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1832 nach Flinders Insel transportirt wurden. Diese zwischen Tasmanien und Australien gelegene Insel ist vierzig Meilen lang und von zwölf bis achtzehn Meilen (engl.) breit; sie scheint gesund zu sein, und die Eingebornen wurden gut behandelt. Nichtsdestoweniger litt ihre Gesundheit bedeutend. Im Jahre 1834 (Bonwick, p. 250) bestanden sie noch aus siebenundvierzig erwachsenen Männern, achtundvierzig erwachsenen Frauen und sechzehn Kindern, oder im Ganzen aus 111 Seelen. Im Jahre 1835 waren nur noch einhundert übrig. Da ihre Abnahme reissend fortschritt und da sie selbst glaubten, wo anders nicht so schnell auszusterben, wurden sie 1847 nach Oyster Cove im südlichen Theile von Australien zurückgebracht. Damals (20. Dec. 1847) waren es noch vierzehn Männer, zweiundzwanzig Frauen und zehn Kinder.[1] Aber die Veränderung des Aufenthalts that ihnen nicht gut, Krankheit und Tod verfolgte sie noch immer, und 1864 lebten nur noch ein Mann (welcher 1869 starb) und drei ältere Frauen. Die Unfruchtbarkeit der Frauen ist eine selbst noch merkwürdigere Thatsache, als die Neigung zu Krankheit und Tod. In der Zeit, als in Oyster Cove nur neun Frauen übrig waren, sagten sie Mr. Bonwick (p. 386), dass nur zwei jemals Kinder geboren hätten: und diese zwei hatten zusammen nur drei Kinder gehabt!

In Bezug auf die Ursache dieses ausserordentlichen Verhaltens macht Dr. Story die Bemerkung, dass den Versuchen, die Eingebornen zu civilisiren, der Tod gefolgt sei. „Wären sie sich überlassen gewesen, nach ihrer Gewohnheit herumzuschweifen, und nicht gestört worden, so würden sie mehr Kinder erzeugt haben und die Sterblichkeit wäre geringer gewesen“. Ein andrer sorgfältiger Beobachter der Eingebornen, Mr. Davis, bemerkt: „Geburten gab es nur wenige und Todesfälle waren zahlreich. Dies mag in grossem Maassstabe Folge der Aenderung ihrer Lebens- und Nahrungsweise gewesen sein; aber noch mehr Folge ihrer Verbannung von der Hauptinsel von Van Diemen’s Land und der daher rührenden Niedergeschlagenheit ihrer Gemüther“ (Bonwick, p. 388, 390).

Aehnliche Thatsachen sind in zwei weit geschiedenen Theilen von Australien beobachtet worden. Der berühmte Forschungsreisende Gregory sagte Mr. Bonwick, dass „bei den Schwarzen bereits der Mangel


  1. Dies ist die Angabe des Gouverneurs von Tasmanien, Sir W. Denison, Varieties of Vice-Regal Life. 1870. Vol. I, p. 87.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/255&oldid=- (Version vom 31.7.2018)