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August (ihm in’s Wort fallend). Wen Sie auch geliebt haben mögen – es war nur ein Mädchen!

Graf. Was ist denn die Mademoiselle Sternfeldt?

August. Eine Künstlerin, mein Vater! Eine Künstlerin liebt man nicht mit einem Herzen, man liebt sie mit tausenden! – Wollt’ ich die neckisch lächelnde „Cappriciosa“ vergessen, so taucht das Bild der romantischen „Corona“ vor mir auf:

„Und wollt’ ich auch Corona’s Bild vernichten,
Schwebt mir die himmlische „Griseldis“ vor,
Wer sonst nur spricht, muß bei Sophien dichten! –
Sie führt’ ihn durch das goldne Musenthor.“

Graf. Du machst ja Verse?

August. Unwillkürlich!

Graf. Komm einmal zu Dir selber! Angenommen, Du könntest diese Dame mit ihrer dramatischen Vielseitigkeit heirathen – würdest Du verlangen oder gar erwarten, daß Deine Frau in Deinem Hause alle die Rollen fortspielen sollte, durch welche Dich die Künstlerin entzückte?

August. Allerdings würd’ ich das, und zwar auf folgende Weise. Des Morgens klopft’ ich an und sagte: „Guten Morgen, Griseldis!“ dann hätt’ ich den ganzen Tag hindurch die sanfteste, demüthigste Frau von der Welt; – klopft’ ich an und sagte: „Guten Morgen, Gurli!“ so wäre sie ein neckisch lächelndes Kind, das mir tausend Späße machte. (Heftiger) Klopft’ ich aber an und sagte: „Guten Morgen, Julia!“ – so wär’ ich Romeo! – o, mein Vater, Sophie kann nicht so langweilig seyn als andre Frauen, es ist nicht möglich!

Graf. Ich sehe, daß Dein Kopf verwirrter ist, als ich selbst es dachte. Bleib’ bei mir, in der frischen Bergluft, und kehre für’s Erste nicht wieder in die Residenz, vor Allem nicht in das Schauspielhaus zurück. Gewöhne Dich an den Klang unsrer Hörner, hole Dir wieder rothe Backen, gewinne die Natur wieder lieb.

August. Die Kunst ist die Combination des Schönen in der Natur, und ist die Natur des ewig Schönen zugleich –

Graf (ihm in’s Wort fallend). Und der Hengst ist jetzt gesattelt und wartet auf Dich! Geh’, und mache einen Spazierritt in’s Freie!

Empfohlene Zitierweise:
Clementine Schrader: Der Hohlweg. Lustspiel in einem Akt. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1843, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clementine_Schrader_-_Der_Hohlweg_(1843).pdf/7&oldid=- (Version vom 20.6.2023)