RE:Erdbeerbaum

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
baumartiger Strauch mit eher ungenießbaren Früchten
Band VI,1 (1907) S. 399401
Erdbeerbäume in der Wikipedia
Erdbeerbäume in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register VI,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VI,1|399|401|Erdbeerbaum|[[REAutor]]|RE:Erdbeerbaum}}        

Erdbeerbaum, Arbutus unedo L., neugr. ἡ κουμαρηά (die Früchte τὰ κούμαρα), ital. albatro (vgl. arbor = ital. albero) und corbezzolo, franz. arbousier. Der baumartige Strauch ist in Südeuropa heimisch. Die alten Griechen nannten ihn und ἡ κόμαρος, seine Frucht μιμαίκυλον (z. B. Amphis bei Athen. II 50f. Poll. VII 144; vgl. Etym. M. 55, 2); die Römer jenen arbutus (die Frucht arbutum, doch so den Baum Vergil georg. III 301. IV 181 und arbitum die Frucht Lucret. V 938. 962), seltener unedo (Plin. XII 37. 67. XIII 120. XV 96. 98. XVI 80. 126), womit auch die Frucht bezeichnet werden konnte (ebd. XV 99. Col. VIII 17, 13) So wird unedo mit arbutus identifiziert (Plin. XXIII 151. Prob. in Verg. georg. I 148) und gesagt, daß griech. Comaron und memaecylon, angeblich zwei verschiedene Bäume, von den Römern arbutus genannt würden (Plin. XV 99). Auch in den mittelalterlichen Glossarien (Corp. gloss. lat.) wird κόμαρος sowohl mit arbutus (II 352, 44. 537, 14. 549, 33. III 264, 1) als mit ududone (III 192, 19), bezw. urairone (ebd. 358, 23) oder uraimone (ebd. 397, 12) und μεμηκυλα mit unedo (II 210. 50; vgl. III 300, 61) identifiziert, Das Wort κόμαρος ist mit einigen indogermanischen Namen, welche Nießwurz, Wasserdost oder Gift bezeichnen, verwandt (O. Schrader Reallex. d. idg. Altertumsk. 1901, 98): nach D. Laurent und G. Hartmann (Vocabul. étymolog. de la langue gr. et de la langue lat. 1900, 53. 311) geht es auf idg. = krümmen zurück. Vom unedo sagt Plinius (XV 99), daß sein pomum nicht geschätzt werde und seinen Namen davon habe, daß man nur eines esse (unum edere). Die Etymologie von μιμαίκυλον kennen wir nicht; arbutus wird von Laurent und Hartmann (a. a. O. 121. 381) auf idg. = glänzen zurückgeführt. Übrigens sollte man nach Galenos (VI 619. XI 876) die ἐπιμηλίς, d. h. wahrscheinlich die Frucht der Mispel, Mespilas germanica L. (vgl. Diosc. I 170), in Italien οὐνέδων nennen, sodaß unedo eine zweifache Bedeutung gehabt hätte, falls Galenos nicht irrt. Theophrast (h. pl. III 16, 4) schildert den B. folgendermaßen: ,Die κόμαρος, welche das eßbare μεμαίκυλον (μιμαίκυλον) [400] bei Athen. II 50f) trägt, ist nicht sehr groß und hat eine dünne Rinde; das Blatt steht zwischen dem der Kermeseiche (Quercus coccifera L.) und des Lorbeerbaumes; er blüht im Oktober (mitunter zum zweitenmale im Frühling); die Blüten kommen traubenförmig aus einem einzigen Stiel an der Spitze der Zweige hervor; die Gestalt ähnelt einer verlängerten Myrthenblüte, ist fast ebenso groß, besteht aber nicht aus mehreren (Kronen) Blättern, sondern bildet eine Höhlung (Glocke) wie ein ausgepicktes Ei; die Mündung ist offen; hat die Blüte abgeblüht, ist auch ihre Basis durchlöchert und der dünne Fruchtknoten gleicht dem Wirtel an einer Spindel; die Frucht reift ein Jahr lang, so daß es sich trifft, daß diese zugleich mit der Blüte vorhanden ist (vgl. Plin. XV 98)’. Ferner (ebd. I 9, 3): ,Zu den am Olymp wachsenden immergrünen Bäumen gehört der E.; es scheint, daß er unten die Blätter abwirft, die Blätter der äußersten Zweige aber immergrün sind (vgl. Plin. XVI 80) und er immer neue Zweige hervorbringt’. Die Rinde löst sich und fällt ab (ebd. I 5, 2; vgl. Plin. ebd. 126) und ist runzelig (horrida arbutus, Verg. georg. II 69 und bei Plin. XV 57); das Holz gehört zu den dichtesten und demnach zu denjenigen Hölzern, welche die besten Kohlen liefern (ebd. V 9, 1). Nach andern gibt es viele Früchte des E. im Gebirge (Aristoph. bei Athen. II 50 e), ist die Frucht purpurn (Lucret. V 938) und reift im Winter (ebd. und Verg. georg. II 520) und gewährt der Baum wenig Schatten (Verg. ecl. 7, 46. Fest. cp. p. 380, 18), weil er spärliches Laub hat (Fest. ebd.). Dieser ist dem Quittenbaum ähnlich, seine Frucht so groß wie die Kriechenpflaume (Prunus insititia L.), aber ohne Steinkern; reif ist sie hellgelb oder rot, genossen spreuartig (Diosc. I 175). Die Erdbeeren sind verwandt dem E., welcher allein eine Frucht trägt, welche zugleich der eines Strauches und einer krautartigen Pflanze ähnelt; ob der männliche oder der weibliche (!) unfruchtbar sei, steht nicht fest (Plin. XV 98): er ist in seinen obern Teilen fruchtbarer (ebd. XVI 116). Zwischen den immergrünen und laubwechselnden Bäumen stehen die in Griechenland vorkommende andrachle (Arbutus andrachle L,] und der überall wachsende unedo (ebd. 80). Der Strauch wächst auf dem Hügel Tabiae (Gal. X 365) in der Nähe von Surrentum. In Epeiros heißt eine Hafenstadt Κόμαρος (Strab. VII 324. Cass. Dio L 12). Die Bäumchen wachsen häufig in den Wäldern (Prob. in Verg. georg, I 148). In Arabien wird die arbutus 50 Ellen hoch (Iuba bei Plin. XV 99). Kultiviert wird der E. nicht (Gal. VII 619), nur der Walnußbaum darauf gepfropft (Verg. georg. II 69. Pall. II 15, 19; de insit. 163. Geop. X 76, 4).

Von der Verwendung des Holzes (Theophr. h. pl. V 9, 1) ist oben die Rede gewesen. Aus den Zweigen wurden Eggen, crates (Verg. georg. I 166) und die Bahre für den toten Pallas (ebd. Aen. XI 65) geflochten. Das Laub fressen die Ziegen gern (Eupolis bei Plut. symp. IV 1, 3. Macrob. VII 5, 9. Theoer. 5, 129. Hör. c. I 17, 5. Verg. ecl. 3, 82; georg. III 801), auch Kälber (Theocr. 9, 11). Die Blüten werden von den Bienen besucht (Verg. georg. IV 181). Die Beeren werden von Vögeln gefressen (Ar. av. 240. 620) und den [401] Drosseln zur Anregung des Appetits gegeben (Col. VIII 10, 4. Pall. I 26, 2); Schweine soll man in Wälder treiben, die unter andern Bäumen auch E. haben (Col. VII 9, 6); denjenigen Fischen, welche am Boden zu liegen pflegen, kann man zerdrückte Beeren von mildem Geschmack geben (ebd. VIII 17, 13). Die Früchte werden auch von Menschen gegessen (Theophr. h. pl. III 16, 4). wenn sie reif sind (Krates bei Athen. II 50 e. Theopomp. ebd.). Wenn man mehr als sieben Beeren genießt, bekommt man Kopfschmerz (Athen. ebd.). Sie sind herb, dem Magen nicht bekömmlich und erregen Kopfschmerz (Diosc. I 175; eup. I 25. Gal. XI 648. XII 34. Orib. coll. med. XV 1, 10, 59. Aët. I. Paul. Aeg. VII 3 s. κόμαρος); doch werden sie überall von Landleuten gegessen (Gal. VI 620). In früherer Zeit, als der E. mehr und größere Früchte trug (Lucret. V 938, vgl. 962), als die Menschen noch ein Hirtenleben führten (Varro r. r. II 1, 4), bevor Ceres die Menschen den Getreidebau lehrte (Verg. Georg. I 148), oder im goldenen Zeitalter (Ovid. met. I 104) nährten sich die Menschen davon und von Eicheln. Doch durfte man den E. umhauen, während die Eiche geschont werden mußte (Zonas Sard. Anth. Pal. IX 312). Der Sage nach hatte die Gattin Cranea (oder vielmehr Carna) den jungen Procas in Alba longa vor den striges, vampyrähnlichen Vögeln, welche den Säuglingen das Blut aussogen, dadurch gerettet, daß sie mit einem Zweige des E. dreimal die Pfosten und die Schwelle der Türe berührte (Ovid. fast. VI 155ff.). Aus dem Blute des Geryones sollte ein Baum (jedenfalls der E.) entstanden sein, welcher zu Beginn des Winters Früchte wie der Kirschbaum, aber ohne Steinkerne hervorbringe (Serv. Aen. VII 662), oder in Gadeira (Cadix), wo Geryones (mit dreifachem Leibe) begraben liege, ein vielgestaltiger (strauchiger ?) Baum sich befinden (Paus. I 35, 8).

Neben dem κόμαρος erwähnt Theophrast an einigen Stellen auch die ἀνδράχλη und ἀφάρκη. Da die ἀνδράχλη (s. d.) Arbutus unedo L. zu sein scheint, wie denn auch heute dafür auf Kephalonia noch der Name ἄνδρακλα gebräuchlich ist (Th. v. Heldreich Flore de l'île de Céphalonie 1882. 50), so kann die ἀφάρκη ein zwischen dieser und Arbutus unedo L. stehender Bastard, Arbutus intermedia Heldr., sein. Wie die beiden andern wächst auch die ἀφάρκη am Olymp und bleibt an den obern Zweigen immergrün (Theophr. h. pl. 19. 3); in Makedonien wächst sie wie die ἀνδράχλη nur im Gebirge (ebd. III 3, 1) und gehört überhaupt wie diese (?) zu den wildwachsenden Bäumen (ebd. 4, 2). Auch reift sie wie diese ihre Beeren zweimal, nämlich wann die Weinbeeren sich zu färben beginnen und zu Anfang des Winters (ebd. 4). Hiezu bemerkt Plinius (XIII 121) noch, daß nicht angegeben werde, wie die Früchte beschaffen seien. Das Holz wird zu Pfählen und zu Brennholz gebraucht (Theophr. ebd. V 7. 7).

[Olck. ]