Sagen vom Minneberg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Sagen vom Minneberg
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 588–592
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[588]
Sagen vom Minneberg.
1.

Auf der Burg Hornberg, wo einst die fromme Notburga in ihrem stillen Kämmerlein den Entschluß faßte, der Welt zu entsagen, wohnte bald nach ihr auch eine Zierde ihres Geschlechts: Minna von Horneck. Ein Graf von Schwarzenberg, reich und angesehen vor allen Rittern jener Gegend, warb um des Fräuleins Hand und Minna’s Vater vermochte nicht, einen so weitgepriesenen Mann als Eidam auszuschlagen.

Aber Minna’s Herz und Liebe gehörten längst dem Ritter Edelruth, der zwar arm an Gütern, aber desto reicher an männlichen Tugenden war. Einst war er dem Rufe eines fröhlichen Turniers auf die Burg gefolgt und die Jungfrau, welche ihm den Siegespreis gereicht, hatte sein Herz gewonnen. Des Ritters Schönheit und rühmliche Vorzüge erwarben ihm bald Gegenliebe. Doch des Pärchens Minneglück war von kurzer Dauer. Denn auch in dieses einsame Thal erscholl die Aufforderung zur Eroberung des heiligen Grabes, und Ritter Edelruth zögerte nicht, ihr zu folgen. Minna’s Vater war dies erwünscht; da er bereits einem Andern die Hand seiner Tochter zugesagt, sah er gerne deren Geliebten sein Leben abenteuerlichen Gefahren in fernen Ländern aussetzen und bestärkte den Ritter Edelruth noch in seinem Vorsatze durch das gleißnerische Versprechen, ihm, wenn er als Sieger zurückkehre, Minna zur Gattin zu geben.

Schmerzlich war die Trennung der beiden Liebenden; lange sah Minna vom Söller der Burg traurend ihrem Verlobten nach, dessen hohe Gestalt, die ganze Pilgerschaar überragend, den Neckar abwärtsschiffte. – Jahre vergingen; Edelruth vollbrachte der rühmlichen Thaten viele; schon war er seines Gelübdes ledig, und nur die Ehre hielt ihn noch von der Rückkehr ab, [589] da des Kampfes noch kein Ende war, als er in einer Schlacht, abgeschnitten von den Seinen, in die Hände des Feindes fiel. Dieser, grimmig über die ausgezeichneten Kriegsthaten des jungen Helden, welcher Schaaren von Ungläubigen den Tod gebracht hatte, schloß ihn in eine Höhle ein, die einst der Aufenthalt wilder Thiere war. Zwei Tage verlebte hier Edelruth ohne die mindeste Nahrung, bis er endlich oben an der einzigen Oeffnung, welche sein Kerker hatte, ein liebliches Gesicht erblickte, worauf ihm eine schöne Hand drei Pfirsiche herab warf, und ihm, während zugleich ein Seil von oben herunterglitt, eine zarte Stimme zurief: „Zwei Diener harren meines Winkes; steig’ herauf und folge mir in jene stille Thäler, wo wir uns ungestört der Liebe freuen können.“

Aber der Ritter antwortete: „Nur in meiner Heimath kann ich Liebe finden; doch wenn Du edel gesinnt bist, so rette mich!“ – „Nur Liebe zu mir kann Dich retten!“ – entgegnete die Stimme – „nur in meinen Armen lächelt Dir die Freiheit!“ – „Nur wer Treue übt,“ – erwiederte der Gefangene, – „ist wahrhaft frei; und so wahr ich ein Ritter bin, werde ich mein Gelübde nicht brechen!“ – Da verschwand die Erscheinung und tiefe Sehnsucht ergriff Edelruth von Neuem nach der fernen Geliebten.

Auch diese hatte unterdessen schwere Kämpfe zu bestehen; doch wankte ihre Treue gegen den Erkorenen nicht einen Augenblick. Als endlich die flehendsten Bitten nichts mehr über ihren harten Vater vermochten, und er sie zur Vermählung mit dem Grafen von Zwingenberg zwingen wollte, entfloh Minna aus der väterlichen Burg, nur von einer getreuen Zofe begleitet.

Sie bestiegen einen Nachen und fuhren im Dunkel der Nacht den Strom hinab. Gegen Morgen kamen sie an den schroffen Abhang eines Berges, dessen Gipfel von uralten Fichten bedeckt war. Hier landeten sie, um einen Zufluchtsort zu suchen und gaben den Nachen den Wellen preis. Durch das dichteste Gebüsch stiegen die zarten Frauen, die felsigen Pfade hinan und scheuten keine Mühe, bis sie endlich eine Höhle fanden, worin Minna, bis zur Rückkehr ihres Ritters, zu wohnen beschloß. Ihre Zofe sorgte für Herbeischaffung von Nahrungsmitteln aus den benachbarten [590] Weilern. Aber siebenmal kehrte der Frühling, nur der Geliebte nicht. Da brach der Jungfrau Herz in ungestillter Sehnsucht. Ihre treue Gefährtin war der Verzweiflung nahe, und warf sich auf die Leiche der Herrin, sie mit einem Strome von Thränen überfluthend. Plötzlich vernahm sie eine Stimme hinter sich, und als sie umblickte, stand Ritter Edelruth im lichten Waffenschmucke vor dem Eingang der Felsenhöhle. Er hatte seine Minna auf der Burg gesucht und als er dort Niemanden, als ihren tiefgebeugten, reueverzehrten Vater fand, geschworen, seine Waffen nicht eher abzulegen, als bis er die Verlorene gefunden. Viele Tage schon war er durch Berg und Wälder geirrt, bis ihn sein Windspiel auf die rechte Spur führte. Allenthalben verkündeten ihm seine Namenszüge, von Minna in die Rinden der Bäume geschnitten, die Nähe der Geliebten. So fand er sich endlich bis zum Eingang der Höhle durch.

Da lag entseelt vor ihm, auf einem Bette von Moos, das Theuerste, was er hienieden besessen. Der ungeheure Schmerz drohte ihn selbst zur Leiche zu machen. Seine Klagen erfüllten die Wälder und jeder Tag fand ihn an dem stillen Orte, wo er mit Hülfe der Zofe die geliebte Minna begraben hatte.

Als sein Schmerz ruhiger geworden war, baute er an dieser Stätte eine Burg, und nannte sie zum ewigen Denkmale seiner Liebe: die Minneburg. In der Felsenhöhle aber, worin er Minna begraben, ließ er auf den Denkstein das Bild des Hundes meißeln, der ihm den Weg dahin gezeigt hatte.


2.
Andere Version.

Hugo von Habern hinterließ drei Söhne; frühe schon wurden sie an ritterliche Uebungen und die Beschwerlichkeiten der Jagd gewöhnt. In den weitausgedehnten Forsten des Odenwaldes streiften sie bis zu den freundlichen Thalwindungen des Neckars und verfolgten Tagelang das Gewild. Ihr Begleiter war ein Windspiel von seltener Treue, und ein trefflicher Jagdhund, der sie stets auf die richtige Fährte leitete.

Eines Tages führte sie dieser kundige Wegweiser auf den [591] Gipfel eines steilen Berges am Neckar, vor den Eingang einer düsteren Höhle. Die Jäger folgten auch diesmal dem klugen Vorläufer, der sie noch niemals irre geleitet hatte, und zwar in die Tiefe der Grotte hinein, in deren Hintergrunde sie zu ihrer großen Ueberraschung drei weibliche Gestalten erblickten, welche betend auf den Knieen lagen. Die Jünglinge wähnten drei Heilige im überirdischen Glanze geistiger Verklärung vor sich zu sehen, doch bald überzeugten sie sich, daß diese nur Bewohnerinnen dieser Erde wären, die vom Schicksale verfolgt, hier einen Zufluchtsort gefunden hätten. Sie waren entsprossen aus dem berühmten Geschlechle der Ritter von Handschuchsheim, allein dieser alte Stamm war mit ihrem Vater ausgestorben und ihre Besitzungen dem Lehensherren wieder heimgefallen. Die Mutter ruhte schon längst im Grabe, und das geringe Erbtheil, welches den drei Schwestern noch übrig geblieben, hatte ihnen die Habsucht eigennütziger Menschen entrissen. Als verlassene Waisen, ohne Schutz und Hülfe, hatten sie sich nun vor den Nachstellungen arglistiger Verführer in diese abgelegene Felsenklause flüchten müssen, denn sie waren schön, und mit welchen Gefahren ist Schönheit nicht verbunden? Ein alter treuer Diener war den Jungfrauen gefolgt und sorgte, als Einsiedler verkleidet, für ihren Unterhalt; doch waren, in der tiefen Einsamkeit und gänzlichen Abgeschiedenheit von den Menschen, ihre sanften weiblichen Gefühle nicht erstorben, und die edlen Jünglinge machten denselben Eindruck auf sie, den die Jungfrauen auf jene gemacht hatten. Das unauflösliche Band reiner Liebe schloß sich in der Folge unter ihnen und knüpfte sich mit jedem Tage fester. Die drei Brüder erbauten auf jener Stelle eine stattliche Burg, und nannten sie Minneburg. Lange lebten sie dort mit ihren holdseligen Frauen im glücklichsten Vereine; erst viele Jahre nachher verschwand auch ihr Name aus den Registern der edlen Geschlechter des Neckarthals. Zum ewigen Gedächtniß ließen die Ritter das Windspiel, welches sie zu den Einsiedlerinnen geleitet hatte, in Stein aushauen. Noch vor wenig Jahren behauptete dieses Denkmal der Erkenntlichkeit seine Stelle auf dem hohen Portale über der Einfahrt zum Minneberg; allein rohe Hände haben es entwürdigt und an der Ziegelhütte unten im Thale bei dem Dörfchen Guttenbach, [592] über einer Stallthüre, in eine ärmliche Lehmwand eingemauert.[1]

(S. „Badische Wochenschrift.“ Jahrg. 1807. Nro. 5. Seite 73).

Die beiden vorstehenden Sagen haben einem jungen Dichter den Stoff zu einem größeren Gedichte geliehen, welches unter dem Titel: „Die Sage vom Minneberg des Neckarthals, ein Romanzenkranz von Fr. Ernst, mit Umrissen und einer Musikbeilage von L. Hetsch,“ in Stuttgart bei Ebner und Seubert erschienen ist.


  1. Denkwürdig ist, daß, vor nicht gar langer Zeit, ein Einsiedler von unbekannter Herkunft, aber ungemeiner Bildung, sich in den Ruinen der Minneburg eine freundliche Wohnstätte bereitete[WS 1] und den Platz mit Blumenbeeten und Gesträuchen sehr anmuthig ausschmückte. Nachdem er vierzehn Jahre lang in strenger Weltabgeschiedenheit in dieser romantischen Wohnung gelebt hatte, verschied er, doch ist es bisher stets unbekannt geblieben, wer er gewesen. Nach seinem Tode verwilderten die hübschen Anlagen wieder und der Muthwille zerstörte sie vollends. Jetzt gehört die Burg dem Fürsten von Leiningen
    (S. „Universallexikon vom Großherzogthum Baden etc.“ Karlsruhe 1844. Maklot.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: bereitetete