RE:Thisbe 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Tochter des Asopos, Namensgeberin der gleichnamigen Stadt
Band VI A,1 (1936) S. 286287
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GND: 11862203X
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Thisbe (Θίσβη). 1) Tochter des Asopos, nach welcher die Stadt T. benannt sein soll, Paus. IX 32, 2. Steph. Byz. Schol. Il. II 502 und Eustath. z. d. St. (I 216).

Th. in der Sage mit Pyramos verbunden:

a) Nonn. Dion. VI 344ff. Alpheios redet den Pyramos an: Συρηκοσίης δ’ Ἀρεθούσης ἴχνια μαστεύσω, σὺ δὲ, Πύραμε, δίζεο Θίσβην Pyramos suche die T., wie Alpheios die Arethusa. T. wird in eine Quelle verwandelt, ebenso Pyramos Nonn. Dion. XII 84 θίσβη δ’ὑγρὸν ὕδωρ (ἔσσεται) καὶ Πύραμος ἥλικες ἄμφω ἀλλήλους ποθέοντες, die Liebenden, die sich nacheinander sehnten. Vgl. Themistios or. 11, 151 c/d p. 180 Dind. καὶ λῆρον μὲν εἴποις ἂν τὴν Πειρήνην, λῆρον δὲ τὴν Θίσβην, εἰκῇ δὲ πράγματα ἔχειν τὸν Ἀλφειὸν ἐρῶντα τῆς Ἀρεθούσης. Von dem kilikischen Flusse Pyramos dachte man (Strab. LIII 536), er werde allmählich soviel Sinkstoffe an seiner Mündung absetzen, daß er bis nach Kypern komme. So konnte sich über Pyramos und T. eine ähnliche Sage bilden, wie über Alpheios und die von diesem verfolgte Arethusa.

b) Nikolaos progymn. (Rhet. graec. I 271 Walz; Mythogr. 384, 21 Westerm.) erzählt von einer unglücklichen Liebe zwischen T. und Pyramos, die damit endete, daß die eintretende Schwangerschaft das Mädchen zum Selbstmorde trieb und der Jüngling ihr in den Tod folgte. Die Götter verwandelten, mitleidig gestimmt, den Pyramos in einen durch Kilikien laufenden Fluß, T. in eine Quelle, die sich neben ihm ins Meer ergießt (Θίσβη καὶ Πύραμος τὸν ἴσον πρὸς ἀλλήλους ἐκέκτηντο πόθον. ἐρῶντες δὲ ἐπλησίαζον. κύουσα δὲ ἡ παῖς καὶ τὸ γεγονὸς πειρωμένη λαθεῖν ἀναιρεῖ μὲν ἑαντήν, μαθὼν δὲ ὁ νέος παραπλησίαν ὑφίσταται τύχην. καὶ θεοὶ τὸ συμβὰν ἐλεήσαντες εἰς ὕδωρ ἄμφω μετέστησαν καὶ ποταμὸς μὲν γεγονὼς ὁ Πύραμος διαρρέει τοὺς Κίλικας, πηγὴ δὲ ἡ Θίσβη καὶ παρὰ τοῦτον ποιεῖται τὰς ἐκβολάς. Ebenso Himer. or. 1, 11: ποταμῷ μὲν τῷ γείτονι προξενεῖ [287] (sc. ὁ γάμος) Θίσβην τὴν γείτονα, ἣν καὶ ἐκ κόρης εἰς ὕδωρ ἀμείβει καὶ τηρεὶ μέχρι ναμάτων τὸν ἔρωτα, εἰς ταὐτὸν ἄγων τῆς τε ἐρωμένης καὶ τοῦ νυμφίου τὰ ῥεύματα. Eine Aufzählung von Verwandlungen bei Ps.-Clemens Recogn. 10, 26 nennt auch Thysben apud Ciliciam in fontem et Pyramum inibi in fluvium resolutos. Diod. V 49, 3 statt Θήβη Κίλικος θυγάτηρ vielleicht Θίσβη gemeint.

c) bei Ovid. met. IV 55–166 handelt es sich um ein babylonisches Liebespaar. Nur die Namen Pyramos und T. stimmen mit den kilikischen Sagen überein. Pyramos und T., Nachbarskinder in Babylon, haben sich liebgewonnen. Ein Spalt in der Zwischenwand ermöglicht die Verständigung. Die Eltern aber erlauben ihnen nicht, sich zu vermählen. Sie verabreden eine Zusammenkunft am Grabmale des Ninus außerhalb der Stadt. T. ist zuerst zur Stelle, muß aber wegen Annäherung einer Löwin ein Versteck in einer nahen Höhle aufsuchen. In der Eile entfällt ihr das Obergewand, welches die Löwin mit blutigem Maule zerreißt. Als nun Pyramos erscheint und das blutbefleckte Gewand sieht, glaubt er, T. sei getötet, und ersticht sich. Die zurückkehrende T. findet ihn sterbend und gibt sich gleichfalls den Tod. Die weißen Früchte eines an dem Unglücksorte stehenden Maulbeerbaumes haben sich von dem angespritzten Blute des Pyramos gefärbt, und auch die Wurzel ist vom Blute befeuchtet und bewirkt ebenfalls eine dunkle Färbung der Früchte, welche nun bestehen bleibt. Nach Ovid erzählt Servius zu Verg. ecl. 6, 22 und Alcimus anthol. lat. I nr. 715, 7f. Riese (poet. lat. min. IV 105 nr. 117, 7 Baehrens). Den Selbstmord der beiden Liebenden in Babylon erwähnt Hygin. fab. 242 u. 243. Ebenso wird der Ausdruck Pyramea arbor für Maulbeerbaum bei Q. Seren. Samm. 548 (poet. lat. min. III 132 Bährens) auf Ovid zurückgehen, wie auch anth. lat. I nr. 73 Riese (IV 266 nr. 261 Bährens) und die griechische Inschrift aus Ostia, welche einer Verstorbenen eine alle bekannten Beispiele, auch die φιλία Θίσβης καὶ Π(υράμου) überbietende Treue nachrühmt, Inscr. gr. Sic. et It. (Kaibel) 930. Vgl. auch Joh. Dietze Komposition und Quellenbenutzung in Ovids Metamorphosen, Festschr. z. Hamb. Philol. Vers. 1905, 10 und Georg Hart Ursprung und Verbreitung der Pyramos und Thisbesage (Jahresber. d. Kreisrealschule Passau 1889. 1891).