MKL1888:Pflanze

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pflanze“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 954957
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Pflanze. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 954–957. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pflanze (Version vom 06.04.2024)

[954] Pflanze, jeder Naturkörper, welcher nach der hergebrachten Einteilung der Natur in Mineralreich, Pflanzenreich und Tierreich dem zweiten dieser Reiche angehört. Dasselbe ist von dem Mineralreich, welches die leblosen Naturkörper begreift, sehr bestimmt unterschieden; denn die P. ist ein lebendiges Wesen, [955] weil sie, wie der Begriff des letztern erfordert, 1) sich ernährt, d. h. fremde und chemisch von ihren Bestandteilen verschiedene Stoffe in sich aufnimmt und zu solchen verarbeitet, 2) wächst, d. h. durch neue Bildungen, die sie aus ihren eignen Bestandteilen erzeugt, sich vergrößert, und 3) sich fortpflanzt, d. h. von selbst neue gleichartige Wesen hervorbringt. Auch unterscheidet sie sich durch ihre chemische Zusammensetzung aus organischen verbrennlichen Stoffen wesentlich von den Mineralien. Schwieriger ist es dagegen allezeit gewesen, einen durchgreifenden und zugleich anwendbaren Unterschied zwischen P. und Tier anzugeben. Denn wenn Linné beide Naturreiche schied, indem er sagte: „Plantae crescunt et vivunt, animalia crescunt, vivunt et sentiunt“, oder wenn man, wie gewöhnlich, den Tieren allein Empfindung und freiwillige Bewegung zuschreibt, so trifft dies zwar zu, wenn wir irgend eine bestimmte P. von den höhern Stufen des Gewächsreichs einem bestimmten vollkommnern Tier gegenüberstellen; aber dieser Unterschied wird immer weniger anwendbar, je tiefer wir in beiden Reichen herabsteigen. Schon die Phanerogamen weisen Beispiele von Bewegungen einzelner Glieder auf, wie die sogen. Reizbewegungen, die periodischen Bewegungen, Heliotropismus und Geotropismus (s. Pflanzenbewegungen), und die Zirkulation des Protoplasmas in den Pflanzenzellen ist eine durch das ganze Gewächsreich gehende Erscheinung. Lebhafte Ortsbewegungen finden sich bei vielen niedern Pflanzen, besonders bei den Myxomyceten, bei den Schizomyceten, bei den Schwärmsporen der Algen und Pilze. Anderseits werden bei den Tieren die Bewegungen immer einförmiger, je mehr man sich den niedrigsten Organismen nähert, und bei diesen sind sie kaum von denjenigen der ihnen verwandten niedern Pflanzen verschieden. Von sinnlicher Wahrnehmung aber läßt sich bei den niedrigsten Organismen kaum reden. Es hat daher immer gewisse lebende Wesen gegeben, von denen man im Zweifel war, ob es Pflanzen oder Tiere seien. War dasselbe früher mit den Phytozoen oder Pflanzentieren der Fall, deren tierische Natur jetzt zweifellos ist, so gilt dies in der neuern Zeit von den Schizomyceten und Myxomyceten. Auf der niedrigsten Stufe der belebten Natur ist Tier und P. nicht unterschieden; beide Naturreiche gleichen zwei Leitern, die sich mit der untersten Sprosse berühren, während die obern Sprossen zufolge der Divergenz der Leitern in immer größerer Entfernung stehen. Wenn trotzdem die Teilung der Wissenschaft gebieterisch verlangt, die Organismen entweder ins Tier- oder ins Pflanzenreich zu stellen, so kann man sich hierbei eben nicht nach absoluten Merkmalen richten, sondern es entscheidet die Verwandtschaft mit dieser oder jener Gruppe von lebendigen Wesen, welche unzweifelhaft dem einen der beiden Reiche angehören, oder man verfährt einfach nach Konvenienz.

Die Eigentümlichkeiten des Pflanzenreichs, welche in gleicher Weise bei den Tieren nicht zu finden sind, liegen teils in Verhältnissen der Organisation, teils in gewissen Lebenserscheinungen. Zu den erstern gehört die Einheit des Elementarorgans, der vegetabilischen Zelle, die wir bei allen Pflanzen in annähernd gleicher Form der ursprünglichen Anlage antreffen. Diese meist mikroskopisch kleinen Organe, gebildet aus einer lebensfähigen Protoplasmamasse, die sich oft mit einer aus Cellulose bestehenden Haut umgibt (s. Zelle), sind für alle Pflanzen charakteristisch. Bei den niedrigsten Vegetabilien bildet eine einzige Zelle den ganzen Körper der P.; bei den einigermaßen vollkommnern aber ist schon eine Anzahl von Zellen zur Bildung des Körpers vereinigt, und bei den vollkommensten und größten Gewächsen, den Kräutern und Bäumen, besteht der Körper aus einer unzähligen Menge miteinander verbundener mikroskopisch kleiner Zellen. Jegliches Wachstum der P. beruht auf Vergrößerung dieser Elementarorgane, und diese geht vor sich, indem die Zellmembran ihren Flächenraum dadurch vergrößert, daß neue Zellstoffteilchen zwischen die alten eingelagert werden; der Ausdehnung der Zellmembran folgt das von ihr umschlossene Protoplasma nach. Bei den aus vielen Zellen zusammengesetzten Pflanzen tritt, wenn die Zelle auf diese Weise eine gewisse Größe erreicht hat, Teilung derselben in zwei Tochterzellen ein, deren jede dieselben Prozesse wiederholt, etc. In diesem Fall ist also das Wachstum verbunden mit Zellenvermehrung. Die meisten einzelligen Pflanzen sind mikroskopisch klein; auch bei ihnen tritt, sobald das Wachstum die für die Spezies charakteristische Größe erreicht hat, Vermehrung der Zelle ein, nur daß die Tochterzellen sich isolieren und gleich wieder als selbständige Individuen ein eignes Leben beginnen. Schon bei diesen einzelligen Pflanzen, die wir als die niedrigsten und dem Tierreich verwandtesten zu betrachten haben, wird die typisch pflanzliche Form gewonnen. Eine Differenzierung des Körpers in verschiedene, nur bestimmten Lebenszwecken dienende Organe besteht noch nicht: die einzige Zelle ist Ernährungs- und Fortpflanzungsorgan zugleich. Andre einzellige Pflanzen lassen schon eine Gliederung in verschiedenartige Teile und eine damit verbundene Trennung der physiologischen Thätigkeiten erkennen. Dieselbe ist bei allen höhern Pflanzen durchgehends vollzogen und dokumentiert sich auch äußerlich in der Gliederung des Pflanzenkörpers in die morphologischen Grundorgane. Vgl. Stengel, Wurzel, Blatt, Haare der Pflanzen.

In der Fortpflanzung, d. h. in der Erzeugung neuer Individuen, steht das Pflanzenreich dem Tierreich insofern nahe, als mit derselben schon von den niedern Stufen des Pflanzenreichs an ein Gegensatz zweier Geschlechter in Beziehung steht. Freilich muß davon die bloße Vermehrung oder vegetative Fortpflanzung der Gewächse unterschieden werden, welche derjenigen mancher niedern Tiere durch Teilung analog ist, und auf welcher die Vermehrung durch Zellenteilung bei den einzelligen Algen und Pilzen, durch Brutknospen, Knollen, Zwiebeln, Ausläufer, Stecklinge bei den höhern Pflanzen beruht (vgl. Vermehrung der Pflanzen), und an welche sich auch die Bildung aller derjenigen Sporen und Schwärmsporen der niedern Kryptogamen, welche geschlechtslos entstehen, anschließt. Die einfachste Form einer geschlechtlichen Differenz bemerken wir schon bei manchen Algen und Pilzen in der sogen. Kopulation, bei welcher die beiden zur Zeugung wirkenden Teile noch einander gleich sind und sich vollständig miteinander zu Einer Masse vereinigen, welche dann eine Spore, den Keim eines neuen Individuums, darstellt. Die Paarung der Schwärmsporen bei einigen Algen schließt sich hier unmittelbar an. Aber schon bei vielen Algen und Pilzen und besonders vollkommen bei den Moosen und Farnen differenzieren sich beide Geschlechter in einer mit den Verhältnissen im Tierreich überraschenden Ähnlichkeit, indem das männliche Element als Spermatozoid, das weibliche als Eikugel (Eizelle) auftritt, welche durch jene befruchtet wird. Bei den Phanerogamen haben wir im Pollenkorn das männliche, in der Eizelle innerhalb der Samenknospen das zu befruchtende [956] weibliche Element. Während aber im Tierreich das Produkt der geschlechtlichen Thätigkeit überall unmittelbar das neue, nach einer gewissen Zeit vom mütterlichen Organismus sich trennende Individuum ist, finden wir, wenn wir im Pflanzenreich von unten aufsteigen, dieses Verhältnis nur bei den Algen, mit Ausnahme der Florideen, und bei den Phykomyceten unter den Pilzen. Schon bei den Florideen und noch ausgeprägter bei den übrigen Pilzen, soweit hier Sexualorgane nachgewiesen sind, fällt der Geschlechtsakt in einen andern Teil des Pflanzenlebens. Sein Produkt ist hier ein eignes Organ der P. selbst, ein Fruchtträger, mit dessen Erscheinen die P. erst eigentlich ihre vollkommene Ausbildung erlangt, und welcher erst, ohne selbst Geschlechtsorgane zu zeigen, die Keime neuer Individuen (Sporen) entwickelt. Ebenso finden wir bei den Moosen die Archegonien und Antheridien auf den Stengeln, und ihr Produkt ist erst die ganze Mooskapsel, in welcher die Sporen gebildet werden; bei den Gefäßkryptogamen erscheinen die Geschlechtsorgane schon auf den kleinen Vorkeimen, und ihr Erzeugnis ist die ganze eigentliche stamm- und blattbildende P. (das Farnkraut, der Bärlappstengel etc.), welche nun selbst ohne Sexualität die Sporen hervorbringt, und so rückt denn endlich bei den Phanerogamen die Geschlechtsperiode bis vor die Keimung, also ganz bis auf die Mutterpflanze (auf Pollen und Samenknospe in den Blüten), zurück, so daß hier wieder das alte Verhältnis, wonach der Keim des Jungen (Same) das direkte Produkt der Geschlechtsthätigkeit ist, erreicht wird. Vgl. Geschlechtsorgane, Fortpflanzung, Zeugung.

Neben den Eigenschaften der Struktur und der geschlechtlichen Differenzierung, welche die Pflanze als Erbteil von ihren Stammeltern empfängt, sind es die von außen einwirkenden Kräfte, wie Luft, Wärme, Schwerkraft, welche in Wechselwirkung mit den vererbten Eigenschaften die Lebenserscheinungen der P. bedingen. Die Erfahrung zeigt zunächst, daß die Lebensbewegungen im Innern eines Pflanzenkörpers erst dann eintreten, wenn die Temperatur seiner Umgebung einen gewissen Grad erreicht; pflanzliches Leben ist im allgemeinen nur zwischen dem Gefrierpunkt des Wassers und einer Temperatur von ca. 50° C. möglich. Für jeden Lebensvorgang in der P. gibt es nicht nur eine obere und untere Wärmegrenze, sondern auch einen bestimmten Temperaturgrad, bei welchem derselbe mit dem Maximum von Energie verläuft. Diese Abhängigkeit der Vegetationsvorgänge von äußern Einwirkungen bezeichnet man als Reizbarkeit. Letztere steigert sich mit zunehmender Intensität des Reizes stets nur bis zu einer gewissen Grenze, dem Optimum, nach dessen Überschreitung die Wirkung selbst bei intensivster Einwirkung schließlich gleich Null wird; auch tritt ein Effekt überhaupt nicht ein, solange die in der P. vorhandenen, der Reizung entgegenstehenden Widerstände nicht überwunden werden können. Nur unter diesem Gesichtspunkt erscheinen die physiologischen Wirkungen der äußern Kräfte auf die P. verständlich. Ebenso wie von der Wärme hängt alles Pflanzenleben vom Licht ab. Schließt man den Endtrieb eines kräftigen mit der Mutterpflanze in Verbindung stehenden Sprosses in einen undurchsichtigen, rings geschlossenen Rezipienten ein, so entwickeln sich stark verlängerte Stengel und kleine, unansehnliche, gelbe Blattflächen an Stelle der normalen (s. Etiolement), während derselbe Endtrieb am Licht wieder grüne Blätter hervorbringt. Es erklärt sich dies aus der Eigenschaft des Chlorophylls (s. d.), erst unter dem Einfluß gewisser Lichtstrahlen zu ergrünen. Nun ist allein die chlorophyllhaltige Zelle im stande, die Kohlensäure der Atmosphäre zu zersetzen und aus derselben unter Abspaltung von Sauerstoff und Aufnahme von Wasser Pflanzensubstanz zu erzeugen, d. h. zu assimilieren (s. Ernährung, S. 799). Die grünen Pflanzen haben daher die wichtige Aufgabe, fortdauernd unter der Mitwirkung des Lichts aus unorganischen Verbindungen, wie Wasser und Kohlensäure, organische Substanz zu bilden, und tragen damit auch zur Erhaltung des tierischen Lebens auf der Erde in erster Linie bei. Da nach den vorhandenen Beobachtungen ein Quadratmeter grüner Blattfläche in zehn sonnigen Tagesstunden ca. 3–8 g trockner Pflanzensubstanz durch Zersetzung von Kohlensäure zu erzeugen vermag, so speichert ein ganzer Baum im Lauf eines Sommers viele Kilogramme organischer Materie in sich auf, deren Bestandteile nur der Atmosphäre und dem aufgenommenen Wasser entstammen. Mit dem Eintritt der Dunkelheit hört die an das Licht gebundene assimilierende Thätigkeit der Pflanzen auf, während die Aufnahme von Sauerstoff oder die Atmung (s. d.) sowohl bei Tag als in der Nacht ununterbrochen stattfindet. Der tiefgreifende Einfluß des Lichts auf das Pflanzenleben tritt endlich in zahlreichen Bewegungserscheinungen hervor (s. Pflanzenbewegungen). Außer Licht und Wärme wirkt auch die Gravitation allgemein auf die P. ein; ihr Einfluß äußert sich darin, daß die Organe auf jede Lagenveränderung zur Richtung der Schwerkraft reagieren und dadurch Bewegungen besonderer Art hervorgerufen werden (s. Pflanzenbewegungen). Mit den genannten Kräften treten die chemischen Kräfte als Faktoren des Pflanzenlebens in Wechselwirkung. Nur wenige überall verbreitete Verbindungen, wie Kaliumnitrat, die Sulfate vom Calcium und Magnesium sowie Eisensalze, sind für das Wachstum der P. absolut unentbehrlich. Allein jede P. ernährt sich in besonderer Weise aus diesen Stoffen, und die Ernährung steht daher mit den gesamten Lebensbedingungen im engsten Zusammenhang. Landpflanzen, deren Laubflächen sich in trockner Luft befinden, sind genötigt, die für die Assimilation erforderlichen Salze aus dem Boden in die assimilierenden Blätter hinaufzutransportieren. Dies wird durch einen im Holzkörper aufsteigenden Wasserstrom bewirkt, der wieder eines Aufsammlungsapparats, d. h. eines verzweigten Wurzelsystems, bedarf. Bei einer untergetauchten Wasserpflanze sind derartige Einrichtungen kaum nötig, und ihre Wurzeln sowie ihr Holzkörper entwickeln sich dem entsprechend viel schwächer als bei Landpflanzen. Es herrscht also überall zwischen der Ernährungsart, dem äußern und innern Bau sowie den physiologischen Leistungen der P. ein inniger Konnex. Schließlich stehen die Pflanzen auch unter sich und mit Tieren in engen biologischen Beziehungen. Das genauere Studium dieser gegenseitigen Abhängigkeit kam erst in der Neuzeit zu richtiger Geltung. Vgl. die Artikel: Schmarotzerpflanzen, Gallen, Insektenfressende Pflanzen, Blütenbestäubung, Pflanzenwachstum und Pflanzenbewegungen.

Die Vielheit der Pflanzen und die Thatsache, daß die Nachkommen einer jeden immer wieder ihrer Mutterpflanze gleich werden, nötigt zur Annahme von Arten (Spezies) im Pflanzenreich ebenso wie im Tierreich (s. Art), und P. bedeutet dann auch s. v. w. Pflanzenart. Alle diejenigen Arten, welche in den Fortpflanzungsorganen (Blüte und Frucht bei den Phanerogamen, Sporen und sporenbildende Organe [957] bei den Kryptogamen) wesentlich gleiche Beschaffenheit zeigen, bilden eine Gattung (genus). Aufgabe der beschreibenden Botanik ist es, die Merkmale zur Unterscheidung der Pflanzengattungen und -Arten zusammenzustellen; der Inbegriff dieser Merkmale heißt der Charakter, der sonach ein Gattungs- und ein Artcharakter ist. Ersterer enthält nach obigem vorzugsweise Merkmale der Blüte und Frucht, letzterer solche, welche sich auf die vegetativen Organe und auf morphologisch untergeordnete Abweichungen in den Blüten- und Fruchtteilen beziehen. Linné führte in die Botanik die seitdem gültig gebliebene geregelte Kunstsprache ein, nach welcher der Name jeder P. aus zwei Wörtern besteht, deren eins der Name der Gattung ist, und deren andres die Spezies bezeichnet. Man bedient sich hierzu der lateinischen Sprache, um für alle Völker verständliche, gleiche Ausdrücke zu gewinnen. Der Gattungsname wird stets aus einem Hauptwort gebildet und steht voran; der Speziesname ist gewöhnlich ein Beiwort, welches dem erstern nachfolgt. So ist z. B. der Gattungsname des Klees Trifolium; den Wiesen- oder roten Klee bezeichnet man mit Trifolium pratense; eine andre Art, der kriechende oder weiße Klee, heißt Trifolium repens etc. Bildet eine P. Varietäten, so werden diese ähnlich wie die Spezies bezeichnet, und das betreffende Wort kommt hinter den Speziesnamen zu stehen. Sind die Varietäten nur Abweichungen von einer Stammform, welche an und für sich nur den Speziesnamen ohne weitern Zusatz trägt, so erhalten erstere fortlaufende (gewöhnlich griechische) Buchstabenzeichen, welche mit dem zweiten Buchstaben β beginnen. Wenn aber eine Spezies in zwei oder mehreren gleichwertigen Formen auftritt, die zwar auch den Charakter von Varietäten haben, aber zusammen den Inbegriff der Art ausmachen, so beginnt man die Reihe solcher Varietäten mit α. Zur Vollständigkeit eines botanischen Pflanzennamens gehört aber die Beifügung der Autorität desselben, d. h. desjenigen Schriftstellers, welcher den Namen zuerst in diesem Sinn gebraucht hat. Das geschieht durch konventionelle Abkürzung des Namens der Schriftsteller. So bedeutet z. B. Rosa canina L., Lathyrus Ochrus Dec., Medicago marginata Willd., Barbaraea arcuata Rchb., daß Linné, De Candolle, Willdenow, Reichenbach diese Namen gegeben haben. Es kommt vor, daß eine und dieselbe P. von verschiedenen Botanikern mehrere Namen erhält, wenn z. B. über die Gattung, in welche sie gehört, oder darüber, ob sie eine selbständige Art oder mit einer andern Art zu vereinigen sei, geteilte Meinungen bestehen. Die verschiedenen Namen, die einer und derselben P. beigelegt worden sind, nennt man deren Synonyme, und die Aufzählung derselben ist die Aufgabe der botanischen Synonymik. – Um eine geordnete Übersicht über das Pflanzenreich zu gewinnen, ist es nötig, die Gattungen zu Familien, diese zu Ordnungen, diese zu Klassen zu vereinigen; man erhält auf diese Weise ein Pflanzensystem (s. d.). Mit Hilfe eines solchen und mittels der Diagnose geschieht das Bestimmen einer P., d. h. das Aufsuchen ihres Gattungs- und Artnamens. Für diesen Zweck findet man in vielen beschreibenden, besonders floristischen, botanischen Werken einen analytischen Schlüssel zur Aufsuchung der Gattungen. Litteratur s. im Art. Botanik und den betreffenden Spezialartikeln.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 719720
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[719] Pflanze. Die dikotylen Angiospermen, welche gegenwärtig das Hauptelement in der Vegetation darstellen, sind erst spät auf der Erde erschienen, und ihr erstes Auftreten ist noch in Dunkel gehüllt. Während die Flora der untern Kreide der Karpathen (Urgon) noch keine Spur von Dikotylen zeigt, enthält die der böhmischen obern Kreide (Cenoman) bereits eine reiche Anzahl davon, welche sich ohne Schwierigkeit den jetzt lebenden Arten anschließen lassen. Daher durfte man hoffen, in den dem Cenoman vorhergehenden Schichten Dikotylen zu finden, welche ihrem Ursprungspunkt näher stehen als diejenigen der böhmischen Kreide. In Buarcos (Portugal) hat man schon Dikotylen gefunden, welche wahrscheinlich der [720] nächst ältern Schicht, dem Albien oder Gault, angehören, und das Studium der Potomacflora in Virginien hat Dikotylen aus noch ältern Schichten der Kreide zu Tage gebracht. Neuerdings wurde in den Schichten von Cercal in Portugal, die sich zwischen das versteinerungsführende Cenoman und den obern Jura einschieben, abgesehen von einigen Kryptogamen und Monokotylen, eine P. sehr häufig gefunden, welche sich ohne Schwierigkeit in die Nähe von Protorrhipus Andr. stellen läßt. Dieser Typus zeigt sich, wenn auch selten, bereits im untern Lias; Schenk zählt ihn zu den Farnen, Saporta hat ihn bereits früher als primitive Dikotyle angesprochen, und seine Annahme wird durch die Prüfung der neuen Arten von Cercal bestätigt. Die Blätter dieser Art (Protorrhipus Choffati) haben nämlich ein Adernetz von außerordentlicher Feinheit, das mit demjenigen vieler Dikotylen (Ranunkulaceen, Saxifragaceen etc.) übereinstimmt. Zusammen mit denselben fanden sich mehrere andre Dikotylenblätter, die durch ihre geringen Dimensionen und die etwas unbestimmte Anordnung der Nerven bemerkenswert sind. Auf der niedrigen Entwickelungsstufe, welche die Funde von Cercal anzeigen, waren die Dikotylen noch schwach differenziert und standen den Monokotylen näher als nach der raschen Entwickelung, die sie ein wenig später nahmen. Sie besaßen eine Nervatur, von welcher heute die Keimblätter, Brakteen, Neben- und Hüllblätter Beispiele darbieten, und standen den krautartigen Typen näher als den baumartigen mit ihrer schärfer ausgeprägten und befestigten Nervatur.