständige Conduite und legt in diesem Carmen sein vergalltes Gemüth an den Tag.“

Der Stand der Schule war, wie wir gesehen haben, fortwährend trostlos und nirgends eine Aussicht auf Besserung; die beiden Fürstenhäuser beschlossen daher, sie aufzuheben und auch das seit der Abtheilung von 1719 noch gemeinschaftlich Gebliebene zu vertheilen. Nachdem man sich über das jedem Theile Zukommende verständigt hatte, wies der Markgraf Friedrich von Bayreuth unt. 22. Sept. 1736 die oberländischen Gymnasiasten an, Heilsbronn zu verlassen und nach Bayreuth überzusiedeln. [147] Zugleich notifizirte er, daß vom 1. Nov. an Bayreuth keine Besoldungen mehr nach Heilsbronn zahlen werde. Die unterländischen Gymnasiasten und sämmtliche Lehrer blieben vorerst noch an Ort und Stelle bis zur Entscheidung der Frage: Ob es rathsam sei oder nicht, die Fürstenschule als eine lediglich onolzbachische in Heilsbronn fortbestehen zu lassen. Hocker sprach sich bejahend aus aus folgenden Gründen: „Der Abt Schopper stiftete seine Schule in Heilsbronn, was Melanchthon, Brenz, Osiander, auch Luther rühmend anerkannten. Georg Friedrich stiftete die Fürstenschule daselbst, fern von dem geräuschvollen Hofleben, was heilsam für Lehrende und Lernende ist. Dadurch vermied er auch den Schein, als habe er das Kloster sekularisiren und die kaiserlichen und päpstlichen Privilegien aufheben wollen. Durch Aufhebung der Fürstenschule gibt man dem päpstlichen Stuhle Anlaß, seinen Anspruch an die Klostergüter zu erneuern. Dadurch verliert Heilsbronn seinen 600 Jahre lang behaupteten Ruhm. Die hiesigen 100 Familien verlieren ihre Nahrung und werden gar Bettelleute. Man lasse die Schule für 25 bis 30 unterländische Alumnen fortbestehen, führe, wie in Schulpforta, eine bessere Disziplin ein und stelle durch Visitationen die eingerissene Unordnung ab; dann werden sich auch Leute finden, die auf eigene Kosten ihre Kinder hieher schicken.“ Gleichzeitig stellten sämmtliche Bürger dem Markgrafen vor: „So lang das Gymnasium besteht, ist herkömmlich, daß die Gottesdienste, Hochzeiten und Leichen mit dem Gesang der Alumnen und der Präzeptoren allein versehen werden. Gehen diese ab, so bleiben in der deutschen Schule nur wenige Knaben für den Gesang und der Gemeinde fehlt das angenehmste Stück des Gottesdienstes, ihre Todten müssen ohne christgewöhnlichen Gesang begraben werden. Die hiesigen Bürger und Bedienten, meist arm, konnten bisher ihre zum Studiren tauglichen Söhne hier unterrichten lassen, dann aber nicht mehr. Wir verlieren unsere Hauptnahrung, denn Feldbau und Viehzucht haben wir nicht, wir leben bloß vom Gymnasium.“ Selbstverständlich blieb es trotz aller dieser Vorstellungen bei dem einmal gefaßten Beschlusse. Am 31. Jan. 1737 wurden auch [148] die noch vorhandenen 15 unterländischen Gymnasiasten angewiesen, in Onolzbach einzutreffen. Das Bettwerk, alles schadhaft und schlecht, Bücher, Geräthe etc. wurden an den Rektor Oeder in Ansbach abgeliefert. Fortan hatte das Klosteramt jährlich an das Gymnasium in Ansbach abzuliefern: 2537 fl. 30 kr. baar und 70 Klafter Brennholz. Einheizer, Metzger, Bettwärterin und die beiden Nachtwächter erhielten kleine Pensionen. Hocker wurde für den erlittenen Verlust in der Weise entschädigt, daß er eine Personalzulage von Onolzbach erhielt. Der 77jährige Rektor blieb in seiner Wohnung in Heilsbronn, erhielt einen Ruhegehalt und starb nach zwei Jahren. Der Konrektor Pöschel zog weg und starb nach einigen Monaten. Der Kantor Haberstumpf wurde anderwärts angestellt. So endete die Fürstenschule. Das Gymnasialgebäude (Dormitorium zur Zeit des Klosters, Contubernium zur Zeit der Fürstenschule genannt) stand nun eine Zeitlang leer, wurde dann Getreidemagazin, neuerlich zum Theil Frohnfeste, zum Theil ganz abgetragen, die Bibliothek nach Erlangen gebracht, nachdem, wie in den Beitr. S. 246–49 berichtet wurde, das Projekt, in Heilsbronn eine Universität zu errichten, gescheitert war.

Man sieht beim Rückblick auf Abschn. IX und XI, daß der Stand des religiös-sittlichen Lebens in der Fürstenschule zu keiner Zeit ein recht erfreulicher, sondern im Gegentheil meist ein sehr unerfreulicher war. Georg Friedrich und seine Rathgeber beabsichtigten, in ihrer neuen Pflanzschule wissenschaftlich-gebildete, religiös-sittliche Männer für den Staats- und Kirchendienst heranzuziehen und durch dieselben bessernd auf das religiös-sittliche Volksleben einzuwirken. Ihre konfessionelle Richtung war streng lutherisch gemäß der Formula Concordiae. Dieses kurz vor Errichtung der Fürstenschule verfaßte, bereits oben erwähnte Buch sollte den Zwiespalt in der lutherischen Kirche beseitigen und das strenglutherische Bekenntniß aufrecht erhalten; es sollte Eintracht bringen und erhalten; daher obiger Name: Concordien- oder Eintrachtsbuch. Jeder heilsbronnische Lehrer und Prediger mußte es zum Zeichen der Anerkennung unterschreiben. Man [149] erklärte, wie Abschn. IX u. XI oft erwähnt wurde, die strenglutherische Anschauung bald für die allein wahre, bald für die allein seligmachende und erwartete zuversichtlich, daß der gereinigte Lehrbegriff das religiös-sittliche Leben in allen Schichten des Volkes verbessern werde. Daß man sich in dieser Erwartung getäuscht hat, sahen wir bereits oben im VI. Abschnitt, wo über den Stand des religiös-sittlichen Lebens in allen Klosterpfarreien im Reformationsjahrhundert berichtet wurde. Wie in den Klosterpfarreien, so wurde auch in der Fürstenschule das religiös-sittliche Leben durch den gereinigten Lehrbegriff nicht besser. Liturgie, Predigt, Beichte und Abendmahl, Religionsunterricht, die täglichen zweimaligen Gottesdienste, Bibellektionen während des Essens –, das Alles wurde in strenglutherischem Sinne vollzogen, der Katechismus Luther’s in drei Sprachen eingeprägt; die Predigten mußten von den Scholaren summarisch nachgeschrieben werden; Jeder mußte bei seiner Aufnahme durch Unterschrift versprechen, die Leges über das Verhalten zu befolgen. Gleichwohl war das Leben der Schüler irreligiös und unsittlich schon in der ersten Zeit; noch schlimmer wurden und blieben die Zustände nach dem 30jährigen Kriege in Folge der durch ihn herbeigeführten allgemeinen Verwilderung, namentlich im Familienleben. Augenfällig waren die nach dem Kriege in die Schule aufgenommenen Knaben schon bei ihrer Aufnahme roher als die vor dem Kriege aufgenommenen. Durch das Zusammenleben mit Gleichgesinnten wurden sie noch roher; die verhängten Strafen und die angewendeten religiös-kirchlichen Erziehungsmittel hatten bei ihnen nicht den gewünschten Erfolg; am allerwenigsten die höheren Ortes erlassenen Reskripte und angeordneten Visitationen. Die Prediger, Rektoren und Professoren waren (Hocker ausgenommen) Zöglinge der Fürstenschule. Keiner unter ihnen war im Stande, die Schule zu heben. Obgleich stets von den Regierungen gemaßregelt, blieben sie dennoch, wie sie waren; durch zahllose Reskripte und Verweise wurde nichts gebessert. Es fehlte bei ihnen, wie bei den zwei Regierungen und Fürstenhäusern, Zusammensicht. Die Erfahrung hat jederzeit gelehrt, daß dergleichen [150] Schulen nur dann gedeihen, wenn sie von tüchtigen Männern gegründet oder geleitet werden, welche ohne Einmischung von Oben selbstständig handeln, ihre Hilfslehrer nach eigenem Ermessen wählen können und ohne detaillirte Regulative ihre Schüler zu leiten verstehen. Ganz anders war es bei der Fürstenschule, deren Leiter und Lehrer alternirend von Bayreuth und Onolzbach ernannt wurden, wodurch stets Elemente zusammengewürfelt wurden, die nicht zusammen paßten.

Wohlmeinend, aber ebenfalls erfolglos, suchte man durch Musik auf das religiös-sittliche Leben bessernd einzuwirken. Es wurde Musik gelehrt, ein neues Gesangbuch eingeführt, der Chorgesang beim Gottesdienst durch Instrumentalbegleitung gehoben, bei Leichen erbaulich gesungen. Auch hierbei entsprach der Erfolg den Erwartungen nicht, das Leben der Zöglinge wurde dadurch nicht veredelt. Man durchschaute damals noch nicht, was späterhin die Erfahrung gelehrt hat, nämlich folgendes: Die Künste insgesammt, darunter die Musik, tragen unendlich viel bei zur Verschönerung des Lebens, insonderheit zur Verherrlichung des kirchlichen Gottesdienstes; aber feste religiös-sittliche Grundsätze werden dadurch nicht eingepflanzt. Diese sind nicht die Frucht künstlerischer momentaner Erregungen, sondern lediglich einer andauernden Gewöhnung. Nur da findet man ein besseres religiös-sittliches Volksleben, wo Staatseinrichtungen bestehen, durch welche durchgreifend und andauernd das Böse gehindert, das Gute durch andauernde Gewöhnung an dasselbe gefördert wird. Wo diese, Staatseinrichtungen fehlen, wie sie in dem heilsbronner (nachmals markgräflichen) Mönchsstaate gefehlt haben, da steht es auch nicht gut mit dem religiös-sittlichen Familien- und Volksleben, da müht man sich vergebens ab, durch Schule, Kirche, Kunst, Musik etc. zur Religiosität und Sittlichkeit zu erziehen. Altersgenossen des Verfassers, welche mit ihm vor fünfzig und sechzig Jahren bemüht gewesen sind, religiös-sittliches Leben zu wecken und zu fördern, werden sich erinnern, daß wir durch Schule, Kirche, Künste, namentlich durch Musik, bessernd einzuwirken suchten, insonderheit durch Veredlung des Schul-, Kirchen- und Volksgesanges, [151] durch liturgische Gottesdienste etc. Allein eine fünfzig- und sechzigjährige Erfahrung hat uns gelehrt, daß es dadurch im religiös-sittlichen Volksleben nicht besser geworden ist. Es ist bekannt, wie ermuthigend, erschütternd, erbaulich und rührend Musik einwirkt auf den Schlachtfeldern, in Theatern und Kirchen, wie ergreifend ein tausendstimmiges „Nun danket Alle Gott“, oder „Ein veste Burg ist unser Gott.“ Allein eben so bekannt ist, daß alle diese Erregungen vorübergehend sind, daß durch dieselben feste und bleibende religiös-sittliche Grundsätze nicht eingepflanzt werden. In Deutschland findet man musikalische Begabung weit häufiger, als in manchem andern Lande; kein anderes ist so reich an erbaulichen Kirchenliedern und Kirchenmelodien, wie das protestantische Deutschland; gleichwohl steht es in religiös-sittlicher Beziehung tiefer, als manches andere Land, wo musikalische Begabung seltener und ein so reicher Lieder- und Melodienschatz nicht vorhanden ist. Der Musikunterricht wurde in der Fürstenschule vom Kantor, dem dritten Gymnasialprofessor, einem Theologen, ertheilt. Organist war in der Regel ein Gymnasiast, welcher eine kleine Besoldung erhielt. Eine kleine Remuneration erhielt auch derjenige Gymnasiast, welcher beim Gottesdienste den Dulcin blies, ingleichen auch der Posaunenbläser. Eine Zeitlang besorgte der Wirth in Heilsbronn den Organistendienst. 1682 erscheint als Lehrer von Saiteninstrumenten Heinrich Kalkar, ein konvertirter Dominikanermönch, welcher 20 fl. Besoldung und seine Wohnung in der alten Schneiderei erhielt; „ist aber schon 1683 durchgegangen und hat seinen Abschied hinter der Thür genommen.“


Die 7 Prediger (Nr. 15 bis 21) in Heilsbronn in dieser Periode.

Der 14. Klosterprediger Snoilshik verließ 1635 Heilsbronn, vom Hunger weggetrieben, wie Abschn. IX berichtet wurde. Seine Stelle konnte acht Jahre lang nicht wieder besetzt werden, da zur Besoldung eines Geistlichen die Mittel fehlten. Nach achtjähriger Vakanz traf man Anstalt zur Wiederbesetzung. Das Besetzungsrecht stand dießmal Onolzbach zu. Es kamen zwei unterländische [152] Kandidaten, Beide heilsbronnische Stipendiaten, in Vorschlag, der Eine noch auf der Universität, der Andere seit einigen Monaten Diakonus in Ansbach. Der Verwalter Krebs berichtete darüber unt. 30. Juni 1642 an die beiden Regierungen: „Die hiesige Prädikatur ist seit der Zerrüttung des Klosters unbesetzt; daher herrscht anstatt des Gottesdienstes fast eine Barbarei. Solchem vorzubeugen und damit die Jugend dieß Orts gleich andern im Christenthum erbaut werde, bitten wir um Wiederbesetzung der Stelle und schlagen für dieselbe vor J. G. Kehrer, gegenwärtig Studiosus in Erfurt. Dadurch würde Gottes Ehre und der Menschen Wohlfahrt gefördert, auch die ausgestreuten schimpflichen Nachreden verhütet. Sollte Kehrer beanstandet werden, so proponiren wir den Magister Knoll, gewesenen Diakonus in Onolzbach, dieser Zeit ohne Dienst, aber seines ehrbaren stillen Wandels und seiner Erudition halben gerühmt. Dann würde die Jugend wieder unterrichtet und die bisherige schimpfliche Nachrede ausgetilgt. Auch dürfte es dazu beitragen, daß die Fürstenschule wieder aufgerichtet würde, wozu Knoll geeignet wäre. Der Leib- und Seelenverlust, welchen bisher Alt und Jung in Ermangelung eines getreuen Kirchenlehrers gelitten, ist nicht zu beschreiben.“ Der Vorgeschlagene erhielt als 15. Klosterprediger die Stelle.

15. M. Anton Knoll (1643–57) zog, wie im X. Abschn. berichtet wurde, militärisch eskortirt, in Heilsbronn ein, wo Hunger und Kummer und Kriegswehen seiner warteten. Den Erwartungen, die man bei seiner Ernennung von ihm hegte, entsprach er nicht. Er entzweite sich bald mit dem Verwalter Krebs, dem er seine Berufung vorzugsweise verdankte. Bei der wieder eröffneten Fürstenschule suchte man seinen Einfluß möglichst fern zu halten, laut folgender Regierungsentschließung: „Der Prediger Knoll hat sich bei der Schule alles Lehrens zu enthalten, dem Konrektor hinsichtlich der Inspektion keinen Eintrag zu thun, sondern seine kirchlichen Geschäfte abzuwarten, seine Predigten fleißig auszuarbeiten, die Gebete laut, langsam und verständlich zu sprechen und die Bibliothek sauberer als bisher zu halten.“ Sein [153] geselliger Verkehr mit seinen Amtsnachbarn Müller in Petersaurach und Renner in Weißenbronn war nicht empfehlend. Bei einer dieser geselligen Zusammenkünfte in seinem Pfarrhause ereignete sich die oben Bd. II. bei Weißenbronn berichtete Ermordung des ebengenannten Pfarrers Renner. 1657 kam Knoll nach Langenzenn.

16. M. J. Gg. Fuchs (1657–58), nach dem Turnus von Bayreuth angestellt, früher Diakonus in Kulmbach, kam 1657 nach Heilsbronn und starb schon im folgenden Jahr. Seine Wittwe zog nach Hof.

17. M. Elias P. Schöderlein (1659–66), von Onolzbach angestellt, geboren in Ansbach, dort Rektor, dann Prediger in Heilsbronn, wo er 45 Jahre alt starb. Nach seinem Tode wurde seine Stelle vier Jahre lang verwest. Während dieser Vakanz deliberirten die beiden Regierungen über Mittel und Wege, um die trostlosen Zustände in der seit elf Jahren wiederbestehenden Fürstenschule zu verbessern. Die Einen stimmten für Wiederanstellung eines Abts, dem die Leitung der Schule übertragen werden sollte. Die Andern hielten dafür, man sollte die Predigerstelle einem tüchtigen Manne verleihen und diesem die Inspektion und die Leitung, in Gemeinschaft mit dem Rektor, übertragen. Man entschied für Letzteres, und Bayreuth verlieh die Stelle dem Magister Händel.

18. M. Gottf. Händel (1670–75), zuvor Pfarrer in Frauenaurach, erstattete den oben mitgetheilten höchst betrübenden Bericht über den Stand der Schule und bezeichnete öftere Visitationen als das wirksamste Heilmittel, welches auch sofort angewendet wurde. Als Generalsuperintendent visitirte er selbst wiederholt; aber alle seine Bemühungen waren fruchtlos, ob er gleich ausgebreitete Gelehrsamkeit und ein bewundernswerthes Gedächtniß besaß. Er schrieb eine hebräische Rede de regulis bene et christiane vivendi, eine griechische Rede de statu veri pastoris sub persona Johannis Baptistae, eine lateinische Rede de pietate et prudentia domus brandenburgicae, eine Lobrede auf die Kurfürsten Friedrich I. und Albrecht Achilles, auf den [154] Markgrafen Georg etc. (des Kurfürsten Friedrich II. wird nicht gedacht), und ein deutsches Gedicht vom wahren Heilbronnen. Zweck dieses Gedichts ist: Lob der Fürstenschule und Ermunterung, aus diesem Brunnen des Heils zu schöpfen. Händel rezitirte es (360 Alexandriner) aus dem Gedächtniß bei Gelegenheit einer Schuljahresfeier. Darin sagte er u. A.: „Hoch- und vielgeliebte Anwesende, liebwerthe Anbefohlene!

Mit Euch sei Gottes Heil, mein Christus mit Euch Allen,
Die Ihr zu hören mich Euch lasset nicht mißfallen!
Willkommen, werthe Freund’! Ich danke Eurer Lieb,
Die Euch zu dieser Stund in diesen Hörsaal trieb.
Hier ist nicht Cicero, nicht Seneca zu hören,
Kein Cato redet heut, kein Heinsius wird lehren,
Kein Opitz ist allhier, kein Flämming stellet sich,
Kein Rist, auch Birken nicht; Ihr werdt nur hören mich.
Mich Teutschen höret jetzt mit teutschen Worten sagen
Vom wahren Bronn des Heils, vom Bronnen, der Behagen
Kann bringen unserm Bronn. Heilsbronn, ich meine Dich! etc.
So muß sein unser Born: er muß nicht lassen fallen
Die Lehre von sich hin; es muß empor stets wallen
Der Lehr und Tugend Kraft. Wer Alles bald vergißt,
Der ist dem Kranken gleich, der nicht weiß, was er ißt. etc.
Du hörst den Prediger und weißt nicht, was er saget,
Und ob er schon darob zu Zeiten schmerzlich klaget,
So hast Du’s einen Hohn und treibest Deinen Spott;
Es läßt sich aber nicht verspotten unser Gott.
Du springest, frissest, saufst, bist toll in Deinem Kragen,
Du gibst den Ueberfluß aus Deinem vollen Magen,
Du schreiest, jauchzest, spielst an Deines Gottes Fest,
Und willst doch noch dazu von Christen sein der best
Dieß Alles lasset uns, Ihr Gotteskinder, fliehn etc.“

Rektor Coeler, Konrektor Brecht und der dritte Professor Goldner fügten diesem Gedichte lateinische Verse bei, worin sie dem Dichter ihre Bewunderung bezeigten. Der gleichfalls anwesende Sekretär des Ritterkantons Steigerwald, Schober, schrieb bei: „Mit diesem [155] beehrt wohlmeinend Herrn Predigers und Professors Händels hochberedten Mund dessen etlichemal gewesener Zuhörer Schober.“

19. M. Mart. Clemens Coeler (1675–91), von Onolzbach ernannt, war der erste Rektor an der wiedereröffneten Fürstenschule, erhielt 1675 die Predigerstelle, die er bis an seinen Tod bekleidete. Er wurde wegen seines Fleißes und seines exemplarischen Lebens von beiden Regierungen hochgeschätzt. Was mußte der wohlgesinnte Mann empfinden beim Rückblick auf sein 36jähriges Wirken an einer Schule, die gleich von vornherein zuchtlos war und von Jahr zu Jahr zuchtloser wurde.

20. M. Joh. Fried. Krebs (1692–1721), von Bayreuth zum Prediger ernannt, war erst Rektor in Heilsbronn, in beiden Funktionen 46 Jahre lang thätig, aber ebensowenig wie Coeler im Stande, die Schule zu heben und der Zuchtlosigkeit Einhalt zu thun.

21. M. Joh. Ludw. Hocker (1722–46), von Onolzbach ernannt, erst Feldprediger, dann Diakonus in Krailsheim bis zu seiner Berufung an die Prädikatur in Heilsbronn. Auch ihm gelang es nicht, der Verwilderung zu steuern. Daß aber Alle, die sich für Heilsbronn’s Geschichte interessiren, seiner dankbar gedenken, ist oben oft erwähnt und in den Beiträgen besonders hervorgehoben worden. Er war Zeuge der Aufhebung der Fürstenschule und starb 1746.

Sechshundert Jahre lang war Heilsbronn, wie wir gesehen haben, ein geschichtlich denkwürdiger, meist sehr belebter, viel besuchter Ort. Von nun an ereignete sich dort nicht mehr viel Denkwürdiges. Es wurde stiller daselbst, Vieles von den literarischen und artistischen Schätzen weggebracht, keine fürstliche Leiche mehr dort bestattet. Das ursprüngliche Klostergebäude wurde Amts- und Gerichtsgebäude, die alte Abtswohnung größtentheils, manches andere Klostergebäude völlig abgetragen, das Burggrafenhaus, Pfarrhaus, die Klosterkirche verunstaltet, aber seit 1851 neugestaltet, theils restaurirt, theils renovirt, theils modernisirt, theils demolirt.




[156]
Zwölfter Abschnitt.
Das Sonst und Jetzt bezüglich des religiös-sittlichen Volkslebens und der Armenversorgung.

Was der Bischof Otto bei der Gründung des Klosters Heilsbronn vor Allem beabsichtigte, war Askese, Gottesdienstübung und Gründung eines reichfundirten Mönchsstaates. Siehe oben I, 21 bis 26. Die Äbte behielten das von dem Klosterstifter ihnen gesteckte Ziel stets vor Augen, wie wir im III. Abschnitt gesehen haben. Sie hielten fortwährend bezüglich der Gottesdienstübungen und Zucht die Ordensregel aufrecht; zu einer Entartung, wie in so manchen Klöstern, kam es bei den heilsbronner Klösterlingen nie. Die Äbte erweiterten und befestigten fortwährend den Mönchsstaat, waren gastfrei, mildthätig, väterlich gesinnt und verloren auch das religiös-sittliche Leben ihrer Unterthanen nicht aus den Augen. Im Besitz einer selbstständigen, lediglich vom Kaiser abhängigen Rechtspflege gaben sie Gesetze zur Förderung des Guten und zur Bestrafung des Bösen sowohl für den ganzen Mönchsstaat, als auch für einzelne Gemeinden (Dorfordnungen); siehe Abschnitt V. Das religiös-kirchliche Bedürfniß ihrer Unterthanen befriedigten sie dadurch, daß sie Kapellen erbauen und den Gottesdienst darin durch ihre Mönche besorgen ließen, zunächst in Heilsbronn selbst in der 1771 abgetragenen Katharinenkirche und in der theilweise noch stehenden Spitalkapelle, als das Klostergebiet sich erweiterte, auch auswärts in den Kapellen zu Münchzell, Ketteldorf, Neuhof, Adelsdorf, Sommerhausen und Randersacker. Das Bestreben, durch die Volksschule das Volk religiös-sittlich zu erziehen, war damals noch unbekannt; Volksschulen gab es auf dem Klostergebiete nicht, auch keine höhere Schulanstalt für den Adel. Eine Missionsanstalt zur Belehrung und Bildung des Volkes war in Heilsbronn niemals. In manchen Klöstern suchte man dadurch auf das soziale Volksleben wohlthätig einzuwirken, daß die Mönche mit eigenen Händen das Feld bebauten, Handwerke betrieben und das Volk in dergleichen Handthierungen unterrichteten; [157] allein die heilsbronner Mönche verrichteten, so weit die urkundlichen Nachrichten zurückreichen, dergleichen Geschäfte nicht eigenhändig. Die im Kloster herrschende Mäßigkeit und strenge Zucht hätte bildend auf das Volksleben einwirken können, wenn man diese Tugenden nicht bloß bewundert und gerühmt, sondern auch nachgeahmt hätte, was aber nicht geschah, nicht von der untern Volksklasse, nicht vom Adel, über dessen oft exzessives Treiben im Burggrafenhause die „Beiträge“ berichten.

Diejenigen, welche vom kirchlichen Schmuck eine nachhaltige Einwirkung auf das religiös-sittliche Volksleben erwarten, werden glauben, die vielen in Heilsbronn vorhandenen kirchlichen Kunstgegenstände seien von den Äbten angeschafft worden, um dadurch auf das religiös-sittliche Volksleben bessernd einzuwirken. Hierüber ist Folgendes zu bemerken: Jene Kunstgegenstände stammen aus der späteren und letzten Klosterzeit. Während der ersten Klosterzeit waren dergleichen Kunstgebilde in der heilsbronner Kirche nicht vorhanden, da die Cisterzienser ursprünglich keine Bildereien in ihren Kirchen duldeten; daher erscheint auch die in ihrer Ursprünglichkeit von 1132 großentheils noch vorhandene Kirche in Heilsbronn höchst einfach und schmucklos. Diese Einfachheit und Schmucklosigkeit findet man auch noch beim ersten Ausbau (Ritterkapelle), aber nicht mehr bei den späteren Erweiterungen. Den Äbten, welche jene Kunstgegenstände angeschafft haben, war es dabei lediglich darum zu thun, ihre Kunstliebhaberei zu befriedigen und ihres Namens Gedächtniß zu stiften, keineswegs aber, um dadurch veredelnd auf das Volk einzuwirken. Der 26. Abt Wenk (s. dort) sagt, was ihn bewog, dergleichen Gegenstände anzuschaffen: ut postoritas, quod per ipsum aut tempore sui reguminis sit factum, agnoscat. Für das Volk waren diese Gegenstände soviel wie gar nicht vorhanden; denn sie befanden sich fast insgesammt nicht in der Volkskirche (Katharinenkirche), sondern in der Klosterkirche, welche das Volk nur selten betreten durfte. Aber auch durch ein öfteres, tägliches Beschauen dieser Gegenstände würde das religiös-sittliche Volksleben nichts gewonnen haben. Denn die Erfahrung lehrt [158] bis zur Stunde, daß es an den Orten und in den Ländern, wo dem Volke durch kirchliche Architektur, Malerei und Plastik das Erhabenste vor Augen gestellt ist, im religiös-sittlichen Leben des Volkes nicht besser, sondern meist schlimmer steht, als anderwärts, wo derartiger kirchlicher Schmuck fehlt oder grundsätzlich fern gehalten wird. Die Erfahrung lehrt ferner, daß die Schöpfer, Kenner und Bewunderer von dergleichen kirchlichen Kunstwerken bezüglich des religiös-sittlichen Lebens vor andern Menschen nichts voraus haben. Von den in Rede stehenden Kunstgebilden gilt dasselbe, was vorhin von der Tonkunst gesagt wurde: „Die Künste insgesammt tragen unendlich viel bei zur Verschönerung des Lebens, insonderheit zur Verherrlichung des kirchlichen Gottesdienstes; aber feste religiös-sittliche Grundsätze werden durch sie nicht eingepflanzt.“

Die reformatorisch gesinnten Klosteräbte von Schopper an suchten durch Einführung des lutherischen Lehrbegriffs das religiös-sittliche Volksleben zu verbessern. Die lutherische Lehre und Gottesdienstordnung wurde auf dem Klostergebiete oktroyirt und ohne viel Widerrede angenommen. Es wurde fortan in diesem Sinne gepredigt, der Katechismus gelehrt, das heilige Abendmahl gehalten, die Kirchenvisitation eingeführt, Kirchenzucht geübt, in obrigkeitlichen Erlassen zum Kirchenbesuch und zur Buße ermahnt. Als nach jahrelanger Praxis die mit Zuversicht erwartete religiös-sittliche Besserung nicht eintrat, sondern vielmehr Verschlimmerung, da sprachen sich die Äbte, ingleichen die Markgrafen und deren Räthe aus wie folgt: „Wir erfahren nicht sonder Entsetzung, daß solche Laster seither noch mehr überhand genommen, welches uns bei so heller und klarer Lehre des allein seligmachenden Wortes Gottes gar entsetzlich zu hören. Ob wir wohl vor guter Zeit allerlei Mandate haben ausgehen lassen und in guter Hoffnung gestanden, dieselbigen sollten bei fleißiger Bestellung des heiligen Predigtamts, des Gebrauchs des hochwürdigen Sakraments und christlicher Ceremonien, sonderlich auch Traktation des Katechismus, zur Förderung von Gottes Ehre und Wohlfahrt unserer Unterthanen gereicht sein: so finden wir doch, [159] daß allenthalben keine Vermahnung und Warnung zur Besserung helfen will; dagegen Gotteslästerung, Ehebruch, Hurerei, Geiz, Wucher und andere sträfliche Laster und aller Muthwillen und Leichtfertigkeit in allem Schwange gehen und ungescheut getrieben werden, welches wir nicht sonder Befremdung und Bekümmerniß vernommen haben.“ Die schmerzliche Gewißheit lag vor Augen, daß durch alle in Folge der Reformation zur Anwendung gekommenen wohlgemeinten Heilmittel das religiös-sittliche Volksleben zur Zeit der Klosterauflösung und am Ende des Reformationsjahrhunderts nicht besser geworden war. Rathlos trat man in das folgende 17. Jahrhundert, in welchem durch den dreißigjährigen Krieg die Verwilderung sowohl in der Fürstenschule, als auch auf dem ganzen ehemaligen Klostergebiete noch größer wurde, wie wir in den Abschn. X u. XI gesehen haben. Wie vor dem Kriege, so hielt man auch nach demselben strengkonfessionelle Rechtgläubigkeit für das wirksamste Heilmittel, ob es gleich seit der Reformation augenfällig erfolglos angewendet worden war. Diese augenfällige Erfolglosigkeit führte zu einer gegentheiligen Anschauung, zu dem Glauben: dieser konfessionelle Dogmatismus sei Schuld daran, daß es im religiös-sittlichen Volksleben so schlimm stehe. Der Orthodoxie stellte sich daher in einem kleineren Kreise der Pietismus, in einem größeren der Rationalismus gegenüber. Allein trotz Pietismus und Rationalismus blieb das Volksleben im Großen und Ganzen auf seiner tiefen Stufe. Im 19. Jahrhundert versuchte man es wieder, wie vormals, erst vorübergehend mit dem Pietismus, dann dauernd mit dem Dogmatismus. An die Stelle der rationalistischen trat eine vorwiegend dogmatische Predigtweise. Gesangbücher, Melodien, Katechismen, Liturgie und liturgische Schriften erhielten wieder das alte ursprüngliche Gepräge. Dazu kamen noch folgende Besserungsmittel in Anwendung: Bibelverbreitung, belehrende und erbauende Volksschriften, Konventikel, fromme Vereine, Missionspredigten, Förderung der äußeren und inneren Mission, Einführung von Kirchenvorständen, gezwungener Schul- und Christenlehrbesuch, Wegweisung der Schuljugend von Tanzböden, Sonntagsschulen, Kleinkinderschulen, [160] Kindergärten, Kindergottesdienste, Rettungshäuser, Religions-, Leumunds- und Schulzeugnisse, Belohnung langjähriger Dienstboten, Verbesserung des Gerichts- und Gefängnißwesens, Fürsorge für entlassene Sträflinge, Regulative über das Schulwesen, insonderheit über den Religionsunterricht, Regelung der Polizeistunde. Wider Erwarten wurde das religiös-sittliche Leben im Großen und Ganzen durch alle diese Heilmittel nicht besser. Beim Rückblick auf die oben Abschn. VI geschilderten Zustände im 16. und 17. Jahrhundert sieht man, daß es seitdem zwar in manchen Beziehungen, z. B. in den Pfarrhäusern, in der Rechtspflege, im Volksschulwesen besser geworden ist, nicht aber im religiös-sittlichen Volksleben überhaupt. Zwar ist es hier und da durch einen allseitig einflußreichen Mann in einem kleinen Kreise besser geworden; allein die Wirksamkeit des Mannes blieb auf diesen kleinen Kreis beschränkt und ohne Einfluß auf das Große und Ganze; und gewöhnlich kehrte nach seiner Abberufung aus dem Arbeitsfelde Alles wieder in das alte Geleise zurück. Umfassender ist das Arbeitsfeld der inneren Mission; allein auch diese kann das religiös-sittliche Volksleben im Großen und Ganzen unmöglich reformiren, da sie zur Erreichung ihrer edlen Zwecke der hochherzigen Gehilfen in allen Ständen eine so große Zahl nöthig hat, wie diese nie vorhanden war, nicht vorhanden ist und niemals vorhanden sein wird.

Der Stand des religiös-sittlichen Volkslebens ist auf dem ganzen ehemaligen Klostergebiete und in ganz Deutschland fortwährend unerfreulich. Besser steht es dagegen in dem einen und andern außerdeutschen Lande: besser schon in Holland und England, noch besser in Schottland. Das Warum ergibt sich hauptsächlich aus der Verschiedenheit des Ganges, welchen die Reformation dort genommen hat. Diese wurde dort (in Holland und Schottland, nicht in England) sofort Volkssache, während sie anderwärts, namentlich im heilsbronner Mönchsstaate, von obenher oktroyirt und vom Volke ohne viel Widerrede angenommen wurde. In Holland, und mehr noch in Schottland, kamen in Folge der Reformation zwei Erziehungsmittel zur [161] Anwendung, welche mehr als alle bisher versuchten Erziehungsmittel geeignet sind, im Großen und Ganzen, in allen Volksschichten auf das religiös-sittliche Leben bessernd einzuwirken. Diese beiden Erziehungsmittel sind: einerseits Gestattung der freiesten Bewegung, andererseits völlige Hemmung der freien Bewegung durch den Ruhetagszwang. In jenen Ländern bewegt sich seit 300 Jahren jede Gemeinde frei, ohne kleinliche Einmischung oder Kontrole von Seiten einer Staatsbehörde. Dadurch, daß man den Gemeindebürgern so viel überläßt, gewinnen diese an Intelligenz und Selbstständigkeit, an Interesse für ihre eigenen Schöpfungen, an Eifer, in ihren Gemeinden Zucht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Sie verlassen sich nicht auf Kuratelbehörden, Revisoren und Gendarmerie; sie lernen, sich selbst zu helfen und zu schützen und ihr Gemeinde-, Kirchen- und Wohlthätigkeitsvermögen selbst zu verwalten; sie werden gesetzkundig und lernen, das Gesetz zu achten. Wie die Gemeinde, so bewegt sich auch jeder Einzelne frei in Absicht auf Geschäftsbetrieb, Ansässigmachung und Verehelichung, auf Zusammenkünfte, welche keine Polizei, keine Polizeistunde beschränkt. Diese gesetzlich gestattete freie Bewegung hat sich im Laufe der Jahrhunderte dort als überaus wohlthätig bewährt, als das einflußreichste Mittel zur Pflege häuslicher und bürgerlicher Tugenden. Das dortige rege industrielle und religiös-kirchliche Leben ist meist die Frucht der freien Konkurrenz, der freien Assoziation und Diskussion. Daß dieser bessere Stand durch freiheitsbeschränkende Institutionen nicht erzielt wird, hat bei uns die Erfahrung gelehrt. Einige dieser Institutionen erwiesen und erweisen sich offenkundig als nachtheilig, z. B. wenn der Tagespresse und den Vereinen keine freie Bewegung gestattet, wenn der Gewerbsbetrieb oder die Ansässigmachung und Verehelichung durch die Vorlage von Leumunds-, Religions- und Vermögensattesten bedingt ist, oder durch die Bewilligung der Gemeindeverwaltungen, durch Vernehmungen von Konkurrenten und Nichtkonkurrenten. Die traurigen Folgen dieser Beschränkungen sind Preßprozesse, Hader, Haß, Intriguen, falsche Zeugnisse, Rekurse, Geldverlust, Erbitterung gegen die [162] Obrigkeit und das Gesetz. Allerdings hat jene freie Bewegung auch Nachtheile, welche aber durch den Gewinn, den sie in sittlicher Hinsicht bringt, weit aufgewogen werden.

In England bewegt man sich ebenso frei, wie in Schottland; gleichwohl ist der Stand des religiös-sittlichen Lebens dort weniger befriedigend, als in Schottland. Der Grund davon liegt hauptsächlich darin, daß in England kein Ruhetagszwang besteht, wie in Schottland. Das englische Gesetz verbietet zwar am Sonntage merkantilischen und industriellen Verkehr, theatralische Vorstellungen, öffentliche Spiele, Tänze, Öffnen der Schenken während der kirchlichen Gottesdienststunden; dagegen gestattet es Reiten und Fahren, Musik im eigenen Hause, Wirthshausverkehr nach den Gottesdienststunden. Die königlichen Gärten und Schlösser sind gerade an den Sonntagen dem Publikum geöffnet, welchem dort auch wohl durch Militärmusik Unterhaltung geboten wird. Die Vergnügungsorte und Schenken in der Umgegend von Städten werden gerade an den Sonntagen am häufigsten besucht. Anders ist’s in Schottland. Hier steht am Sonntage der in der Woche übliche Verkehr völlig still. Das schottische Gesetz verbietet, wie das englische, am Sonntage merkantilischen und industriellen Verkehr, theatralische Vorstellungen, öffentliche Spiele, Tänze; es verbietet aber noch Anderes: den Verkehr in den Schenken nicht bloß während der Gottesdienststunden, sondern während des ganzen Ruhetages, von Mitternacht bis Mitternacht; es beschränkt am Sonntage die Eisenbahnfahrten und das Fahren auf den Landstraßen; es verbietet Musik im eigenen Hause, während man gerade in Schottland an den Wochentagen gerne musizirt und tanzt. Der Bäcker bäckt nicht in früher Morgenstunde. Da ist am Sonntag kein lautes Rufen auf den Gassen, kein Wirthshausverkehr, keine Zusammenkunft zu bürgerlichen Verhandlungen, keine Waffenübung, keine Jagd, kein Gewehrschuß, kein Reisen; nur Ärzte, Apotheker, Hebammen etc. warten ihres Berufes, wie an den Werktagen. So ist dort Ruhe und Stillstand des an den Werktagen üblichen Verkehrs, und zwar von Mitternacht bis Mitternacht. Beim Hinblick auf diesen [163] Stand der Dinge wird man versucht zu fragen: „Wozu diese gezwungene Stille am Ruhetage, an welchem man nach mühevoller Wochenarbeit seines Lebens nicht froh werden darf?“ Wer länger dort gelebt und beobachtet hat, antwortet: „Die gestattete freie Bewegung und der Ruhetagszwang sind die beiden Faktoren, durch die sich im Laufe der Jahrhunderte das religiös-sittliche Volksleben dort besser gestaltet hat, als anderwärts.“ Bei der niederen Volksklasse fehlt es auch in Schottland nicht an Exzessen bei Gelagen und geselligen Zusammenkünften, besonders in Folge des Branntweingenusses, ein dort sehr verbreitetes Übel; allein die Exzedenten erscheinen dort augenfällig nicht so roh, wie wir dieselben auf dem heilsbronner Klostergebiete gefunden haben und in Deutschland fast allenthalben finden. Bei Tänzen und andern Volksbelustigungen kommen Exzesse dort nicht so häufig vor, und auch bei diesen Gelegenheiten zeigt sich’s, daß das Volk dort von Haus aus besser gezogen ist. Von Haus aus besser gezogen erscheint dort auch die studirende Jugend, namentlich in Edinburg, der größten schottischen Universität. Schottland hat keine Gymnasien im deutschen Sinne; die Universität ist zugleich Gymnasium. Jünglinge im reiferen Alter erhalten daselbst Unterricht in den Fakultätswissenschaften, während Jünglinge im Gymnasiastenalter Gymnasialstudien daselbst treiben. Die Gesammtzahl der Studirenden beläuft sich auf etwa 3000. Allen ist, wie jedem dortigen Staatsbürger, die freieste Bewegung gestattet. Nichts hindert sie, Korps zu stiften, Kommerce zu halten, durch Kleidung und Abzeichen sich von andern Menschen zu unterscheiden, einander zu befehden und zu majorisiren; allein sie halten sich davon fern. Von Haus aus an ein besseres Familienleben gewöhnt und überhaupt besser gezogen, leben sie auch auf der Universität meist in Familien. Ausschreitungen, welche im deutschen Burschenleben so oft wiederkehren, kommen bei ihnen nur selten vor.

Daß der bessere Stand des Volkslebens in Schottland, auch in England und Holland hauptsächlich eine Frucht jener Verbindung der Freiheit mit dem Zwange ist, sehen die dortigen Staatsmänner und Alle, welchen die Wohlfahrt des Landes am Herzen [164] liegt, wohl ein und halten daher fest an dem Bestehenden: daher hat der in den Ständekammern wiederholt eingebrachte Antrag, die Gesetze bezüglich des Ruhetagszwanges abzuändern, nie viel Anklang gefunden. Im nordamerikanischen Freistaate, dem freiesten unter den Staaten, wurde gleich von vornherein der Ruhetagszwang eingeführt. Die Gründer des Freistaates waren fern von Kopfhängerei und hierarchischen Gelüsten; es waren aber denkende Männer von britischer oder holländischer Abkunft, welche den mächtigen Einfluß des Ruhetagszwanges von ihrem Mutterlande her kannten und wohl einsahen, daß das religiös-sittliche und soziale Volksleben, daß Häuslichkeit und Charaktertüchtigkeit durch nichts so sehr gefördert wird, als einerseits durch freie Bewegung, und andererseits durch den Ruhetagszwang.[7] Wie tiefeingreifend wohlthätig dieser indirekte Zwang auf alle Verhältnisse, auf jedes Individuum einwirkt, liegt in Schottland, auch schon in England und Holland, vor Augen. Da der Ruhetag so wenig Gelegenheit zum Geldgewinn und zur Befriedigung der Genußsucht auswärts bietet, so hat man sich dort, mehr als in Deutschland und Frankreich, daran gewöhnt, den Ruhetag im eigenen häuslichen Kreise zu verleben. Die Resultate aus dieser Praxis sind dort augenfällig: Häuslichkeit, geregeltes Familienleben, geistige Fortbildung durch Lektüre, Eltern verkehren mehr mit ihren Kindern, Kinder und Dienende werden sorgfältiger beaufsichtigt, zahllosen Exzessen, welche anderwärts gerade am Ruhetage an der Tagesordnung sind, wird dort vorgebeugt; man ist dort daran gewöhnt, am Ruhetage seine Erholung im Naturgenuß und im geräuschlosen geselligen Verkehr zu suchen. Die beste Sparkasse ist dort der Ruhetag, an welchem so wenig Gelegenheit geboten wird, das in der Woche Errungene am Sonntage zu vergeuden; auf den Sonntag folgt kein blauer Montag.[8] Eine weitere Folge ist, daß man dort auch in den unteren Volksklassen besser [165] ißt und trinkt und sich besser kleidet, was wieder den Wirthen, Bäckern, Krämern etc. zu Gute kommt, welche sich gerade dort recht gut stehen, wenn sie gleich am Ruhetage wenig einnehmen. An das Haus und seine nächste Umgebung gewiesen, sucht Jeder sich seine Sphäre möglichst angenehm und komfortabel zu machen; daher dort auch bei der niederen Volksklasse Sinn für Reinlichkeit, Gartenzierde und Blumenschmuck. So äußert der Ruhetag seinen veredelnden Einfluß auch in ästhetischer Hinsicht. Es ist bemerkenswerth, daß gerade jene Länder, in welchen an 52 Tagen des Jahres durch Handel und Gewerbe wenig oder gar nichts verdient wird, vorzugsweise industriös und reich sind. Die größere Kirchlichkeit in jenen Ländern hat ihren Grund hauptsächlich in der Ruhetagsfeier. Allein auch Denen, welche niemals die Kirche besuchen, bringt der Ruhetag die meisten der bezeichneten Vortheile; der gezwungene Müssiggang ist dort nicht aller Laster Anfang, sondern ein heilsames Präservativ gegen Entsittlichung. Noch ist zu bemerken, daß in Schottland außer den 52 Sonntagen keine Fest- und Feiertage begangen werden. Es scheint dieses gerade das rechte Maß zu sein. Daß die in andern Ländern an Wochentagen gefeierten Feste der Religiosität und Sittlichkeit nicht förderlich sind, ist bekannt.

Die besprochene, in den genannten Ländern übliche Ruhetagspraxis gründet sich auf das mosaische Gesetz, welches am Sabbath Ruhe und die an Werktagen üblichen Arbeiten zu unterlassen gebietet. Wie wir vorhin die Frage hörten: „Wozu diese gezwungene Ruhe?“ so fragt vielleicht mancher Leser des alten Testaments: „Wie kommt das Sabbathsgebot in die Reihe der zehn Gebote, von welchen neun allgemeine und ewiggiltige Sittengebote sind, deren Übertretung hart, ja mit dem Tode bestraft wird? Ist es eine Sünde, am siebenten Tage Werke zu verrichten, welche an den sechs übrigen Tagen pflichtmäßig geschehen sollen? Ist das Sabbathsgesetz ein Sittengebot?“ Nach näherer Erwägung und im Hinblick auf vorstehende Darlegung ergibt sich die Antwort: „Das Sabbathsgesetz ist zwar kein augenfälliges Sittengesetz; aber es ist dasjenige Gesetz, welches tiefeingreifend [166] eingreifend und bessernd, wie kein anderes, auf das religiös-sittliche und soziale Leben einwirkt und darum von Jehova in die Reihe der Sittengebote gestellt wurde und so oft in den Büchern des alten Testaments wiederkehrt.“ Durch pharisäische und talmudistische Zuthat wurde es später entstellt und engherzig gedeutet, während es in seiner ursprünglichen Fassung als höchst weise und freisinnig erscheint. Denn es schreibt nicht vor, was am Sabbath gethan werden soll; es gebietet lediglich Ruhe und sagt nur, was am Sabbath nicht geschehen soll. Es gebietet nicht einmal, am Sabbath das Gotteshaus zu besuchen; wieder sehr weise, denn Gottesdienstzwang führt nicht zur Religiosität und Sittlichkeit, wie die über das Reformationszeitalter und über die Fürstenschule oben mitgetheilten Berichte beweisen. Bei den Juden erscheint das Sabbathsgesetz heutzutage in der angedeuteten engherzigen Auffassung und Praxis, aber auch da noch wohlthätig wirkend. Wir finden bei den Juden zwar manche Untugenden, dagegen aber auch, mehr als bei den Christen, Nüchternheit, Mäßigkeit, Sparsamkeit, geistige Gewecktheit, ein gutes Verhältniß zwischen Mann und Weib, Eltern und Kindern, bei der Jugend weniger Unzucht. Bei näherer Betrachtung wird man finden, daß dieser bessere Stand großentheils eine Folge der gebotenen Sabbathsruhe ist. Eine andere Praxis fand bei den Christen in der ersten Zeit statt. Diese feierten lange Zeit den Sabbath mit den Juden, bis sie anfingen, anstatt des Sabbaths den Auferstehungstag Jesu, den Sonntag, zu feiern. Ihre Sonntagsfeier bestand darin, daß sie Vormittags beim Gottesdienst erschienen; nach demselben ging Jeder an die Arbeit, wie am Werktage. Diese Praxis, für welche sich auch der Abt Schopper in seinem oben I, Seite 280 beim 26. Abt Wenk mitgetheilten reformatorischen Gutachten aussprach, besteht in keinem Lande mehr; es läßt sich daher über den Einfluß derselben auf das religiös-sittliche und soziale Volksleben auf Grund eigener Anschauung nichts berichten. Jedenfalls hatte aber diese Praxis das Gute, daß durch die auf den Gottesdienst folgende Arbeit der Völlerei und den Exzessen vorgebeugt wurde.

[167] Fragen wir nun, auf den heilsbronner Mönchsstaat zurückblickend, welche Praxis bezüglich der Ruhetagsfeier dort üblich war, ob jene jüdische, oder die in der ersten Christenkirche übliche? Die Antwort lautet: Keine von beiden, sondern folgende: Am Sonntage den Gottesdienst zu besuchen, wurde unter Strafandrohung befohlen und den Bauern und Handwerkern das Arbeiten verboten. Dagegen war nach dem Vormittagsgottesdienste freier Handelsverkehr und jede Art von Belustigung gestattet, ebenso der Verkehr in den Amts- und Gerichtsstuben. Letzterer wurde nicht nur gestattet, sondern vorzugsweise auf die Sonn- und zweiten Fest- und Feiertage verlegt. So hielt man es in der Zeit, da die gesetzgebende und vollziehende Gewalt noch in den Händen des Abts und seines Konvents und die Richtung noch katholisch war. So blieb er auch in der reformatorischen und markgräflichen Zeit; doch wurde der Gottesdienstbesuch stärker betont, weil man von demselben, nach reformatorischer Anschauung, eine Reform des religiös-sittlichen Volkslebens zuversichtlich erwartete. Der Abt Schopper verordnete 1533: „Wir wollen, daß an Feiertagen, die Zeit, da man das Wort Gottes predigt, kein Krämer, Schuster, Häfner oder Beck soll feil haben. Alle Klosterunterthanen und fremde Personen sollen unter der Predigt auf dem Platz vor der Kirche nicht stehen, lachen oder andere Leichtfertigkeit treiben, sondern sollen in die Kirche gehen, oder gar daheim bleiben. Nach Ausgang der Predigt wollen wir ihnen Handel, wie bisher, nicht abschlagen.“ Diese Verordnung wurde mehrmals wiederholt und verschärft und erhielt 1558 folgende Fassung: „Alle Unterthanen sollen fleißig in die Kirche gehen und Predigt und Katechismum hören. An keinem Ort soll Tanz oder andere leichtfertige Kurzweil gehalten werden, es sei denn vorher solche Kinderlehre, so man Katechismum nennt, vollbracht. Zuwiderhandelnde und unfleißige Besucher des Gottesdienstes, auch die in öffentlichen Sünden beharren, sollen von Sr. Gnaden (dem Abt) bestraft werden, zu Gevatterschaft und anderem christlichen Werk nicht zugelassen und, wenn sie ohne wahre Buße sterben, nicht im Kirchhof begraben werden.“ In der Kanzlei [168] der Äbte, sowohl der katholisch- als auch der protestantischgesinnten, wurde am Sonntage, wie an den Werktagen, gearbeitet. Abt und Konvent verlegten ihre Verhandlungen über Kauf- und Eheverträge, Vormundschaften, Klagen über Mein und Dein, über Haltung des Herdochsen etc. in der Regel auf Sonntage, um die Vorgeladenen (darunter bisweilen auch Pfarrer) nicht von der Werktagsarbeit abzuhalten. Der Klosterrichter Hartung war mit diesem Verfahren vollkommen einverstanden; denn seine Tagebücher zeigen, daß der Sonntag vorzugsweise sein Amts- und Gerichtstag war. Eben so hielt man es nachmals unter der markgräflichen Regierung. Einige Beamte, welche an Sonn- und Feiertagen keine Klagen der Unterthanen annehmen wollten, erhielten 1582 von der Regierung den Befehl: „sonderlich an Sonn- und Feiertagen, an welchen die Unterthanen gerade am besten abkommen könnten, die Klagen derselben anzunehmen.“ Volksbelustigungen jeder Art wurden an Sonntagen gestattet, ja durch Verordnungen ausdrücklich auf Sonntage verlegt. Der Richter Hartung ladet die Herren Schützen zu Onolzbach, Schwabach etc., auch den ehrwürdigen Herrn Christoph Kyfer, Pfarrherrn zu Cadolzburg, so wie den Kastner, Schützenmeister und Schießgesellen daselbst, auf Sonntag den 21. Sept. 1550 nach Heilsbronn zum Freischießen ein. Der Markgraf Georg Friedrich befiehlt 1588 dem Abt, Verwalter und Richter zu Heilsbronn, die Schießübungen nicht in der Woche, sondern bloß an Sonn- und Feiertagen Nachmittags halten zu lassen. Diese Praxis war weit entfernt von der schottischen, auch von der in der ersten Christenkirche üblichen. Der den Bauern und Handwerkern gebotene Müssiggang einerseits und der gestattete oder gebotene Verkehr andererseits hatte die schlimmsten Folgen: gesteigerte Genußsucht, Verschwendung, Völlerei, Störung im Familienleben. Exzesse aller Art, Trunkenheit, Raufhändel, Körperverletzungen und Todtschlag kamen damals an den Sonntagen noch öfter vor, als gegenwärtig. Alle Wohlgesinnten beklagten, wie vorhin berichtet wurde, diesen traurigen Stand der Dinge; aber Niemand erkannte, daß das an den Sonntagen übliche Treiben hauptsächlich Schuld daran war. Die Wohlgesinnten [169] insgesammt erwarteten zuversichtlich ein besseres Volksleben nach der Einführung des evangelischen Lehrbegriffs und Gottesdienstes, und standen schmerzlich getäuscht und rathlos, als keine Besserung eintrat. An ein Ruhetagsgesetz in der besprochenen Fassung dachte Niemand; in den heilsbronner Aufschreibungen findet sich keine einzige Anregung in diesem Sinne. Die deutschen Reformatoren hielten jenen rigorosen Ruhetagszwang nicht für nöthig; daher gestaltete sich das religiös-sittliche Volksleben in Deutschland nicht so günstig wie in Schottland. Späterhin suchte man in Deutschland, auch in England, das Versäumte nachzuholen, indem man die Einführung des schottischen Ruhetagszwanges beantragte. Allein die Anträge fanden nicht allenthalben Anklang, da sie meist von Geistlichen und Nichtgeistlichen ausgingen, welchen es dabei zunächst um volle Kirchen, dann überhaupt um Erreichung hierarchischer Zwecke zu thun war.

Es ist berichtet worden, daß und warum es in Schottland besser steht als in England. Aus gleichem Grunde steht es in Holland besser als in Belgien. Beide Länder haben sehr freie Institutionen, besonders Belgien; gleichwohl ist in Holland das religiös-sittliche Volksleben besser als in Belgien. Der Erklärungsgrund liegt theils darin, daß Holland durch seine Lostrennung von Spanien und durch die Reformation eine freiere Geistesrichtung gewonnen, theils darin, daß es durch ein Reichsgesetz den Ruhetagszwang eingeführt hat. In Deutschland besteht kein solches Reichsgesetz; daher steht das religiös-sittliche Volksleben in Deutschland auf einer tieferen Stufe als in England, Holland und Schottland. Noch schlimmer steht es in Frankreich, weil dort die Gesetze bezüglich des Ruhetages noch weit laxer sind.

Einen Aufschwung des religiös-sittlichen Volkslebens erwartete man zuversichtlich nach den Befreiungskriegen von 1813 und 15, wie sich die Altersgenossen des Verfassers wohl erinnern werden; und in der That schien auch eine Besserung einzutreten; allein schon nach wenig Jahren ging Alles wieder seinen alten Gang. Aus den deutschen Befreiungskriegen erwuchs die deutsche Burschenschaft, deren Streben auch dahin ging, das deutsche Volksleben [170] zu reformiren. Die Gründer der Burschenschaft waren, wie der Abt Schopper und der Markgraf Georg Friedrich und seine Räthe, der Ansicht: „Wenn in den höheren Lehranstalten die dereinstigen Staats- und Kirchendiener gut erzogen werden, so wird durch sie auch das Volksleben besser werden.“ Ihr Bestreben war daher zunächst auf eine Reform des Lebens der Studirenden, als dereinstigen Volksbildnern, gerichtet. Allein auch hierin ging schon nach wenig Jahren Alles wieder seinen alten Gang. Die außerordentlichen Siege von 1870/71 hatten zwar die segensreiche Folge, daß sich Deutschland mehr einigte, aber eine Reform des Volks- und des Universitätslebens brachten sie nicht.

Um das religiös-sittliche Volksleben im Großen und Ganzen zu verbessern, richtete man, wie schon erwähnt, ein Hauptaugenmerk auf das Schul- und Unterrichtswesen. Daher die Gründung der heilsbronner Fürstenschule, in welcher man „fromme, geschickte und gelehrte Leute“, besonders Schul- und Kirchendiener zu erziehen beabsichtigte. Aus den Mittheilungen im IX. und XI. Abschn. erhellt, daß diese gutgemeinte Absicht nicht erreicht wurde, daß im Contubernium zu Heilsbronn, während 72 Mönche darin wohnten, weit mehr Sittlichkeit herrschte, als zu der Zeit, da erst 100, später kaum 50 Gymnasiasten darin wohnten und zuchtlos schalteten. Deutsche oder Volksschulen waren während der ganzen Klosterzeit im heilsbronner Mönchsstaate nicht vorhanden. Den Meßnersdienst in den Kirchdörfern besorgten gegen eine kleine Remuneration haussässige Leute, meist Heimarbeiter, z. B. Schneider, Weber, welche mit dem Jugendunterricht nichts zu thun hatten. Anders wurde es durch die Reformation, welche durch Erlernen des lutherischen Katechismus und überhaupt durch Unterricht der Jugend bessernd auf das Volksleben einzuwirken suchte. In diesem Sinne handelten auch diejenigen heilsbronner Klosteräbte, welche auf Luthers Seite traten. Der 35. Abt Wunder sprach sich in einem Berichte von 1566 dahin aus, daß ein besserer Stand des Volkslebens nur durch Schulerziehung zu erzielen sei. Wie man diesem Grundsatze folgend, von der Reformationszeit an bis zum 30jährigen [171] Kriege den Schulunterricht in Neuhof, Merkendorf, Bürglein, Großhaslach und Kirchfarrnbach einführte und ertheilen ließ, ist im VII. Abschn. bei diesen Orten berichtet worden. In den übrigen Pfarrdörfern übertrug man den Katechismus- und Leseunterricht den Meßnern, deren Besoldung in den Meßnereibezügen und im Schulgeld bestand; bisweilen erhielten sie auch einen kleinen Zuschuß von Heilsbronn. Schulzwang bestand nicht. Der Schulunterricht blieb dürftig und äußerte nicht den vom Abt Wunder erwarteten bessernden Einfluß auf das Volksleben. Dieselbe Erfahrung machte man auch anderwärts in Deutschland; man war daher fortwährend darauf bedacht, das Volksschulwesen zu verbessern, tüchtigere Lehrer zu bilden, bessere Methoden, Lehr- und Lesebücher, Visitationen, Preisvertheilungen und Entlaßscheine einzuführen, vor Allem aber den Schulzwang. Die Altersgenossen des Verfassers werden sich wohl erinnern, daß wir vor 60 und mehr Jahren, als die Staatsregierung das Volksschulwesen in die Hand nahm, zuversichtlich glaubten, wenn Niemand sich dem erziehenden Einflusse des verbesserten Schulunterrichts entziehen könne, so müsse das Familienleben im Großen und Ganzen veredelt werden und ein religiös-sittliches Geschlecht heranwachsen. Unsere Erwartungen gingen nicht in Erfüllung. Das Warum wurde tausendmal besprochen. Eine Preisfrage lautete: „Warum durch die Volksschule, wider Erwarten, das religiös-sittliche Volksleben nicht besser geworden ist?“ Es erschienen neue Verordnungen über Lehrerbildung, Lehrmethode, Mehrung oder Minderung des religiösen Memorirstoffes, Mehrung der Unterrichtsstunden, Verlängerung der Schulzeit, besonders über Verschärfung des Schulzwanges. Trotzdem ergab sich kein besseres Volksleben. Man hatte den Schulen und ihren Lehrern etwas zugemuthet, was sie unmöglich leisten konnten; man verlangte nämlich von ihnen, daß sie das Volk erziehen sollten.[9] Erzogen wird aber [172] nur durch andauernde Gewöhnung an das Gute, nicht durch umständliche Belehrungen über das Gute. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß sehr oft die Kenntnißreichsten nicht religiös-sittlich leben, wohl aber Kenntnißarme; oder daß Kenntnißreiche und Kenntnißarme hinsichtlich des religiös-sittlichen Wandels auf gleich hoher oder gleich niedriger Stufe stehen. Dieser höhere oder niedrigere Stand ist lediglich bedingt durch die außer der Schule auf den Zögling andauernd einwirkenden Verhältnisse, durch die ihn umgebende Atmosphäre. Sind diese Verhältnisse schlecht, so mißräth der Zögling auch bei dem besten Schulunterricht; sind sie aber gut, so geräth er wohl, wäre er auch gering begabt und arm an Schulkenntnissen. Ausnahmen von dieser Regel sind selten. Die erwähnte Preisfrage ist kurz dahin zu beantworten: „Die Erwartung einer Reform des religiös-sittlichen Volkslebens durch die Volksschule beruhte auf einer Täuschung; denn man erwartete von den Schullehrern, etwas zu leisten, was sie unmöglich leisten konnten; denn die Volksschule kann zwar unterrichten, aber nicht erziehen.“ Erzogen wird, wie vorhin erwähnt, lediglich durch andauernde Gewöhnung an das Gute. Daß aber die Volksschule nicht andauernd an das Gute gewöhnen kann, liegt in der Natur der Sache. Die meisten Kinder besuchen lediglich die Volksschule, jedoch nur sieben Jahre lang und während dieser Zeit an den Feier- und Vakanztagen gar nicht, so daß sie durchschnittlich nur drei Stunden täglich in der Schule zubringen, die übrigen 21 Tages- und Nachtstunden aber außer der Schule. Von einer andauernden Gewöhnung durch die Schule kann sonach keine Rede sein. Überdieß wirkt das Zusammenleben der Zöglinge, besonders bei großer Schülerzahl, auf Viele geradezu nachtheilig ein, wie wir bei der heilsbronner Fürstenschule gesehen haben und es noch täglich sehen, auch da, wo die Schuldisziplin musterhaft und nicht, wie in der Fürstenschule, mangelhaft ist.

Der bessere Stand des religiös-sittlichen Volkslebens in Holland, England und Schottland hat, wie vorhin gezeigt wurde, seinen Grund in den dortigen freieren, besseren Institutionen und im Ruhetagszwang, nicht im Schulzwang, welcher in Holland [173] und England nicht durchgreifend, wie in Deutschland, eingeführt ist, weßhalb dort viele Kinder gar keine Schule besuchen. Man findet daher dort bei vielen Leuten einen staunenswerthen Mangel an Schul- und Religionskenntnissen. Gleichwohl findet man bei Vielen dieser Ignoranten mehr Sittlichkeit und weniger Rohheit, als bei vielen Individuen in Deutschland, welche 7 Jahre lang und länger die Schule besucht haben. Der Grund liegt wieder in der dortigen besseren Gewöhnung von Haus aus, selbst in den unteren Ständen. Unter den dortigen Ignoranten findet man neben Gesitteten auch Verbrecher. Allein diese sind nicht Verbrecher geworden, weil sie keine Schule besucht haben, sondern weil sie in einer verbrecherischen Umgebung aufgewachsen sind. Solche Umgebungen finden sich auch dort, jedoch seltener als anderwärts. Daher zeigen die statistischen Erhebungen, daß dort die Prozentzahl der Verbrecher weit geringer ist als in Deutschland. Die Sträflinge in den deutschen Gefangenanstalten haben großentheils recht gute Schul- und Religionskenntnisse in ihren Schulen gesammelt und sind gleichwohl Verbrecher geworden. Viele Eltern in jenen Ländern schicken ihre Kinder nicht in die Schule, weil sie und ihre Kinder zu ihrem Broterwerb keine Schulkenntnisse nöthig haben. Sie und ihre Kinder sind dabei nicht schlimmer daran, als Tausende bei uns, welche sich Schulkenntnisse zwar nothdürftig erworben haben, aber bei ihren Berufsarbeiten keine Veranlassung finden, davon Gebrauch zu machen und daher das nothdürftig Erlernte bald vergessen. Daher so viele Wehrpflichtige, welche zwar insgesammt den Zwangsschulunterricht empfangen, aber das nothdürftig Erlernte schon im 21. Lebensjahre vergessen haben. Noch öfter ist dieses der Fall bei Mädchen, welche nach ihrer Entlassung aus der Schule lediglich Hand-, Feld- oder Fabrikarbeiten zu verrichten haben. Diese unsere deutschen Ignoranten beiderlei Geschlechts, welche Jahre lang geschult worden sind, haben daher nichts voraus vor jenen außerdeutschen Ignoranten, welche ohne Schulunterricht aufgewachsen sind. Die Zahl unserer Ignoranten ist groß und wird trotz allem Schulzwang groß bleiben, da der Minderbegabten [174] überall viele sind, welche während ihrer langen Schulzeit auch durch die trefflichsten Lehrer auf keine höhere Stufe der Intelligenz gehoben werden können. Ein lückenloser Besuch der Volksschulen kann durch all’ unsere Zwangsmandate und Strafbestimmungen nicht erzielt werden. In Holland und England findet man, wie gesagt, in den niedern Ständen viel Leute ohne alle Schulkenntnisse, daneben aber auch viele Kenntnißreiche. Der Erklärungsgrund liegt theils in der eigenen Strebsamkeit, theils in der Einsicht solcher Eltern, die ein Geschäft treiben, bei welchem Schulkenntnisse unentbehrlich sind. Solche Eltern sind darauf bedacht, daß ihre Kinder die Schule besuchen und halten sie auch im eignen Hause zum Lernen an. Eine Folge dieser Freiwilligkeit ist, daß in der Schule gern gelernt wird. In manchen der dortigen Schulen besteht zwar auch ein Zwang, welcher aber darin besteht, daß man nachlässige Schulbesucher oder Unfügsame zwingt, von der Schule ganz wegzubleiben. Sehr oft geschieht es dort, daß strebsame Kinder, die von ihren Eltern in keine Schule geschickt worden sind, Berufsarten wählen, bei welchen Schulkenntnisse nicht entbehrt werden können. Solche Kinder besuchen dann aus eigenem Antriebe im vorgerückten Kindes- oder Jünglingsalter eine Schule mit Lust und Liebe und holen in kurzer Zeit das Versäumte nach. Diese Zwanglosigkeit weckt und erhält dort das Interesse und die Opferwilligkeit für die Schule, während da, wo Schulzwang besteht, viel Gleichgiltigkeit gegen die Schule herrscht, von Haus aus nicht Hand in Hand mit den Lehrern gewirkt, der Schule Alles überlassen und das erzwungene Geldopfer für die Schule widerwillig dargebracht wird. Die Schenkungen, welche in England und Holland der Volksschule zufließen, sind bedeutend, weit bedeutender noch in Schottland, wo überhaupt Vieles anders ist als in England und Holland, namentlich im Volksschulwesen. Dort wird, mehr als in England und Holland, zum Besuch der Volksschule angehalten; und darum, glauben Einige, sei der Stand des religiös-sittlichen Volkslebens dort besser. Daß diese Ansicht irrig ist, lehrt der Blick auf den ehemaligen heilsbronner Mönchsstaat und auf Deutschland überhaupt, [175] wo trotz Schulzwang das religiös-sittliche Volksleben unerfreulich war und ist, weil daselbst die Faktoren fehlten und fehlen, welchen man in Schottland den bessern Stand der Dinge verdankt. In England und Holland ist noch kein Schulzwang wie in Deutschland, und dennoch ein besseres religiös-sittliches Volksleben als in Deutschland. In Frankreich[10] ist gleichfalls noch kein Schulzwang, und irrigerweise glaubt man: wegen dieses Mangels stehe das religiös-sittliche Leben dort auf einer tiefen Stufe; man übersieht hierbei, daß Deutschland hierin, trotz Schulzwang, vor Frankreich nicht viel voraus hat. Schärfung des Schul- und Kirchenzwanges macht das bereits vorhandene Übel noch größer.

Man hat vor 60 und mehr Jahren in Deutschland die Sonntagsschulen eingeführt und zum Besuch derselben die aus der Werktagsschule Entlassenen gleichfalls zwangsweise angehalten. Der Schreiber dieses und wohl Alle, welche sich damals für die Sache interessirten, erwarteten von dem Institute großen Segen. Unsere Erwartungen gingen nicht in Erfüllung; denn nach sechzigjähriger Praxis hat sich ergeben, daß unsere Zwangssonntagsschulen wenig, meist gar keinen Nutzen bringen; daher der Lehrer, Pfarrer, Dienstherren, Lehrherren, Eltern einstimmiger Wunsch: Beseitigung der Zwangssonntagsschulen. Zugleich sollte auch der Zwang zum Besuch der Sonntags-Christenlehren beseitigt werden. Ganz anders gestaltet sich das Urtheil beim Hinblick auf jene Länder, wo auch hierin Zwanglosigkeit besteht. Wer dort die Errichtung einer Sonntagsschule für nützlich und nothwendig hält und die erforderlichen Mittel besitzt, beschafft das erforderliche Lokal, unterrichtet oder läßt unterrichten, und zwar unentgeltlich. Den Unterricht besorgen gebildete Männer aus verschiedenen Ständen freiwillig, selten Volksschullehrer und Pfarrer, welche Beide an den Werk- und Sonntagen durch Lehren schon genug in Anspruch genommen sind. Jünglinge, die sich fortbilden wollen, treten freiwillig ein, lernen mit Lust und Liebe, [176] holen Versäumtes nach und treten nach Belieben aus. Nach dieser Darlegung des Sachverhalts dort und hier sieht man leicht ein, warum man dort die Sonntagsschule für eine große Wohlthat hält, während man hier ihre Beseitigung wünscht. Dieselben erfreulichen Resultate wie dort ergaben sich auch in Deutschland da, wo strebsame, aus der Zwangs-Sonntagsschule entlassene Jünglinge die Errichtung einer freiwilligen Sonntags- oder Fortbildungsschule veranlaßt haben. Die neuerlich empfohlenen, hier und da bereits eröffneten Fortbildungsschulen werden wenig nützen, da sie mehr oder weniger Zwangsanstalten sind.

Nachdem sich der Schulzwang erfahrungsmäßig als wirkungslos erwiesen hat, beantragen Viele die Aufhebung desselben. Viele stimmen diesem Antrage nicht bei, weil sie befürchten, die Aufhebung des Schulzwanges werde dem religiös-sittlichen Volksleben Nachtheil bringen und die Schulen entleeren. Allein die befürchtete Verschlimmerung wird, der vorstehenden Darlegung zufolge, nach Aufhebung des Schulzwanges nicht eintreten; auch werden die Schulen nicht leer stehen: die meisten Eltern werden freiwillig ihre Kinder in die Schule schicken, wie schon jetzt Viele ihre noch nicht schulpflichtigen Kinder in die Schule schicken, sei es auch nur, um diese von der Gasse wegzubringen und der Beaufsichtigung überhoben zu sein. Die Minderbegabten, welche in unseren Volksschulen durchschnittlich ein Drittel der Schülerzahl bilden, haben von einem siebenjährigen Schulbesuche keinen bleibenden Gewinn, während sie der Schule großen Nachtheil bringen; denn um ihrer willen muß der Lehrer nothgedrungen die übrigen zwei Drittel seiner Schüler vernachlässigen. Nach Aufhebung des Schulzwanges werden jene Minderbegabten meist von der Schule wegbleiben, anderweitig nützlicher beschäftigt werden, und die Lehrer werden erfolgreicher unterrichten.

Wie wir vor 60 und mehr Jahren, als die Staatsregierung das Volksschulwesen in die Hand nahm, zuversichtlich erwarteten, daß durch die Volksschulen das religiös-sittliche Volksleben besser werden würde, so erwartet man jetzt eine Besserung des Volkslebens durch Trennung der Volksschule von der [177] Kirche. Man weist dabei hin auf jene Länder, namentlich auf Holland, und glaubt, das Volksleben sei dort darum besser, weil Schule und Kirche getrennt sind. Allein es ist oben angezeigt worden, daß man diesen bessern Stand weder den Schullehrern noch den Pfarrern verdankt, sondern den seit Jahrhunderten dort bestehenden einflußreichen Institutionen. Man sollte die so oft verlangte Trennung sofort vollziehen, einerseits um sich zur Beruhigung sagen zu können, es auch mit diesem Heilmittel, wie früher mit dem Schulzwang, versucht zu haben; andererseits um aus einem weitverbreiteten Irrthum herauszukommen. Nach dem Vollzuge dieser Trennung würde man, durch die Erfahrung belehrt, sich davon überzeugen, daß die von der Kirche getrennte Schule gleichfalls nicht im Stande ist, das religiös-sittliche und soziale Volksleben zu reformiren und das Volk zu erziehen; es wird nach der Trennung nicht die einerseits gehoffte Verbesserung, aber auch nicht die andererseits befürchtete Verschlimmerung eintreten; die Kinder werden auch nicht viel mehr lernen. Kinder, welche lediglich die Volksschule besuchen, können in ihrem dreizehnten Lebensjahre beim Schulaustritt nur ein bescheidenes Maß von Kenntnissen und Fertigkeiten besitzen, die Schule mag getrennt sein von der Kirche oder nicht. Durch die Trennung wird nicht nur der vorbezeichnete Irrthum berichtigt, sondern auch der fortwährende Konflikt zwischen Schule und Kirche, Schullehrern und Pfarrern, beseitigt werden. In Holland hat, wie in Deutschland, die Staatsregierung in der besten Absicht das Schulwesen in die Hand genommen. Ihre Schulen sind konfessionslos. Sie überläßt den verschiedenen Kirchengesellschaften den konfessionellen Religionsunterricht. Sie verlangt von der Volksschule: „daß sie den Kindern nützliche Kenntnisse gebe, ihre Fähigkeiten entwickele und sie zu allen christlichen und bürgerlichenden Tugenden erziehe.“ Allein sie wird im Laufe der Jahre, durch die Erfahrung belehrt, inne werden, daß die konfessionslose, wie die konfessionelle Schule, zwar „nützliche Kenntnisse geben“, aber nicht „zu allen christlichen und bürgerlichen Tugenden erziehen kann.“ Über die Schulfrage: Ob konfessionell oder nicht? [178] wird auch in Holland viel geschrieben und gestritten. Die Staatsregierung, und mit ihr die Majorität des Volkes, will, daß die Staatsschulen auch fernerhin konfessionslos bleiben sollen.

Weniger zwingend, wie in Deutschland, sind auch die dortigen Institutionen bezüglich des Armenwesens und der Armenversorgung. Auf dem heilsbronner Klostergebiete bestand ehedem in dieser Beziehung völlige Zwanglosigkeit. Die Äbte legten keine Armensteuern auf, gaben keine Zwangsgesetze bezüglich der Armenunterstützung; sie ließen hierin ihre Ortsgemeinden frei gewähren. Was sie selbst in dieser Beziehung thaten, war Folgendes: In dem oben Bd. I, S. 604 besprochenen Spital oder Pfründehause versorgten sie einige ihrer invaliden Diener und herabgekommene Klosterbauern. Von ihrer Bereitwilligkeit, ansässigen Klosterunterthanen durch Vorschüsse und Geschenke aufzuhelfen, war oben oft die Rede. Die beliebteste Versorgungsweise in jener Zeit war die, daß man den Bettlern freien Lauf ließ, ihnen Almosen gab, oder sie mit Bettelbriefen durch’s Land schickte. So verfuhren auch die Äbte. Jeden Donnerstag wurden 400 Arme durch die „Spent“ innerhalb des Klosters gespeist. Die nichteingelassenen, tagtäglich vorüberziehenden „armen und dürftigen Wanderspersonen“ erhielten am Thor Jegliche einen „Schwaben a 28 Loth, davon 600 aus einem Simra Korn gebacken werden.“ Dieser Passanten waren im Durchschnitt täglich 150; in theuren Jahren im Reformationsjahrhundert stieg ihre Zahl an manchem Tage bis auf 500, darunter gesessene Bauersleute mit Weib und Kindern, sowohl Klosterunterthanen, als auch Unterthanen der benachbarten Adeligen und anderer Herrschaften. Bisweilen schickten die Äbte ihre eigenen Unterthanen, versehen mit Bettelbriefen, hinaus zum Betteln, z. B. i. J. 1561 der 34. Abt Beck, welcher durch seinen Richter einen Bettelbrief folgenden Inhalts ausfertigen ließ: „Wir Hans Weikersreuter, Richter, bezeugen, daß der Schlosser Rüd zu Petersaurach, verheirathet, Vater von kleinen Kindern, blind, taub, stumm, lahm und arm geworden, das Seine nicht durchgebracht hat und des Almosensammelns höchst bedürftig ist. Daher die Bitte an alle [179] Leser dieses Briefes, seiner Frau das Almosen zu reichen nach Gottes Willen durch seinen Sohn, der nicht unbelohnt läßt, wo man in seinem Namen einen Trunk Wasser reicht.“ Nach Auflösung des Klosters mehrte sich die Zahl „der in- und ausländischen Armen, des Bettelvolks und des herrenlosen Gesindes,“ in Folge des 30jährigen Krieges bis in’s Ungeheure. An die Stelle der Zwanglosigkeit trat nun der Zwang. Es folgte ein markgräfliches Mandat nach dem andern. Darin wurde befohlen, nicht zu betteln und nicht zu geben, alle Bettler in ihre Heimat zu weisen, ledige in ihren Geburtsort, verheirathete in ihren letzten Wohnort; jedes Kirchspiel sollte seine Armen durch Zwangsbeiträge versorgen, der Pfarrer einer überbürdeten Gemeinde dem Dekan Anzeige machen und dieser wohlhabende Gemeinden oder Heilige zu Beiträgen auffordern. Alle diese Verordnungen wurden „meistentheils negligirt.“ Daher verordnete ein neues Mandat: „liederliches Gesinde mit Stockschlägen oder mit Springerarbeit auf der Festung zu bestrafen, oder auf die Galeeren zu bringen, oder gar Lebensstrafe zu verhängen.“ In den Dörfern bestimmte man, was jeder Inwohner geben mußte, nicht nach dem Steuerfuß, sondern nach einer Abschätzung. Diese Praxis hatte überall zur Folge: zwangsweises Einschreiten gegen Restanten, Bestrafung der Renitenten mit Gefängniß, Verweigerung der Wochenbeiträge, so gering diese auch waren: nur ein oder nur ein halber Kreuzer wöchentlich. In Großhaslach und Wickleskreut kontribuirten zwar die markgräflich-heilsbronnischen Kirchgäste, aber nicht die edelmännischen. Im Orte Heilsbronn selbst kam man überein, die Armen durch freiwillige Beiträge zu unterstützen; allein späterhin trat auch dort der Zwang an die Stelle der Freiwilligkeit. So wurde auf dem ganzen ehemaligen Klostergebiete die Armenversorgung eine Zwangspflicht; so ist es noch in ganz Bayern, in Deutschland überhaupt: jede politische Gemeinde ist zur Versorgung ihrer Armen und Nothleidenden gesetzlich verpflichtet. Man sollte glauben, nichts sei selbstverständlicher, als dieses Verfahren. Gleichwohl gehört diese Einrichtung zu denjenigen, welche in der Theorie als heilsam erscheinen, aber in der Praxis sich [180] als schädlich erweisen. Die offenkundigen traurigen Folgen dieser Einrichtung sind Seitens der Empfänger Arbeitsscheu, Trotz und Undankbarkeit, Seitens der gezwungenen Geber Mitleidslosigkeit und Härte, woraus folgt, daß die Armen und Nothleidenden meist nur kümmerlich versorgt werden. In England und Schottland ist, wie in Deutschland, die Armenversorgung eine Zwangspflicht, was auch dort, wegen der notorischen üblen Folgen oft beklagt wird. Anders und besser hat sich die Sache in Holland gestaltet. Dort sind die Gemeinden nicht in der Weise, wie bei uns, durch Zwangsgesetze verpflichtet, für ihre Armen und Nothleidenden zu sorgen, und gerade deßhalb werden diese besser versorgt, nicht durch Zwang sondern durch freiwillige Wohlthätigkeit und Assoziation, besonders durch die verschiedenen Kirchengesellschaften, welchen es eine Gewissenspflicht ist, für ihre nothleidenden Glaubensgenossen zu sorgen, woraus folgt, daß die Armen und Nothleidenden dankbar empfangen und nicht trotzig fordern, und daß ihnen nicht unwillig gegeben und geholfen wird. Die Staatsregierung läßt auch hierin frei gewähren, hilft aber treulich mit. In Folge dieser Zwanglosigkeit ist das Bestreben: wohlzuthun und mitzutheilen, in Holland reger und die Zahl der Anstalten zur Fürsorge für Nothleidende verhältnißmäßig größer als anderwärts.

Die Organe, durch welche die verschiedenen Kirchengesellschaften für ihre nothleidenden Glaubensgenossen sorgen, sind die Presbyterien oder Kirchenvorstände. Das unter diesem Namen seit 1850 in Bayern bestehende, fast wirkungskreislose Institut hat mit dem holländischen Presbyterium oder Kirchenvorstande beinahe nichts gemein als den Namen. Die holländischen Kirchenvorsteher und ihre Diakonen, nicht die vielköpfigen Gemeinden, nicht die Magistrate, wählen und berufen nach freiem Ermessen ihre Pfarrer. Sie verwalten ohne kuratelamtliche Überwachung das Kirchen- und Pfarrvermögen und sorgen für ihre Armen, Waisen, Bejahrten und Arbeitsunfähigen. Ihr Präses ist der Pfarrer, welchen sie selbst gewählt und berufen haben, zu welchem sie daher in einem ganz andern Verhältniß [181] stehen, wie die Kirchenvorstände in Bayern zu ihren Pfarrern. Sie ergänzen sich geräuschlos durch Kooptation. Mit der Staatsschule haben sie nichts zu thun. Ihre Korporation ist eine der einflußreichsten und angesehensten im Lande. Darin, daß dort, wie wir gesehen haben, die Kirche so viel bietet, liegt der Grund, daß man sich dort mehr als anderwärts für die Kirche interessirt. Die Einen halten sich zu ihr, weil sie von ihr so viel Gutes empfangen; die Anderen, weil ihnen durch die Kirche so viel Gelegenheit geboten wird, Gutes zu thun. Anders ist es in Deutschland. Darin, daß hier die Kirche so wenig bietet, liegt hauptsächlich der Grund, daß Viele, und oft gerade sehr Wohlgesinnte, sich für das Institut der Kirchenvorstände und für kirchliche Angelegenheiten überhaupt so wenig interessiren. Die günstige Gestaltung des holländischen Presbyterialinstituts datirt nicht von gestern, sondern von der Reformation her. Die Reformation wurde, wie oben erwähnt, in Holland (auch in Schottland) sofort Volkssache; nicht so in Deutschland, einige Städte ausgenommen, insonderheit nicht auf dem heilsbronnischen und markgräflichen Gebiete, wo sie (eben so in England) von obenher oktroyirt wurde. In Deutschland kamen die Evangelischen durch Krieg bald so in’s Gedränge, daß sie, um nicht unterzugehen, sich unter die Fittiche ihrer Fürsten flüchten mußten; und somit war es geschehen um den Aufschwung und die freie Gestaltung ihrer Kirche. Dazu waren die Fürsten, zu denen sie ihre Zuflucht nehmen mußten, keine Oranier und nicht im Stande, ihre Sache kräftig zu verfechten, z. B. der in Heilsbronn begrabene Markgraf Georg. Sein Neffe Albrecht Alcibiades, der wider seinen Willen nicht in Heilsbronn begraben wurde, verfocht zwar die protestantische Sache mit gewappneter Hand; allein weß Geistes Kind er war, ist oben und in den Beitr. S. 149 bis 172 zu lesen. Ganz anders gestaltete sich die protestantische Kirche in Holland, weil dort das Volk die Sache in die Hand nahm und regelte und die besprochenen einflußreichen Institutionen einführte, welche der lutherischen Kirche in Deutschland nicht zu Theil geworden sind. Das besprochene Presbyterialinstitut ist calvinistischen Ursprungs; es [182] wurde aber in Holland auch bei den Lutheranern, Mennoniten und Remonstranten eingeführt. Alle Kirchengesellschaften läßt der Staat frei gewähren, sich trennen und wiedervereinigen, nach Gefallen Kirchen bauen, predigen, taufen etc. Die Mennoniten in Amsterdam entzweiten sich im vorigen Jahrhundert und hatten verschiedene Kirchen, vereinigten sich aber wieder. Die Lutheraner entzweiten sich gleichfalls, nicht erst neuerlich, sondern schon vor hundert Jahren; die Strenggesinnten bauten sich in Amsterdam eine eigene Kirche. Wegen dieser gestatteten freien Bewegung wurde Holland – gewiß nicht zu seinem Nachtheil – schon vor Jahrhunderten die Zufluchtsstätte für Bedrängte: für die aus Frankreich, Portugal, Deutschland und Belgien verjagten Hugenotten, Wiedertäufer, Juden und für die antiinfallibilistischen Jansenisten. Eine Staatskirche wie in England gibt es dort nicht. Ehemals konnten nur Calvinisten Staatsbeamte werden, nicht aber Lutheraner, Mennoniten, Remonstranten, Katholiken und Juden; jetzt ist es anders.

Es ist oft behauptet worden, der unerfreuliche Stand des religiös-sittlichen Volkslebens in Deutschland rühre besonders von der französischen Invasion und Literatur her. Ganz ohne Grund ist diese Behauptung nicht. Doch ist zu bemerken, daß Holland noch weit mehr als Deutschland von den Franzosen okkupirt und lange Zeit dem französischen Reiche einverleibt war, daß Voltaire’s und andere derartige Schriften dort weit mehr gelesen wurden, daß die in Deutschland weit verbreitete Gleichgiltigkeit oder Opposition gegen religiös-kirchliche Glaubenslehren auch in Holland gefunden wird: daß aber gleichwohl dort in allen Volksklassen im Allgemeinen eine bessere Gesinnung gefunden wird, als in Deutschland. Dieser bessere Stand hat seinen Grund in den besprochenen besseren Institutionen. In Folge derselben herrscht in Holland, mehr als in Deutschland, Frankreich und Belgien, Ruhe, Ordnung und Zufriedenheit; die auch dort bisweilen vorkommenden Störungen[11] werden durch die bessergesinnte Majorität [183] bald wieder beseitigt. Im Hinblick auf diesen besseren Stand der Dinge hat man wiederholt angerathen, jene holländischen Institutionen auch in Deutschland einzuführen. Der Ausführung dieses Vorschlages stehen aber die größten Hindernisse im Wege. Denn die besprochenen holländischen Institutionen sind für Deutschland etwas ganz Ungewohntes, nie Dagewesenes; bei ihrer Verpflanzung nach Deutschland müßte eine totale Umgestaltung sehr vieler Verhältnisse eintreten. Durch seinen Heldenkampf gegen Spanien und dadurch, daß die Reformation gleich von vornherein Volkssache wurde, gelangte Holland früher als andere Länder zur Reife und zu der Einsicht, daß ohne jene Institutionen das religiös-sittliche und soziale Volksleben nicht gedeihen kann. Die besprochenen holländisch-schottischen Institutionen werden voraussichtlich nicht auf deutschen Boden verpflanzt werden; daher wird in Deutschland das religiös-sittliche Volksleben im Großen und Ganzen auf der Stufe bleiben, auf welcher es gegenwärtig steht, auf welcher es im heilsbronner Mönchsstaate, und wohl überall in Deutschland, vor und nach der Reformation stand.

Obgleich in Schottland und Holland das religiös-sittliche Volksleben auf einer höheren Stufe steht, als anderwärts, so fehlt es doch auch dort nicht an heftigen Kämpfen zwischen Orthodoxen und Heterodoxen, kirchlich Gläubigen und Ungläubigen. Solange jene Kämpfenden beiderseits darin eins sein und bleiben werden, daß inmitten aller Kämpfe über den Glauben die dortigen Reichsgesetze bezüglich der freien Bewegung und des Ruhetagszwanges streng gehandhabt werden; insolange wird dort keine Verwilderung zu Tage kommen, wie sie in Frankreich und Deutschland, wo jene Gesetze nicht bestehen, während der letzten hundert Jahre wiederholt grauenvoll und massenhaft zu Tage gekommen ist.




[184]
Dreizehnter Abschnitt.
Heilsbronn im 18. und 19. Jahrhundert.
Gerichts-, Gemeinde-, Schul- und Kirchenwesen.
Die Prediger seit der Aufhebung der Fürstenschule.
1. Das Gerichtswesen.

Während der Klosterzeit waren die Verwaltungsbeamten und Richter insgesammt Mönche, bis der 26. Abt Wenk den ersten weltlichen Beamten, den Richter Hans Hartung, in seinen Dienst nahm, welcher Verwaltungsbeamte und Richter zugleich war. Unter dem letzten Abt wurde neben dem weltlichen Richter ein weltlicher Verwaltungsbeamte, Pet. Proll, angestellt, nach diesem Barth. Cornberger mit dem Titel „Klosterverwalter.“ Nach ihm fungirten als Verwalter während der markgräflichen und preußischen Zeit: Kasp. Reichenbacher, Friedr. Faber, Fried. Hainold, Balth. Straß, Joh. Müller, Gg. Lud. Müller (floh vor Tilly’s Reitern), G. F. Förster, Ben. Krebs, Cph. Rephun, G. Ch. Stöhr, Dav. Jung, Lor. Schaumann, Nik. Stoffel, G. Sam. Bachmann, Urb. Zindel, G. And. Rosa, Just. Bernhold, Balth. Kern, Jak. und Chph. Weinhard. Neben diesen Verwaltern fungirten nach Hartung als Richter: H. Weikersreuter, Fr. Faber (nachmals Verwalter), G. Keck, B. Stieber, L. Ayrer (floh nicht vor Tilly’s Reitern), W. Ziemetsheuser (verfertigte einen Zollern–Brandenburgischen Stammbaum), J. A. Faber, G. Eyermann, J. Herbst, G. Ch. Appold, Nik. Stoffel (nachmals Verwalter). Nach Letzterem wurde kein Richter mehr angestellt, sondern jedem Verwalter ein Gegenschreiber oder Adjunkt beigegeben, nämlich P. K. Kern, Cl. Kleß, L. M. Beer und Ebenauer. Zeuge des Todtenregisters und der in der Kirche und an der Außenmauer vorhandenen Leichensteine sind 13 der genannten Verwalter und Richter in Heilsbronn begraben worden, nämlich 1. Cornberger, starb 1587. Der Prediger und Poeta laureatus Ley spricht sich in lateinischen Versen sehr anerkennend über den Verstorbenen aus. Einer anderen Aufschreibung zufolge wurde derselbe zwei Jahre [185] vor seinem Tode nach zwanzigjähriger Amtsführung wegen Unterschleif, Fälschungen und Veruntreuung von Vormundsgeldern removirt. 2. Reichenbacher, dem Todtenregister zufolge „ein gottesfürchtiger, redlicher, verständiger Mann und getreuer Schul- und Kirchenfreund“, starb schon nach fünfjähriger Amtsführung 1590. 3. Straß, kaufte das Schloßgut in Bonhof, starb 1617, „hinterließ keinen guten Nachruhm.“ 4. Krebs trat 1642 in den verödeten Amtsbezirk und ordnete in dem Chaos sehr Vieles mit großer Umsicht und Thätigkeit. Gleichwohl bemerkten nach seinem Tode die Regierungsräthe i. J. 1651: „Hat mehr eingenommen, als in Rechnung gebracht, hat öde Güter zu seinem Nutzen gebraucht; seine Relikten haben sein Amtsmanual weggeschafft und sollen bei Strafe dasselbe wieder beischaffen.“ Ähnliches ergab sich als 5. Jung 1676 starb. Es kam mit seinen Relikten ein Vergleich zu Stande. 6. Bachmann kam in Untersuchung und in’s Gefängniß, wurde kassirt und starb 1714. 7. Zindel kam vom Amte wegen Vorenthaltung herrschaftlicher Papiere, verarmte und starb 1745. 8. Nosa starb 1724; 9. Bernhold (nebst Hocker der Schöpfer des Heilbronnens, Beitr. S. 28) 1731; 10. Kern 1753; 11. Billing 1763; 12. Jak. Weinhard 1779 und 13. Chph. Weinhard. Die zuletzt Genannten wurden in der Weinhardischen Gruft auf dem alten Kirchhofe, jetzt Schulgarten, begraben. Im Anfang des 19. Jahrhunderts traten bayerische Landrichter an die Stelle der Klosterverwalter. Von den obengenannten Richtern wurden in Heilsbronn begraben: Keck 1623, Stieber 1627, Ayrer 1635, Eyermann 1667. Die anderen Verwalter und Richter kamen von Heilsbronn weg, z. B. Joh. Müller. Er wurde Rath in Kulmbach und von dort aus nach Westphalen zu den lang hingezogenen Friedensverhandlungen kommittirt. Von Osnabrück aus schrieb er nach Heilsbronn an den Verwalter Krebs: „Der Herr kann leicht erachten, in was für Langerweil ich nun bald in’s zweite Jahr hier sitzen muß. Die hiesigen Tractationes betreffend geht es eben langweilig damit her, bevor in Puncto der Reichs-Gravaminum. Denn gleichwie in hundert und mehr Jahren die [186] evangelischen und katholischen Stände sich darin nicht haben vereinigen können, also steht es nochmals damit hart an, wiewohl stark darin negotiert wird. Doch hofft man, noch dieses Jahr auf guten Progreß in so schweren Sachen, wenn nicht casus armorum zwischen beeden Armeen das Werk verdirbt oder gar übern Haufen wirft. Der ewige Friedensfürst wolle Segen und Gedeihen verleihen.“ Der Briefschreiber starb 1648 in Osnabrück noch vor dem Friedensschlusse. J. Ad. Faber wurde kassirt. Das Verhältniß zwischen den jeweiligen Verwaltern und Richtern war in der Regel feindselig. Sie wurden alternirend von Onolzbach und Bayreuth angestellt, und die Regierungen schürten stets das Feuer, indem jede den von ihr angestellten Beamten gegen die andere Regierung aufstachelte, wie wir oben im IX. und XI. Abschn. zur Genüge gesehen haben.


2. Das Gemeindewesen.

Ein solches war während der Klosterzeit in Heilsbronn nicht vorhanden; denn es existirten daselbst keine selbstständigen Bewohner, die sich hätten aneinander schließen können, um eine Gemeindekorporation zu bilden. Das Kloster acquirirte nach und nach alle Anwesen im Orte und übertrug die Verwaltung eines jeden einem Mönch, welcher es mit nichtansässigen Knechten und Mägden bewirthschaftete. Auch die übrigen im Orte arbeitenden Handwerker waren Lohnarbeiter ohne Ansässigkeit und Grundbesitz. Ebenso wurde es nach der Klosterauflösung zur Zeit der Fürstenschule gehalten: wie vormals das Kloster, so bewirthschaftete nun das Klosteramt Alles in eigener Regie mit besitzlosen unselbstständigen Lohnarbeitern. Allein die durch den 30jährigen Krieg erzeugte Verarmung hatte zur Folge, daß dieser Selbstbetrieb mehr kostete, als einbrachte. Man fing daher an, wenig oder gar nicht rentirende Objekte durch Verkauf rentabel zu machen. Zuerst kam an die Reihe der „Steinhof“, damals das einzige Wirthshaus in Heilsbronn, dessen Verkauf nun von den beiden Markgrafen anbefohlen wurde. Sam. Röll kaufte i. J. 1626 für 1200 fl. Haus, Stallung, Städelein, Tanzboden, die Grasnutzung vom [187] Klostergarten und den Garten, übrigens keine weitere Grundstücke, konnte sich aber auf dem Anwesen nicht halten, da fünf Jahre darauf die im X. Abschn. berichteten Kriegsdrangsale eintraten und die Fürstenschule auseinander ging. Das Wirthshaus, zugleich Post, fiel wieder der Herrschaft heim, wurde baufällig, wie alle Gebäulichkeiten im Orte, und konnte erst nach 50 Jahren (1680) wieder an den Mann gebracht werden. Das vormals für 1200 fl. verkaufte Anwesen war nun fast werthlos. Um es anzubringen, mußte man dem Käufer, Wildmeister Griesmeier, obendrein einen der verödeten Bauernhöfe in Weiterndorf für 180 fl. überlassen. Zu diesem Hofe gehörten 87 Mgn. Ackerland, 6 Mgn. Wiesen, 3 Mgn. Wald. Der Käufer hatte davon jährlich 81/2 Sra. Korn, 6 Sra. Haber und 7 fl. baar an das Amt zu entrichten. Seine Wittwe zahlte 41 fl. Handlohn. Fünf Jahre darauf kaufte das Anwesen Gg. Mausner aus Nürnberg, welcher auch den herrschaftlichen Viehhof, jetzt Post, kaufte und daselbst eine Wirthschaft, die zweite in Heilsbronn, errichtete. Dieß die Geschichte des ersten, 1626 gegründeten selbstständigen Anwesens; es war 29 Jahre lang das einzige. Erst nach dem Kriege setzten die beiden Regierungen das angefangene Werk fort, um das durch den Krieg und durch die Zerstreuung der Fürstenschule ziemlich entvölkerte Heilsbronn wieder zu bevölkern und, zum Besten des erschöpften Staatsärars, die neuen Ansiedler abgabepflichtig zu machen. Die entbehrlichen, insgesammt ruinosen Wohnungen und die im Orte vorhandenen freien Plätze wurden feilgeboten. Bayreuth beantragte 1635: „Im Kloster sind viele leere Plätze, worauf zur Förderung des Klosterinteresses Häuser gebaut und also die Mannschaft verstärkt werden könnte. Bereits hat sich der Zimmermann Beck von Habersdorf erboten, er wolle, wenn ihm des Klosters Bronnenwartei überlassen werde, auf seine Kosten eine eigene Behausung in das Kloster bauen. Finden sich dergleichen Leute mehr, so habt ihr Vorschläge vorzulegen. Man könnte von dem Überfluß der weitläuftigen Klosterfelder zu den Häusern schlagen.“ Der leeren Plätze im Orte gab es viele. Auf dem Areal vom untern Thor herein rechts, worauf jetzt bis [188] hinauf zum Steinhofwirthshause etwa 30 Wohnungen stehen, standen damals und zuvor in der Klosterzeit nur drei Häuser, nämlich der Saalhof (Hs. N. 106), das Schlachthaus (Hs. N. 103, Löwenwirthshaus) und die Richterswohnung (Hs. N. 73, jetzt Landgericht). Die dazwischen stehenden Häuser wurden erst von 1655 an nach und nach auf bis dahin unbezimmerten Plätzen erbaut, das erste von dem gedachten Beck aus Habersdorf i. J. 1655, jetzt Hs. N. 86, seit 1688 eine Bäckerei; zwei andere Häuser, jetzt Hs. N. 91–94, erbauten G. Müller und J. G. Müller, die zuvor als Schustergesellen bei der Fürstenschule gearbeitet hatten. 1688 erbaute J. G. Stapfer, früher Gesell in Heilsbronn, eine Schmiede, jetzt Hs. N. 74. Die übrigen Bauplätze in dieser Häuserreihe und von dieser aus westlich wurden erst im 18. Jahrhundert bezimmert, wie nachher berichtet werden wird. Noch im 17. Jahrhundert (1698) verkaufte die Herrschaft den „Kapellengarten“ (zum obern Thor hereinkommend rechts, zwischen dem Thor und der 1771 abgetragenen Katharinenkapelle) an den bereits in Heilsbronn arbeitenden Schuster Heulein, welcher das zweistöckige Haus Nr. 52 darauf erbaute und eine Handelschaft betrieb. Die übrigen noch im 17. Jahrhundert entstandenen selbstständigen Anwesen waren folgende: 1675 kaufte H. Keser von der Herrschaft das Haus, jetzt Nr. 51, vor dem Kriege Wohnung des vierten Lehrers an der Fürstenschule, nun aber entbehrlich geworden, da nach dem Kriege die vierte Lehrerstelle nicht mehr besetzt wurde. Der Käufer erhielt zu dem Hause den Grabengarten, welcher außerhalb der Ringmauer vom obern Thor an bis zum Badweiher hinab sich erstreckte, zahlte dafür 200 fl. in zehnjährigen Raten, dazu das Handlohn, jährlich 2 fl. 10 kr. Grundzins etc., baute 1693 das Haus fast neu und richtete eine Bäckerei ein. Man nannte ihn gewöhnlich „Postbäcker“, weil sein Haus nahe beim Steinhofe, der vormaligen Post, stand. 1680 kaufte der Schlosser Süßner von Altdorf von der Herrschaft das sehr baufällige Häuslein, jetzt Nr. 54, früher Amtsbotenwohnung, auf der Ecke der Ringmauer, vom obern Thor hereintretend rechts, sammt Stallung und einem [189] Stück Grabengarten, für 36 fl., zahlbar in fünfjährigen Fristen, und hatte dafür 2 fl. 24 kr. Handlohn, dann jährlich 1 fl. Grundzins an das Amt zu entrichten. 1680 kaufte H. Rasch, bereits Büttnergesell beim Amt, von der Herrschaft das kleine Häuslein, jetzt Nr. 34, für 20 fl., erhielt dazu noch ein Gärtlein am Abhang hinab bis zum Kirchhof und 3 Kl. Waldrecht; dafür hatte er Handlohn und jährlich 32 Kreuzer Grundzins zu entrichten. 1680 kauften M. G. Franz, bereits als Glaser, und H. Küffner, bereits als Häfner im Orte arbeitend, von der Herrschaft für 120 fl. das alte Badhaus, jetzt Nr. 115 und 116, Gemeinde- und Armenhaus am Badweiher, vormals das Bad für die Knechte und Mägde; die Käufer erhielten dazu nahe beim Hause einen Garten, ein Schorgärtlein und eine Wiese. 1681 etc., kaufte Regelein, ein Wagner, von der Herrschaft für 70 fl. das Haus zwischen Hs. Nr. 1 und dem neuerlich in ein Wohnhaus umgestalteten „Haberboden“; Baßler, ein Weber, ein Häuslein für 30 fl.; der Küchenmeister Kleß ein Haus mit Grasgarten für 100 fl.; Reuter für 20 fl. ein Häuslein, jetzt Nr. 25, nebst 3 Kl. Waldrecht. In der Nähe stand das „Schul- oder Lokatenhäuslein“, welches Beck, ein Sattler aus Mergentheim, für 50 fl. kaufte. 1686 kaufte der Konrektor Stübner, nachmals Rektor, für 8 fl. und 32 Kreuzer Handlohn einen Platz bei der Mühle und baute darauf ein Haus, jetzt Nr. 22 und 23, kein Haus des Friedens, wie oben Abschn. XI berichtet wurde. 1687 kaufte Lor. Lösch das ohne große Kosten nicht mehr zu reparirende Badershaus, jetzt Nr. 28. Er wohnte darin als Bader für die Fürstenschule schon seit Jahren unentgeltlich. Als nunmehriger Besitzer erhielt er, wie bisher, das benöthigte Holz, dazu 10 Kl. Waldrecht, Bauholz, den kupfernen Kessel mit den sonstigen Badfurnituren, ein Gärtlein etc. Dafür hatte er 200 fl., das Handlohn, jährlich 2 fl. 24 kr. an das Amt zu zahlen, die Alumnen nach Anordnung des Medici mit Schröpfen und Aderlassen zu versehen und die Erkrankten im Patientenstüblein zu verpflegen. 1687 kaufte Rebell, ein Schneider, für 4 fl. einen Bauplatz zwischen dem Spital und Hs. N. 86 zur Erbauung [190] von Haus und Stadel, der Glaser Franz nicht weit davon für 8 fl. einen Bauplatz für Stadel und Haus, jetzt Nr. 82; Kummer, welcher bereits als Buchbinder im Orte lebte, für 55 fl. das Bräumeistershäuslein, jetzt Nr. 45; 1688 der Zimmermann Haindel aus Neunkirchen für 12 fl. einen Bauplatz zwischen dem Mühlschutz und der Ringmauer zur Erbauung des Hauses Nr. 17, verkaufte es aber für 240 fl. an den Färber Rechenberger. 1688 bis 1700 kaufte Dorninger, bereits Ziegelknecht im Orte, für 6 fl. einen Bauplatz vor dem Thor; Gestattner, ein Schlosser, das Kastenmessershäuslein; Schober und Bub aus Kadolzburg ein Stück vom Pfortengarten zur Erbauung der beiden Häuser Nr. 47a bis 49 nebst Scheune; der Glaser Cranz einen Bauplatz bei der Pferdeschwemm zur Erbauung des Hauses Nr. 77. Die Zahl der von 1627 bis 1700 gegründeten selbstständigen Anwesen belief sich auf 24.

Im 18. Jahrhundert wurde das angefangene Werk noch weit eifriger betrieben. 1705 traten Abgeordnete von den beiden Fürstenhäusern in Heilsbronn zusammen zum planmäßigen Betrieb der Gütervererbung, zur Besichtigung und Schätzung der wenig oder gar nicht rentirenden Liegenschaften, welche durch Verkauf rentabel gemacht werden sollten. Noch in diesem Jahre wurden die herrschaftlichen Felder größtentheils verkauft, daher die sehr großen, aber auch sehr baufälligen Scheunen hinter den Häusern Nr. 78 bis 81 und 102 bis 105 entbehrlich. In demselben Jahre wurde die herrschaftliche Bräuerei an den bereits hier arbeitenden Braumeister Hahn für 4100 fl. verkauft. Dieser kaufte dazu die alte herrschaftliche Küche, welche er zu einer Wohnung, jetzt Hs.Nr. 46a, einrichtete. In den Kauf einbegriffen waren: Felder, dann „Mulztennen, Weichdörre und Schwelkböden“ in der anstoßenden architektonisch interessanten Kapelle,[12] der Keller unter der großen Bibliothek, der nichtgewölbte Gang unter der kleinen Bibliothek zum Faßlegen, der Sommerkeller unter dem Wirthshause (jetzt Hs.N. 71) und acht Klftr. Waldrecht. [191] Hahn erbaute 1720 einen zweiten „Sommerkeller“ (Felsenkeller) vor dem Orte, nahe am bonhofer Wege. Er verstand es, jene Zeit der Güterverschleuderung zu seinem Vortheil zu benützen. Die dem Einsturz drohende alte Abtei[13] wurde von den beiden Regierungen feilgeboten. Hahn meldete sich als Käufer mit dem Erbieten, auf dem freien Raume vor der Abtei an die Strasse der Länge nach ein stattliches Wohnhaus zu bauen, und die alte Abtei in eine Brauerei umzugestalten. Er zahlte 500 Thaler, erhielt dafür die alte Abtei, alles benöthigte Bauholz zur Errichtung seiner zweiten Brauerei, acht Klftr. Waldrecht, Schenkgerechtigkeit wie auf seiner bereits erkauften ersten Brauerei, einen Anstich vom Abtsbrunnen und die Zusicherung, daß keine dritte Brauerei im Orte errichtet werden dürfe. Dagegen verpflichtete er sich, Steuer, Handlohn, jährlich 10 Gulden Erbzins etc. zu zahlen. Er nahm zwar den Bau sofort in Angriff, ließ das Bauholz auf den Zimmerplatz führen, verfuhr aber dann nicht weiter, sondern verkaufte 1722 die alte Abtei nebst Bauplatz und Bauholz für 1200 fl. an den Brauer Renner von Treuchtlingen, welcher das projektirte Haus, jetzt Nr. 95, erbaute. In dem rückwärts anstoßenden Brauereigebäude erinnert hier und da eine Thür- oder Fensteröffnung an das, was es einst war – die Wohnung der Äbte. Den freien Platz abwärts von der Brauerei verkaufte die Herrschaft an J. Länglein und den Handelsmann Seuffert zur Erbauung der Häuser Nr. 96 und 98. Hahn verkaufte sein erstes Brauanwesen an Hüftlein von Dautenwinden, welcher aber bald in’s Abwesen kam. So hatte Heilsbronn in dem kurzen Zeitraum von 1705 bis 22 zwei selbstständige Brauanwesen erhalten, während dort in der ersten Klosterzeit 250 Jahre lang keine Brauerei bestand; späterhin eine einzige, und diese nicht schwunghaft betrieben. Der nördliche Kreuzgangflügel wurde an den Major Funk verkauft, 1771 abgetragen. Die darunter befindliche Faßlege des Brauers wurde dahin verlegt, wo sie noch ist, nämlich vor das schöne Portal der [192] Kapelle. Über das auf der Spitalkapelle i. J. 1708 erbaute Haus Nr. 89 ist Band I S. 604 berichtet worden. 1720 verkaufte die Herrschaft einen Bauplatz an der untern Scheune und am Saalgarten an den Zimmermann Fayh, welcher das zweistöckige Haus, Nr. 105, seit 1740 Apotheke, darauf erbaute. In demselben Jahre 1720 wurde die 125 Fuß lange herrschaftliche untere Scheune für 200 fl. an die Erbauer der drei davorstehenden Häuser Nr. 102 bis 105 verkauft; gleichzeitig auf Abbruch der benachbarte Saalhof, Marstall des Klosters, zur Erbauung des Hauses Nr. 106. Über den Saalhof ist Bd. I, 595 Näheres berichtet worden. Das angebaute Häuschen diente, wenn die Markgrafen in dem Hause Nr. 1 anwesend waren, als herrschaftliche Küche; späterhin war es ein Wachhaus. Die obere Scheune, 218 Fuß lang und 85 breit, weit größer als die untere, stand hinter dem Wirthshause zum Steinhof und dem „Zimmerplatz“. Dieser ist noch jetzt ein freier Platz mit einer Linde. Die Scheune wurde gleichfalls i. J. 1720 verkauft und niedergerissen; an ihrer Stelle und vor derselben wurden die Häuser Nr. 78 bis 81 erbaut. Als Ersatz für die verkauften und niedergerissenen zwei Scheunen erbaute man 1730 außerhalb der Ringmauer die noch stehende, neuerlich gleichfalls verkaufte herrschaftliche Zehntscheune. Das Richtershaus, Nr. 73, Nachtquartier des Herzogs Bernhard von Weimar, während des 30jährigen Krieges bußwürdig geworden und zum Theil eingefallen, kaufte 1725 der Amtsverweser Zindel, verkaufte es aber an den zunächst wohnenden Wirth und Posthalter Maußner, welcher es abtragen und neu bauen ließ. Neuerlich wurde es Landgerichtsgebäude. Die Amtsbotenwohnung an und auf dem obern Thor wurde 1720 vom Schreiner Tröster gekauft, neu gebaut, darauf an den Nachbar Schröppel verkauft. Tröster kaufte 1722 die unter dem Thorwege der Katharinenkirche befindliche Thorwartswohnung, welche, wie nachher bei der Katharinenkirche berichtet werden wird, als Erdgeschoß des dicken Thurmes noch besteht und mit Hs. N. 70 bezeichnet ist. Die beim Spital neben dem „Gerbhaus“ und der alten „Pferdeschwemm“ gelegene [193] Ziegelhütte wurde ganz abgetragen und nicht wieder errichtet. Ein ständiger Ziegelbrenner war schon zur Klosterzeit nicht vorhanden, auch kein Bedürfniß, da man Ziegel und Backsteine lediglich für den eigenen Bedarf brannte und nicht damit Handel trieb, wie mit Lebkuchen, Wein, Getreide und Fischen. Trat das Bedürfniß ein, so requirirte man einen Ziegelbrenner aus der Nachbarschaft. Die meisten der bisher bezeichneten, im 17. und 18. Jahrhundert gegründeten selbstständigen Anwesen liegen auf der Westseite des Ortes.

Die in diesem Zeitraum auf der Ostseite gegründeten Anwesen sind folgende: Bei Nr. 30 im Hausnummerverzeichniß heißt es: „abgebrochen, nur noch ein Garten.“ Es stand auf dieser Stelle, nordöstlich von der Klosterkirche, ein altes 140 Fuß langes, 36 Fuß breites Klostergebäude mit hohen Fenstern und einem Nebenhäuslein, später Rektors- oder Konrektorswohnung, während des 30jährigen Krieges ruinos geworden, 1684 von beiden Regierungen feilgeboten: „die schweren Reparaturkosten zu verhüten, es an den Mann zu bringen und dadurch rentabel zu machen.“ Der Käufer, der bereits genannte Sattler Beck aus Mergentheim, zahlte dafür 50 fl. an das Amt. Die Nachbesitzerin, die Gesandtenwittwe von Reck, verkaufte das Haus an den ehemaligen öttingischen Rath Heberlein, welcher eine Flanelldruckerei darin einrichtete, aber keine gute Geschäfte machte. Eben so der nachherige Besitzer, der Gerber G. Walter, worauf das Haus dem Hypothekengläubiger, Administrator Staudt, zufiel, welcher es abbrechen und nicht wieder bauen ließ. Das Areal wurde und ist noch ein Garten. Nebenan stand, an das Infirmitorium oder Siechhaus angebaut, die St. Laurentiuskapelle, welche der Büttner Kolb von der Herrschaft kaufte und niederriß; an ihrer Stelle steht jetzt das Haus Nr. 31. Nördlich davon standen drei Klostergebäude: das Büttenhaus, das hohe Haus und das Verwaltershaus. Das Büttenhaus oder Kalterhaus, 111 Fuß lang und 60 Fuß breit, mit zwei massiven Giebelmauern, diente im 17. Jahrhundert nicht mehr als Kalterhaus, da die Weinberge bei Heilsbronn und Bonhof schon 1591 in [194] Ackerland umgewandelt wurden; man benützte es daher als Stallung und Speicher. „Ist nicht mehr zu flicken, da das Holzwerk verfault ist, das Fundament und der ganze Bau sich senkt,“ wurde i. J. 1693 berichtet. 1726 stand es leer, bis endlich (1743) sich zwei Käufer fanden, Zimmermann Fayh und Maurer Leidinger, welche das Haus niederrissen und an seine Stelle das zweistöckige Haus Nr. 34 setzten. Vier Jahre später baute Heinz auf dem Platze hinter dem Büttenhause ein neues Haus, jetzt Nr. 33. Wenige Schritte davon stand das Kantoratshaus, jetzt Nr. 36, über welches die Beamten um 1697 berichteten: „Ist die schlechteste Wohnung aller herrschaftlichen Diener, zwar zweistöckig, aber eng, an der Ringmauer, unten feucht und ungesund, sehr schadhaft. Magister Pöschel ist wegen Lebensgefahr aus- und zur Rektorswittwe Stübner gezogen.“ Jahrzehnte lang certirten Onolzbach und Bayreuth und die Beamten im Orte selbst wegen der Reparatur, bis diese endlich (1744) vollzogen und das Haus dem Kandidaten Heidenreich, welchen man dem greisen Prediger Hocker adjungirte, eingewiesen wurde. Nahe bei diesem Hause, hinter der neuen Abtei (jetzt Schulgebäude), an der Ringmauer, stand das hohe Haus[14] Zu welchem Zwecke dieses vom Kloster erbaut wurde, ist nicht bekannt. Es hatte ein Gemach, die Abtsstube genannt, einen mit Blech gedeckten Erker, war „das vornehmste Gebäu im Kloster“, aber nach dem 30jährigen Kriege verödet, so daß 1664 darüber berichtet wurde: „Ist in diesem Haus an Thüren, Fenstern, Schlössern und Öfen seit der eingeführten Schul alles gestohlen, verbrochen und zu Schanden geworden.“ Es enthielt nur noch zwei Behälter, eine Truhe etc. Im Ganzen aber war es solid gebaut: „aus schönen gehauenen Steinen und Werkstücken, mit einem guten Dach,“ so daß es in der markgräflichen Zeit als Theater benützt werden konnte, laut folgender Notizen: „Im hohen Hause 1679 Comödia in Gegenwart der Herrschaft von Onolzbach. 1694 dem J. J. Gundling, Maler zu Nürnberg, welcher das in [195] dem hohen Haus verfertigte Theatrum gemalet, 20 fl. 1695 dem Schneider Schauer den Vorhang in das Theatrum der Comödia zu machen 25 kr. Dem Maler K. Eckhard zu Fürth, diesen Vorhang perspektivisch zu malen 15 fl.“ Um diese Zeit wurde für den Küchenmeister „die ehemalige Abtsstube auf dem hohen Haus zugerichtet zu seinem Logiament.“ In einem Berichte von 1726 hieß es: „Das alte hohe Haus, ein auf dem Einfall stehendes zweigädiges Haus, kann nicht bewohnt werden, macht dem darunter wohnenden Metzger Preis oft bang durch Krachen.“ 1751 fand sich endlich ein Käufer, der Gegenschreiber Jak. Weinhard, welcher in das hohe Haus zwei Wohnungen, jetzt Hs. Nr. 37 und 38, einrichten ließ. Die vordere mit dem im untern Tennen befindlichen Gewölbe und dem Kellerlein verkaufte er an den Metzger Hofmann. Über das vorhin erwähnte Verwaltershaus ist Folgendes zu berichten: 1620 waren die geistlichen und weltlichen Räthe, Kanzler und Superintendenten ober- und unterhalb Gebirgs, 14 Tage lang in Heilsbronn versammelt, die Fürstenschule zu visitiren, die Rechnungen zu revidiren und den Prediger Plofelder zu installiren. Man ließ sich’s wohl sein bei Austern etc., wofür die Amtskasse 1800 fl. zu zahlen hatte. Noch ahnete man nichts von dem Elend, welches der zwei Jahre vorher ausgebrochene Krieg auch über Heilsbronn bringen werde. Es handelte sich zur Zeit nur um mäßige Kontributionen für das bayerische Kriegsvolk, um Reparatur der Speicher im heilsbronner Hofe in Nürnberg zur Unterbringung der Getreidevorräthe für den Fall, daß der noch ferne Kriegsschauplatz in die Nähe verlegt werden würde. Man verhandelte über die Abtheilung zwischen den beiden Fürstenhäusern und schließlich auch über das höchstbaufällige Verwaltershaus, dessen Abbruch und Neubau beschlossen wurde. Auf dem Areal des abgebrochenen Hauses baute man nicht wieder, sondern auf einem freien Areal am jetzigen Marktplatze. So entstand 1621 das neue Verwaltershaus, Hs. Nr. 1. Das Erdgeschoß mit vier Wohnzimmern und drei Kammern wurde Wohnung des Verwalters, der obere Stock mit vier Wohnzimmern und vier Kammern für die fürstlichen [196] Ablager reservirt, an der Vorderseite des Hauses Jahreszahl und Klosterwappen angebracht, an der Rückseite ein Garten angelegt, darin ein Springbrunnen, welcher sein Wasser durch eine, jetzt nicht mehr unterhaltene Röhrenfahrt längs der haslacher Allee erhielt. Dabei blieb es bis nach dem Kriege. 1670 etc. kam dazu ein achteckiger mit Blech gedeckter Schneckenthurm, eine Sonnenuhr und Renovatur der Wappen. Wie der Garten von 1692 bis 95 geschmückt wurde, erhellt aus folgenden Rechnungspositionen: „54 fl. dem C. Hemms, Bürger zu Nürnberg, welcher das Gartenhaus mit Bildern ausgearbeitet, vergoldet und andere Sachen zu dem Crottenwerk verfertigt; 78 fl. dem J. J. Gundling, Maler in Nürnberg, für Malerei im gedachten Gartenhaus; das Bronnenwerk wurde heuer gemacht und besteht nun in den drei Bronnenbildern Fortuna, Hercules und Neptun und Krebs aus Blei, dann ein großes rundes und zwei ovale Becken aus Kupfer, drei Schildcrotien, sechs Eidechsen und zwölf Fröschen. 7 fl. dem Maler C. Eckhard von Fürth für zwei Tafeln zu dem Crottenwerk und Portal, perspektivisch zu malen.“ Das Haus kam im 19. Jahrhundert in Privathände, der Schmuck am Gartenhaus und Brunnen nach und nach abhanden. Die herrschaftliche Klostermühle kaufte für 1800 fl. i. J. 1714 Molisme, bisheriger Bestandmüller, welcher sich zu jährlichen fixirten Abgaben verpflichtete. Da, wie vorhin berichtet wurde, sich zwei selbstständige Bäcker im Orte ansässig machten (späterhin noch zwei), so ließ man die Bäckerei in der Mühle, früherhin die einzige im Orte, eingehen und brach das an die Mühle angebaute Backhaus ab; die Spuren des Abbruches kann man vom anstoßenden Pfarrgarten aus an der Außenmauer der Mühle noch sehen. Auf dem Areal der jetzt mit Nr. 3 und 4 bezeichneten Häuser standen bis zur Zeit der „Gütervererbung“ im 18. Jahrhundert der Haberkasten oder Haberboden, ferner ein Thurm und ein damals die Straße sperrendes Thor, Rosenthor genannt, mit einem niedrigen Thorthurme. Auf diesem war die Sartoria oder Schneiderei (s. Abschn. V, C, 4), in welcher zur Zeit des Klosters und zur Zeit der Fürstenschule ein Schneider [197] mit Gesellen arbeitete, späterhin nicht mehr, nachdem zwei derselben, Schauer und Rebell, selbstständige Anwesen gegründet hatten. Das dadurch entbehrlich gewordene Lokal wurde nebst dem Haberkasten und dem Thurme auf Abbruch feilgeboten, 1720 vom Klosterverwalter Rosa für 500 Thaler gekauft und abgetragen. Der Käufer verpflichtete sich, auf der Grundfläche drei rentable Anwesen oder Mannschaften zu gründen, Handlohn, 6 fl. Erbzins etc. zu entrichten; dagegen erhielt er alles Bauholz. Seine Wittwe verkaufte wegen Ueberschuldung die drei Häuser, das nördliche an den Hofrath Heistermann, die beiden andern für 1041 fl. an die Herrschaft zur Beherbergung des Gefolgs („Cavaliere“) bei fürstlichen Ablagern. An der nordöstlichen Ecke des äußersten dieser drei Häuser unter einem gegen den Marktplatz gerichteten Fenster wurde ein Wappen und die Jahrzahl 1573 eingemauert. Nach dem gänzlichen Verschwinden des Haberkastens durch die Gründung dieser drei Häuser gab man den Namen „Haberkasten“ einem andern, am Marktplatz gelegenen Gebäude, welches neuerlich in ein Wohnhaus umgeschaffen wurde, zur Klosterzeit aber die Abschn. V, C, 20 besprochene Bursaria war. Die beiden Häuslein des Kastenmessers und des Küchenmeisters wurden an einen Buchbinder und einen Maurer verkauft, abgetragen und neu gebaut, jetzt Hs. Nr. 2 und 45. Die Klosterverwalterswittwe Bernhold erhielt daneben ein freies Plätzlein und baute darauf das Haus Nr. 44. Die Klostermetzgerei wurde 1708 an den bereits im Orte arbeitenden Metzger Kupfer verkauft, abgetragen und neu gebaut, jetzt das Wirthshaus Nr. 103. Über die Gründung der Anwesen Hs. Nr. 14 und 15 durch Verkauf der ruinosen Granaria oder Kornschreiberei i. J. 1720 siehe oben Abschn. V, C. 19, über die Gründung der Anwesen Hs. Nr. 40, 41, 42, 43a durch Verkauf des Siechhauses oder Infirmitoriums Abschn. V, C. 16. An das Siechhaus war in westlicher Richtung die „herrschaftliche Alumnorumküche“ angebaut, welche nach Aufhebung der Fürstenschule nicht mehr gebraucht und durch Verkauf rentabel gemacht wurde. Der Käufer ließ den gewölbten massiven Unterbau stehen, brach [198] die am Gewölbe noch sichtbaren röhrenformigen Rauchfänge ab und erbaute darüber das Haus Nr. 43b. Das damalige „Meßnershäuslein“, jetzt Nr. 29, enthielt nur ein Stüblein und eine Kammer, war höchst baufällig, sollte für 20 fl. verkauft und durch Neubau rentabel gemacht werden. So wollte es 1704 Bayreuth; dem entgegen verfügte Onolzbach Nichtverkauf und Reparatur. Die jetzige Meßnerswohnung, Hs. Nr. 27, war damals Predigerswohnung. Das Haus Nr. 26, „das schöne Häuslein genannt auf dem Kirchhof, so vor Zeit Meister Kaspar Balbierer inne gehabt,“ war, wie Bd. III, 6 berichtet wurde, von 1590 bis 92 die Wohnung des ersten Titularabts Limmer. Ein permanentes Pfarrhaus besteht in Heilsbronn erst seit 1747. Die ersten lutherischen Prediger fungirten nicht in der Klosterkirche, sondern in der Katharinenkirche, in deren Nähe sie auch wohnten, und zwar erst in dem Hause 53, dicht am obern Thor, dann in dem Hause 51 dicht an der Katharinenkirche. Nach Errichtung der Fürstenschule fungirten sie vorzugsweise in der Klosterkirche und erhielten ihre Wohnungen in der Nähe dieser Kirche: der Prediger Ley 1590 auf markgräflichen Befehl im Burggrafenhause, dem jetzigen Pfarrhause, Nr. 7, aber nur vorübergehend, denn schon dem nächstfolgenden Pfarrer wurde das Haus Nr. 27, jetzt Meßnershaus, als Wohnung angewiesen. Während des. 30jährigen Krieges war die Pfarrei acht Jahre lang erledigt, daher eine Pfarrwohnung kein Bedürfniß. 1675 wurde das Haus Nr. 30, jetzt ein Garten, Pfarrhaus, da der darin wohnende Gymnasialrektor Cöler die Pfarrstelle erhielt mit der Vergünstigung, in seiner Wohnung bleiben zu dürfen. Der Prediger Hocker bewohnte eines der vorhin bezeichneten, vom Verwalter Rosa 1720 erbauten Häuser. Nach seinem Tode wurde für seinen Schwiegersohn und Nachfolger Heydenreich 1747 das in den Beitr. ausführlich beschriebene und besprochene Burggrafenhaus, Hs. Nr. 7, zur Wohnung eingerichtet.

So war es denn gelungen, während der vier ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts zwanzig Klostergebäulichkeiten an den Mann zu bringen und durch Umgestaltung oder Demolirung rentabel zu [199] machen. Nun kam das eigentliche Klostergebäude mit den Kreuzgängen, Hs. Nr. 5 und 6, an die Reihe. Einen Theil davon schenkte der Markgraf i. J. 1739 dem Hofrathe von Heistermann, welcher, wie vorhin erwähnt, das angebaute, späterhin, wie noch jetzt, durch ein Gäßchen davon getrennte Haus bereits besaß. Heistermann erhielt die westliche Front des Klostergebäudes, jetzt das Bezirksamtsgebäude[15] mit dem thurmartigen Vorbau, das seitwärts liegende Gärtchen, den nördlichen 86 Fuß langen und 161/2 Fuß breiten Flügel des Klostergebäudes, worin sich zur Klosterzeit zu ebener Erde ein Kreuzgang befand. Nach der Klosterauflösung wurde dieser Flügel als Faßlege, Stallung und Remise benützt, dann aber ganz abgetragen, so daß an dessen Stelle gegenwärtig das ebenbezeichnete Gäßchen ist. Ferner erhielt Heistermann den Hofraum um den sogenannten Heilbronnen. 1753 verkaufte er dieses ganze Besitzthum für 3000 fl. an den Major Funk von Altenmuhr, welcher von der Herrschaft auch den östlichen Flügel des Klostergebäudes, den großen Bibliotheksaal, kaufte, nicht aber den darunter befindlichen Gierkeller. Zugleich kaufte er den „Pfortengarten“, welcher an der Westseite des Pfarrhauses liegt und jetzt in mehrere Parzellen zertheilt ist. Diese ansehnlichen Besitzungen insgesammt verkaufte Funk i. J. 1769 an den Klosterverwalter J. Jak. Weinhard. Die besprochenen vier Kreuzgangflügel zusammen nannte man den vordern oder alten Kreuzgang. Der westliche Flügel bildete die Hauptfront des Klostergebäudes. Der nördliche ist, wie eben berichtet wurde, völlig verschwunden. Der östliche mit der großen Bibliothek wurde und war bis in die neueste Zeit Frohnfeste. Der südliche, an die Ritterkapelle angebaute, verbindet jetzt das Bezirksamtsgebäude mit der vormaligen Frohnfeste.

Der hintere oder neue Kreuzgang[16] mit seinen vier Flügeln zwischen dem nördlichen Seitenschiff der Kirche und der Brauereikapelle wurde völlig abgetragen, nachdem der Verwalter [200] Weinhard und der Bauinspektor Bruckner i. J. 1770 dem Markgrafen vorgestellt hatten: „Wir haben in Überlegung genommen, daß die in Gewölben und Dachungen äußerst schadhaften Kreuzgänge zur Vermeidung kostbarer Reparationen abgebrochen und hiedurch auch der Eingang bequemer gemacht werden könnte.“ Bescheid: „Es wird sich eine hochfürstliche Deputation zum Augenschein einfinden. Inzwischen sind solche Kreuzgänge mit der Kirche nach ihrer Situation Serenissimo vorzulegen.“ Nach Vorlage des Situationsplanes erfolgte der weitere Bescheid: „Die Kreuzgänge sind successive abzubrechen, gegenwärtig aber nur diejenigen, die auf dem Einfall und der Klosterkirche im Lichte stehen. Die Materialien sind zum herrschaftlichen Gebrauch verwahren zu lassen.“ Im Laufe der successiven Abtragung dekretirte die fürstliche Kammer weiter: „Die Quader von den Kreuzgängen sind zu consigniren, die größten als eine gute Waare zu asserviren, um solche zu anderen herrschaftlichen Gebäuden verwenden zu können.“ „Das Bauamt hat angezeigt, daß nicht nur diejenigen großen Quader, die in den Kreuzgängen liegen und worauf gegenwärtig viel Schutt liegt, sehr gut sind, sondern auch noch ein starker Rost von weichen Pfählen und eichenen Dielen gefunden wurde, die so brauchbar wären, als wenn sie erst von der Schneidmühle kämen, so daß die Arbeit für Wegschaffung des Schuttes reichlich gedeckt werden kann. Das Klosteramt hat die Arbeit zu veranstalten und anzuzeigen, wie viel Quader, Dielen und Pfähle erlangt werden.“ Es fanden sich im Rost vier eichene Dielen, jede 18 Fuß lang, 132 eichene Pfähle, jeder 51/2 Fuß lang. Letztere wurden in’s Bauamt nach Ansbach geliefert. Die Quader sollten theilweise zum Kanzleigebäude in Ansbach verwendet werden. Das Klosteramt erhielt den Befehl, „die Steine und Quader feilzubieten.“ Somit war die Devastation des hintern Kreuzganges vollendet; doch waren i. J. 1861 noch Ansätze und Bruchtheile von den Spitzbogengewölben sichtbar. Der Grund und Boden, worauf der Kreuzgang erbaut war, war fest und trocken, nur an einer kleinen Stelle, vor dem westlichen Flügel locker und feucht, weßhalb der gedachte hölzerne Rost eingelegt werden mußte.


  1. Vgl. Stillfried S. 48.
  2. Vgl. Stillfried S. 48.
  3. Dieser Leichenstein wurde, wie der des 30. Abts Wirsing, um Frauenstühle anbringen zu können, neuerlich in das nordöstliche Seitenschiff verbracht.
  4. Vgl. Stillfried S. 49.
  5. Ein dem Löser’schen ähnliches, gleichfalls von einem heilsbronner Gymnasiasten, Wolfg. Beringer, i. J. 1597 geschriebenes Manuskript findet sich in einem Chronicon Monasterii Ebracensis im Würzburger Archiv.
  6. S. dessen Leichenstein in der Kirche nahe bei Nr. 131.
  7. Daß man dort dieses Zwangsgesetz fortwährend aufrecht erhält, ergab sich i. J. 1876 bei der Weltausstellung in Philadelphia.
  8. In England ist jedoch der blaue Montag nicht unbekannt.
  9. Man verlangt von der Schule und Kirche, von den Schullehrern und Pfarrern das Unmögliche, wenn man ihnen zumuthet, die Sozialdemokratie zu besiegen.
  10. Aus den Kammerverhandlungen in Frankreich und Holland i. J. 1878 erhellt, daß auch dort Viele glauben, durch die Volksschule könne ein Volk nicht nur unterrichtet, sondern auch erzogen werden.
  11. z. B. im September 1876 der Amsterdamer Kirmeßkrawall, Ministerkrisen, Zerwürfnisse in den Ständekammern.
  12. S. Situationsplan Tab. II.
  13. S. Situationsplan Tab. II.
  14. S. Situationsplan Tab. II.
  15. S. Situationsplan Tab. II.
  16. Vgl. Stillfried S. 81.