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Walther Kabel: Abenteuer mit einem Bienenschwarm (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 8)

der Hand noch ganz schlaftrunken die Mütze beiseite schob, wurde er von einem Insekt, das sich bei näherem Hinsehen als eine Biene entpuppte, in den Zeigefinger gestochen. Durch den Schmerz des Stiches völlig ermuntert, wollte er sich schon zu sitzender Stellung aufrichten, hob aber zunächst zu seinem Glück nur etwas den Kopf und schaute auf seine Beine herab, von denen ihm das rechte, welches er zu gebeugter Lage hochgezogen hatte, mit einem fremden Gegenstande beschwert zu sein schien.

Mit Entsetzen bemerkte er, daß sich auf seinem rechten Knie ein ganzer Bienenschwarm niedergelassen hatte und in einer großen Traube fast bis zum Erdboden herabhing. Das schwärmende Bienenvolk hatte eben diese höchste Erhebung in der Umgebung seiner Gewohnheit gemäß zum vorläufigen Ruhepunkt erkoren.

Die Lage des Mannes konnte kaum übler sein. Er wußte genau, daß die geringste Bewegung von ihm die Bienen aufscheuchen mußte, die dann sicher über ihn hergefallen wären. Daher verhielt er sich zunächst längere Zeit völlig still und überlegte, wie er sich ohne Gefahr für sein Leben von diesem gefährlichen Besuch am besten befreien könnte.

Endlich hatte er sich zu einem Entschluß durchgerungen, und die Art, wie er die stachelbewehrte Nachbarschaft loswurde, stellt seiner Geistesgegenwart das beste Zeugnis aus. Da er wußte, daß die Bienen mit Rauch leicht zu vertreiben sind, und auch ein leiser Wind von rechts herüberwehte, nahm er zuerst aus seiner Jaketttasche, indem er den rechten Arm nur immer millimeterweise mit größter Vorsicht bewegte, einige Phosphorzündhölzchen heraus und legte sie möglichst weit entfernt von sich auf den Boden. Dann begann er mit derselben Behutsamkeit und stets unter Vermeidung jeder Erschütterung seines Körpers langsam das trockene Gras, so weit er mit der rechten Hand reichen konnte, auszurupfen und zu einem Haufen aufzuschichten. Doch oft genug mußte er bei dieser Arbeit innehalten, da die argwöhnischen Bienen lebhafter hin und her flogen und das Anwachsen des Grashaufens in ihrer Nähe mißtrauisch zu beobachten schienen.

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Walther Kabel: Abenteuer mit einem Bienenschwarm (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 8). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abenteuer_mit_einem_Bienenschwarm.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)